9958/J XXIV. GP

Eingelangt am 18.11.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Josef Muchitsch

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung

betreffend

Universitäre Demokratie in Gefahr - Rektorswahl an der Kunstuniversität Graz

Selbstbestimmung und Demokratie an den Universitäten sind Grundpfeiler der durch die
Verfassung gesch
ützten Freiheit der Wissenschaft. Zahlreiche Professoren der
Kunstuniversit
ät Graz sehen diese Werte an ihrer Hochschule gefährdet. Unter ihnen ist die
Unzufriedenheit mit dem derzeitigen Rektor Dr. Georg Schulz in den vergangenen Jahren
stetig gewachsen. Mitarbeiter klagen über einen an Teamfähigkeit mangelnden Führungsstil,
der zu künstlerischen und wirtschaftlichen Fehlentscheidungen führe. Gravierendstes
Beispiel sei die Fertigstellung des neuen Veranstaltungsortes
Mumuth“ (Haus für Musik und
Musiktheater), das die Öffentlichkeit insgesamt ca. 20 Millionen Euro gekostet hat. Ohne ein
Gesamtkonzept der Lehre zu verfolgen und ohne Einbindung derjenigen K
ünstler, die darin
verantwortlich t
ätig sind, habe der Rektor den zentralen Aufführungssaal, für den
urspr
ünglich eine natürliche Akustik vorgesehen war, in einen Raum umwandeln lassen, der
nur mehr mit elektronischer Verst
ärkung bespielbar ist. Die Folge: Für Orchesterkonzerte
muss weiterhin ein teurer externer Saal angemietet werden.

Auch beim Ankauf von Streichinstrumenten, immerhin in der Höhe von ca. 200. 000 Euro,
setzte sich der Rektor
über eine ordentliche Vorgehensweise hinweg. So blieb es ohne
Konsequenzen, dass die Vorsitzende der Auswahlgruppe und Institutsvorständin die Gattin
jenes deutschen Händlers ist, bei dem alle Instrumente angekauft wurden, während
steirische Geigenbauer sich seit Jahren beklagen, dass es keine Ausschreibungen gibt, bei
denen sie sich beteiligen k
önnten.


Auch eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Beschwerden und Streitigkeiten, die z.T. über die
universitäre Schiedskommission, über Gericht und über die Arbeiterkammer ausgetragen
werden müssen zeugen von mangelnder Sozialkompetenz des Rektors. Statt einem
demokratischen Miteinander habe innerhalb der Universität ein absolut monokratischer
F
ührungsstil Platz gegriffen, so die Betroffenen, der einen Großteil der Kollegenschaft
Angaben in die N
ähe einer inneren Emigration“ treibe, was der Universität natürlich zu
Schaden gereicht.

Aus diesen und anderen objektiv nachvollziehbaren Gründen hält der durch demokratisch
gew
ählte Vertreter aus Lehre, Studierenden und allgemeinem Universitätspersonal
zusammengesetzte Senat eine Wiederbestellung des derzeitigen Rektors für eine
Gef
ährdung der an der Universität geleisteten Arbeit. Dennoch besteht insbesondere Dr.
Reingard Rauch als Vorsitzende des Universitätsrates, welcher den Universitäten durch das
Universit
ätsgesetz (UG) 2002 vorgesetzt wurde, auf der Wiederbestellung von Rektor
Schulz. In der Arbeit der Findungskommission verweigerte sie die gesetzlich
vorgeschriebene Erstellung eines Dreiervorschlags gem
äß § 23 a UG und beharrte auf der
Erstellung eines aus dem amtierenden Rektor bestehenden Einervorschlags (obwohl f
ür eine
Wiederwahl des Rektors gemäß § 23b Abs 1 keine Mehrheit bestand). Da in der
Findungskommission das Einstimmigkeitsprinzip gilt, kam diese zu keinem Ergebnis. Die
ersatzweise Erstellung eines Dreiervorschlages durch den Universit
ätsrat gemäß § 23 a Abs
6 wurde aus demselben Grund verhindert.

In Ermangelung eines (nach § 23 a Abs 3 UG den Senat nicht bindenden) Vorschlags
erstellte der Senat auf Basis des § 25 Abs 1 (5a.) UG einen eigenen Dreiervorschlag. Die
drei nominierten qualifizierten Personen wurden aus den sechs BewerberInnen gew
ählt,
welche die Findungskommission zur Anh
örung geladen hatte. Die Vorsitzende des
Universitätsrates verweigert nichtsdestotrotz die konstruktive Zusammenarbeit und der
Universit
ätsrat versucht weiterhin gegen die Stimmen des demokratisch gewählten
Universit
ätssenates die Wiederbestellung des amtierenden Rektors zu forcieren und lehnte
es ab, aus dem Dreiervorschlag des Senats auszuw
ählen.

