9099/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.07.2011
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ANFRAGE

der Abgeordneten Petzner, Mag. Stadler

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesministerin für Justiz

 

betreffend BAWAG-Verfahren und Ermittlungen gegen Dr. Wolfgang Flöttl

 

Im Zusammenhang mit dem BAWAG Prozess sind bis heute eine Reihe von Sachverhalten ungeklärt, vor allem was die strafrechtliche Verantwortung des Dr. Wolfgang Flöttl betrifft. Im BAWAG Prozess erklärte etwa Richterin und Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, dass der Verbleib der von Flöttl angeblich verspekulierten BAWAG Gelder nicht Teil des Verfahrens sei. Dadurch unterblieb die Aufklärung dieses Sachverhaltes bis heute.

Die Berichte der Österreichischen Nationalbank und des Finanzministeriums wie auch die Gutachten der Sachverständigen im BAWAG Prozess Dr. Fritz Kleiner und Dr. Christian Imo legen allerdings größte Zweifel an der Werthaltigkeit und Aussagekraft jener Basisunterlagen im BAWAG Prozess nahe, die Dr. Wolfgang Flöttl zur Darstellung seiner Spekulationen mit Geldern der BAWAG dienten. Beispielsweise ist auf Seite 47 im Gutachten des Sachverständigen Dr. Christian Imo folgende  Feststellung zu finden: „Damit steht fest, dass der Arthur Andersen Verlustreport 1 vom 10.05.1999 keine Entsprechung in den Arthur Andersen-Detailunterlagen hat; mit anderen Worten: die im Arthur Andersen Verlustreport 1 vom 10.05.1999 getroffenen Feststellungen sind auf der Grundlage der existenten Aktenlage nicht überprüfbar.“

Ein weiterer Sachverständiger, der vom Gericht im BAWAG Prozess bestellt wurde, Dr. Fritz Kleiner, kommt zu dem gleichen Ergebnis: „Die Plausibilität der Verlustaudits von Arthur Andersen vom 10.5.1999 und vom 6.3.2001 ist aus den im Befund und Gutachten dargestellten Gründen nicht gegeben.“…“Auffällig ist, dass für die Periode vom 1. Oktober 1998 bis 16. Oktober 1998 die Devisengeschäfte einen Nettoverlust von USD 742.539.000 brachten und trotzdem Zinserträge von USD 1.425.000 in der Aufstellung enthalten sind (dieser Zinsbetrag entspricht der Verzinsung eines Kapitals von USD 641.2 Mio. zu 5% p.a..)“…“Unter Hinweis auf die nicht vorliegenden Vermögensbestände, wie zum Verlustaudit 1998 schon dargestellt (Tz 1229), halte ich auch hier fest, dass aufgrund der vorgefundenen und begutachteten Unterlagen nicht bestätigt werden kann, dass der Umfang des Auftrags und die entsprechende Berichterstattung angemessen sind plausibel erscheinen.“…“Es bleibt für mich auch offen, ob für beide Verlustaudits Arthur Andersen hinsichtlich Integrität und professionellem Verhalten in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen für Wirtschaftsprüfer (Code of Ethics for Professional Accountants) des AICPA diese Aufträge annahm und ausführte.“…“Ich halte daher fest, dass auch das Verlustaudit von Arthur Andersen vom 26.3.2001 für den Zeitraum vom 1.1. (10.1.) 2000 bis zum 31.12.2000 kein geeignetes Dokument ist, um die von Flöttl durchgeführten Transaktionen in diesem Zeitraum endgültig und nachvollziehbar zu beurteilen.“

Als Basisunterlagen im Prozess dienten von Wolfgang Flöttl selbst in Auftrag gegebene Prüfungen durch die in den ENRON Skandal verwickelte und nunmehr sich wegen einer Verurteilung im Konkurs befindliche Wirtschaftprüfungskanzlei Arthur Andersen. Dies wird auch in einem Bericht des Finanzministeriums bemerkt, der dem Gerichtsakt beiliegt.

Der Erhebungsbericht des Finanzministeriums aus dem Jahr 2006 GZ. BMF-35000/0035-I/4/2006), ON 141/Beilage 2) äußerte starke Zweifel an der Plausibilität der Wertbestätigungen der Flöttl Firmen: „Im Rückblick sehr unglaubwürdig sind aus Sicht eines externen Betrachters auch im Zuge der aktuellen FMA/OeNB-Prüfung aufgetauchte „Bestätigungen" von Ross Capital Markets (diese ist Dr. Wolfgang Flöttl zuzurechnen), Refco Capital Markets (mögliche Gewährung gegenseitiger Bilanzierungshilfen BAWAG - Bennett), eines „unabhängigen Experten", Herrn Prance, von CMFS Ltd. (auch Mitarbeiter von Ross Capital) oder Arthur Andersen (auch Wirtschaftsprüfer bei „Enron" und dort mit Karibik-Geschäften aufgefallen und wegen Vernichtung von Buchhaltungsunterlagenverurteilt).“

 

Ein von Helmut Elsner in Auftrag gegebenes und vorgelegtes Gutachten des Sachverständigen Mag. Oliver Lintner legt dar, dass entgegen den Beteuerungen von Wolfgang Flöttl zu 99.999 % keine Verluste bei den Uni-Bonds Veranlagungen des Jahres 2000 eingetreten sind.

