9274/J XXIV. GP

Eingelangt am 14.09.2011
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Deimek, Vilimsky

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Verkehrsdienstevertrag zwischen der ÖBB-Personenverkehr AG und der Schieneninfratruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH

 

 

Die ÖBB-Personenverkehr AG und die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungs-gesellschaftmbh haben im Feber 2011 einen Verkehrsdienstevertrag abgeschlossen, dessen Inhalt und Zustandekommen viele Fragen aufwirft.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie folgende

 

 

Anfrage

 

 

1.    Wurde im Auftrag des BMVIT ein Verkehrsdienstevertrag (kurz: VDV) zwischen SCHIG und ÖBB Personenverkehr AG über Leistungen im Schienenpersonen-verkehr - konkret gemeinwirtschaftliche Leistungen - geschlossen, der bereits ab April 2010 läuft, aber erst im Februar 2011 (also 10 Monate später) abge-schlossen wurde?

2.    Wie lange haben die Verhandlungen zum Abschluss des gemeinwirtschaftlichen Leistungsvertrages gedauert, d.h. wann wurden die Verhandlungen gestartet und wann abgeschlossen?

3.    Werden Sie die Vertragsentwürfe der wichtigsten Vertragsstadien einem Ausschuss von Vertragsexperten außerhalb der ÖBB Personenverkehr AG und des BMVIT/der SCHIG zu einer objektiven wettbewerblichen Prüfung zur Verfügung  stellen?

4.    Wenn nein, warum nicht?

5.    Warum erfolgte mit dem ab 4/2010 gültigen Verkehrsdienstevertrag des Bundes (abgeschlossen durch die SCHIG) zur Bestellung gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Bahnverkehr erstmals die Abkehr vom Grundsatz, nur Nahverkehrsleistungen durch eine Leistungsbestellung (Grundangebot gemäß §7 ÖPNRV-G 1999) zu finanzieren?

6.    Warum erfolgte nunmehr eine Leistungsbestellung bei den ÖBB, die über das Grundangebot gemäß §7 OPNRV-G 1999 hinausgeht?

7.    Warum wird künftig nicht wie bis 2010 eine Bestellung und Abgeltung von Tarifermäßigungen durchgeführt?

8.    Können Sie ausschließen, dass dadurch die Wettbewerbsposition der ÖBB gegenüber Mitbewerbern gestärkt wird?

9.    Warum nutzten Sie die Möglichkeit des Artikel 3 Abs 1 der VO (EG) 1370/2007 nicht, die es weiter erlaubt hätte, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu Höchstpreisen für bestimmte Gruppen (und damit zB garantierte 50% Preissenkungen zum Vollpreis mit oder ohne ÖBB Vorteilscard für zB Blinde, sozial schwache, Senioren etc) österreichweit und unternehmensunabhängig längerfristig vorzusehen und damit völlig fair allen österreichischen Bahnunternehmen die Abtarifierung zu ersetzen und nicht nur den ÖBB für die überwiegende Zahl der Leistungen über den Umweg einer Leistungsbestellung?

10. Können Sie ausschließen, dass Zielsetzungen zum Schutz der ÖBB vor Konkurrenten die Wahl der Mittel bei der Bestellung in der nunmehrigen Form des Verkehrsdienstevertrags für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen beeinflusst hat?

11. Wenn ja, warum ist es dann möglich, dass Sie zB im VDV bei §7(5) Wertsicherungen für die Vergütungssätze vorsehen, die Schienennutzungs-kosten betreffen – und damit in der Wirtschaft völlig unüblich sind (auch Frächtern wird eine allfällige Strassenmautanhebung nicht ersetzt) und sogar gesetzliche Einsparungsmaßnahmen des BMF (wie zB den Wegfall der Energieabgabenrückvergütung) durch Anhebungen der Indexierung für die ÖBB Personenverkehr AG für bestellte Verkehre  egalisieren; sehen Sie nicht, dass durch derartige Regelungen die ÖBB im Wettbewerb unzulässig gestärkt werden?

12. Wenn nein, was haben Sie getan oder was werden Sie tun, um neben der ÖBB auch allen anderen Verkehrsanbietern Chancengleichheit zu bieten und alle einseitigen Besserstellungen der ÖBB Personenverkehr AG binnen weniger Monate abzustellen?

