9625/J XXIV. GP

Eingelangt am 25.10.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Petzner,

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend „eine Art Kronzeugenregelung“ für Josef Kircher und Interventionen bei der Justiz

 

 

Das Wirtschaftsmagazin "Format" berichtet in Ausgabe Nr. 41/11 vom 14.10.2011 mit der Schlagzeile „Kronzeuge in Hypo-Causa?“ wie folgt:

 

 „Hypo-Wendung. Der Exchef der Hypo-Leasing-Holding, Josef Kircher, zählt zu den Hauptverdächtigen in der Affäre Hypo Alpe-Adria. Dass die Justiz ihn sanft anfasst, ist kein Zufall: Kircher soll eine Art Kronzeugenregelung angeboten worden sein, wenn er gegen prominente Hypo-Vorzugsaktionäre auspackt. Kircher ziert sich und wagt laut "News“ einen anderen Weg: ÖVP-Politiker sollten für ihn bei der Justiz intervenieren. Offenbar mit Erfolg.“

 

 

Das Nachrichtenmagazin „NEWS“ berichtet in Ausgabe Nr. 41/11 vom 13.10.2011 wie folgt:

 

„Bei den Ermittlungen zur Hypo-Affäre durch die Klagenfurter Staatsanwaltschaft hakt es an einem Punkt: Die Causa "Vorzugsaktien zweite Tranche“ wäre längst anzuklagen. Einzig: Aus unerfindlichen Gründen geht nichts weiter. Erst vorige Woche hat die Staatsanwaltschaft wieder eine Anordnung auf Bestellung eines Sachverständigen herausgegeben. Und das, obwohl der Sachverhalt ausnahmsweise relativ simpel ist und die Fakten so klar auf dem Tisch liegen, dass sich die Frage stellt, wozu man hier einen Sachverständigen benötigt.

 

Der Hintergrund: Um ihren enormen Expansionskurs zu finanzieren, hat die Bank einst in zwei Tranchen Vorzugsaktien begeben. Der Haken: Mehrere Käufer der Papiere bekamen Nebenabreden zugestanden. Beispielsweise, dass sie die Aktien jederzeit zum Nominale plus Dividende an die Bank zurückverkaufen können.

 

Trotz dieser Nebenabreden hat die Bank die Einnahmen aus dem Verkauf dieser Vorzugsaktien als Eigenkapital dargestellt und sich, ausgestattet mit diesem vermeintlichen Eigenkapital, wieder ein Vielfaches dieser Summe am Kapitalmarkt beschafft.

 

Dabei weiß jeder Handelsschüler: Geld, das ich jederzeit zurückzahlen muss, mir faktisch nur geborgt habe, ist in der Bilanz als Verbindlichkeit - und eben nicht als Eigenkapital - auszuweisen.


Wurden aber in den Bilanzen Verbindlichkeiten als Eigenkapital dargestellt, dann liegt eine Bilanzfälschung vor.

 

Weitergedacht heißt das: Bei diesem Sachverhalt stellen sich nicht nur strafrechtlich relevante Fragen, sondern die Bayern hätten die Hypo wohl auch zu teuer gekauft. Nämlich auf Basis von gefälschten Bilanzen, in denen Schulden als Eigenkapital dargestellt wurden. Daraus folgt: Wenn man die dafür verantwortlichen Manager in Kärnten vor Gericht stellt, wird man den Bayern für allfällige zivilrechtliche Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe sämtliche rechtlichen Hürden aus dem Weg räumen.

 

Irgendwie ist also zumindest aus Kärntner Perspektive verständlich, warum sich die Staatsanwaltschaft Klagenfurt in der Causa der Vorzugsaktien zweite Tranche (deren Investoren prominent und politisch exzellent vernetzt sind) gar so ziert. Warum aber bisher bei den Ermittlungen nicht viel weitergeht, lag bisher im Dunkeln. Licht in die politisch so heikle Angelegenheit kommt nun jedoch durch neue Unterlagen, die NEWS zugespielt wurden.

 

Explosive Grigg-Aussage. Dass von Beginn an intensiv versucht wurde, Ermittlungen zu den Vorzugsaktien zu unterbinden, geht nun aus einer NEWS exklusiv vorliegenden Einvernahme hervor. Befragt wurde der Manager Siegfried Grigg, der einst Vorstandsvorsitzender der Hypo Group Alpe Adria war und zugleich Vorstand beim damaligen Miteigentümer der Hypo, der Grazer Wechselseitigen war.

 

Grigg erzählte den Ermittlern, dass Josef Kircher (einst Chef der Hypo Leasing Holding, über die die Vorzugsaktien begeben wurden) ihn kontaktiert hätte. Kircher habe ihm gesagt, durch die Nebenabreden bei den Vorzugsaktien bestehe die Gefahr, dass diese nicht mehr als Eigenmittel angerechnet werden. Zitat: "Er ersuchte mich, an Dr. Ederer (Anm. d. Red.: Chef der Grazer Wechselseitigen) heranzutreten, damit dieser beim damaligen Finanzminister Josef Pröll interveniert, damit dieses Thema nicht weiter verfolgt wird.“

 

Er, Grigg, habe erwidert, dass er Ederer davon abraten werde. Daraufhin habe ihm Kircher erklärt, dass auch er, also Grigg, eine derartige Nebenabrede für einen Vorzugsaktionär unterschrieben habe und alleine aus diesem Grund Interesse haben "könnte“, dass "dieses Thema nicht weiter verfolgt wird“. Grigg war offenbar nicht bewusst gewesen, dass er selbst zugunsten der Flick-Stiftung eine Nebenabrede unterzeichnet hatte. In seiner Einvernahme spricht er davon, dass er in dieser Sache gar "belogen“ worden sei.

