7915/J XXIV. GP

Eingelangt am 15.03.2011
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Exekutionsdaten – Korruption in der österreichischen Justiz?“

 

Die Tageszeitung Standard berichtete in seiner Ausgabe vom 04.03.2011 über „Korruption in der Justiz, 23 Beamte unter Verdacht.“ Zuvor hatte bereits der Züricher Tagesanzeiger berichtet, dass gegen zahlreiche österreichische Justizbeamte wegen illegaler Datenweitergabe an Wirtschaftsauskunfteien seit Monaten ermittelt werde. Hausdurchsuchungen wurden durchgeführt, in Oktober 2010 eine U-Haft verhängt, Disziplinarverfahren eingeleitet und Justizbeamte suspendiert. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt weiter. Bei den Auskunfteien handelt es sich u.a. um die „Kreditinform“ und „Deltavista GmbH“, deren Geschäftspraktiken in den letzten Jahren bereits von der ARGE Daten und AK-Konsumentenschützern heftig kritisiert wurden Deltavista hat nach bisherigem Informationsstand diese Exekutionsdaten von der Kreditinform erhalten. Ob noch weitere Wirtschaftsauskunfteien diese Daten erhalten haben, ist derzeit noch nicht bekannt. Dieser Datenmißbrauch in der Justiz war seit Jahren organisiert.

 

Dabei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass mit der Zivilverfahrensnovelle 2009 die Bestimmung des § 73a Exekutionsordnung (EO) aus guten Gründen ersatzlos gestrichen wurde. Damit wurde Rechtsanwälten, Notaren, Körperschaften öffentlichen Rechts die Möglichkeit entzogen, ohne Nachweis eines rechtlichen Interesses unbeschränkt in diese Exekutionsdaten Einsicht zu nehmen. Diese Änderung wurde in den erläuternden Bemerkungen zu dieser Novelle äußerst klar begründet. Exekutionsdaten wurden seit Jahren verkauft und sind so (angeblich seit 2001) illegal an einige Wirtschaftsauskunftsdateien geflossen.

Der Fragesteller hat im Jahr 2009 diese Novelle zur Exekutionsordnung (EO) im Justizausschuss und dann in der Plenardebatte ausdrücklich begrüßt:


„………………….Damit erfolgt eine datenschutzrelevante Regelung; es erfolgt eine Sicherung personenbezogener Exekutionsdaten gegen Missbrauch.

 

Ich habe es bereits im Ausschuss gesagt: Es geht dabei um Daten, zu denen besondere Personengruppen bei Gericht einen Zugriff hatten, nämlich Rechtsanwälte und Notare – und immer mehr dieser Daten fanden sich dann bei Bonitätsauskünften, insbesondere bei Auskunfteien……………….“ (Auszug).

Umso beunruhigender ist es für einen Rechtstaat, wenn trotz dieses Verbots MitarbeiterInnen der Justiz diese Daten illegal abrufen und weiterverkaufen konnten.

 

Bei der – nicht öffentlich einsehbaren – Exekutionsdatenbank werden Daten von allen gerichtlichen Exekutionsverfahren gegen Bürger gelistet. Dies unabhängig vom eigentlichen Ausgang eines Exekutionsverfahrens und unabhängig von der Richtigkeit dieser Daten. Hunderttausende Menschen in Österreich, deren persönliche Daten in dieser Exekutionsdatenbank enthalten sind, sind von dieser illegalen Praxis betroffen. Diese Exekutionsdaten wurden zudem von den Auskunftsdiensten verwendet, ohne vorher zu überprüfen, ob diese Daten auch tatsächlich stimmen. Dabei wurden auch falsche Daten übermittelt, die zu falschen Bonitätsauskünften führten, mit allen Nachteilen für die Betroffenen (z.B. Ausschluss von Verträgen). Letztendlich führte gerade dies auch zu mehreren Strafanzeigen und zum Einsatz der Strafverfolgungsbehörden.

 

Angesichts der großen Zahl von Betroffenen und auch in Hinblick auf die Vorhaben, großflächig Daten auf Vorrat zu sammeln und diese zu Strafverfolgungszwecken bereit zu stellen, ist es wohl von großem Interesse zu erfahren, wieso ein derartiger Datenmissbrauch über viele Jahre in der Justiz möglich war und unentdeckt blieb sowie welche Maßnahmen zur Unterbindung von Datenmissbrauch in der Justiz getroffen werden.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

Anfrage:

 

1.      Stimmt es, dass – trotz des Wegfalls von § 73 a EO – weiterhin ein unkontrollierter und illegaler Zugriff auf die Exekutionsdaten durch MitarbeiterInnen des Justizministeriums erfolgte, diese weiterverkauft und von Auskunfteien rechtswidrig für Bonitätsauskünfte etc. verwendet wurden?


2.      Sind rechtsgrundlose Datenabfragen als Missbrauch der Amtsgewalt zu beurteilen?

 

3.      Wie viele und welche MitarbeiterInnen des Justizministeriums hatten bislang Zugang zum Exekutionsregister?
Wie war der Zugang zu diesem Register überhaupt geregelt?
Wurde in den letzten Jahren die Zulässigkeit des Datenabrufs überhaupt kontrolliert?

 

4.      Gegen wie viele MitarbeiterInnen der Justiz wurde bis dato ein Disziplinarverfahren eingeleitet?
Wie ist der Stand dieser Verfahren?
Wie viele Personen wurden bis dato suspendiert?