Aufklärungsbedürftig sind aber nicht nur diese von den Ermittlern und Sachverständigen aufgezeigten Verdachtsmomente bezüglich Malversationen des Dr. Wolfgang Flöttl, sondern auch Hinweise auf politische Einflussnahme durch Dr. Flöttl.

Im Vor- und im Hauptverfahren des BAWAG Prozesses deutete Dr. Wolfgang Flöttl an, dass er Geldzahlungen mit den ihm anvertrauten Geldern an SPÖ-nahe Personen und Stiftungen leistete. Im Rahmen der Ermittlungen im Jahr 2006 reisten der damalige Staatsanwalt im BAWAG Verfahren, Mag. Georg Krakow und Beamte des Finanzministeriums zum Zweck einer Einvernahme Dr. Flöttls nach Bratislava. Laut einem Bericht der Tageszeitung Österreich vom 12. September 2006 „weiß die Staatsanwaltschaft über Flöttls geheime Zahlungen viel mehr als sie zugibt: Sie traf Flöttl im Sommer geheim in Bratislava und erhielt dort Einblick in seine Listen.“ „Österreich“ zitiert in dem Artikel einen weiter nicht namentlich genannten Teilnehmer wie folgt: „Er hat zahlreiche Trading- und Zahlungslisten der Bawag-Karibikgeschäfte aus den Jahren 1998 bis 2000 aus dem Tresor geholt und sie dem Staatsanwalt und der Finanzmarktaufsicht gezeigt.“ “Österreich“ schlussfolgert: „Die Staatsanwaltschaft besitzt seither Einblick in zahllose Finanzflüsse Flöttls rund um die verspekulierten 1,6 Milliarden verzockten Bawag-Gelder. Die Staatsanwälte wissen also viel mehr als bisher öffentlich zugegeben!“

Laut Medienberichten werden hinter der Kooperationsbereitschaft Flöttls eine politische und unstatthafte Abmachung zwischen der Staatsanwaltschaft und Flöttl vermutet bzw. politische Absprachen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichnenden Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

ANFRAGE:

 

1.       Welche Strafverfahren bzw. strafrechtlichen Ermittlungen sind derzeit wo und warum gegen Dr. Wolfgang Flöttl anhängig?

2.       Welche konkreten Ermittlungsschritte wurden seitens der Justiz gesetzt, um den tatsächlichen Verbleib der von Dr. Wolfgang Flöttl angeblich verspekulierten BAWAG-Gelder und den diesbezüglich bereits angezeigten Tatbeständen nachzugehen?

3.       Die sich im BAWAG-Gerichtsakt befindlichen und in der Anfragebegründung zitierten und angeführten Prüfberichte der österreichischen Nationalbank, des Finanzministeriums und der Sachverständigen legen den Verdacht nahe, dass die Angaben des Dr. Wolfgang Flöttl zum Verbleib der angeblich verspekulierten BAWAG-Gelder unrichtig sind und Dr. Wolfgang Flöttl während des Prozesses falsche Urkunden vorgelegt hat und damit die Prozessgrundlagen auf Urkundenfälschung beruhen. Werden in diesem Zusammenhang Ermittlungen gegen Wolfgang Flöttl geführt? Wenn nein, warum nicht?

4.       Ist es richtig, dass Gerichtsunterlagen aus den Vereinigten Staaten belegen, dass Dr. Wolfgang Flöttl seine Konten beim Brokerhaus REFCO im Rahmen der Asien Finanzkrise im Jahr 1997 überzog und bei REFCO Spekulationsverluste erlitt? Ist Ihnen weiters bekannt, dass Dr. Wolfgang Flöttl der BAWAG bis zum 30. September 1998 Wertbestätigungen sandte aus denen diese Verluste nicht hervorgingen, somit der BAWAG-Vorstand getäuscht wurde?


5.       Wie ist der aktuelle Verfahrensstand des in Leoben gegen Mag. Claudia Bandion-Ortner und Mag. Georg Krakow anhängigen Strafverfahrens?

      a. Welchen konkreten Verdachtspunkten wurde von der Staatsanwaltschaft nachgegangen? Welche konkreten Ermittlungsschritte dazu wurden konkret gesetzt? Welche konkreten Ergebnisse liegen vor?

      b. Können Sie ausschließen, dass die Einstellung dieses Verfahrens in einem Zusammenhang mit der Beförderung der zuständigen Staatsanwältin zur Oberstaatsanwältin steht?

