9229/J XXIV. GP

Eingelangt am 13.09.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

der Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Finanzen

betreffend Aufklärung des schwarz-blauen Korruptionssumpfes

BEGRÜNDUNG

Korruption ist der Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.

So definiert Transparency International den Begriff für den Missstand, der heute unsere
Republik besch
äftigt.

Unter der Regierung von ÖVP und FPÖ bzw. BZÖ wurde in Österreich ein
flächendeckendes System der Korruption errichtet. Die Macht über das Vermögen des
Staates, die staatsnahen Betriebe, die Verleihung von Staatsbürgerschaften, die
Kontrolle von Banken und die Vergabe von Auftr
ägen bis hin zur Änderung und
Erlassung von Gesetzen wurden systematisch missbraucht - zum eigenen Vorteil, zum
Vorteil von Freunden, zum Vorteil von Parteien und immer zum Nachteil der ehrlichen
Mehrheit, die nach wie vor zusehen muss, wie ihre Steuergelder in schwarzen und
blauen Sümpfen versickern .

ÖVP und FPÖ haben das Jahr 2000 zu Recht als das Jahr der Wende bezeichnet. Im
Jahr 2000 fand in Österreich eine der größten Wenden der Nachkriegszeit statt: eine
Wende zur Parteibuchwirtschaft, zur Regierungsjustiz, zur Plünderung des öffentlichen
Eigentums und zur Korruption.

Der Schaden ist groß. Der finanzielle Schaden geht in die Milliarden. Der Schaden, der
in Polizei und Justiz angerichtet wurde, hat den Rechtsstaat in eine schwere Krise
gef
ührt. Aber am schwersten wiegt der Schaden am Vertrauen der Menschen in die
Regierung, ins Parlament, in die gesamte Politik.

Die Telekom-Affäre ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Zu ihr kommen:
    Die Eurofighter-Affäre


      Die BUWOG-Affäre

      Die Novomatic-Gesetzeskauf-Affäre

      Die OMV-Schmiergeld-Affäre

      Millionenspekulationen und Beraterhonorare bei den ÖBB

      Die Affären rund um die (versuchten) Käufe von Staatsbürgerschaften

      Uvm.

Bei der Telekom-Affäre zeigen sich jedoch schon viele jener Elemente, welche auch in
anderen Bereichen die Politik und Wirtschaft unter der blauschwarzorangen Regierung
geprägt haben.

Gesetzeskauf: Zentraler Punkt der Enthüllungen ist die für die Telekom
maßgeschneiderte Universaldienstverordnung, für deren Erlassung im Gegenzug
Hubert Gorbach (FPÖ, BZÖ, Ex-Vizekanzler) mit einer 264.000 Euro wertvollen
Mitarbeiterin belohnt worden sein soll.

Doch auch Gesetze wurden maßgeschneidert: Auf Intervention des damaligen
Bundesligavorstandes Peter Westenthaler (BZ
Ö, Abgeordneter) sorgte Wolfgang
Schüssel (ÖVP, Ex-Bundeskanzler und Ex-Abgeordneter) für eine Gesetzesänderung,
die unter der Vortäuschung einer Sonderjugendförderung“ dem ÖFB 1 Million Euro
brachte.

Der Novomatic Konzern kooperierte eng mit (Ex-)Finanzminister Karl Heinz Grasser
(FP
Ö, ÖVP, sonstige), um eine Aufweichung des Glücksspielmonopols im Interesse
eines Konsortiums, dem auch die Telekom angehörte, zu erreichen. Dazu überwies der
Glücksspielkonzern dem Lobbyisten Walter Meischberger insgesamt 450.000 Euro.
Dieser Versuch wurde durch die Casinos Austria ihrerseits mit massivem Lobbying
abgewehrt: So wurden in diesem Zeitraum 300.000 Euro für ein Scheingutachten der
Orange“ Agentur des BZÖ bezahlt. Die Methode wurde bei den Ministern der Schüssel-
Regierungen offenbar so weiterentwickelt, dass Ernst Strasser später daraus ein
Geschäftsmodell im EU-Parlament entwickelte: maßgeschneiderte Gesetzesanträge um
100.000 Euro pro Jahr.

Beschaffungen: Ebenso aufklärungsbedürftig ist die Verschiebung des Behördenfunk-
Auftrages des Innenministeriums an das Telekom-Motorola-Alcatel Konsortium. 1,1
Millionen Euro soll die Telekom hier an den Schmiergeld-Spezialisten Alfons Mensdorff-
Pouilly überwiesen und diese Zahlung in anderen Projekten versteckt haben.

