9193/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.07.2011
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend alljährliche Überforderung der ÖBB zu Ferienbeginn

 

 

Auch 2011 gab es zum Beginn der Sommerferien im Osten Österreichs wieder unzumutbare Zugs-Überfüllungs-Zustände - wie des Öfteren, wenn „total plötzlich und überraschend“ im Sommer oder vor Weihnachten Ferien beginnen und daher eine weit größere Zahl von Fahrgästen als unterm Jahr die Züge der ÖBB in Anspruch nehmen will.

Zur Räumung einer Railjet-Garnitur im Wiener Westbahnhof wurde sogar die Polizei in Anspruch genommen, da einige Fahrgäste der Aufforderung zum Aussteigen und zur Weiterfahrt mit späteren, womöglich ebenso überlasteten Zügen nicht folgen wollten.

 

Einmal mehr rächte sich somit das Railjet-Konzept, das für Verkehrsspitzen komplett ungeeignet ist, weil es keine flexiblen Zugbildungen je nach Nachfrage zulässt. Statt von den Bedürfnissen der Fahrgäste und eines flexiblen Betriebs auszugehen, wurde der Railjet rund um den Einsatz möglichst vieler der von den ÖBB in Überzahl bei politisch befreundeten Firmen angeschafften Lokomotiven konzipiert und ist daher nun ähnlich unflexibel wie ein Triebwagen, obwohl er eigentlich aus Einzelwagen zusammengesetzt ist.

 

Die Sicherheit der Fahrgäste und des Zugspersonals ist ein wichtiges Gut, deshalb müssen krasse Überbesetzungen von Zügen vermieden werden. Zu absehbaren Spitzenzeiten zu wenig Rollmaterial aufzubieten und dann überzählige Fahrgäste mit Polizeiunterstützung vor die Tür zu setzen ist allerdings sicher die schlechtestmögliche Lösung für dieses Problem. Vielmehr müssten ausreichend Verstärkerzüge und zusätzliche Wagen angeboten und dem Sparwahn beim Zugspersonal ein Ende gemacht werden. Dies müsste längst auch ein Kriterium bei der Gewährung öffentlicher Zahlungen sein.

 

Es ist unverständlich, dass bei den ÖBB hinreichende Planung offenbar nicht möglich ist, sodass jedes Jahr wieder zu Ferienbeginnzeiten dieselben Probleme mit Überfüllung auftreten, sei es im Sommer oder vor Weihnachten. Offensichtlich werden für diese Verkehrsspitzen zu wenige zusätzliche Züge vorgesehen und zu wenig zusätzliches Wagenmaterial mobilisiert, obwohl es sich um keine Naturkatastrophen, sondern alljährlich wiederkehrende, d.h. planbare, Ereignisse handelt.

Ein eventuell zur Rechtfertigung vorgebrachter Waggon- oder Garnitur-Mangel wäre überraschend: Denn die ÖBB verkaufen seit Jahren im großen Stil funktionstüchtige Reisezugwagen zu Spottpreisen an andere Eisenbahnunternehmen, um die von diversen Fehlleistungen und Großprojekten strapazierte ÖBB-Bilanz aufzubessern, oder lassen ältere Wagen gleich verschrotten, statt die offensichtlich benötigten Reserven für Spitzenzeiten vorzuhalten. Gerade an Spitzenwochenenden wäre es sinnvoller, zwei Züge mit etwas


geringerem Höchsttempo (wofür dann auch die älteren Waggons reichen würden) statt nur einen mit theoretischem Spitzentempo 200 vorzusehen, der dann wegen Überfüllung den Bahnhof erst gar nicht verlassen kann!

Zu klären ist auch, wieviele Reisezugwagen an Spitzen-Wochenenden wie dem ersten Juliwochenende 2011 geplant oder ungeplant - aufgrund von Defekten zur Unzeit infolge von überschießenden Einsparungen bei der laufenden Wartung und Pflege oder von Organisationsmängeln - in ÖBB-Werkstätten standen.

 

Routinemäßig lautet der ÖBB-Ratschlag, die Fahrgäste sollten lieber Sitzplätze reservieren - das macht aber den Zug nicht länger und die Sitzplätze nicht mehr und beantwortet somit nicht die Frage, was mit denjenigen Fahrgästen geschehen soll, die keinen Platz kriegen. Es wird unvermeidbar sein, dass nicht die Fahrgäste, sondern die ÖBB das Kapazitätsproblem

zu Spitzenzeiten lösen und dass die öffentlichen Geldgeber der ÖBB und insbesondere das BMVIT als Eigentümervertreter dies dem staatseigenen Unternehmen mit dem entsprechenden Nachdruck näherbringt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.    Wie erklären Sie, dass es bei den ÖBB zu den nicht ganz unerwartet auftretenden und daher langfristig einplanbaren Ferien-Beginnzeiten alle Jahre wieder zu Kapazitätsmängeln und entsprechenden Problemen für die Fahrgäste durch überfüllte Züge, Zugsräumungen, Polizeieinsätzen u. dgl. kommt?

 

2.    Wieviele funktionstüchtige Reisezugswagen haben die ÖBB in den letzten Jahren an ausländische Bahnunternehmen abverkauft?

 

3.    Welcher Durchschnittserlös wurde dabei erzielt, welcher Einsparungseffekt fürs Unternehmen lukriert und welche Bonuszahlungen für welche ManagerInnen ausgelöst?

 

4.    Wie viele funktionstüchtige Reisezugswagen haben die ÖBB in den letzten Jahren verschrotten lassen?

 

5.    Welcher Durchschnittserlös wurde dabei erzielt, welcher Einsparungseffekt fürs Unternehmen lukriert und welche Bonuszahlungen für welche ManagerInnen ausgelöst?

 

6.    Wie viele Reisezugwagen standen am ersten Juliwochenende 2011 a) geplant oder b) ungeplant – zB aufgrund von Defekten zur Unzeit infolge von überschießenden Einsparungen bei der laufenden Wartung und Pflege oder von Organisationsmängeln - in ÖBB-Werkstätten statt zur Entlastung überfüllter Züge beitragen zu können?

 

7.    Was werden Sie bzw. Ihre VertreterInnen in ÖBB-Gremien unternehmen, um diese Zahl zu minimieren?

 

8.    Ist das vorsorgliche Vermeiden von überfüllten Zügen, polizeilichen oder sonstigen Zugsräumungen und dergleichen Bestandteil der Auflagen und Kriterien für Steuergeld-Zahlungen des Bundes an die ÖBB?

 

9.    Wenn nein warum nicht, und wann werden Sie entsprechende Änderungen veranlassen?


10.  Halten Sie die „Anregung“ der ÖBB, die Fahrgäste mögen doch lieber Plätze reservieren, für geeignet, eine größere Anzahl von Sitzplätzen, Waggons oder Züge „herbeizuzaubern“, also für geeignet zur Lösung des eigentlichen Problems der zu geringen Zugs-Kapazitäten?

 

11.  Was werden Sie bzw. Ihre VertreterInnen in ÖBB-Gremien wann im Einzelnen unternehmen, um die regelmäßig wiederkehrenden Missstände zu Ferien-Beginnzeiten abzustellen und den ÖBB-Fahrgästen auch zu diesen Spitzenzeiten ein verlässliches Weiterkommen zu ermöglichen?