10095/J XXIV. GP

Eingelangt am 07.12.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Karl Öllinger, Kurt Grünewald, Helene Jarmer, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Gesundheit

betreffend Heilbehelfe und Hilfsmittel als Leistung der sozialen Krankenversicherung

BEGRÜNDUNG

Nach § 133 Abs 2 ASVG schuldet die soziale Krankenversicherung PatientInnen eine State of the Art" Behandlung, wobei sich State oft the Art" als Meinung von führenden Experten definiert (Guidelines, Expertenstatements u.a). Im Rahmen der Krankenbehandlung sind auch Heilbehelfe und Hilfsmittel als Leistung der sozialen Krankenversicherung zu gewähren (§ 137 ASVG, § 87 BSVG, § 65 u. § 100 B- KUVG, § 93 GSVG):

Demonstrative Aufzählung der Gruppen von Heilbehelfen und Hilfsmitteln:

§  Ableitende Inkontinenz-Artikel (zB Katheter)

§  Beatmungsgeräte (CPAP/BIPAP-S und ST)

§  Colostomie-Produkte

§  Heimdialyse

§  Hilfsmittel (z. B. fahrbare Zimmertoilette, Bade- und Toilettenhilfen)

§  Hörgeräte

§  Kompressionsstrümpfe

§  Medizinischer Sauerstoff

§  Mieder/Orthesen/Schienen

§  Orthopädische Schuhversorgung

§  Perücken

§  Prothesen (Körperersatzstücke)

§  Rollstühle

§  Saugende Inkontinenz-Artikel (z. B. Windeln -  geschlossen oder offen, Einlagen)

§  Sehbehelfe (Brillen, Kontaktlinsen)

§  Tracheostomieartikel (Kehlkopflose - Versorgung mit diversen erforderlichen Produkten)


Die soziale Krankenversicherung hat im Rahmen zahlreicher Kostendämpfungsaktionen Maßnahmen im Bereich der Heilbehelfe und Hilfsmittel (Medizinprodukte) durchgeführt. Dies führt dazu, dass Innovationen" in diesem Bereich nicht mehr auf die Erstattungsliste aufgenommen werden können, weil diese den billigsten" Preis in der Vergleichsgruppe anbieten müssten. Diese Vorgehensweise der sozialen Krankenversicherung hat möglicherweise zur Folge, dass in Zukunft österreichischen Patienten keine zeitgemäßen" Heilbehelfe und Hilfsmittel mehr zur Verfügung gestellt werden können. Dies ergibt sich unter anderem durch folgende Maßnahmen:

§  Die Preissenkungsforderungen oder Preisforderungen seitens der sozialen Krankenversicherung, die im Einzelfall nicht begründet und daher nicht nachvollziehbar (z.B. Minus 70% Preissenkung ohne konkrete Begründung oder Ableitung aus medizinischen Daten)

§  Unternehmen werden in Einzelgesprächen zu sofortigen Zugeständnissen bei sonstigem Verlust der Erstattungsfähigkeit aufgefordert.

§  Bei Verbesserungen oder dem Launch von Innovationen ist kein Preispremium möglich, sondern wird ein Abschlag zum billigsten Konkurrenzprodukt" verlangt. Dabei wird teilweise auf Produkte referenziert, die nicht lieferfähig sind oder aufgrund von Kapazitätsproblemen den österreichischen Markt nicht versorgen könnten.

§  Up-Date der Liste der erstattungsfähigen Heilbehelfe und Hilfsmittel erfolgt nur 1x jährlich. Es gibt kein standardisiertes Aufnahmeverfahren und keinen standardisierten Antrag, wie bei den Arzneispezialitäten

§  Es findet keine Evaluation hinsichtlich des Nutzens des Patienten statt (reine Preisdiskussion).

§  Es ist nicht definiert, wann es sich bei einem Produkt um eine Innovation" oder Verbesserung" oder „Änderung" handelt. Derzeit führt jede Änderung zu einem neuen Aufnahmeverfahren und einer Preissenkungsforderung günstiger als das billigste Vergleichsprodukt" auf der Liste.

§  Derzeit wird verlangt, dass jede Meldung einer „Änderung" auch Beschriftung usw. gemeldet wird. Dies würde zu ca. 1.000 Meldungen pro Unternehmen pro Jahr führen.

§  Derzeit wird keine Qualitätskontrolle der Produkte durchgeführt, auch wird die Qualität derzeit nicht nach vordefinierten Kriterien geprüft (die fördert Billigprodukte aus dem Osten).


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.      Warum wird die Kostenerstattung Medizinprodukten (Heilbehelfen und Hilfsmitteln nach § 137 ASVG) nicht in Form eines Gesamtvertrages nach § 349 ASVG geregelt?

2.      Warum sind keine transparenten Verfahrensregeln zur Aufnahme von Medizinprodukten im Bereich Stoma und Inkontinenz auf die Liste der Heilbehelfe und Hilfsmittel der sozialen Krankenversicherung definiert und publiziert?

3.      Warum wird in Analogie zum Erstattungskodex im Bereich der Arzneimittel keine Liste von Heilbehelfen und Heilmitteln in bestimmten Abständen (kürzer als 1 Jahr) publiziert?

4.      In welcher Form entscheidet der Hauptverband der Sozialversicherungsträger über eine Aufnahme oder Ablehnung der Kostenerstattung eines Produktes?

a.   Gibt es eine nachvollziehbare Verfahrensordnung?

b.   Wird ein Bescheid ausgestellt?

c.    Gibt es für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Preisregelungen, die den Patientennutzen berücksichtigen wie zB Therapie / Pflegeaufwand, Einschulungskosten, Kosten für Therapien von Langzeitfolgen (unerwünschte Folgen), Produktservice (zB Einschulung, begleitende Maßnahmen, Leihgeräte ua)

d.   Wie wird sichergestellt, dass der Nutzen einer Verbesserung oder Innovation sich auch im Tarif widerspiegeln.

e.   Haben die Parteien ein Anhörungsrecht und die Möglichkeit einer Stellungnahme im Verfahren?

f.     Welches Rechtsmittel steht den Unternehmen zur Verfügung, deren Produkt nicht in die Erstattungsliste aufgenommen wurde?

g.   Welche Rechtsmittel stehen dem Patienten zur Verfügung? Wie oft wurden solche Rechtsmittel, wenn sie vorhanden sind, in Anspruch genommen?

5.   Welche Maßnahmen werden gesetzt, um innovative Medizinprodukte in Österreich PatientInnen auf Kosten der sozialen Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen? Welche Maßnahmen zur Förderung von Innovationen und Verbesserungen gibt es in der sozialen Krankenversicherung? Wie viele innovative Medizinprodukte wurden in den letzten zwei Jahren erstattet?


6.       Wer entscheidet über die Aufnahme von Heilbehelfen und Hilfsmitteln in die Erstattungsliste?

7.       Gibt es eine Qualitätsbeurteilung?

a.   Von wem?

b.   Mit welcher Qualifikation?

8.       Wie wird sichergestellt, dass die Unternehmen auf der Erstattungsliste auch lieferfähig sind und den österreichischen Markt versorgen können? Wie wird die Lieferfähigkeit und die Kapazität überprüft?

9.       Bei der SV Eisenbahnen und Bergbau wurde ein "Competence Center
Heilbehelfe und Hilfsmittel" angesiedelt. Was ist die Aufgabe dieses
Competence Centers?

10.   Wie wird eine kompetente Beratung und Begleitung bei der Auswahl des
richtigen Hilfsmittels sichergestellt?

11.   Derzeit ist nicht bekannt, wieviele Hilfsmittel über die Länder im Rahmen der sozialen Rehabilitation an welche Personengruppen abgegeben werden.
Werden Sie eine Studie zur generellen Hilfsmittelversorgung in
Österreich in Auftrag geben?

12.   Die Erläuterungen zur 50.ASVG-Novelle zum §154a beinhalten die Absicht,
dass die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation ab 1994 zur
Pflichtleistung mit einem individuellen Rechtsanspruch werden sollen. Warum wurde dies bis heute nicht verwirklicht und wann wird ein derartiger Rechtsanspruch gesetzlich verankert?