Weitere 2,6 Millionen Euro kassierte Mensdorff-Pouilly von Motorola. Mit dem Projekt
betraute Referenten im Kabinett Strasser wechselten zu Tetron und zu Alcatel, wo
bereits Harald Himmer (
ÖVP, Vizepräsident des Bundesrates) Generaldirektor ist.

Eine der von Mensdorff-Pouilly benutzten Briefkastenfirmen, die Valurex in Panama,
taucht auch in den Ermittlungen um die Bestechung rund um die Eurofighter
Beschaffung auf. Aber bis heute will der zust
ändige Staatsanwalt Kronawetter trotz

Vorliegen von offensichtlichen Scheinrechnungen nicht wissen, wo die Leistung von
Rumpold für EADS um insgesamt 6,5 Millionen Euro ist.

Wohin ein Großteil jener rund 107 Millionen Euro Bestechungsgelder, die nachweislich
über diverse Briefkastenfirmen in den Netzwerken Vector Aerospace“ und Mensdorff-
Valurex“ geleitet wurden, im Detail geflossen sind, wird derzeit ermittelt.


Teure Beratungsleistungen: Von insgesamt rund 25 Millionen Euro, die Peter
Hochegger und seine Firmen von der Telekom erhalten haben, sind laut Telekom
Angaben 9 Millionen Euro ohne erkennbare Gegenleistung erfolgt. Hochegger hat Geld
weitergeleitet. Auf den Empfängerlisten finden sich wieder bekannte Namen: Matthias
Reichhold (FPÖ, Ex-Minister), Walter Meischberger (FPÖ, Ex-Abgeordneter), Reinhold
Gaugg (FP
Ö, Ex-Abgeordneter), Kurt Gartlehner (SPÖ, Abgeordneter), Klaus Wittauer
(FPÖ/BZÖ, Ex-Abgeordneter) sowie 200.000 Euro Druckkostenbeitrag“ an die Neue
Freie Zeitung der FPÖ.

Ähnliche Honorare finden sich in anderen staatsnahen Firmen und öffentlichen
Auftragnehmern: 6,2 Millionen Euro Honorare von den
ÖBB an Hochegger; Provisionen
f
ür Hochegger, Meischberger, und andere in Bauprojekten der PORR AG und für die
Vermittlung der überteuerten Einmietung in den Justiztower unter FPÖ-Justizminister
Böhmdorfer und der Finanz in den Terminal Tower Linz; Orange (Orange“) und blaue
(
Connect“, Schmied“) PR Agenturen“, die von Telekom und anderen öffentlichen
Auftragnehmern nicht nachvollziehbare Honorare kassieren; 100.000 Euro von
Hochegger an Ernst Strasser (
ÖVP); 6 Millionen Euro Honorar für den
Vertrauenssteuerberater“ Dietrich Birnbacher von Jörg Haider (FPÖ dann BZÖ) und
Josef Martinz (
ÖVP) in Kärnten beim Verkauf der Hypo Alpe Adria. Die Liste ist
unvollständig und wird täglich länger.

Anfütterung: Dazu gehören der Yachtausflug von Karl Heinz Grasser (FPÖ, dann ÖVP)
mit Julius Meinl, die Zahlung der Grasser Homepage durch die Industriellenvereinigung,
ein von Walter Meischberger finanzierter Seychellen Urlaub von Grasser usw.

Ausplünderung: In Bulgarien kaufte die Telekom den Mobilfunkbetreiber Mobiltel über
Zwischenschaltung von Martin Schlaff. Dieser und parteinahe Investoren wie Josef Taus
(ÖVP) und Hannes Androsch (SPÖ) verdienten auf Kosten der Telekom und auf Risiko
der BAWAG mehr als 600 Millionen Euro. Ähnlich wurde in Weißrussland agiert mit dem
Kauf der MDC. Weitere solche Geschäfte des blau-schwarzen ÖBB-Vorstands sind
derzeit Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Postenbesetzungen: In der Telekom begünstigte die parteipolitische Personalauswahl
zB Michael Fischer, einen engen Vertrauten von Wilhelm Molterer. Doch auch der
jetzige ÖIAG-Chef und Aufsichtsratspräsident der Telekom Markus Beyrer war von 1999
bis 2002 wirtschaftspolitischer Berater im Kabinett von Wolfgang Schüssel. Zum ersten
Mal in der Zweiten Republik wurde fl
ächendeckend vom Innenministerium bis zu den
T
öchtern der ÖBB umgefärbt. Staatsnahe Betriebe wie die ÖBB, zentrale staatliche
Bereiche wie Polizei und Justiz, bis hin zu Forschungseinrichtungen (zB Martin Graf

(FPÖ) in Seibersdorf) - überall wurden ohne Rücksicht auf Qualifikation bewährte
Manager durch parteipolitisch willf
ährige Personen ersetzt und damit
verantwortungsbewusste Unternehmensführungen durch Handlanger der schwarz-
blauen Pl
ünderung verdrängt.