 

5.      Gegenüber wie vielen MitarbeiterInnen des Justizministeriums wurde bis dato eine Strafanzeige erstattet (Amtsmissbrauch)?

 

6.      Waren neben MitarbeiterInnen des Justizministeriums auch andere Bedienstete öffentlich-rechtlicher Einrichtungen oder Körperschaften beteiligt?
Waren daran auch Rechtsanwälte, Notare, Richter oder sonstige Personen beteiligt (Wie viele Personen waren das jeweils)?

 

7.      Über welchen Zeitraum erfolgten diese rechtswidrige Zugriffe und missbräuchliche Datenverwendungen?

 

8.      Welche Ergebnisse und was ergaben die angekündigten Überprüfungen aller Datenabfragen durch das Justizministerium seit dem Jahr 2001?

 

9.      Ist es richtig, dass in der Vergangenheit ein großflächiges Absaugen von Exekutionsdaten – ohne spezifizierte Eingabe – möglich war?

Wenn ja, ist dies auch bei anderen Justiz-Registern möglich?

 

10.  In welchem Umfang erfolgte dieser rechtswidrige Datenabruf?
Wie viele Datensätze aus dem Exekutionsregister wurden in diesen Jahren illegaler Weise weitergegeben, wie viele Menschen waren davon betroffen (Aufschlüsselung auf Jahre)?

 


11.  Haben MitarbeiterInnen des Justizministeriums für diese Datenweitergabe von der Kreditinform bzw. anderen Wirtschaftsauskunfteien oder Rechtsanwälten dafür Geld bekommen?
Wenn ja, welche Beträge (Aufschlüsselung auf Jahre)?

 

12.  Zu welchem Preis wurden in diesen Jahren dieser Daten verkauft?
Welche Beträge flossen seit 2001 (Aufschlüsselung auf Jahre)?

 

13.  Für welche Zwecke wurden nach Kenntnis des Ressorts diese Exekutionsdaten illegaler Weise verwendet?
Wie viele und welche Unternehmen haben diese Daten rechtswidrig verwendet?

 

14.  Seit wann hatte das Bundesministerium für Justiz Kenntnis von diesen den rechtswidrigen Abfragen und der rechtswidrigen Verwendung dieser Daten?

 

15.  Welche Schritte hat das Ressort nun zur Verhinderung von rechtswidrigen Abfragen und der rechtswidrigen Datenverwendung gesetzt?

 

16.  Welche Sicherheitsmaßnahmen hat das Bundesministerium für Justiz ergriffen, um rechtswidrige Abfragen (Zugriffe) zu identifizieren und zu verhindern?
Sind weitere ergänzende Sicherheitsmaßnahmen in der Zukunft geplant?

 

17.  Werden die von dieser Datenweitergabe Betroffenen von dieser Datenschutzverletzung gemäß § 24 Abs. 2a DSG 2000 über die illegale Abfragen (Zugriffe) und rechtswidrige Datenverwendung informiert?
Wenn nein, warum nicht?

 

18.  Wurde sichergestellt, dass die rechtswidrig verwendeten bzw. weitergegebenen Daten in den Auskunfteien tatsächlich gelöscht und eine weitere Verwendung durch diese und andere Unternehmen ausgeschlossen wird?
In welcher Form wird durch das Ressort bzw. die unabhängige Rechtssprechung die Einhaltung der Löschungsbestimmung überwacht?

 


19.  Welche Maßnahmen hat das Bundesministerium für Justiz zusätzlich getroffen um Missbräuche bei den anderen Datenanwendungen des Ressorts (Grundbuch, Firmenbuch, Justizdaten, Daten der Strafgefangenen, ...) zu verhindern?

 

20.  Sind dem BMJ aus den letzten 10 Jahren weitere Vorfälle bekannt, bei denen Daten aus dem Bereich des Ressorts missbräuchlich verwendet wurden?
Wenn ja, in welchem Umfang?
In welchen LG-Sprengeln und in welchen Jahren fanden diese Datenmissbräuche statt (Aufschlüsselung auf Jahre und LG-Sprengel)?

 

21.  Wie ist der Zugang zu anderen Registern des Bundesministeriums für Justiz geregelt?
Wer kontrolliert dazu die Zulässigkeit des Zugangs und die rechtmäßige Verwendung der abgerufenen Daten aus diesen Registern (Aufschlüsselung auf die einzelnen Register)?

 

22.  Wer ist im Bundesministerium für Justiz für das Controlling des Zugriffs auf Daten der einzelnen Registern verantwortlich?
Wie erfolgt dieses Controlling (Ersuche um Aufschlüsselung auf die einzelnen Register)?

 

23.  Wie viele Strafanzeigen wurden in den letzten 5 Jahren bis dato gegen die verantwortlichen Organe bzw. GeschäftsführerInnen oder MitarbeiterInnen der „Kreditinform“ und „Deltavista GmbH“ erstattet (Aufschlüsselung auf Jahre und Staatsanwaltschaften)?

 

24.  Wie wurden diese Strafanzeigen in den letzten Jahren durch die Justiz behandelt?
Welche Ermittlungsergebnisse liegen vor?
Wie wurde gerichtlich entschieden?
Wie viele dieser Anzeigen wurden zurückgelegt bzw. Verfahren eingestellt (Aufschlüsselung auf Jahre)?