Die Weigerung des Universitätsrates bzw. seiner Vorsitzenden, die Kompetenz des Senats
zur Erstellung des Dreiervorschlags gemäß § 25 Abs 1 (5a.) UG anzuerkennen, zeigt eine
deutliche Missachtung der demokratischen Strukturen an der Universit
ät. Da die Vorsitzende
des Universitätsrates, wie auch das Rektorat gezielt, Druck auf die Mitarbeiter der Universität
aus
übt, um für eine Wiederwahl des amtierenden Rektors Stimmung zu machen, sahen sich
die Mitglieder des Senats dazu gezwungen, eine Unterst
ützungserklärung von 18
angesehenen Professoren beizubringen, in welcher auf die Rechte des einzigen
demokratisch gew
ählten Organs der Universität gepocht wird. Dies verdeutlicht eindrucksvoll
das Gewicht der Situation.


Das Recht des Senats auf Erstellung eines bindenden Dreiervorschlags erlaubt, etwa im
Vergleich mit deutschen Universitäten, an denen die Rektorenbestellung meist direkt durch
den Senat geschieht, nur eine beschränkte Mitsprache, ist jedoch dennoch bzw. gerade
deshalb eine zentrale Bestimmung des demokratischen Prinzips an den
österreichischen
Universit
äten. Darauf verweisen auch die Senatsvorsitzenden Österreichs in einer im Mai dieses Jahres verabschiedeten gemeinsamen Erklärung. Sie sehen auch in der
Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshof (VfSIg 17.101/2004) best
ätigt, dass die
Erstellung eines bindenden Dreiervorschlags durch den Senat eine Kernbestimmung der
verfassungsrechtlich garantierten Autonomie der Universit
äten darstellt. Es ist nicht zu
akzeptieren, dass durch einseitiges Vorgehen von durch die Politik entsandten Mitgliedern
des Universit
ätsrates die Bestellung der Führung einer Universität ohne das Einverständnis
ihrer demokratisch gew
ählten Vertreter besetzt werden soll.

Nichts destotrotz sah das Ministerium keine Notwendigkeit, die rechtliche Stellung des
Senats als demokratisch gew
ähltes Organ der Universitäten zu schützen und hob den durch
den Senat erstellten Dreier-Vorschlag auf, um dem Universitätsrat freie Hand bei der
Bestellung des Rektors zu geben. Der Senat wird im aufsichtsbeh
ördlichen Bescheid
aufgefordert, den amtierenden Rektor Schulz
jedenfalls in den Dreiervorschlag"
aufzunehmen. Ein Auftrag, der laut einem Gutachten der Verwaltungsrechtsexpertin Prof.
Gabriele Kucsko-Stadlmayer
mehrfach rechtswidrig" ist und deshalb beim VwGH
angefochten wird. Weiters hält Prof. Kucsko-Stadlmayer fest: Nur der Senat, nicht der
Universit
ätsrat ist aus Angehörigen der jeweiligen Universität zusammengesetzt. Nur der
bindende Dreiervorschlag des Senats kann daher dem neuen Rektor die demokratische
Legitimation der Universit
ätsangehörigen geben."

In diesem Zusammenhang richten die unterzeichneten Abgeordneten folgende

Anfrage:

1.                                       Ist es aus Sicht des Ministeriums gesetzlich zulässig und der Autonomie der
Universit
äten entsprechend, die Wiederbestellung eines Rektors bzw. die Besetzung des
Rektorpostens gegen den Willen des demokratisch gew
ählten Senats durchzusetzen?

2.            Ist das Erstellen eines Einer-Vorschlages" durch die Findungskommission bzw. durch
den Universitätsrat aus Sicht des Ministeriums entgegen dem Wortlaut des Gesetzes
zul
ässig, insbesondere, wenn aus Sicht des Ministeriums zumindest zwei weitere
Kandidaten etwa gleich qualifiziert sind?


3.                   Welche Maßnahmen werden seitens Ihres Ministeriums gesetzt, um die
Kompetenzen der Senate in der Auswahl des Rektors bzw. der Rektorin zu sch
ützen?

4.                   Welche Möglichkeiten werden dem Senat eingeräumt, bei Säumigkeit sowohl der
Findungskommission als auch des Universitätsrates, einen eigenen (gemäß § 23 Abs 3
bindenden) Dreiervorschlag zu erstellen?

5.                   Welche Schritte werden durch das Ministerium gesetzt, damit der Universitätsrat u.a.
bei den offensichtlichen Unregelmäßigkeiten beim Ankauf von Streichinstrumenten seiner
Aufsichtspflicht nachkommt?