7424/J XXIV. GP

Eingelangt am 20.01.2011
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend die sinnlose Verteuerung des Verkehrsträgers Eisenbahn durch freiwillige Kostentreiber

 

 

Die österreichische Verkehrspolitik und die österreichische Eisenbahnwirtschaft versprechen seit vielen Jahren eine Verbesserung des Leistungsangebots auf der Schiene, verbesserte Fahrzeiten, verbessertes Wagenmaterial und attraktivere Fahrpläne. In die Umsetzung dieses immer wieder erneuerten Versprechens werden jährlich Steuergelder in Milliardenhöhe investiert.

Die BahnbenützerInnen haben aber nicht immer den Eindruck, dass diese beträchtlichen Summen vorwiegend in ihrem Interesse ausgegeben werden.

 

Ein wesentlicher Anteil des Eisenbahnbudgets wird für die Planung und Errichtung von Neubauprojekten aufgewendet. Es ist für die SteuerzahlerInnen daher nicht gleichgültig, nach welchen technischen Vorgaben - und daher um welche Kosten - diese Neubauprojekte geplant und errichtet werden. Vor allem sollten nicht finanzielle Mittel für den Bahnbetrieb (Wagenmaterial, Fahrpläne, Pünktlichkeit, Zugbegleiter) ausgedünnt und umgeschichtet werden, um dafür Neubauprojekte noch aufwändiger und kostenintensiver ausführen zu können. So hat ja auch das neue ÖBB-Management bzw. seine Spitze in den letzten Wochen und Monaten immer wieder versichert, dass bei den Österreichischen Bundesbahnen alle Kosten rigoros durchleuchtet werden. Dabei sollen künftig staatliche Zuschüsse zum Bahnbetrieb insbesondere an die Kundenzufriedenheit und an eine Verbesserung der Betriebsqualität gebunden werden.

 

Nun wurde bekannt, dass die ÖBB Infrastruktur Aktiengesellschaft gemeinsam mit einem externen Verein, der „Forschungsgesellschaft Straße und Verkehr“ (FSV), neue Planungsparameter für Eisenbahnbauwerke, und zwar wesentlich aufwändiger als bisher, in Richtlinien festlegen will. Diese ÖBB-FSV-Richtlinien gehen über die europäischen und österreichischen Bauvorschriften weit hinaus, die Umsetzung ist daher auch entsprechend teuer. Ein kostenintensiver Klassiker ist in diesem Zusammenhang der Gleisabstand, der nach europäischen und österreichischen Bauvorschriften 4,0 Meter betragen muss, von den Österreichischen Bundesbahnen aber schon bisher in internen ÖBB-Bauvorschriften freiwillig auf 4,7 Meter erweitert wurde (also fast 20 Prozent „freiwilliger Zuschlag“) und in den ÖBB-FSV-Richtlinien jetzt mit 4,7 Metern (oder noch mehr) „einbetoniert“ werden soll.


Auffällig ist, dass das Konzept, für die steuerzahlende Allgemeinheit letztlich extrem teuer kommende „Festschreibungen“ kostenerhöhender Bauvorschriften über den Umweg scheinbar rein fachlich motivierter, bindender ÖBB-FSV-Richtlinien in der Vergangenheit bereits zwei Mal scheiterte: Einmal unter ÖBB-Chef Huber, einmal unter ÖBB-Chef Klugar wurde - jeweils nach einer Überprüfung durch externe Spezialisten (EBP/Ernst Basler und Partner) – dieser Weg als massiver Kostentreiber verworfen.

Dennoch soll dieser Plan jetzt aber offenbar gegen alle Widerstände doch noch ein weiteres Mal aufgewärmt werden.

Große Zufriedenheit über diesen Kostenschub beim Eisenbahnbau herrscht natürlich bei der Bauwirtschaft und bei der Planerlobby.

 

Unter Eisenbahnfachleuten und aus dem Blickwinkel der SteruerzahlerInnen wird hingegen befürchtet, dass hier beträchtliche Zusatzkosten ohne jeden Zusatznutzen (= Nutzen abseits der Bau- und Planerlobby) verbaut werden und dieses Geld dann beim Bahnbetrieb und bei den Fahrgästen (mit schlechterem Wagenmaterial, noch mehr Langsamfahrstellen, einer weiteren Ausdünnung der Fahrpläne, einer reduzierten Personalbesetzung in den Personenzügen usw.) wiederum eingespart werden „muss“.

Mit den Ankündigungen des ÖBB-Managements zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und zur Bindung der staatlichen Zuschüsse an die Kundenzufriedenheit passt dies nicht wirklich zusammen.

