8717/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.06.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Josef Auer, Mag. Rosa Lohfeyer

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Finanzen

betreffend ÖBB-Privatisierungspläne oder „Ausverkauf der besten Kühe im Stall!“

Laut den aktuellen Medienberichten nehmen die Privatisierungspläne von Bundesministerin
für Finanzen Dr. Maria Fekter konkrete Formen an, insbesondere bezüglich der ÖBB.

Dazu sei angemerkt, dass der sich in Europa überwiegend in öffentlicher Hand befindliche
Schienenverkehr sehr gut funktionierende Netze aufweist, die von Innovationen geprägt sind.
In England wurde die British Rail 1997 zerschlagen. Die Folge war, dass zahlreiche
Betreibergesellschaften einzelne Strecken bedienten. Schienennetze, Signalanlagen,
Stellwerke und Bahnhöfe wurden von einer Firma, die an die Börse ging, übernommen. Viele
Aufgaben wurden schließlich von Subunternehmen, deren Arbeitskräften das notwendige
„Know-How" fehlte, durchgeführt.

Private Investoren schöpften in den ersten Jahren enorme Gewinne ab, während der Zustand
des „Unternehmens Bahn“, der Infrastruktur und des Schienennetzes immer schlechter wurde.
Die Schulden von Railtrack wuchsen. Der Staat zahlte in fünf Jahren an die privatisierten
Bahnbetreiber bedeutend höhere Summen als je zuvor in einem vergleichbaren Zeitabschnitt
an British Rail bezahlt worden waren. Streiks, Verspätungen, Zugunfälle und nicht
funktionierende Kommunikation zwischen den vielen Konzessionsnehmern brachten die
Bahn in England in Verruf. Railtrack musste erneut verstaatlicht werden und heißt heute
„Network Rail“. Die Schulden übernahmen die SteuerzahlerInnen, die AktionärInnen wurden
entschädigt. Zurückgeblieben ist trotz der Übernahme der britischen Bahn durch die
staatliche „Network Rail“ ein fragmentierter und uneinheitlicher Schienenverkehr, der kaum
in optimaler Weise koordiniert werden kann.

Auch in Österreich gab es Privatisierungen von staatlichen Unternehmen wie z. B. AUSTRIA
TABAK, SEMPERIT, BUWOG, AUA, etc. All diese Unternehmen standen für etablierte
österreichische Marken. Neben Stabilität bedeuteten sie für zahlreiche Menschen vor allem
sichere Arbeitsplätze bei einem funktionierenden heimischen Unternehmen, die nach den
Privatisierungen unwiederbringlich verloren gegangen sind!

Nun ist den Medien zu entnehmen, dass es nach Ihren Plänen zu weiteren Privatisierungen
von österreichischen Unternehmen kommen soll, durch welche -wie bisher gezeigt - wieder
der Verlust von "Know-How", Wertschöpfung und Arbeitsplätzen zu erwarten sein wird. Aus
diesem Grund stellen unterzeichnete Abgeordnete an die Bundesministerin für Finanzen
folgende


Anfrage:

1.    Wie sehen Ihrerseits die konkreten Privatisierungspläne für die Österreichischen
Bundesbahnen im Detail aus?

a.          Seit wann werden bereits mit potentiellen KäuferInnen Verhandlungen geführt,
die ein Unternehmen wie die Österreichischen Bundesbahnen oder Teile der
ÖBB kaufen sollen?

b.          Welche Firmen bzw. Privatpersonen sind für Sie konkrete potentielle
KäuferInnen bzw. kommen in Frage?

c.          Bis zu welchem Zeitpunkt soll Ihres Erachtens die Österreichische Bundesbahn
in privater Hand bzw. privaten Händen sein?

d.          Zahlreiche, voneinander unabhängige Betreibergesellschaften können durch
eine Privatisierung zusätzlich entstehen. Inwiefern können Sie sicherstellen,
dass im Falle einer Privatisierung die Betreibergesellschaften so koordiniert
werden, dass das Bahnnetz innerhalb Österreichs und als Teil des
Europäischen Bahnnetzes trotzdem lückenlos, sicher und kundenfreundlich
auch abseits der lukrativen Hauptrouten funktioniert?