Verantwortungslose Manager: Wie ihre Mentoren in der Regierung nützten die
G
ünstlinge der Wirtschaftspartei“ ÖVP und ihre blauorangen Handlanger ihre
Funktionen zur pers
önlichen Bereicherung, zur Spekulation bis hin zur (versuchten)
Verschiebung der Unternehmen selbst an Freunde“. Im Fall der Telekom kam es zu
der beispiellosen Kursmanipulation zur Erzielung von Millionen-Boni. Bei der ÖBB
gingen hunderte Millionen Euro durch hochriskante Spekulationsgesch
äfte verloren. Mit
der Aktion
Minerva“ versuchte der Magna-Vorstand Wolf als Vorsitzender des
Privatisierungsausschusses der ÖIAG, die Voest günstig an Magna zu verschieben. Und
die AUA wurde - möglicherweise vorsätzlich - kaputtgewirtschaftet bis sie notverkauft
werden musste. Die Schäden, die aus dem Planungsdebakel beim Skylink“ Terminal
entstanden sind, m
üssen erst abgewartet werden.


Dazu kommen weitere Formen der Korruption wie der Staatsbürgerschaftskauf, der im
Zusammenwirken von J
örg Haider und Wolfgang Schüssel zum System wurde. Mit Uwe
Scheuch gibt es auch heute noch ein Regierungsmitglied, das sich für diese Praktiken
vor Gericht zu verantworten hat.

Erst mehr als zehn Jahre nach der Wende zur Korruption beginnt deren systematische
gerichtliche und parlamentarische Aufarbeitung. Es bedurfte eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses, um die politische Abteilung der StA Wien aufzulösen und
sicherzustellen, dass die Staatanwälte insbesondere in Wien ungehindert durch
Regierungsinterventionen ihrer Aufgabe auch in politisch bedeutenden F
ällen
nachkommen konnten.

Die Kontrolle ist aber auch im Bereich des Bundesministeriums für Finanzen unter
Ministern von FPÖ und ÖVP weitgehend ausgeschaltet worden:

      Die FMA war nicht in der Lage, trotz dichter Hinweise ihren Kontrollaufgaben
nachzukommen und die gebotenen Verfahren einzuleiten;

      Die ÖIAG hat als Eigentümervertreterin gegenüber Telekom und OMV in der
Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben vollkommen versagt. Während die ÖIAG
durch die große Öffentlichkeit der Telekom-Affäre zur verspäteten Kontrolle
gezwungen werden konnte, verweigert sie in der OMV-Affäre, in der es ebenso
um Mensdorff-Pouilly-Schmiergelder und den Verdacht von Bestechung und
Geldwäsche geht, zu untersuchen.

Es gibt bisher keinen Hinweis auf Maßnahmen, die das Bundesministerium für Finanzen
gegen den Kontrollnotstand gesetzt haben könnte.

So verfestigt sich der Eindruck, dass Finanzminister der Korruptionsparteien bis heute
die Aufklärung der geschilderten Missstände behindern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

DRINGLICHE ANFRAGE

1.              Sind Interventionen, wie sie von Profil berichtet wurden, dass nämlich der
Kabinettschef des Innenministeriums Michael Kloibmüller der Telekom gegenüber
weniger Transparenz im Hinblick auf Alfons Mensdorff-Pouilly dringend geraten
haben soll, im Bereich der Zusammenarbeit zwischen den von der
ÖIAG anteilig
gehaltenen Unternehmen und staatlichen Beh
örden üblich und zulässig?

2.      In welcher Weise wird das Finanzministerium die Aufklärung der umfangreichen
Korruptionsvorwürfe rund um Unternehmen, an denen die ÖIAG Beteiligungen hält,
unterstützen?

3.      Welche Maßnahmen haben Sie bisher ergriffen, um diese Vorwürfe aufzuklären?

4.      Welche Maßnahmen haben Sie bisher ergriffen, um derartige Malversationen für die
Zukunft zu verhindern?

5.      Wann hat die ÖIAG zum ersten Mal Anzeige wegen des Verdachts hinsichtlich der
Kursmanipulationen in der Telekom erstattet?