 

Für die Erarbeitung der ÖBB-FSV-Richtlinien bei der Forschungsgesellschaft Straße und Verkehr (FSV) werden seitens der ÖBB Infrastruktur AG auch reihenweise ÖBB-Techniker abgestellt. Auch das passt mit den Ankündigungen des ÖBB-Managements nicht wirklich zusammen, wonach Einsparungen bei den Österreichischen Bundesbahnen insbesondere im Verwaltungsbereich erfolgen sollen. Die Abstellung beträchtlicher personeller Ressourcen an einen privaten Verein für entbehrliche Aktivitäten im Interesse von „Freunderl“ aus diversen Lobbies lässt im Gegenteil unveränderte Überkapazitäten im Verwaltungsbereich vermuten.

 

Besonders eigenartig wirkt in diesem Zusammenhang aber auch die zurückhaltende Rolle des BMVIT, das der ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft eigentlich beim Geldausgeben auf die Finger schauen müsste und sinnlose Kostentreiber sofort abzustellen hätte.

 

Seit vielen Jahren muss leider im Eisenbahnbereich die lückenhafte bzw. originelle Erfüllung der legistischen Aufgaben des BMVIT festgestellt und (u.a. auch vom Rechnungshof) kritisiert werden. Ein typisches Beispiel dafür ist das jahrelange Hin und Her um die Erstellung einer zeitgemäßen Eisenbahnkreuzungs-Verordnung.

Es entsteht der Eindruck, dass nun die Bauwirtschaft über ihre Gewährsleute in der ÖBB-Infrastruktur AG und im BMVIT genau in dieses Regelungsvakuum vorstößt und sich mit den ÖBB-FSV-Richtlinien ihre eigenen (kostenintensiven) Spielregeln schaffen will.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.    Die technischen Anforderungen an Bahnanlagen werden bereits durch eine Vielzahl von Regelungen und Normen aus Europa und Österreich vorgegeben, daneben gibt es noch jede Menge interne Bauvorschriften der Österreichischen Bundesbahnen.

Halten Sie es für erforderlich, neben dieser beträchtlichen Regelungsflut jetzt auch noch zusätzlich ÖBB-FSV-Richtlinien zu produzieren?


2.    Die Forschungsgesellschaft Straße und Verkehr (FSV) ist ein privater Verein, der bisher noch nicht wirklich als Eisenbahn-Spezialist aufgefallen ist.

a) Wieso soll gerade diesem privaten Verein eine umfangreiche Regelungstätigkeit auf dem Gebiet der Eisenbahntechnik de facto übertragen werden?

b) Wodurch ist gerade dieser Verein für eine De-Facto-Regelungstätigkeit auf dem Gebiet der Eisenbahntechnik besonders qualifiziert?

 

3.    Dem Vernehmen nach wird die Forschungsgesellschaft Straße und Verkehr (FSV) für ihre Regelungstätigkeit auf dem Gebiet der Eisenbahntechnik von der ÖBB Infrastruktur AG auch finanziell kräftig unterstützt.

a) Mit welchem Betrag wird die Forschungsgesellschaft Straße und Verkehr (FSV) von der ÖBB Infrastruktur AG unterstützt?

b) Für welche Aufwendungen wird die Forschungsgesellschaft Straße und Verkehr (FSV) von der ÖBB Infrastruktur AG unterstützt?

c) Halten Sie es für zulässig und zweckmäßig, wenn die großteils aus Steuergeldern finanzierte ÖBB Infrastruktur AG einen privaten Verein subventioniert, damit dieser unter dem Anstrich neutraler, unbeeinflusster Wissenschaftlichkeit kostenintensive Regelungen für die Eisenbahntechnik produziert?

 

4.    Wird die Forschungsgesellschaft Straße und Verkehr (FSV) auch vom BMVIT finanziell unterstützt?

a) Falls ja – mit welchem Betrag wird die Forschungsgesellschaft Straße und Verkehr (FSV) vom BMVIT für welche konkreten Aufgaben/Zwecke/Aktivitäten unterstützt? Wir bitten um Angabe im einzelnen für die Jahre 2008, 2009, 2010 und soweit bereits beschlossen für 2011.

b) Falls ja – welchen Nutzen verspricht sich das BMVIT von dieser finanziellen Unterstützung im einzelnen?

