7677/J XXIV. GP
Eingelangt am
15.02.2011
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend BMVIT aktiv - Eisenbahn-Publikationen statt Eisenbahn-Sicherheit
Krisenzeiten sind u.a. dadurch gekennzeichnet, dass sich Menschen Trost durch verklärte Blicke in die scheinbar "gute alte Zeit" verschaffen. Dies könnte erklären, warum zuständige Stellen des BMVIT drängende Bahn-Sicherheitsfragen trotz durch Aufgabenübertragung frei gewordenen Kapazitäten seit Jahren nicht lösen, hingegen Herausgabe von oder Mitwirkung an romantischen Retro-Geschichten wie "Sissi auf Schienen" und Schmökern zu oft schon eingestellten Nebenbahnen scheinbar Priorität genießen. Grundsätzlich wären BMVIT-Publikationen im Eisenbahnbereich zu begrüßen, sollten sich aber eher den drängenden, lange bekannten Problemen von Gegenwart und Zukunft der Eisenbahn widmen. Es scheint jedoch geradezu der Schwerpunkt der Eisenbahn-(Publikations-)Tätigkeit des Ressorts bei der Eisenbahngeschichte des 19. Jahrhunderts zu liegen, der fest in die Vergangenheit gerichtete Blick hilft dabei möglicherweise, aktuelle Probleme leichter verdrängen zu können. Die Herausgeberschaft aus dem BMVIT beschränkt sich dabei nicht nur auf Aufsätze über eingestellte Nebenbahnen, auch Themen wie Aufmärschen zu verlorenen Feldzügen 1859 und 1866 wird breiter Raum gegeben, selbst der Übergang "Vom Landesfürstlichen zu Staatskommissär in der Aufsicht über Eisenbahnunternehmen" trägt zu einem zumindest teilweise auf Kosten der SteuerzahlerInnen entstandenen 600-Seiten-Ding bei.
Dass Publikationen der erwähnten Art nicht zuletzt im Bereich der Unternehmen und Sondergesellschaften im Aufsichtsbereich des BMVIT Absatz finden, musste zB in der Anfragebeantwortung 2488/AB XXII. GP vom 11. März 2005 zugegeben werden: Publikationen, unter deren HerausgeberInnen bzw. AutorInnen im BMVIT beschäftigte Beaufsichtiger von BMVIT-nahen Unternehmen sind, werden von ebendiesen beaufsichtigten Unternehmen angekauft und zu speziellen Anlässen verschenkt - ein interessanter Zustand. Neben dieser unschönen Optik sind Umfang und auffallend große Zahl einschlägiger Publikationen bemerkenswert. Die vom BMVIT abhängigen Staatsbetriebe und deren Auftragnehmer als eifrige Sponsoren werden teilweise mehrmals pro Jahr mit Hochglanz-Werken behelligt, deren Inhalt wohl einige Eisenbahnfreunde interessieren mag, für Gegenwart und Zukunft der Eisenbahn aber kaum Bedeutung hat.
Dabei kommt es zu auffälligen zeitlichen und finanziellen Zusammenhängen. Ein Beispiel:
Der letzte, in Fachkreisen als unfinanzierbar und unbrauchbar erkannte Entwurf für eine neue EKVO (Eisenbahnkreuzungs-Verordnung) sollte einerseits den ÖBB in Form hoher Kosten für EK-Sicherung Ausreden für das gewünschte Stilllegen von Nebenbahnen samt hunderten EKs liefern und andererseits dort, wo dieses Stilllegen zB wegen des Widerstands der Fahrgäste oder der Regionalpolitik nicht „durchgeht“, wenigstens der spezialisierten elektrotechnischen Industrie durch massive Aufträge für fachlich größtenteils nicht erforderliche Sicherungsanlagen dienlich sein.
Nahezu zeitgleich mit diesem Verordnungsentwurf wurde eine unter maßgeblicher Beteiligung aus den BMVIT-Eisenbahn-Stellen entstandene Buchpublikation "Allerhöchste Eisenbahn, 170 Jahre Nordbahn Wien-Brünn", Hrsg. Artl/Gürtlich/Zenz, Wien, November 2009) von eben jener auf Bahn-Sicherungstechnik spezialisierten elektrotechnischen Industrie substanziell gefördert (siehe letzte Innenseite).
