8597/J XXIV. GP

Eingelangt am 18.05.2011
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Ursula Haubner, Stefan Petzner

Kollegin und Kollegen

 

an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend „In Österreich droht Lehrermangel!“

 

 

Bereits im vergangen Jahr warnte die „Presse“ in einem Artikel zum Thema Lehrermangel in Österreich:

 

„Bevorstehende Abgänge verursachen Engpässe in allen Fächern, vor allem in Wien. Sogar Praktiker ohne Pädagogikausbildung oder pensionierte Lehrer werden geholt.

Wien. Wer heute ein Lehramtsstudium absolviert, braucht sich keine Sorgen um einen Job zu machen, im Gegenteil: Er hat de facto eine Jobgarantie. Das sagen sowohl Vertreter der öffentlichen Bildungseinrichtungen als auch Lehrervertreter. Denn an den Schulen steht eine enorme Pensionswelle bevor. Bis 2025 werde die Hälfte der derzeit 120.000 Lehrer in Österreich in Pension gehen, schon in den nächsten fünf bis zehn Jahren wird ein großer Teil abtreten – unter anderem in die Frühpension.

Eine genaue Prognose legt das Unterrichtsministerium ganz bewusst nicht vor, weil es zu viele Unbekannte beim Vorruhestand gebe. Länder wie Wien rufen aber schon händeringend nach neuen Lehrern. Vorsichtigen Schätzungen des Stadtschulrates zufolge werden allein in der Bundeshauptstadt an den Volks-, Haupt-, Sonderschulen, AHS und BMHS in den kommenden beiden Schuljahren insgesamt 830 der rund 22.000 Lehrer in Pension gehen.

Das größte Minus gibt es bei den Volksschulen: 125 Lehrer gehen im Jahr 2010/11, und ein Jahr später noch einmal 130. Bei den AHS gehen in Summe 290. Doch nicht nur die frei werdenden Plätze müssten nachbesetzt werden, heißt es in Wien. Es müssten sogar zusätzliche Stellen geschaffen und besetzt werden. Denn in Wien steigt die Zahl von derzeit rund 16.000 Taferlklasslern sogar leicht an.

Auch in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg wird die Pensionswelle mit starken Abgängen von Lehrern zu Buche schlagen. Die nächsten fünf bis zehn Jahre gelten als besonders heikel. Zumal auch Bayern und die Schweiz zunehmend Lehrer aus Österreich abziehen – mit üblicherweise besseren Verträgen und Gehältern als im Inland. …

Wo die Pensionswelle greift, betrifft sie fast alle Fächer. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) warnt im „Presse“-Interview vor allem vor Engpässen in den Naturwissenschaften. Auch Personalchef Reinhard Gruden vom Stadtschulrat Wien sieht in Mathematik, Chemie und Physik Engpässe entstehen, zudem in Musik oder in Fächern, für die Klassen geteilt werden – wie Englisch oder Leibesübungen. „Ich kann ein Lehramtsstudium eisern empfehlen.“


Außer auf Überstunden setzen Schulen schon jetzt auf Lehramtsstudenten kurz vor dem Abschluss oder holen Pensionisten zurück. Auch Praktiker aus der Privatwirtschaft können unterrichten, sagt BMHS-Lehrervertreter Jürgen Rainer. Viele wollen aber nicht. Zwar sei während der Krise ein Job im Klassenzimmer interessant. Um die Praktiker aber auch bei florierender Wirtschaft im Schulbetrieb zu halten, fehlt ein besseres Dienstrecht, das noch verhandelt werden muss.“[1]

Auch Bundesministerin Schmied gab in einem „Presse“-Interview zu:

„Claudia Schmied: Wir haben einen großen Lehrerbedarf, das stimmt. Und das ist auch positiv. Ab den Jahren 2012/13 gehen viele in Pension, da brauchen wir verstärkt Junglehrer.“[2]

Diese Aussagen wurde im Vorjahr getroffen, doch bisher ist keine Besserung in Sicht – ganz im Gegenteil, die BMHS-Gewerkschaft bezeichnet das Jahr 2013 als „Krisenjahr“:

„Im Jahr 2013 befürchtet die Gewerkschaft wegen Auslaufens der Hacklerregelung nochmals eine massive Pensionswelle. …“

„Die derzeitigen Personalengpässe an Schulen aufgrund des beginnenden Lehrermangels sind nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen wird. "2013 wird sicher das Krisenjahr", sagt der Vorsitzende der BMHS-Gewerkschaft, Jürgen Rainer. Dann laufe die Hacklerregelung aus, "und alle bis zum Geburtsjahr 1953 werden sie in Anspruch nehmen."