 

5.    Es entsteht der Eindruck, dass in Österreich im Eisenbahnbereich um Steuergeld teurer gebaut wird als notwendig und das bisher auch noch durch ÖBB-interne Bauvorschriften abgesichert wurde. Diese internen Bauvorschriften sollen jetzt offensichtlich in ÖBB-FSV-Richtlinien umgeschrieben und damit „einbetoniert“ werden.

a) Können Sie ausschließen, dass die (bisherigen) ÖBB-Bauvorschriften und (zukünftigen) ÖBB-FSV-Richtlinien einen vermeidbaren zusätzlichen Aufwand und daher vermeidbaren zusätzlichen Kostenschub für den Eisenbahnbau bedeuten?

b) Falls ja – wie bewerten Sie dann beispielsweise den 20-Prozent-Zuschlag alleine beim Gleisabstand (4,70 statt 4,00 Meter) gegenüber den europäischen und österreichischen Bauvorschriften?

c) Falls nein – was werden Sie hier im Interesse der SteuerzahlerInnen gegen zusätzliche Kostentreiber unternehmen?

d) Was hat Ihnen der zuständige Staatskommissär wann in dieser Angelegenheit konkret berichtet?

 

6.    Es ist zu befürchten, dass die für einen verteuerten Bauaufwand aufzubringenden finanziellen Ressourcen dann beim Bahnbetrieb und bei den Fahrgästen (mit schlechterem Wagenmaterial, noch mehr Langsamfahrstellen, einer weiteren Ausdünnung der Fahrpläne, einer reduzierten Personalbesetzung in den Personenzügen usw.) wiederum eingespart werden „müssen“.

a) Können Sie ausschließen, dass durch die Erstellung der ÖBB-FSV-Richtlinien finanzielle Ressourcen gebunden werden, die dann beim Bahnbetrieb und bei den Fahrgästen wiederum eingespart werden?

b) Falls nein – was werden Sie unternehmen?

c) Was hat Ihnen der zuständige Staatskommissär wann in dieser Angelegenheit konkret berichtet?

 

7.    Dem Vernehmen nach wird die Forschungsgesellschaft Straße und Verkehr (FSV) von der ÖBB Infrastruktur Aktiengesellschaft auch personell durch die Abstellung beträchtlicher personeller Ressourcen (ÖBB-Techniker) unterstützt.

a) Wozu muss ein eigener Verein mit erheblichen zusätzlichen Kosten zwischengeschaltet werden, wenn dort dann ohnehin wiederum die ÖBB-Techniker arbeiten?

b) Gibt es bei der ÖBB Infrastruktur Aktiengesellschaft personelle Überkapazitäten im Technikbereich, sodass die Abstellung der Techniker nicht ins Gewicht fällt?

c) Falls ja – was werden Sie als Eigentümervertreterin unternehmen?

d) Was hat Ihnen der zuständige Staatskommissär wann in dieser Angelegenheit konkret berichtet?

 

8.    Seit vielen Jahren wird – unter anderem vom Rechnungshof - die lückenhafte bis eigenwillige Erfüllung der legistischen Aufgaben des BMVIT kritisiert. Ein besonders negatives Beispiel dafür ist das jahrelange Hin und Her um die Erstellung einer zeitgemäßen Eisenbahnkreuzungs-Verordnung. Es entsteht der Eindruck, dass nun die Bauwirtschaft über ihre Gewährsleute in der ÖBB-Infrastruktur AG und im BMVIT genau in dieses Regelungsvakuum vorstößt und sich mit den ÖBB-FSV-Richtlinien ihre eigenen (kostenintensiven) Spielregeln schaffen will.

a) Wieso werden die wesentlichen Bauregelungen nicht in der Eisenbahn-Bauverordnung (EisbBBV) festgelegt, sodass man auf kostenintensive Zusatzregelungen in ÖBB-Bauvorschriften und ÖBB-FSV-Richtlinien verzichten kann?

b) Halten Sie es für eine sinnvolle Entwicklung, wenn sich bestimmte Interessensgruppen die sie betreffenden Regelungen selber schreiben, während sich das BMVIT gleichzeitig aus seinen legistischen Aufgaben zurückzuziehen sucht?

c) Halten Sie es für tragbar, dass die „Regelungshoheit“ über die Eisenbahntechnik (und damit auch die „Kostenhoheit“!) an einen privaten Verein ausgelagert wird?

 

9.    Werden Sie dafür sorgen, dass der für die SteuerzahlerInnen teure und auch für die Bahn-Fahrgäste - aufgrund der dadurch verursachten Bindung großer Teile der begrenzten Finanzmittel für nicht kundenorientierte Maßnahmen - letztlich nachteilige Weg der „ÖBB-FSV-Richtlinien“ umgehend verlassen und beendet wird?

 

10.  Wenn nein, warum nicht?