8024/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.03.2011
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Anfrage

 

Der Abgeordneten Stefan Markowitz, Ursula Haubner

Kollegin und Kollegen

 

An die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

 

Betreffend Bekämpfung von (funktionalem) Analphabetismus in Österreich

 

Analphabetismus oder Illiterarität ist ein internationales und somit auch ein österreichisches Problem. Es ist ein Vorurteil, dass es Analphabetismus nur in Entwicklungsländern gibt; Tatsache ist, dass ein Teil der Betroffenen in den Industrieländern lebt.

 

Die Situation weltweit und in Österreich

Analphabeten (Schätzung):

 

weltweit

 

781 Millionen

 

davon in Entwicklungsländer

 

755 Millionen

 

davon allein in den E-9 Ländern

600 Millionen

 

Deutschland

 

4 Millionen

 

Österreich

 

300 Tausend (-600 Tausend)

 

 

Quelle: www.unesco.at; www.alphabetisierung.at

 

 

Weltweit gibt es geschätzte 781 Millionen Analphabeten, davon leben allein in den Entwicklungsländern 755 Millionen. Dazu meinte der frühere UNO Generalsekretär Kofi Annan in seiner Rede im Jahr 2003 anlässlich der Eröffnung der „Weltdekade zur Alphabetisierung“ 2003 – 2012 in New York, dass „Alphabetisierung […] ein Menschenrecht sei“ (UNESCO 2006) und dass es untragbar ist, dass so viele Menschen in der Welt dieses Rechts beraubt sind.

Zu den E-9 Ländern, den neun ärmsten Staaten der Welt, zählen Ägypten, Brasilien, Bangladesch, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Nigeria und Pakistan, welche den höchsten Anteil - nämlich 600 Millionen - an Analphabeten haben. Die UNESCO gibt an, dass 85 Prozent aller Analphabeten in nur 33 Ländern wohnen. In diesen Ländern sind oft mehr als 50 Prozent der Einwohner Analphabeten.


Menschen in hoch entwickelten Industriestaaten sind jedoch ebenfalls betroffen, so schätzt der Deutsche Analphabetenverband den Analphabetenanteil in Deutschland auf 4 Millionen.

 

Österreich geht von einem offiziellen Schätzwert aus, nach dem 300.000 Erwachsene (4 Prozent aller über 15-Jährigen) als Analphabeten bezeichnet werden, wobei hier, so wie in vielen anderen Ländern, die Dunkelziffer sicherlich höher liegt. Experten rechnen mit einer doppelt so hohen Zahl von Betroffenen, d.h. geschätzte 600.000!

 

Studien, die die Lesekompetenz der Österreicher untersuchten, zeigen, dass 21 Prozent aller Jugendlichen nach der Pflichtschulzeit Schwierigkeiten haben, aus einem Text die wesentliche Information wiederzugeben. Die Betroffenen haben oft so große Probleme mit dem Lesen und Schreiben, dass sie die gesellschaftlichen Mindestanforderungen nicht erreichen und nicht selbstbestimmt und aktiv an allen Arbeits- und Lebenssituationen teilnehmen können.

 

Illiteraten können verschiedene Situationen des täglichen Lebens nicht ohne fremde Hilfe bewältigen, wie zum Beispiel das Ausfüllen von Formularen, das Bedienen eines Computers oder das Lesen von Verkehrsschildern und Betriebsanleitungen oder einer Speisekarte.

Wenn man ständig auf Hilfe angewiesen und abhängig von alphabetisierten Bezugspersonen ist, kann dies leicht zu einem negativen Selbstbild und zu geringem Selbstbewusstsein führen

Dies ist besonders für junge Menschen, die am Beginn ihrer Selbstfindungsphase und ihres Lebensweges stehen sehr dramatisch.

 

Zudem ist es Analphabeten nur schwer möglich, in den selbstständigen Bildungserwerb, also

„Lebenslanges Lernen“ einzusteigen. Personen mit einem geringen Alphabetisierungsniveau

nehmen seltener an Kursen der Erwachsenenbildung teil als jene mit einem höheren Niveau. Betroffene befinden sich in einem Kreis, aus dem es schwer ist auszubrechen, weil Bildungsdefizite oft von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden und als Konsequenz zu sozialer Ungleichheit führen.