6.       Zu welchen Erkenntnissen bezüglich der Flöttl-Spekulationsgeschäfte kam Staatanwältin Dr. Sonja Herbst bei ihrer Dienstreise Nach New York nach Einvernahme von Phillip Bennet, dem ehemaligen Chief Executive Officer  von REFCO? Was hat Bennett zu Gewinnen oder Verlusten von Flöttl bei REFCO ausgesagt?

7.       Besteht ein Zusammenhang zwischen der Vergabe des 350 Millionen Blitzkredits der BAWAG an REFCO mit den Spekulationsgeschäften von Flöttl mit REFCO? Wurde dieser Frage seitens der Staatsanwaltschaft nachgegangen?

8.       Im Zuge des REFCO Vergleichs in den Vereinigten Staaten wurden rund 20 Führungskräfte der BAWAG, darunter die damaligen BAWAG Vorstände Stephan Koren, Jochen Bottermann und Herbert Legradi von der Haftung befreit, wofür die BAWAG rund 1 Milliarde Euro zahlte. Hat die damalige BAWAG Führung diesen Vergleich zulasten der BAWAG und zugunsten einer Gruppe von Personen durchgeführt, die gleichzeitig Beschuldigte in einem Strafverfahren sind? Welche dieser 20 Personen sind Zeugen oder Beschuldigte im REFCO Verfahren? 

9.       Haben der zum Zeitpunkt des REFCO Vergleichs tätige Generaldirektor der Bawag, Prof. Dr. Nowotny und andere Unterzeichner des Vergleichs Beschuldigte im REFCO Verfahren durch die Haftungsbefreiung begünstigt? Wer unterzeichnete den Rechtsvergleich in den Vereinigten Staaten?

10.   Ist Wolfgang Flöttl Zeuge oder Beschuldigter im REFCO Verfahren?

11.   Wie ist der Name des Beamten des Finanzministeriums, der an der Einvernahme Flötts in Bratislava teilnahm?

12.   Sind Ihnen Geschäftsverbindungen zwischen Wolfgang Flöttl und Ex-Finanzminister Grasser bekannt?

13.   Welche Rechtshilfeansuchen an die Vereinigten Staaten gab es im Zusammenhang mit dem BAWAG- und REFCO -Verfahren. Welche Unterlagen zu den Handelsgeschäften von Flöttl wurden von der Justiz der Vereinigten Staaten angefordert?

14.   Wo befinden sich die geheimen Listen bezüglich der Zahlungsflüsse, die Wolfgang Flöttl bei der Einvernahme in Bratislava der Staatsanwaltschaft zeigte? Welche Protokolle gibt es zu diesen Einvernahmen und befinden sich in diesen Protokollen die Empfänger der Zahlungen von Wolfgang Flöttl und falls ja, wer sind die Empfänger?


15.   Ist es richtig, dass sich Dr. Wolfgang Flöttl mit Wissen der zuständigen Stellen der Republik Österreich in einem us-amerikanischen Zeugenschutzprogramm befindet?

16.   Hat die SOKO BAWAG Zahlungsströme zwischen Flöttl und der SPÖ bzw. SPÖ-nahen Personen festgestellt, die beweisen, dass Wolfgang Flöttl massive finanzielle Unterstützung an Entscheidungsträger in der SPÖ und im ÖGB leistete?

17.   An welche Personen oder juristische Personen außer Dr. Franz Vranitzky ergingen Zahlungen von Flöttl? Hat die SPÖ direkt oder indirekt Zahlungen von Flöttl erhalten und war dadurch politisch von Dr. Flöttl im BAWAG Verfahren erpressbar?

18.   Gibt es Bemühungen, die Konten von Flöttl öffnen zu lassen?

19.   Welche Rolle spielt die Firma ProCom Strasser im Zusammenhang mit der Erhebung von Zahlungsströmen im BAWAG Prozess und in der Bereitstellung von Unterlagen für den Sachverständigen Dr. Fritz Kleiner?

20.   Ex-Finanzminister Grasser hat nach dem Yacht Ausflug mit Flöttl wiederholt öffentlich den Hauptbelastungszeugen Flöttls, Helmut Elsner, attackiert und beschuldigt. Wird aufgrund der Aussagen von Dr. Gusenbauer, dem Naheverhältnis zwischen Meinl und Grasser, bzw. Meinl und Flöttl und den privaten Kontakten zwischen Flöttl und Grasser auch dem Verdacht der Bestechung und Korruption und politischen Einflussnahme in ein zum damaligen Zeitpunkt laufendes Strafverfahren nachgegangen?