11025/J XXIV. GP

Eingelangt am 16.03.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Kurt Grünewald, Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung

betreffend Studierendenströme und Frauenförderung

BEGRÜNDUNG

Forschungsleistungen werden von Personen erbracht, die auf höchstem Niveau ausgebildet und motiviert unter guten Bedingungen arbeiten können. Die angestrebten Wachstumszahlen für F&E in Österreich und Europa sind nur dann erreichbar, wenn die Anzahl der WissenschafterInnen wächst. Die Förderung des Humanpotenzials, insbesondere der NachwuchswissenschafterInnen, muss hier eines der vorrangigen Ziele der Regierung sein. Der aktuelle Universitätsbericht 2011, der dreijährlich vom BMWF dem Nationalrat vorgelegt werden muss, enthält u.a. folgende Informationen:

Stammpersonal an Universitäten (in Köpfen / Vollzeitäquivalenten) zum Stichtag 31.12.2010:

Personal

Gesamt

Frauen

Männer

Wissenschaftlich-

künstlerisches Personal

36.289 / 11.402,3

14.447 / 3.713,1

21.842 / 7.689,2

ProfessorInnen

2.232 / 2.163,9

438 / 424,4

1.794 / 1739,5

Über F & E Projekte

drittmittelfinanziertes

Personal

10.127

4.502

5.615

Zwischen den Köpfen und Vollzeitäquivalenten beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal zeigt sich eine beträchtliche Diskrepanz bis zu einem Faktor 4. Daraus resultiert eine hohe Anzahl von TeilzeitforscherInnen, wie sie bereits in einer Publikation des FWF warnend kritisiert wurde. Der Personalstand der Universitäten hat sich zwischen Ende 2007 und Ende 2010 um rund 5.400 Personen (11,8 %) vergrößert, bei Frauen um 13,9 und Männern 10,2 %. Ende 2010 waren an den 22 Universitäten 2.232 ProfessorInnen beschäftigt, darunter 156 gemäß § 99 UG, eine Steigerung gegenüber 2010 um 1%. Die Gesamtzahl der ProfessorInnen hat im selben Zeitraum um 4 % zugenommen, der Frauenanteil liegt aktuell bei 19,6 % Allerdings: Dies hat viel mit dem Zuwachs an § 99 bzw. befristet besetzten § 98 Professuren zu tun, hier ist der Frauenanteil teilweise sehr hoch.

Neben dem wissenschaftlichen und künstlerischen Stammpersonal waren rund 8000 drittfinanzierte ProjektmitarbeiterInnen beschäftigt. Die Anzahl der LektorInnen ist zwischen 2008 und 2010 um 7 % gestiegen. Das Drittmittelpersonal hat im Berichtszeitraum kontinuierlich zugenommen. Der Frauenanteil liegt hier konstant bei rund 44 %. Die Universitäten haben zwischen 2008 und 2010 insgesamt 858 ProfessorInnen berufen, davon knapp 30 % Frauen.

Nicht überraschend ist, dass der Universitätsbericht 2011 von Wissenschaftsminister Töchterle als "Erfolgsgeschichte[1]" bezeichnet wird. Demnach hätten die Universitäten sich sehr positiv entwickelt, der Minister freue sich vor allem über die gestiegenen AbsolventInnenzahlen. Durchaus problematisch seien aber die sehr schlechten Betreuungsverhältnisse in "Massenfächern", es müsse ausgeglichen" werden, um ein erträgliches Verhältnis" zu erreichen, was durch die geplante verstärkte Studienberatung sowie eine intensivere "Lenkung der Studierendenströme dorthin, wo Platz und Bedarf ist", also in die MINT Fächer, geschehen solle.

