7106/J XXIV. GP

Eingelangt am 13.12.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend fortgesetztes Scheitern des BMVIT bei der Erstellung einer zeitgemäßen Eisenbahnkreuzungs-Verordnung und die Gefährdung von Neben-/Regionalbahnen durch überzogene Regelungen für Eisenbahnkreuzungen

 

 

Seit vielen Jahren wird von Fachleuten des Straßen- und Eisenbahnbereiches eine zeitgemäße Eisenbahnkreuzungs-Verordnung gefordert. Die derzeit geltenden Bestimmungen sind fast fünfzig Jahre alt und entsprechen über weite Strecken nicht mehr den aktuellen Sicherheitsstandards. Trotz dramatischer Unfallereignisse und einer auch europaweit betrachtet extrem blutigen Unfallbilanz an Eisenbahnkreuzungen in den vergangenen Jahren gab es hier rechtlich überhaupt keine Weiterentwicklung. Die letzte Änderung der Eisenbahnkreuzungs-Verordnung erfolgte 1988, seither geschah gar nichts.

 

Nach mehreren gescheiterten Versuchen für eine Neuregelung schickte das Verkehrsministerium im Dezember 2009 (kurz vor Weihnachten) einen Entwurf für eine neue Eisenbahnkreuzungs-Verordnung in Begutachtung. Dieser Entwurf sorgte für beträchtlichen Wirbel: Nach übereinstimmender Reaktion der Betroffenen wurden die neuen Regelungen überfallsartig und ohne Diskussion mit den betroffenen Eisenbahnen und Straßenerhaltern ausgesendet. Die finanzielle Absicherung für die neuen Bestimmungen wurde vorher nicht einmal andiskutiert. Im Wesentlichen wurde im Entwurf vorgeschrieben, dass fast 2000 Eisenbahnkreuzungen innerhalb von zehn Jahren mit Schranken und/oder Lichtsignalen technisch aufzurüsten wären. Nach Schätzungen der Betroffenen – verlässliche Zahlen aus dem BMVIT gab es nicht – hätten die Vorschriften der neuen Eisenbahnkreuzungs-Verordnung die Eisenbahnen und Straßenerhalter zwei bis vier Milliarden Euro (!) gekostet.

 

Nach dem anschließenden entsprechenden Fiasko beim Begutachtungsverfahren ist es um den Entwurf dann sehr still geworden; offiziell war von einer „Auswertung der Stellungnahmen“ und von einer „Einarbeitung der Stellungnahmen“ zu hören, danach sollte eine „breite Diskussion“ aller Betroffenen erfolgen.

 

Mittlerweile verdichten sich aber Informationen darüber, dass der seinerzeit versendete Entwurf für eine neue Eisenbahnkreuzungs-Verordnung im Dezember 2010 (also wieder einmal kurz vor Weihnachten) vom BMVIT ohne wesentliche Änderungen und ohne weitere Diskussion ganz einfach erlassen werden soll. Dies soll in einer kleinen, diskreten Arbeitsgruppe zwischen Verkehrsministerium und ÖBB bereits vorbereitet werden.

 


Dem Vernehmen nach wäre das ÖBB-Management über ein derartiges Vorgehen gar nicht so unglücklich, weil mit einem „Kostentreiber Eisenbahnkreuzungen“ die nach dem Kahlschlag in Niederösterreich stockende Nebenbahndiskussion endlich beschleunigt werden könnte. Die nach dem Entwurf technisch aufzurüstenden Eisenbahnkreuzungen befinden sich zum Großteil auf diesen Neben-/Regionalbahnstrecken, sodass diese mit der vorgesehenen Kostenkeule bequem erschlagen und anschließend flächendeckend als „leider unrentabel“ zugesperrt werden können. Auch einigen Privatbahnen würde bei einem derartigen Kostentreiber sicherlich die Luft ausgehen, womit lästige Konkurrenz und Förderungswerber bequem aus dem Markt gedrängt werden könnten.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.       Nach dem Fiasko beim Begutachtungsverfahren für die neue Eisenbahnkreuzungs-Verordnung im Dezember 2009 kündigte das BMVIT eine sorgfältige „Auswertung der Stellungnahmen“ und eine „breite Diskussion“ aller Beteiligten an.

a)         Ist die Auswertung der Stellungnahmen zum Entwurf im Dezember 2009 bereits abgeschlossen?

