9901/J XXIV. GP

Eingelangt am 18.11.2011
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Anfrage

 

der Abgeordneten Harald Walser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend Chancenrechner für die Neue Mittelschule

BEGRÜNDUNG

 

 „Die Neue Mittelschule ist ein im Vorfeld viel diskutiertes und entsprechend gut durchdachtes Konzept. Sie verschafft allen Kindern den gleichen Zugang zu Bildung, eine Trennung der Schülerinnen und Schüler im Alter von zehn Jahren wird verhindert. Ziel des neuen Schulkonzepts ist es, die Kinder bestmöglich zu fördern und auf ihre Bildungswegentscheidung mit 14 Jahren vorzubereiten.“ So wurde die Neue Mittelschule von Unterrichtsministerin Claudia Schmied im Jahr 2008 beworben.

„Die Neue Mittelschule ist die Schule der Zukunft mit einer neuen leistungsorientierten Lehr- und Lernkultur. Individuelle Zuwendung und Fördern sind die Säulen dieser gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen. Ziel ist es, auf jede Schülerin, jeden Schüler und deren persönliche Begabungen einzugehen und so Spitzenleistung zu ermöglichen. Eine gemeinsame Schule mit starker innerer Differenzierung.“ So steht es einleitend auf http://www.bmukk.gv.at/schulen/bw/nms/index.xml

Die angesprochene innere Differenzierung erfolgt jedoch nicht über individuelle Förderung und Lernzielvereinbarungen, sondern über die selektive Einteilung in Basis- und Vertiefungslehrplan. Der Eintritt in die NMS und die Einstufung in die „Basisgruppe“ erweist sich als absolute Sackgasse. Der Weg zu höherer Bildung bleibt verschlossen.

Der Schulversuch zur Neuen Mittelschule ist im vierten Jahr. Anfang 2012 bewerben sich die ersten AbgängerInnen der Neuen Mittelschulen mit ihren Zeugnissen an weiterführenden Schulen. Versprochen wurde Ihnen bei Eintritt in die Neue Mittelschule, dass ihre Chancen auf eine höhere Bildung besser sind als in einer konventionellen Hauptschule. Die Realität sieht allerdings anders aus.

Trotz der versprochenen Abschaffung der Leistungsgruppen in den Neuen Mittelschulen erfolgt die Leistungsbeurteilung nach unterschiedlichen Maßstäben. Entweder wird ein sogenannter „Basislehrplan“ herangezogen oder aber ein „vertiefender Lehrplan“. SchülerInnen, die auf Grundlage des Basislehrplans beurteilt werden, haben keine bzw. nur sehr geringe Chancen auf höhere Bildung, selbst wenn Ihr Zeugnis einen ausgezeichneten Erfolg oder lauter Sehr gut aufweist.

Die Aufnahme an mittlere und höhere Schulen erfolgt auf Grund der bisher erbrachten Leistungen. Nachdem die Ziffernnoten aus den AHS-Unterstufen, Hauptschulen, Neuen-Mittelschulen-Basisgruppen und Neuen-Mittelschulen-Vertiefungsgruppen nicht direkt vergleichbar sind, behilft man sich in Vorarlberg mit einem sogenannten „Chancenrechner“. https://ssl.schulanmeldung.at/chancenrechnervorspann.php5 Diesen hat der Landesschulrat für Vorarlberg zur Orientierung für SchülerInnen und auf seiner Homepage installiert. Dort trägt der VMS-Basislehrplan die Bezeichnung „VMS Lehrplan HS“, der vertiefende Lehrplan heißt:VMS Lehrplan AHS“

Der Chancenrechner funktioniert folgendermaßen: Es werden Zeugnisnoten in Punkte umgewandelt. Je weniger Punkte, desto höhere Chancen hat man, in eine mittlere oder höhere Schule zu wechseln. AHS-Unterstufenzeugnisnoten sind die Berechnungsgrundlage. Zeugnisnoten aus der Hauptschule (zweite und dritte Leistungsgruppe) sowie aus der Vorarlberger Mittelschule (Basislehrplan) erhalten Zuschläge. So wird aus einem „Sehr gut“ in der Basisgruppe der Mittelschule ein virtueller „Sechser“ im Chancenrechner. Die Wahrscheinlichkeit, an einer mittleren oder höheren Schule aufgenommen zu werden, schwindet rapide. Schon zwei Beurteilungen mit „Sehr gut“  nach dem Basislehrplan in Deutsch, Mathematik oder Englisch haben zur Folge, dass der/die betreffende SchülerIn nur mehr an dreijährigen berufsbildenden mittleren Schulen, kaum jedoch an höheren Schulen aufgenommen wird.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Welches sind die Unterschiede zwischen dem Basislehrplan und dem vertiefenden Lehrplan an den VMS?

 

2.    Welche Leistungsunterschiede können bei gleicher Ziffernbenotung zwischen Basis- und vertiefendem Lehrplan angenommen werden? Bitte in Prozent angeben.

 

3.    Wie groß sind die Leistungsunterschiede zwischen Basis- und vertiefendem Lehrplan an der VMS definiert? Bitte in Ziffernnoten angeben.

 

4.    Werden SchülerInnen ohne AHS-Reife in der 1. Klasse der VMS in die sogenannten Basisgruppen eingeteilt? Wenn ja, an welchen Schulen erfolgt diese Unterteilung? 

 

5.    Wie viele SchülerInnen der VMS befinden sich im laufenden Schuljahr in einer sogenannten Basisgruppe und wie viele in einer Vertiefungsgruppe? Bitte um Aufschlüsselung nach einzelnen Standorten der VMS.

 

6.    An Hand welcher Kriterien erfolgt die Festlegung der Beurteilung nach Basis- oder Vertiefungslehrplan in der VMS?

 

7.    An Hand welcher Kriterien erfolgt die Einteilung der SchülerInnen in die Basis- und Vertiefungsgruppen der VMS?

 

8.    Zu welchem Zeitpunkt erfolgt die Einteilung der SchülerInnen in die Basis- und Vertiefungsgruppen der VMS? Bereits in der 1. Klasse oder später?

 

9.    Ist Ihnen der Chancenrechner des Landesschulrates für Vorarlberg bekannt? Wenn ja, seit wann?

 

10. Ist der Chancenrechner ein Instrument, welches von SchulleiterInnen zur Reihung der sich bewerbenden SchülerInnen herangezogen wird? Wenn ja, geschieht dies mit Wissen und Einverständnis des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur?

 

11. Wie wird der Zuschlag von 5 Punkten auf die Ziffernnote der VMS-Basisgruppe begründet?

 

12. Auf welcher gesetzlichen Grundlage erfolgt die Bewertung der Ziffernnoten aus AHS-Unterstufen, Hauptschulen und den Neuen Mittelschulen?

 

13. Ist es vorgesehen, den Chancenrechner in anderen Bundesländern oder bundesweit anzubieten? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

 

14. Nach welchen Kriterien dürfen SchulleiterInnen die Reihung der sich bewerbenden SchülerInnen vornehmen?

 

15. Wieso werden die Ziffernnoten aus der VMS-Basisgruppe mit einem höheren Zuschlag versehen als die Ziffernnoten aus der zweiten Leistungsgruppe der Hauptschulen?

 

16. Wieso haben selbst SchülerInnen der Vertiefungsgruppe der VMS mit Beurteilungen von „Genügend“ in allen drei Hauptgegenständen bessere Chancen auf höhere Schulbildung, als die ausgezeichneten SchülerInnen der Basisgruppe?