In diesem Zusammenhang sei eine Podiumsdiskussion an der Uni Wien zum Thema Geschlechtergerechtigkeit erwähnt[2], die erst kürzlich einen kritischen Blick auf Frauenförderung in der Wissenschaft warf und bisherige Aktivitäten (etwa die MINT[3]- Kampagne[4]) in Frage stellt. Grundtenor war: Hinsichtlich einer effizienteren Förderung von Frauen sei "noch einiges zu tun". Der Anstieg der Zahl der Studierenden sei positiv zu sehen, im Bereich des universitären Frauenanteils gäbe es jedoch noch gravierenden Nachholbedarf. Generell sei es "aus gesamtgesellschaftlichen Gründen" notwendig, mehr Frauen zu bestimmten Fächern zu motivieren. Trotz vermehrter Förderungsmaßnahmen könne überhaupt ein Sinken (!) der Studierendenzahl in den MINT-Fächern beobachtet werden.

Bei einer ExpertInnen-Tagung der Universitätenkonferenz zum Thema Wie kommt die Quote an die Universitäten[5]" im Oktober des Vorjahres sprach eine Vertreterin

der Koordinationsstelle für Frauenförderung an der TU Wien vom "akademischen Frauensterben", u.a. durch fehlende Karrieremöglichkeiten. Auch der Rechnungshof kritisierte im Sommer 2011[6] in einem Bericht, dass der Frauenanteil an den Unis generell zwar gestiegen, die gläserne Decke allerdings nach wie vor sehr dick sei.

Wichtig wäre, die Gründe für das Ausscheiden von Frauen aus wissenschaftlichen Laufbahnen zu untersuchen, um anschließend ernsthaft dagegen wirken zu können. Wann und wo treten die Karriereknicke in weiblichen Lebensläufen auf? Wie können die "leaky pipelines" gestopft werden? Wo ist die gläserne Decke besonders dick, wie kann sie durchbrochen werden? Wo muss angesetzt werden, um für mehr Frauen ein Leben in Wissenschaft und Forschung attraktiv zu machen? Was muss gemacht werden, um dem vielzitierten Fachkräftemangel entgegen zu wirken? In welchen Bereichen ist die größte Nachfrage an ExpertInnen zu erwarten? Können Studierendenströme" nur durch Zugangsbeschränkungen gelenkt werden? Welche Studienrichtungen sollen in Zukunft beworben" werden?

Obwohl in den letzten Jahren bereits einige Initiativen und Maßnahmen gesetzt wurden, sind die Effekte dieser Anstrengungen großteils noch nicht angekommen, wie auch ExpertInnen[7] wissen. Es braucht hier - speziell auch seitens der Politik - nochmals einen Schub, um noch bessere Ergebnisse zu erzielen, sonst wird sich die Situation, dass drei von vier ForscherInnen immer noch Männer sind, nicht ändern.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1)      Die Gesamtkosten der MINT-Kampagne unter BM Karl beliefen sich laut Anfragebeantwortung[8] zur parlamentarischen Anfrage Nr. 6793/J zum Stand 22. Dezember 2010 auf 463.081,55 Euro. Damals war noch keine bestimmte Laufzeit" festgelegt. Wie hoch waren die weiteren gesamten Kosten bis zur Ihrer Amtsübernahme mit 19. April 2011?

2)      Wie hoch waren die gesamten Kosten seit Ihrer Amtsübernahme bis inklusive Februar 2012?

3)      Von den bis zur o.g. Anfragebeantwortung ausgegebenen Mitteln für Anzeigen gingen 26.880 Euro an "derstandard.at", gefolgt von der TV-Zeitschrift "Tele" (25.849,36) und den u.a. in U-Bahn-Stationen angebrachten Infoscreens (18.282,50). Für 16.687,52 Euro inserierte das Ministerium in der Tageszeitung "Presse", fast ebenso viel wurde für Werbung auf facebook ausgegeben (16.020). Hat sich diese Aufteilung seit Ihrer Amtsübernahme verändert? Wenn ja, wie ist die Aufteilung seither gewesen? Bitte um detaillierte Auflistung der Geldflüsse an die unterschiedlichen Medien.