13. Können Sie eine klare Frist nennen, binnen der Sie alle Wettbewerbsbesser-stellungen der ÖBB aus dem VDV Bund offenlegen und dann mit Terminen zur Beseitigung sicher beenden?

14. Wie hoch war die Summe an gemeinwirtschaftlichen Bestellungen (GWL) des Bundes 2009 für die ÖBB PV-AG; wie hoch sind die Kosten für den Bund aufgrund des VDV im Jahr 2010 und wie hoch werden Sie vorrausichtlich 2011 und dann 2016 und zum Ende des Vertrages 2019 sein?

15. Berücksichtigen diese Werte Ersatzleistungen für starke Energiepreisstei-gerungen oder IBE-Steigerungen und den Wegfall der Energieabgaben-rückvergütung?

16. Wie hoch können gemäß aktueller vertraglicher Regelung die Kosten 2019 werden, wenn zB die Energiekosten jährlich um 6% steigen und das IBE durch neue Sonderkosten jährlich um 5% steigt; wie hoch weiters 2019, wenn ab 2015 gemäß VDV Vertrag neue Nahverkehrs-Fahrzeuge für rd 10 Mio Zugkilometer statt den ältesten Triebwagen der ÖBB PV (2/3 Einfachtraktion und 1/3 Doppeltraktion) bestellt werden?

17. Wie hoch ist die Steigerung der Kosten des Bundes für GWL 2010 zu 2009 und in der von Ihnen geplanten Form und vergleichsweise bei den obigen Kostenrisiken 2019 zu 2009 und wie begründen Sie diese Steigerung?

18. Wie hoch waren die GWL Kosten des Bundes im Personenverkehr  vergleichsweise 2006 und 2001?

19. Wie viele zusätzliche Zugkilometer fahren die ÖBB im Personenverkehr insgesamt (nicht nur gemeinwirtschaftlich bestellt) 2010 im Vergleich zu 2009 und wie wird die Gesamtzugkilometerleistung im Personenverkehr der ÖBB 2011 und 2012 aufgrund des aktuellen Fahrplanes sein?

20. Was bringen die Leistungsbestellungen und Kostensteigerungen für den Bund, wenn sie nicht gleichzeitig steigende Zugkilometerleistungen der ÖBB zu Gunsten der Fahrgäste damit auslösen?

21. Ist es richtig, dass der VDV, rückwirkend gültig ab 4/2010, aber erst im Februar 2011 unterschrieben, zwar bis 2019 (also 10 Jahre) geschlossen ist, aber mit dem Vorbehalt, nur im Falle einer bundesgesetzlichen Regelung im Laufe des Jahres 2011, mit der das BMVIT die Begründung einer Vorbelastung in Höhe der sich aus dem Vertrag ergebenden finanziellen Verpflichtungen für die Restlaufzeit des VDV genehmigt bekommt, so lange zu gelten – sonst aber Ende 2011 fix auszulaufen?

22. Wenn ja, wann haben Sie diese bundesgesetzliche Regelung genehmigt erhalten und zwar vor oder nach der Vertragsunterschrift?

23. Falls davor: Wie erklären Sie es, dass Sie vor dem rechtgültigen Abschluss des Vertrages, also noch vor einer Rechtsgrundlage eine bundesgesetzliche Genehmigung für Vorbelastungen von 9 Jahren beantragt haben?

24. Sind Sie bereit, dem Staat und damit den Steuerzahlern Hunderte von Millionen Euro zu ersparen, indem Sie von der bundesgesetzlichen Genehmigung im Einklang mit dem BMF Abstand nehmen und damit den Vertrag automatisch Ende 2011 beenden können und mit einer Übergangsregelung zur kurzfristigen Verkehrsfortführung in bestehender Form gleichzeitig die Chance nutzen, den öffentlichen Verkehr in Österreich rascher effizient auszuschreiben und vielfach zu privatisieren und damit besser und billiger für den Steuerzahler zu machen?

25. Wenn nein, wie können Sie es verantworten diesen VDV (sofern nicht mehr Leistungen an Zugkilometern von Bahnverkehren 2011 gegenüber 2009 weniger staatlichen Kosten ebenfalls  2011 gegenüber 2009 gegenüberstehen) erhalten zu wollen, obwohl ein pönalfreier Ausstieg  eigentlich jährlich, einfach über die reduzierte Dauer der bundesgesetzlichen Vorbelastungsgenehmigung vertraglich möglich ist?