NMS "saugte viel von der Reserve auf"

Das rasche Kippen von einen Über- zu einem Unterangebot an Lehrern erklärt Hackl mit zwei Entwicklungen: Die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 und Modelle wie die Neue Mittelschule hätten "sehr viel von der Reserve aufgesaugt".

Ohne Ausbildung ins Klassenzimmer

Während bisher nur wenige Pädagogen aus der Pension ins Klassenzimmer zurückgeholt wurden, sind anlässlich der Lehrer-Pensionierungswelle Studenten in einigen Mangelfächern wie den Naturwissenschaften oder Englisch schon jetzt im großen Stil als Lehrer im Einsatz (Die Presse berichtete). Experten machen sich angesichts dieser Situation Sorgen um die Qualität des Unterrichts.“[3]

In einer aktuellen Anfragebeantwortung (7836/AB) meint BM Schmied auf die Frage nach dem drohenden Lehrermangel in Österreich (in Zusammenhang mit der Neu-Interpretation des Privatschulgesetzes):

„Zur angesprochenen Lehrkräftebedarf im Allgemeinen wird bemerkt, dass für wirksame Steuerungsmaßnahmen fundierte Datengrundlagen von entscheidender Wichtigkeit sind. Dazu gibt es mit den Landesschulräten und den Ämtern der Landesregierungen einen regelmäßigen Dialog zu den prognostizierten frei werdenden Stellen, den erwarteten Pensionierungen, der Entwicklung der Zahl der Schülerinnen und Schüler sowie der Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Pädagogischen Hochschulen und der Universitäten. Aufbauend darauf erfolgt die Konzipierung von Maßnahmen, die kurz- und langfristig eine den Anforderungen entsprechende Personalbewirtschaftung im Lehrerinnen- und Lehrerbereich sicherstellen soll.“[4]

Da uns diese Aussage der Bundesministerin Schmied vor allem vor dem Hintergrund der flächendeckenden Einführung der NMS (117 neue Standorte österreichweit) keineswegs beruhigt und auch angesichts der Tastsache, dass bisher seitens des zuständigen Ministeriums keine einzige (erkennbare) Maßnahme zur Bekämpfung des Problems eingeleitet wurde, stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgende

Anfrage:

1.       Wie schätzen Sie die Situation betreffend Lehrermangel in Österreich mittelfristig bzw. langfristig ein?

 

2.       Welche Ergebnisse hat bisher der Dialog mit den Landesschulräten und den Ämtern der Landesregierungen ergeben betreffend

a)       frei werdende Stellen,

b)      erwartete Pensionierungen,

c)       Entwicklung der Zahl der Schülerinnen und Schüler

d)      sowie der Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Pädagogischen Hochschulen und der Universitäten? 

 

3.       Welche Maßnahmen wurden auf diesen Dialog und dessen Ergebnisse aufbauend seitens des Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur eingeleitet, die kurz-, mittel-  und langfristig eine den Anforderungen entsprechende Personalbewirtschaftung im Lehrerinnen- und Lehrerbereich sicherstellen soll?

 

4.       Wie sieht die Situation in den österreichischen Schulen konkret aus – wie viele Lehrer, die welche Fächer unterrichten, werden wann an welchen Schulen in Pension gehen? Bitte eine genaue Auflistung nach Schultyp und Bundesland für die Jahre 2011 bis 2025.

 

5.       Wie viele Lehrer, die welche Ausbildung haben, werden wann „nachrücken“? Bitte auch hier eine möglich genaue Prognose für die Jahre 2011 bis 2025?

 

6.       Wie stehen Sie zur Aussage der BMHS-Gewerkschaft „2013 wird ein Krisenjahr“ betreffend Lehrermangel in Österreich?

 

7.       Wie wollen Sie die „Versorgung“ mit entsprechend qualifiziertem Personal an den NMS sicherstellen, vor allem an den neuen Standorten, die 2011/2012 errichtet werden sollen?

 

Wien, am 18.05.2011



[1] Die Presse am 22.01.2010

[2] Die Presse am 22.01.2010

[3] DiePresse.com am 01.03.2011

[4] Anfragebeantwortung 7836/AB durch BM Schmied vom 16.05.2011