4)      Die Laufzeit der Kampagne war zum Zeitpunkt Dezember 2010 noch nicht festgelegt. Gibt es mittlerweile eine festgelegte Dauer? Wenn ja, wie lange wird diese Kampagne laufen? Wie hoch sind die geschätzten Kosten für diese Laufzeit? Wenn nein, wann wird oder wurde diese Kampagne beendet?

5)      Gibt es bereits eine Evaluierung der Auswirkungen der Kampagne? Wenn ja, wie stark ist der bisherige Effekt? Wie haben sich die Zahlen an allen betroffenen Universitäten verändert? Bitte um Auflistung nach Universitätsstandort und Studienfach. Wenn nein: Bis wann wird diese Evaluierung durchgeführt?

6)      Wie viele Personen brechen Ihr MINT-Studium vorzeitig ab? Bitte um Auflistung nach Fach und Universität, aufgeschlüsselt nach Studienjahr seit 2001 und Frauenanteil.

7)      Wie hoch ist der Anteil der Personen, die im WS 2011/12 eines der MINT Fächer inskribiert haben? Wie hoch ist der Frauenanteil? Bitte um Auflistung nach Studienfach und Universität.

8)      Ist der Anteil von Frauen in den eben gelisteten Fächern gestiegen? Wenn ja, wie stark? Falls nein: Wie erklären Sie sich das?

9)   Wie hoch ist der Anteil der Personen, die im WS 2011/12 eines der MINT Fächer inskribiert haben und die angebotenen bisher Prüfungen der STEOP nicht erfolgreich absolviert haben? Bitte um Auflistung nach Studienfach und Universität sowie Anteil von Frauen.


10) Gibt es zusätzlich zur MINT Kampagne weitere Maßnahmen, die Sie seit Ihrer Amtsübernahme zur Bewerbung bestimmter Studienfächer gestartet haben? Wenn ja, welche? Wenn nein, gehen Sie davon aus, dass diese Kampagne zusammen mit der STEOP ausreicht, um Studierendenströme zu lenken?

11) Welche Frauenförderungsprogramme und andere Maßnahmen speziell für Frauen wurden seit Ihrer Amtsübernahme gekürzt oder eingestellt?

12) Wie viele Frauen sind über sgn. Frauenförderungsprogramme österreichweit angestellt? Bitte um Auflistung nach Institution und Programmen.

13) Wie viele Personen sind aktuell über Drittmittel an Forschungsprojekten österreichweit angestellt? Bitte um Auflistung nach Frauen/Männern und Institutionen, sowohl universitär als auch an außeruniversitäre Einrichtungen inkl. Elite-Institut IST Austria.

14) Wie viele Personen wurden in den letzten 5 Jahren nach dem Auslaufen eines Drittmittelprojekts von der jeweiligen Institution übernommen? Bitte um Auflistung nach Frauen/Männern und Institutionen, für die Jahre 2006 - 2011.

 

15)    In Deutschland wird der sgn. MINT-Report erstellt, dieser hat für 2011 eine Fachkräftelücke von 166.000 Personen für Deutschland ergeben (240.000 freie Stellen, 74.000 Menschen mit naturwissenschaftlicher und/oder technischer Qualifikation auf Arbeitssuche). Gibt es in Österreich ähnliche Studien? Wenn ja, wann werden Sie diese Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen? Wenn nein, wann wird diese Studie in Auftrag gegeben werden?

16)    In Deutschland wird der Fachkräftemangel aktiv kommuniziert, es werden die Forderungen für nachhaltige Hochschulstrategien für mehr AbsolventInnen mit Studien untermauert. So dürften Modellrechnungen zufolge bereits 2015 rund eine Millionen Arbeitskräfte mit Hochschulabschluss fehlen, wie die Studie Arbeitslandschaft 2030[9] darlegt. Gibt es in Österreich ähnliche Studien? Wie hoch sind die geschätzten Zahlen, was werden Sie gegen diese Probleme unternehmen?

17)    Gibt es Studien, welche die Gründe für das Ausscheiden von Frauen aus der Wissenschaft beschreiben? Wenn ja, welche Gegenmaßnahmen werden Sie in die Wege leiten, um dem entgegen zu wirken? Wenn nein, wann werden Sie diese Studie in Auftrag geben?

18)    Das Sparpaket bzw. die Streichung der Basisfinanzierung hat sich katastrophal für etliche außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ausgewirkt, und somit auf viele junge WissenschafterInnen. Die ÖAW fürchtet nun, dass durch das eingefrorene Budget und die daraus resultierende Budgetlücke Schließungen von Einrichtungen nicht zu verhindern sein bzw. auch durch Angliederung an Unis Planstellen nicht nachbesetzt und befristete Verträge nicht verlängert werden.

Wie hoch ist der Anteil an Frauen, dir aufgrund der Streichungen von Basisfinanzierung an den außeruniversitären Forschungsinstituten Ihre Stellung bereits verloren haben oder verlieren werden? Wie viele Frauen werden durch

das eingefrorene Budget" an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Ihren Job verlieren?


19)  Wie hoch ist der Anteil von TeilzeitforscherInnen" im wissenschaftlichen Personal, mit Ausnahme der ProfessorInnen? Bitte um Auflistung nach Institutionen.

20)  In welchem Rahmen bewegt sich deren Beschäftigungsausmaß? Welche Relation weißt die Geschlechterverteilung auf?

21)  Die Publikationsförderungen laufen in erster Linie im Bereich der Geisteswissenschaften. Nach den Kürzungen in diesem Bereich ist es zu massiven Reduktionen gekommen. Wie verhält sich der Frauenanteil bei Antragstellungen im Jahr vor und seit der Kürzung?



[1] APA0266 5 II 0508 XI Siehe APA0190/20.01 Fr, 20.Jan 2012

Universitätsbericht: Finanzierung hält nicht mit Studentenzahlen mit. Utl.: Töchterle: "Unis haben sich sehr positiv entwickelt" - Entspannung bei Studienanfänger-Zahlen erwartet - Gespräche zu Hochschulplan haben begonnen.

 

[2] APA0122 5 II 0320 XI Di, 24.Jän 2012

Frauenförderung an Unis: Tropfende Leitungen und erzwungenes Glück. Utl.: Podiumsdiskussion warf Blick auf Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft - Seidler: Soziale Rahmenbedingungen ändern.

 

[3] Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik

[4] APA0273 5 II 0273 Xl/Ml Mo, 27.Dez 2010

Unis: MINT-Kampagne kostete fast 500.000 Euro - noch ohne Effekt. Utl.: Karls Ziel ist nicht, die Studienwahl zu beeinflussen - Kampagne soll wiederholt werden - Meistes Geld für Inserate auf derstandard.at und in TV-Zeitschrift Tele.

 

[5] APA0398 5 II 0598 XI Mo, 17.0kt 2011

Expertinnen stellen hohe "Männerquote" an Unis infrage

Utl.: Hoher Männeranteil in Führungspositionen derzeit als "gottgegeben" wahrgenommen – Unirätin Leitner: Frauenquote stellt Frauen als förderungsbedürftig ins Eck.

[6] APA0216 5 II 0434 XI Mi, 31.Aug 2011. RH-Kritik: Frauenförderung an Unis bringt nicht entsprechenden Erfolg Utl.: Technische Unis Wien und Graz sowie Unis Linz und Wien überprüft - Nachholbedarf auf allen Ebenen.

Siehe auch

http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2011/berichte/teilberichte/bund/bund_2011_08/Bu

nd_2011_08_9.pdf

 

[7] APA0186 5 II 0325 Xl/Wl Do, 01 .Dez 2011 .Chancengleichheit für Frauen im F&E-Bereich noch nicht angekommen. Utl.: Expertin ortet "Müdigkeit" bei dem Thema - Abschluss des EU-Projekts "Gendera".

[8] http://www.parlinkom.av.at/PAKTA/HG/XXIV/AB/AB_06688/fname_203574.pdf

[9] http://www.mintzukunftschaffen.de/uploads/media/Arbeitslandschaft_final.pdf