26. Wie schnell werden Sie Teilleistungen des Vertrages zur Ausschreibung bringen sofern Sie eine gänzliche Beendigung des Vertrages aus Schutzinteressen für die ÖBB ab hoc ablehnen und daher längerfristig den Steuerzahler voll weiter belasten wollen?

27. Wann werden welche Leistungen aus dem VDV ausgeschrieben?

28. Können Sie ganz konkret die Teilleistungen und die Jahres der geplanten Vergabe listen und angeben, wann Sie die Teilleistungen bei den ÖBB kündigen werden (um vertragskonform rechtzeitig und schnell ausschreiben zu können)?

29. Wie erklären Sie solch einseitige Vereinbarungen wie in §31 des VDV (bei Teilkündigungen - zB für Ausschreibungen -  wurden Schutzrechte für die ÖBB - zB Fahrzeugverkaufsmöglichkeiten aber nicht Verpflichtungen - einseitig einge-räumt), die  dazu führen können, dass die ÖBB einem neuen Unternehmen (oder der SCHIG) Fahrzeuge aufzwingen kann, statt die Chance zu nutzen, ganz neue Fahrzeuge einzusetzen?

30. Sind Sie nicht verpflichtet, die Interessen des ÖV statt nur jener der ÖBB zu vertreten?

31. Sind Sie bereit, die entsprechenden Bestimmungen neu zu verhandeln?

32. Unabhängig von der jetzt vorliegenden Problemsituation für den Bund durch die VDV-Gestaltung durch Sie als politisch Verantwortliche für den Verkehr, warum haben Sie eigentlich nicht im Sinne von Wettbewerb und Schutz der Geldmittel des Bundes vor der Vergabe des VDV an die ÖBB im Direktvergabeweg die bestehende Möglichkeit der Begrenzung der Direktvergabe des VDV für gemeinwirtschaftliche Verkehre an die ÖBB durch unveränderte Beibehaltung des Bundesvergabegesetzes in der Fassung bis einschließlich 2009 genutzt?

33. Ist es richtig, dass Sie erst im März 2010 das Bundesvergabegesetz durch einen Halbsatz hinsichtlich Vergaben an Eisenbahnunternehmen so novelliert haben, dass statt einer Direktvergabe von maximal 100.000 Euro auf einmal, eine unbegrenzte Summe direkt zu vergeben ist?

34. Ist es richtig, dass zufällig der Zeitpunkt der Gültigkeit des VDV Bund für gemeinwirtschaftliche Leistungen erst einen Monat nach der Novellierung des Bundesvergabegesetzes fixiert wurde und wenn ja, wie erklären Sie sich diesen Zufall?

35. Haben Sie sichergestellt, dass die ÖBB keinerlei Gewinne bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren machen oder haben Sie es vielleicht zugelassen, dass die ÖBB bei Bestellverkehren sich auch noch Gewinne mit Ihrer Bestellorganisation vertraglich vereinbart haben?

36. Wenn ja, wie hoch ist der Jahresgewinn 2010 den die ÖBB vertragsgemäß erzielen darf (übersteigend über den Aufwand) der rein gemeinwirtschaftlichen Verkehre gemäß UGB-Rechnung insgesamt?

37. Wie sichern Sie Wettbewerber davor, dass die ÖBB Leistungen quersubventionieren, die im Wettbewerb stehen?

38. Verpflichten Sie zumindest ab 2012 die ÖBB (bei aufrechter Möglichkeit Gewinne auf den Aufwand gemeinwirtschaftlich bestellter Verkehre zu machen) dann nur solche Leistungen außerhalb der gemeinwirtschaftlich bestellten Verkehre anzubieten, die so positiv gestionieren, dass der Gewinn aus den gemeinwirtschaftlich bestellten Verkehren (auf Basis 2010) voll oder zumindest deutlich überwiegend auch in einen entsprechenden Gewinn der ÖBB Personenverkehr AG mündet?


39. Wenn ja, wie haben Sie diese Verpflichtung als Eigentümer fixiert oder wie werden Sie diese fixieren und falls noch nicht, bis wann und sind Sie bereit diese Festlegung dem Parlament zugänglich zu machen?