                                                 i.                   Wer wird Ihren Privatisierungsplänen entsprechend die notwendige
"Kommunikationszentrale" zur Koordination der unterschiedlichsten
Betreibergesellschaften übernehmen und wer wird Ihrer Ansicht nach
dafür die Kosten tragen?

e.          Wie können Sie garantieren, dass das Bahnnetz auch nach einer Privatisierung
umfassend technisch funktionstüchtig bleibt und die Sicherheit von KundInnen
und MitarbeiterInnen gewährleistet ist?

f.           Inwiefern ist in Ihren Gewinnberechnungen durch die Privatisierung
berücksichtigt, dass das Teure an der ÖBB die Infrastruktur ist und diese
ohnehin „beim Staat“ bleiben soll?

g.          Inwiefern werden im Zuge Ihrer Privatisierungspläne die ArbeitnehmerInnen
der ÖBB (sind durch die Fachausbildungen auf die Österreichischen
Bundesbahnen spezialisiert und stehen mit diesem Wissen u.a. für ein
funktionierendes Schienennetz, Sicherheit und Kundenfreundlichkeit) auch
weiterhin in dieser Branche ihr Wissen umsetzen können und nicht durch
Arbeitskräfte ersetzt, die aus rein kurzfristigen, wirtschaftlichen Gründen mit
dem fehlenden "Know-How" aufgrund einer günstigeren Entlohnung
herangezogen werden?

h.          Wie hoch soll der von Ihnen erwartete Erlös aus dem Verkauf der ÖBB für die
Staatskasse sein?

i.            Welche Alternativen wurden seitens Ihres Ministeriums abseits einer
Privatisierung angedacht, um das Unternehmen
ÖBB in Ihrer staatlichen
Betriebsstruktur als österreichische Marke mit dem gesamten Fachwissen und
den Arbeitsplätzen gewinnbringend zu erhalten?

j.           Welchen Wert stellen für Sie als Finanzministerin das technische "Know-How"


und die Humanressourcen des über Jahre gewachsenen Unternehmens ÖBB
dar und wie äußert sich diese Werteinschätzung in Ihren
Privatisierungsplänen?

 

2.              Wissen Sie, dass das in den Anfängen (19. Jhdt.) privatwirtschaftlich organisierte
"Unternehmen Eisenbahn" in
Österreich aufgrund von öffentlichem Interesse und
finanziellen Schwierigkeiten verstaatlicht wurde?

3.              Inwiefern hat sich die Umstrukturierung des Jahres 2004 bis heute, 2011,
wirtschaftlich rentiert bzw. ist das Unternehmen ÖBB durch die Umstrukturierung in
vier AGs und neue GmbHs wettbewerbsfähiger geworden?

4.              Wie hoch waren die staatlichen Subventionen an die ÖBB in den Jahren 1997, 1998,
1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010?

a.    Mit welchen staatlichen Subventionen rechnen Sie nach Ihren
Privatisierungspl
änen für die ÖBB?

b.   Wie begründen Sie Ihren derzeitigen Standpunkt, der ÖBB seitens des
Bundesministeriums für Finanzen keine finanziellen Zuschüsse zukommen zu
lassen?

c.    Inwiefern sehen Sie die Möglichkeit, die Sanierungsphase des operativen Teils
zu forcieren und dadurch die Chance zu nutzen, eine österreichische Marke als
solche in Österreich als funktionierendes, gewinnbringendes, innovatives,
arbeitsplatzbringendes Unternehmen zu belassen und so "eine der besten Kühe
im Stall zu lassen"?

5.    Inwiefern sind nach Ihren Plänen ÖBB-eigene Kraftwerke zur Erzeugung von ÖBB-
Strom von Ihren Privatisierungsplänen betroffen (Pläne für die Kraftwerke nach
Standorte im Detail)?

a.   Welche Interessenten gibt es bereits für die ÖBB-eigenen Kraftwerke zur
Erzeugung von ÖBB-Strom und zu welchem Preis werden die Kraftwerke
Ihrerseits gehandelt?

6.    Welchen Unterschied sehen Sie in Bezug auf die Englische Bahn, die nach wenigen
Jahren der Privatisierung vom Staat zur
ückgekauft werden musste und angesichts der
Tatsache, dass die staatlichen Subventionen in „privaten Zeiten“ um ein vielfaches
höher waren als zu Zeiten der staatlichen Führung der Englischen Bahn?

a.    Warum forcieren Sie die Privatisierung, obwohl sich eine Privatisierung von
Eisenbahnnetzen erfahrungsgem
äß in keinem Beispiel für KundInnen und
Staat positiv auswirkte bzw. auswirkt?

b.   Warum forcieren Sie gerade jetzt die Privatisierung, wo ohnehin die
Infrastruktur liberalisiert wird (oder schon ist) und jeder drauf fahren kann, der
will und die Infrastruktur ohnehin vom Staat kommt?

7.    Welche weiteren Unternehmungen - abgesehen von der ÖBB - werden noch von
Ihren Privatisierungsplänen betroffen sein? (Auskunft im Detail nach Bezirken und
damit verbundenen Arbeitsplätzen)