b)         Falls ja, welches Ergebnis hat die Auswertung der Stellungnahmen ergeben? Wir ersuchen um Übermittlung der entsprechenden Unterlage.

c)         Hat die breite Diskussion mit allen Beteiligten, also zumindest mit den Eisenbahnen und Straßenerhaltern, bereits stattgefunden?

d)         Falls ja, wann und mit welchen TeilnehmerInnen?

e)         Falls ja, was hat diese Diskussion ergeben und welche Änderungsvorschläge wurden daraufhin in den EKVO-Entwurf eingearbeitet?

f)          Falls nein, bis wann wird die breite Diskussion mit allen Beteiligten stattfinden?

 

2.       Ein besonders peinlicher Schwachpunkt des Entwurfes vom Dezember 2009 war, dass für die vorgesehenen Maßnahmen trotz erforderlicher Aufwendungen in Milliardenhöhe nicht einmal eine grobe Kostenschätzung vorgelegt werden konnte. Ebenso blieb die Finanzierung dieser enormen Kosten bisher völlig ungelöst.

a)      Gibt es mittlerweile eine seriöse Kostenschätzung für die vorgeschriebenen Maßnahmen?

b)      Falls ja, welche Kosten werden für die vorgeschriebenen Maßnahmen anfallen (um gesonderte Aufschlüsselung von Projektierungskosten, Verfahrenskosten, Errichtungskosten und Erhaltungskosten wird ersucht)?

c)      Welcher Kostenanteil wird auf die Eisenbahnen entfallen (um gesonderte Aufschlüsselung zwischen ÖBB und Privatbahnen wird ersucht)?

d)      Welcher Kostenanteil wird auf die Straßenerhalter entfallen (um gesonderte, zumindest summarische Aufschlüsselung der auf Länder und Gemeinden entfallenden Anteile wird ersucht)?

e)      Falls die Antwort auf 2a „nein“ lautet, bis wann kann mit einer seriösen Kostenschätzung für die Aufwendungen in Milliardenhöhe gerechnet werden?

f)       Welche Finanzierungskonzepte wurden für die Aufwendungen in Milliardenhöhe erarbeitet?

 

3.       Es wäre ein unglaublicher Affront, würde der vor einem Jahr völlig zerzauste Entwurf jetzt ohne weitere Diskussion und ohne eindeutige finanzielle Grundlagen kurz vor Weihnachten überfallsartig erlassen.

a)      Können Sie ausschließen, dass der seinerzeitige Entwurf für eine neue Eisenbahnkreuzungs-Verordnung im Dezember 2010 (also wieder einmal kurz vor Weihnachten) vom BMVIT ohne wesentliche Änderungen und ohne weitere Diskussion ganz einfach erlassen wird?


b)      Werden Sie sicherstellen, dass nicht der völlig zerzauste Entwurf vom Dezember 2009 durchgezogen wird, sondern stattdessen ein ordentlich überarbeiteter Entwurf mit seriöser Kostenschätzung vorgelegt und anschließend darüber ein ordentliches Begutachtungsverfahren durchgeführt wird?

c)      Wenn nein, warum nicht?

 

4.       Was können Sie dem Eindruck entgegenhalten, dass von Kreisen Ihres Hauses gezielt versucht wird, mit einer Eisenbahnkreuzungsverordnung der extrem teuren Art für einen „Kostentreiber Eisenbahnkreuzungen“ zu sorgen, womit ÖBB-Interessen in die Hände gearbeitet wird, die stockende Diskussion über die Stilllegung weiterer Neben-/Regionalbahnstrecken auf diesem Weg mit der finanziell „leider unumgänglichen“ Stilllegung möglichst aller derartiger Strecken abzuschließen und damit „nebenbei“ auch lästigen ÖBB-Konkurrenten (und Förderungswerbern) aus dem Privatbahnbereich finanziell die Luft abzudrücken?

 

5.       Wie erklären Sie den Widerspruch zwischen dieser von Kreisen Ihres Hauses gezielt betriebene Strategie und Ihren begrüßenswerten verkehrspolitischen Zielen – zB Verlagerung auf die Schiene, Sicherung von Mobilitäts-Alternativen zum teuren Kfz nicht zuletzt für Frauen und Ältere – laut Regierungsübereinkommen und Medien-Aussagen?