40. Wenn nein bei 37, wie gedenken Sie anders die Steuermillionen für die ÖBB vor Vergeudung zu schützen bzw. wie wollen Sie verhindern, dass Gewinne aus gemeinwirtschaftlichen Bestellungen nicht anderweitig im Unternehmen ÖBB Personenverkehr AG verschwendet werden statt Verkehre abseits der gemeinwirtschaftlichen Bestellung definitionsgemäß eigenwirtschaftlich und damit verlustfrei zu führen?

41. Ist Ihnen bewusst, dass Sie gemäß PSO innerhalb 1 Jahr ab Auftragsvergabe wesentliche Informationen zu veröffentlichen haben, was insbesondere den bestmöglichen und risikolosen Einsatz der Mittel betrifft?

42. Wenn Sie also nicht - wie gemäß PSO gefordert - bis Ende April 2011 (1 Jahr nach Vertragsabschluss) informiert haben, wie denken Sie ihre Verpflichtungen gemäß PSO sinnvoll für die Republik und die Steuerzahler zu erfüllen und nicht nur Alibimaßnahmen zu setzen?

43. Zu welchem Zeitpunkt lag die bei Direktvergaben gemäß PSO zwingend erforderliche ex-ante Rechnung – und zwar jene, die tatsächlich im Vertrag als Grundlage für die Bestellkosten pro Leistungseinheit (= Zugkilometer) für die gemeinwirtschaftlichen Verkehre (und die übrigen Verkehre, die nicht bestellt werden) enthalten ist, vor. War das – wie für einen Vertrag der im Laufe 2010 begann zeitlich richtig – im Laufe des Jahres 2009 oder spätestens Anfang 2010, oder war das später?

44. Sofern später, von wann datiert die effektiv dem Vertrag zu Grunde liegende ex-ante Rechnung und sind Sie bereit, diese Rechnung samt Zeitpunkt der Rechnungserstellung dem Parlament offen zu legen?

45. Wenn nein, durch wen werden Sie eine Prüfung veranlassen?

46. Wurde diese der vertraglichen Zahlung zugrunde liegende Rechnung vom Besteller selbst und federführend ausgearbeitet und vor der Zugrundelegung für die Zahlungen an die ÖBB aus dem Vertrag typisch für PSO-Direktvergaben rechtzeitig von einem Wirtschaftprüfer überprüft und testiert?

47. Können Sie durch bereits erfolgte Prüfungen seitens Wirtschaftprüfer sicherstellen, dass alle Einnahmenrechnungen so erstellt sind, dass keine Beihilfen (zB von Verbünden für Abtarifierungen,…) durch interne Aufteilungsmodi der ÖBB auch auf nicht gemeinwirtschaftliche Verkehre zugeschieden werden und damit beihilfenrechtlich bedenkliche Zahlungen von Verbünden an die ÖBB geflossen sind und gleichzeitig Quersubventionen der nicht gemeinwirtschaftlichen Verkehre erfolgt sind und ggf noch erfolgen?

48. Gibt es im VDV Kündigungsrechte für die ÖBB, falls Konkurrenz bei gemeinwirtschaftlich bestellten Verkehren auftritt und den ÖBB Kunden und damit Einnahmen wegnimmt, außer wenn in diesem Fall eine Zusatz-Ausgleichszahlung an die ÖBB erfolgt?

49. Wenn ja, wie können Sie so etwas erklären, und wie stellen Sie sich Wettbewerb und derartigen Konstellationen vor, ohne dass der Steuerzahler zur Melkkuh für die ÖBB wird und Sie gleichzeitig damit jeglichen Wettbewerb abwürgen?


50. Sind Sie bereit, raschest die Änderung solcher unsittlicher Vertragselemente zu beauftragen?

51. Gibt es im VDV Wertsicherungen für die Abgeltungsbeträge zugunsten der ÖBB Personenverkehr AG?

52. Ist es richtig, dass allfällige Energiekosten, die über +2,5% p.a. liegen, sofern Sie eintreten, ersetzt werden?

53. Ist es richtig, dass Überkompensation lt PSO in diesem Vertrag für Sie erst bei über 10% Kaptalrendite gegeben ist?

54.  Wie glauben Sie wirken solche oder auch etwas niedrigere Gewinnmargen für die ÖBB, die Sie als Leistungsbestellung zahlen, auf den Wettbewerb?