6.      Wann hat die ÖIAG dem BMF zum ersten Mal über den Verdacht auf Korruption in
der Telekom AG berichtet?

7.      Wann hat die ÖIAG dem BMF zum ersten Mal über den Verdacht auf Korruption in
der OMV AG berichtet?


8.      Die ÖIAG begnügt sich im Fall OMV“ mit der einfachen Erklärung des OMV-
Vorstands, das sei ein alter Fall und längst erledigt“. Was haben Sie unternommen,
um die ÖIAG von der Notwendigkeit einer genauen Prüfung der OMV zu
überzeugen?

9.      Wann hat die FMA erstmalig Ermittlungen wegen der Kursmanipulationen in der
Telekom aufgenommen?

10.  Was war das Ergebnis dieser Ermittlungen?

11.  Weshalb wurden die Ermittlungen der FMA gegen die Telekom-Manager im Jahr
2004 wieder eingestellt?

12.  Worin sehen Sie die Gründe für das jahrelange Versagen der Kontrolle in Ihrem
Ressort?

13.  Wie beabsichtigen Sie in Zukunft eine effiziente Kontrolle des Verhaltens von
Unternehmen, an denen die ÖIAG beteiligt ist zu gewährleisten?

14.  Ist eine unabhängige Aufklärung im Bereich der Telekom durch die von
Aufsichtsratspräsident Beyrer angekündigte Taskforce“ gewährleistet, zumal Beyrer

selbst politisch durch seine Arbeit für das Kabinett von Wolfgang Schüssel
vorbelastet ist und Franz Geiger aus dem Siemens-Konzern stammt, wobei dieser
Konzern selbst mit massiven Korruptionsvorwürfen zu kämpfen hatte?

15.  Welche Honorare hat das Bundesministerium für Finanzen von 1999 bis heute an
Herrn Peter Hochegger bzw. diesem zuzurechnende Unternehmen bezahlt (bitte
nach Jahren aufschlüsseln)?

16.  Was war die Leistung?

17.  Wie hoch war das Budget für das Projekt Adonis / mastertalk im Bereich des BMI?

18.  Wie hoch war demgegenüber das Budget für das Projekt Tetron/ BOS am Beginn
der Einf
ührung?

19.  Um welchen Betrag wurde das Budget des BMI für das Projekt Tetron / BOS bisher
überschritten bzw. erhöht?

20.  Entspricht der Bericht im Kurier vom 31.8.2011 den Tatsachen, wonach von der
Republik eine Abschlagszahlung von 29,9 Mio Euro für die ausgeboteten“ Anbieter
geleistet wurde?

21.  Welche Zusatzkosten dieser Überschreitungen entfallen auf die einzelnen
Bundesländer?

22.  Welche Kosten verursachte bis heute die Übersiedlung der Finanzlandesdirektion
Linz in den Terminal Tower Linz?

23.  Wie hoch sind die entgangenen Mietzahlungen an die BIG und die damit
verbundenen Leerstände auf Grund von Fremdeinmietungen der Linzer Finanzämter
und der WU-Wien?

24.  Wurden jene rund 600 Millionen Euro Gewinn, welche Martin Schlaff, Josef Taus und
Hannes Androsch bzw. deren Unternehmen und ihre Geschäftspartner aus dem
Kettenkaufvertrag
über die bulgarische Mobiltel lukrierten in Österreich versteuert?

25.  Falls nein: mit welcher Konstruktion wurde diese Versteuerung verhindert?

26.  Welche Schritte zur Aufklärung der Vorgänge rund um die 1 Million Euro Sonder-
Jugendförderung“ an den ÖFB, welche tatsächlich zur Abdeckung von
Steuerschulden gewährt und genutzt worden sein dürfte, habe Sie bisher gesetzt?

27.  Haben Sie bereits die Finanzprokuratur angewiesen, Schadenersatzforderungen der
Republik gegenüber früheren Regierungsmitgliedern, Funktionären, Managern und
Beratern wegen der zu Tage getretenen Sachverhalte zu pr
üfen?


28.  Falls nein: wieso nicht? Falls ja: in welchen Fällen?

29.  Wie hoch bewertet Ihr Ressort den Schaden für die Republik Österreich, der unter
der schwarzblauen Regierung j
ährlich durch Korruption entstanden ist?

30.  Wie hoch bewertet Ihr Ressort den Schaden für die Republik Österreich, der heute
jährlich durch Korruption entsteht?

31.  Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um diesen jährlich entstehenden Schaden
senken?

 

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs. 1 GOG verlangt.