Der kurz darauf ausgesandte Entwurf für eine neue Eisenbahnkreuzungsverordnung hätte Aussagen von Experten zufolge ebendieser Branche Aufträge im Bereich dreistelliger Millionen- bis zu Milliardenbeträgen gebracht.
Die Annahme von Sponsorengeldern nur einen Monat vor der Aussendung eines „passenden“ Verordnungsentwurfs ist von der Optik her interessant und zumindest instinktlos.
Es handelt sich bei diesen Sponsoring-Beziehungen allerdings eher um langjährige Praxis als um einen Einzelfall, wie folgende Publikationsliste aus dem BMVIT zeigt:
· 2008 - Mit Volldampf in den Süden (Südbahn)
Unterstützung der Drucklegung: Thales, BMVIT, Kühne+Nagel, Express Interfracht, ÖBB Infrastruktur Bau, ÖBB Infrastruktur Betrieb, Porr, GySEV, SCHIG, Siemens, GKB. Unterstützung 2. Auflage: Thales
· 2008 - Über den Saurüssel zur Großen Mühl (Mühlkreisbahn)
Unterstützung: BMVIT, Land Oberösterreich, ÖBB Holding, ÖBB Infrastruktur Bau, ÖBB Infrastruktur Betrieb
· 2008 - Sisi auf Schienen
Unterstützung: BMVIT, ÖBB Holding, ÖBB Infrastruktur Bau, ÖBB Infrastruktur Betrieb
· 2009 - Allerhöchste Eisenbahn (Nordbahn)
Unterstützung: BMVIT, ÖBB Holding, ÖBB Infrastruktur Bau, ÖBB Infrastruktur Betrieb, Rail Cargo Austria, GKB, SCHIG, GySEV, Thales, Siemens, Porr
· 2010 - Zwischen Wald- und Weinviertel (Retz - Drosendorf)
Unterstützung: BMVIT, Land Niederösterreich, ÖBB Personenverkehr, VOR, NÖVOG
· 2010 - 140 Jahre Franz-Josef-Bahn, 900 Jahre erste urkundliche Erwähnung Ziersdorf
Unterstützung: BMVIT, ÖBB, vida
Aufmerksamen steuerzahlenden BürgerInnen, die sich mit diesbezüglichen Fragen kritisch an die Grünen wenden, fällt es sichtlich schwer, an reine Zufälligkeit zu glauben.
Einer Information der Bundesministerinnen Berger und Bures vom 21. Mai 2008 zum Strafrechtsänderungsgesetz 2008 (BGBl. I Nr. 109/2007) ist zu entnehmen, dass jeder Amtsträger strafbar ist, der für eine pflichtwidrige oder pflichtgemäße Handlung einen Vorteil annimmt. Sozial üblich sollte es gemäß dieser Information auch sein, selbst geringfügige Vorteile zurückzuweisen. Weiters stellten die Bundesministerinnen klar (Auszug):
„Unter einem Vorteil ist wie bisher Geld, eine körperliche Sache oder ein sonstiger Vermögenswert zu verstehen, sogar immaterielle Vorteile können gemäß dieser Information bedenklich sein.
Dies ist auch dann der Fall, wenn kein unmittelbarer Zusammenhang zu einem konkreten Amtsgeschäft hergestellt werden kann, sondern die Zuwendungen dazu dienen, Amtsträger ganz allgemein bzw. "für alle Fälle" "gewogen" zu stimmen (sogenanntes "Anfüttern").
Zum Begriff der Geringfügigkeit ist auf die Rechtsprechung des OGH zu verweisen. Nach der jüngsten - wenn auch nicht unmittelbar zu den Bestechungsdelikten ergangenen - Judikatur ist der Richtwert für die Geringwertigkeit mit rund € 100 beziffert (vgl. 11 Os 140/04).“
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE: