10175/J XXIV. GP

Eingelangt am 14.12.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Mag.a Andrea Kuntzl

und GenossInnen

an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung,

Prof. Dr. Karlheinz Töchterle

betreffend Rechtsmeinung des BMWF zur autonomen Regelung von Studiengebühren durch die Universitäten

Durch die geltende gesetzliche Regelung sind (unter anderem) Studierende, die ihr Studium besonders zielstrebig betreiben oder in erheblichem Ausmaß berufstätig sind, von den Studiengebühren befreit. Diese Regelung wurde vom Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil vom 30. Juni 2011 wegen rein legistischer Mängel (Unklarheiten im Hinblick auf die neue Studienarchitektur ohne Studienabschnitte, Fehlen einer Regelung für außerordentliche Studierende) für verfassungswidrig erkannt und dem Bundesgesetzgeber eine Frist zur Beseitigung dieser Mängel bis Ende Februar 2012 eingeräumt. Trotz des mehrmaligen Angebotes des sozialdemokratischen Koalitionspartners hat sich der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung bisher vehement geweigert, einer Reparatur dieser wohlweislich sachlich differenzierenden und sozial ausgewogenen Regelung zuzustimmen. Den sich ohnehin bereits in einer angespannten finanziellen Lage befindlichen Universitäten droht damit eine weitere Kürzung ihrer Budgets um 35. Mio. EUR jährlich. Anstatt diese Mittel auch für die Zukunft sicherzustellen, beauftragte BM Töchterle Prof. Heinz Mayer mit einem Rechtsgutachten, demzufolge die Universitäten bei Ausbleiben einer Reparatur die Materie der Studiengebühren nach Außerkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen autonom in ihren Satzungen regeln könnten. Dagegen bestehen von vielerlei Seite geäußerte massive rechtliche Bedenken, die u. a. vom Verfassungsrechtsexperten Prof. Theo Öhlinger, vom ehemaligen VfGH-Präsidenten Karl Korinek, vom Bildungsrechtsexperten Werner Hauser und vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes ausführlich erörtert wurden. Diese Bedenken lassen sich auch anhand der bestehenden Judikatur und Literatur untermauern.


Die unterzeichnenden Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung nachfolgende Anfrage:

 

1.       Gegenstand der verfassungsrechtlichen Debatte ist Art. 81c B-VG, wonach die Universitäten „im Rahmen der Gesetze“ autonom handeln und Satzungen erlassen können. Diese Wortfolge „im Rahmen der Gesetze“ stellt entweder eine Lockerung des Legalitätsgrundsatzes nach Art. 18 Abs. 1 B-VG dar, nachdem die Verwaltung nur „auf Grund“ der Gesetze erfolgen dürfe, oder eben nicht. Welche dieser beiden Rechtsmeinungen vertreten Sie und warum?

2.       Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, die Wortfolge „im Rahmen der Gesetze“ stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips nach Art. 18 Abs. 1 B-VG dar, sodass die Universitäten auch ohne gesetzliche Grundlage „im Rahmen der Gesetze“ die Studiengebühren in ihrer Satzung regeln könnten: In seinem Urteil fordert der VfGH eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des Studienbeitragsrechts als besonders eingriffsnahe Materie. Nach Ihrer Interpretation des Art. 81c B- VG würde dieses Urteil aber im Ergebnis dazu führen, dass die Universitäten ohne jede gesetzliche Determinierung Studiengebühren einheben könnten. Wie lässt sich dieser Widerspruch Ihrer Meinung nach auflösen?

3.   Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: „im Rahmen der Gesetze“ handeln auch die Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich (Art. 118 Abs. 4 B-VG) und die sonstigen Selbstverwaltungskörper (Art. 120b Abs. 1 B-VG). Dennoch hat der Verfassungsgesetzgeber diesen Körperschaften das Recht, bestimmte Abgaben einzuheben, ausdrücklich (d.h. positiv) eingeräumt. So haben nach Art. 116 Abs. 2 B-VG Gemeinden im Rahmen der Finanz-Verfassung das Recht, Abgaben auszuschreiben. Nach Art. 120c Abs. 2 B-VG ist bei den sonstigen Selbstverwaltungskörpern die Aufgabenerfüllung „nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen durch Beiträge ihrer Mitglieder oder durch sonstige Mittel sicherzustellen“. Nachdem man dem Verfassungsgesetzgeber schwerlich unterstellen kann, Regelungen ohne normative Bedeutung zu erlassen: Welchen normativen Gehalt und welchen Zweck können diese Bestimmungen Ihrer Meinung nach überhaupt haben, wenn die Abgabenhoheit ohnehin bereits vom allgemeinen Handeln „im Rahmen der Gesetze“ erfasst wäre, sodass eine ausdrückliche Einräumung derselben durch den Verfassungsgesetzgeber nicht notwendig wäre? Welchen Telos kann ihrer Meinung nach das Gebot an den Gesetzgeber, eine gesetzliche Grundlage für die Einhebung der Mitgliedsbeiträge durch die sonstigen Selbstverwaltungskörper zu schaffen, überhaupt haben, wenn diese eine solche Regelung auch ohne gesetzliche Grundlage in der Satzung normieren könnten? Wie begründen Sie einen allfälligen rechtlichen Sonderstatus der Universitäten im Hinblick auf die wortgleichen Bestimmungen zur Selbstverwaltung?


4.      Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Die Wortfolge „im Rahmen der Gesetze“ wurde aus der Verfassungsbestimmung des § 2 Abs. 2 UOG 1993 übernommen. Prof. Mayer argumentiert hier mit den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des UOG 1993 (1125BlgNR XVIII. GP 45), wonach den Universitäten ein weiterer Handlungsspielraum ermöglicht werden sollte als es nach Art. 18 Abs. 1 B-VG möglich wäre. Er übersieht dabei aber Passagen in den Erläuterungen, wonach diese Formulierung von den Bestimmungen zu den Gemeinden übernommen wurden. Zugleich ist es herrschende Lehre und Rechtsprechung, dass das Legalitätsprinzip auch im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde uneingeschränkt gilt (nachzulesen etwa bei Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht4, 474). Wie kann dieser Widerspruch in Anbetracht der wortgleichen Formulierung bei Universitäten und Gemeinden Ihrer Meinung nach aufgelöst werden?

5.      Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Auch im Bereich der nicht-territorialen Selbstverwaltung wurde ein Abgehen vom Legalitätsprinzip im Hinblick auf die Satzungsautonomie vom VfGH schon mehrfach abgelehnt (vergleiche VfSlg. 16.853/2003 oder bereits VfSlg. 7903/1976). Wie lauten Ihre Gegenargumente zu dieser ständigen Rechtsprechung?

6.      Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Die Formulierung „innerhalb der Schranken der Bundes- und Landesgesetze“ agieren zu dürfen - was wohl gleichbedeutend ist mit „im Rahmen“ der Gesetze agieren zu dürfen - war auch schon in der Stammfassung des B-VG idF 1929 vorgesehen (Art. 118). Abgesehen von der Tatsache, dass der Verfassungsgesetzgeber es schon damals für notwendig hielt, die Abgabenhoheit dennoch ausdrücklich (d.h. positiv) normieren zu müssen, wurde diese Formulierung, „innerhalb“ der Gesetze handeln zu müssen, stets synonym zur Formulierung, „auf Grund“ der Gesetze handeln zu müssen, interpretiert, somit als uneingeschränkte Geltung des Legalitätsprinzips. Nachdem die Formulierung sich im Wesentlichen nicht verändert hat und damit keine Intention des Verfassungsgesetzgebers erkennbar ist, den normativen Gehalt dieser Bestimmungen zu ändern: Wie begründen Sie Ihre abweichende Rechtsmeinung in Anbetracht dieser - bisher auch von den Höchstgerichten vertretenen - historischen Interpretation?

7.      Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Während die Wahl der Organe der Gemeinden und sonstigen Selbstverwaltungskörper durch eine demokratische - d.h. zumindest im Grundsatz auf gleichem Stimmrecht der Gewaltunterworfenen

beruhenden - Verfasstheit derselben eine demokratische Legitimation erfährt, fehlt eine vergleichbare Legitimation der rechtsetzenden Organe im autonomen Wirkungsbereich der Universitäten völlig. Wie lässt sich Ihrer Meinung nach ein so weitgehendes Entbinden von Teilen der gesamtstaatlichen Verwaltung (zu der auch die akademischen Behörden zählen) von der Geltung der rechtstaatlichen und demokratischen Prinzipien der Bundes-Verfassung ausgerechnet in einem eingriffsnahen Bereich wie der Abgabenhoheit rechtfertigen?

8.      Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Nach § 5 F-VG können öffentlich Abgaben nur „auf Grund“ von Gesetzen erhoben werden. Zwar stellt dies nur ein Gebot für die Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung dar, sodass die Universitäten hiervon möglicherweise nicht erfasst sind. Allerdings heißt es e contrario auch, dass die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für öffentliche Abgaben dem Bundesgesetzgeber vorbehalten ist, sofern dieser kompetenzrechtlich zur Regelung der Materie berufen ist und nicht - wie z.B. bei den Gemeinden - eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Sonderregelung existiert. Wie ist dies Ihrer Meinung nach mit einer autonomen Normierung von Studiengebühren durch die Universitäten vereinbar?

9.      Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Recht auf Bildung ergibt sich, dass einerseits der Gesetzgeber verpflichtet ist, für den Zugang zu den staatlichen Bildungseinrichtungen einheitliche normative Standards zu schaffen, andererseits Sie als zuständiger Bundesminister verpflichtet sind, auf die genannten Grundrechte auch beim Vollzug zu achten. Wie gedenken Sie als zur Rechtsaufsicht über die Universitäten berufener Bundesminister sicherzustellen, dass es sowohl zwischen den Universitäten als auch innerhalb der Universitäten (fächerspezifische Regelungen) zu keinen sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen und keinen sachlich nicht gerechtfertigten Gleichbehandlungen kommt?

10.    Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Um die Materie der Studiengebühren autonom normieren zu können, bräuchten die Universitäten nicht nur eine verfassungsgesetzliche Grundlage - auch das einfachgesetzliche Recht musste mit derartigen Regelungen vereinbar sein. Auch nach einem allfälligen Außerkrafttreten der vom VfGH für verfassungswidrig erkannten Bestimmungen bleibt Ihre Verpflichtung nach § 91 Abs. 6 UG bestehen, näheres zur Einhebung der Studiengebühren durch Verordnung festzulegen. Wie gedenken Sie als Bundesminister, der unstrittig an das Legalitätsprinzip gebunden ist, eine solche Verordnung zu erlassen, wenn diese sich nicht auf die 21 Satzungen der Universitäten - die bloße Verordnungen und keine gesetzliche Grundlage im Sinne des Art. 18 Abs. 1 B-VG sind - stützen darf? Wie ist diese Bestimmung Ihrer Meinung nach mit einer autonomen Normierung der Studiengebühren durch die Universitäten vereinbar, nachdem die Regelung der Einhebung ausdrücklich Ihnen vorbehalten ist und Ihnen aber eine materielle gesetzliche Grundlage für eine Zahlungsverpflichtung, auf die sich die Einhebung stützen könnte, fehlt?

11.               Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Nach den verbleibenden Regelungen des UG 2002 besteht ein subjektives Recht auf Zulassung. Nicht einbezahlte Studiengebühren sind dabei nur dann ein rechtmäßiger Versagungsgrund, wenn sie von Studierenden „gemäß § 91 Abs. 2“ nicht entrichtet wurden (§ 61 Abs. 1 leg. cit.). Studierende gemäß § 91 Abs. 2 gäbe es nach Auslaufen der entsprechenden Regelung nicht mehr. Bei systematischer Interpretation von § 62 Abs. 2 Z 1 (Meldung der Fortsetzung) kommt zu dem Schluss, dass auch dort nur dieselben Studienbeiträge wie in § 61 Abs. 1 gemeint sein können, also die Studienbeiträge der Studierenden gemäß § 91 Abs. 2. Ein Erlöschen der Zulassung (§ 68) kommt mangels eines entsprechenden Tatbestandes nicht in Frage. Was sind Ihrer Meinung nach die Rechtsfolgen, wenn Studierende autonom normierte Studiengebühren nicht einzahlen würden, insbesondere im Hinblick auf die Zulassung, Meldung der Fortsetzung, Erlöschen der Zulassung sowie die Behandlung im Studienbetrieb?

12.               Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Nach den verbleibenden Regelungen des UG 2002 ist das Rektorat zur Einhebung der Studiengebühren „in der gesetzlich festgelegten Höhe“ berufen (§ 22 Abs. 1 Z 9 leg. cit.). Wie ist eine autonome Normierung der Höhe der Studiengebühren Ihrer Meinung nach mit dieser Bestimmung vereinbar? Wäre die Einhebung von Studiengebühren durch andere Universitätsorgane im Hinblick auf die Kompetenzverteilung nach UG 2002 Ihrer Meinung nach gesetzeskonform? Warum? Wäre die Einhebung von Studiengebühren durch das Rektorat in nicht-gesetzlicher Höhe (z.B. weil keine gesetzliche Höhe normiert ist) Ihrer Meinung nach gesetzeskonform? Warum?

13.  Haben Sie vor, allfällige Satzungsbestimmungen der Universitäten auf deren Vereinbarkeit mit den verbleibenden Bestimmungen des UG 2002 zu überprüfen und bei Gesetzwidrigkeit aufzuheben?

14.    Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Die Bezeichnung der Universitäten als „öffentliche“ im Art. 81c B-VG stellt - nachdem man dem Begriff eine normative Bedeutung beimessen muss - zweifelsohne klar, dass die Universitäten Einrichtungen zur Besorgung öffentlicher Aufgaben sind. Diese öffentlichen Aufgaben zu definieren war stets Aufgabe des einfachen Gesetzgebers. Die autonome Normierung von Studiengebühren musste daher zumindest dem Grunde nach unter die Aufgaben der Universitäten nach UG 2002 subsumierbar sein. Lässt sich eine solche autonome Normierung Ihrer Meinung nach unter die gesetzlichen Aufgaben der Universitäten subsumieren, vor allem unter Berücksichtigung der generellen gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 1 leg. cit., wonach die Universitäten - unbeschadet spezieller gesetzlicher Regelungen - vom Bund zu finanzieren sind? Wenn ja, warum?

15.    Wenn Sie die Rechtsmeinung vertreten, Art. 81c B-VG stelle eine Lockerung des Legalitätsprinzips dar: Welche Rechtsfolgen hätte eine autonome Einhebung von Studiengebühren Ihrer Meinung nach im Hinblick auf die Ersatzpflicht des Bundes für den „Entfall“ der Studiengebühren nach § 141 Abs. 8 und Abs. 10 UG 2002?

16.            Würden Sie in Anbetracht der hier aufgezeigten umfangreichen rechtlichen Bedenken einer Universität als akademische Behörde und somit einem Teil der Staatsgewalt dazu raten, ein solches Abrücken von rechtstaatlichen Prinzipien der Bundes-Verfassung „auszuprobieren“? Wenn ja, warum?

17.          In einer Rechtsauskunft Ihres Bundesministeriums vom 1. Dezember 2011  wird die Rechtsmeinung vertreten, die Universitäten seien im „Hinblick auf die Rechtsmeinung des Bundesministeriums fürs Wissenschaft und Forschung“ zur satzungsmäßigen Regelung der Studiengebühren befugt. Inwieweit wurden die bereits erwähnten anderslautenden Rechtsgutachten sowie vorangehenden Kritikpunkte dabei in Erwägung gezogen?