 

Aus den oben genannten Gründen stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgende

 

ANFRAGE

 

 

  1. Weshalb ist es Ihrem Ressort bisher nicht gelungen, die Strukturen so zu verändern, dass die oben genannten Probleme bewältigt werden?
  2. Analphabetismus in Österreich ist eine Folge politischer Armut – wie stehen Sie zu dieser Aussage?
  3. Halten Sie die bestehenden Maßnahmen zur Bekämpfung von (funktionalem) Analphabetismus bzw. schwachen bis nicht vorhandenen Grundkenntnissen in Rechnen für ausreichend?
  4. Für wie relevant beurteilen Sie die o. a. Zahl an analphabeten Österreicher/innen mit für die Zuständigkeiten Ihres Ressorts?
  5. Sind Ihrem Ressort Daten bekannt bzw. werden von Ihrem Ressort Datenerhebungen hinsichtlich des (funktionalen) Analphabetismus bzw. schwacher bis nicht vorhandener Grundkenntnisse in Rechnen und deren Wirkungsmächtigkeit für die von Ihrem Ressort zu verwaltenden Bereiche erhoben?
  6. Welche Maßnahmen zur Bekämpfung des (funktionalen) Analphabetismus bzw. schwacher bis nicht vorhandener Grundkenntnisse in Rechnen werden bzw. wurden von Seiten Ihres Ressorts eingeleitet, gefördert oder auf andere Art unterstützt?

  1. Wie hoch sind bzw. waren die dafür jährlich vorgesehenen Finanzmittel und in welchem prozentuellen Verhältnis stehen bzw. standen diese Mittel zum jeweiligen Gesamtbudget Ihres Ressorts? (Bitte jährliche Auflistung beginnend mit dem Jahr 2008)
  2. Welche konkreten Ergebnisse brachten die bisher abgeschlossenen Maßnahmen und welche verwertbaren Daten wurden daraus gewonnen?
  3. Welche weiterführenden Maßnahmen wurden aufgrund der so gewonnen Daten eingeleitet?
  4. Gibt bzw. gab es in dieser Thematik Kooperationen mit anderen Ressorts?

a.   Wenn ja, welcher Art waren bzw. sind diese Kooperationen, wie viel finanzielle Mittel wurden bzw. werden dafür von den jeweils beteiligten Ressorts aufgewendet und welche Ergebnisse erbrachten bereits abgeschlossene Kooperationen? (Bitte jährliche Auflistung beginnend mit dem Jahr 2008)

b.   Wenn nein, warum nicht?

  1. Bietet Ihr Ressort eigene Weiterbildungsmaßnahmen an, die speziell auf die Bedürfnisse von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ausgerichtet sind bzw. fördert es solche anderer öffentlicher Institutionen oder privater Einrichtungen?

a.   Wenn ja, wie viele Personen wurden bzw. werden seit 2008 in derartigen Schulungen geführt, welche hauptsächlichen Bereiche wurden bzw. werden geschult, wie hoch ist der Prozentsatz jener Personen, die Weiterbildungsmaßnahmen positiv abgeschlossenen haben?

b.   Wie hoch sind bzw. waren die dafür aufgewendeten Kosten? (Bitte jährliche Auflistung pro Maßnahme)

c.   Welche konkreten Erkenntnisse/Ergebnisse wurden von Seiten Ihres Ressorts aus diesen Bemühungen gewonnen?

d.   Wurden bzw. werden diese Erkenntnisse mit anderen öffentlichen Institutionen oder privaten Einrichtungen geteilt und welche weiteren spezifischen Aktivitäten löste dieser Datenaustausch aus?

e.   Wenn nein, warum nicht?

  1. Welche österreichischen Institutionen werden sich Ihrem Wissen nach an der OECD-Studie PIAAC beteiligen?
  2. Können Sie sagen wer dem von der Österreichischen UNESCO-Kommission angesprochenen Nationalkomitee zur Begleitung der Studie angehören wird bzw. werden Vertreter Ihres Ressorts diesem Komitee angehören?
  3. Welche Ergebnisse kann die Koordinationsstelle Literacy aus Ihrem Ressort seit 2008 bis zum heutige Datum aufweisen?
  4. Sie haben die Durchführung eines nationalen Förderprogramms ab 2011 angekündigt; haben sie diese Ankündigung auch umgesetzt?
    1. Wenn ja, wie konkret?
    2. Wenn nein, weshalb nicht?
  5. Welche Maßnahmen habe sie seit Beginn des Bildungsjahres 2011 bis heute gesetz, um die oben beschriebene Problematik zu bekämpfen?