 

Wenig später, so Grigg, habe der Hypo-Investor Tilo Berlin den GraWe-Boss Othmar Ederer kontaktiert. Daraufhin sei entschieden worden, dass Grigg mit Berlin sprechen sollte. Laut Grigg habe auch Berlin sich gewünscht, dass interveniert werden solle. Grigg habe das wieder an Ederer berichtet, der daraufhin den Vorstand der Finanzmarktaufsicht, Helmut Ettl, darüber informiert habe, dass Kircher und Berlin auf eine Intervention gedrängt hätten, dass die Nebenabsprachen bei den Vorzugsaktien nicht verfolgt werden sollten.

 

Justizministerin und FMA gefordert. Unterm Strich lässt sich somit objektivieren: Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat es bisher trotz klarer Faktenlage unterlassen, in der Causa Vorzugsaktien zweite Tranche Anklage zu erheben.

 

Gefordert ist nun Justizministerin Beatrix Karl. Sie wird jetzt erklären müssen, warum das so ist - und wann die Strafverfolgungsbehörden in Kärnten ihren Job zu erledigen gedenken.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichnenden Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende


Anfrage:

 

 

  1. Welche „Arten von Kronzeugenregelungen“ gibt es nach geltendem österreichischen Recht und welche konkrete „Art von Kronzeugenregelung“ wurde Herrn Josef Kircher wann, von wem, warum und mit welchen möglichen rechtlichen Folgen angeboten?

 

  1. Ist Josef Kircher eine „Art Kronzeuge“ in der Causa Hypo Alpe Adria auf Basis von § 209a StPO und falls ja, war bzw. ist diese „Art von Kronzeugenregelung“ für Josef Kircher im Hinblick darauf überhaupt (noch) zulässig, dass die Verfolgung wieder aufgenommen werden kann, wenn die eingegangene Verpflichtung zur Mitwirkung an der Aufklärung verletzt wurde oder die zur Verfügung gestellten Unterlagen und Informationen falsch waren, keinen Beitrag zur Verurteilung des Täters zu liefern vermochten oder nur zur Verschleierung der eigenen führenden Tätigkeit dienten?

 

  1. Wie sieht ein „sanftes Anfassen“ der Justiz im Fall von Josef Kircher konkret aus und auf Basis welcher rechtlichen Grundlage erfolgt ein solches „sanftes Anfassen“?

 

  1. Gibt es Hinweise, dass Josef Kircher auf ÖVP-Politiker eingewirkt hat, damit diese für ihn, Kircher, bei der Justiz intervenieren und falls ja, wann hat Kircher welche ÖVP-Politiker ersucht wo zu intervenieren und welchen Erfolg hatten diese Interventionen?

 

  1. Hat es in den Ermittlungsverfahren in der Causa Hypo Alpe Adria jemals Interventionen bei bzw. durch ÖVP-Politiker gegeben und falls ja, wer hat wann mit welchem Ergebnis in Zusammenhang mit welchem Sachverhalt interveniert?

 

  1. Dr. Siegfried Grigg hat laut Beschuldigtenvernehmung durch die Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 22.6.2011 ausgesagt, dass sowohl Dr. Josef Kircher als auch Tilo Berlin an ihn, Grigg, und an Dr. Othmar Ederer heran getreten seien mit dem Ersuchen, beim damaligen Finanzminister Josef Pröll zu intervenieren, damit das Thema Vorzugsaktien 2006 „nicht weiter verfolgt wird“, wie es in der Beschuldigtenvernehmung heißt.

 

a)       Hat es diese Interventionen bei Josef Pröll gegeben und falls ja, von wem, wann und wie wurde mit diesen Interventionen umgegangen?

b)      Welche Möglichkeiten und rechtlichen Mittel hatte der damalige Finanzminister Pröll, um zu erreichen, dass das Thema Vorzugsaktien 2006 „nicht weiter verfolgt wird“?

c)       Falls der damalige Finanzminister Pröll keine solchen Möglichkeiten und rechtlichen Mittel hatte, warum gingen laut Beschuldigtenvernehmung von Grigg ganz offensichtlich sowohl Kircher als auch Berlin davon aus, dass Pröll in der Lage ist, zu erreichen, dass das Thema Vorzugsaktien 2006 „nicht weiter verfolgt wird“?

d)      Gibt es im Zusammenhang mit versuchten und allenfalls erfolgreichen Interventionen in der Causa Hypo-Vorzugsaktien 2006 Ermittlungen seitens der Justiz, falls ja, gegen wen und falls nein, warum nicht, obwohl entsprechende Hinweise durch die Beschuldigten-Vernehmung von Grigg vorliegen?

e)      Wie ist der aktuelle Ermittlungsstand bzw. Verfahrensstand in der Causa Hypo-Vorzugsaktien 2006?

 

 

 

Wien, 24. Oktober 2011