11761/J XXIV. GP
Eingelangt am 25.05.2012
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ANFRAGE
der Abgeordneten Hagen, Dolinschek, Markowitz,
Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Flop bei der Umsetzung der Rettungsgasse
Im Juli 2011 wurde mit der 24. StVO-Novelle die Einführung der Rettungsgasse im Parlament beschlossen. Seit 1. Jänner 2012 müssen Autofahrer auf Autobahnen und Schnellstraßen bei Staubildung eine Rettungsgasse bilden, damit die Einsatzfahrzeuge schneller zum Ort eines Unfalls kommen können. Dazu wurde eine aufwendige Kampagne der Asfinag gestartet, um die neue Rettungsgasse den Fahrzeuglenkern nahezubringen und zu erklären.
Doch der Start der Rettungsgasse entsprach nicht den Computermodellen. Theorie und Praxis klaffen noch weit auseinander. Anfang Jänner kam es auf der Donauufer-Autobahn zu einem Rettungsgassen-Chaos. Zwischen den Autofahrern kam es sogar zu Schimpfduellen und Hupkonzerten, als eine Fahrzeuglenkerin eine Rettungsgasse bilden wollte. Die Rettungsgasse ist ein Flop oder die Rettungsgasse ist noch am Pannenstreifen, berichteten Printmedien. „Auf dem Computer sieht ja alles recht einfach aus, doch in der Praxis ist das noch oft anders“, meinte Oberst Klaus Scherleitner von der Verkehrsabteilung des Landes Oberösterreich in einem Artikel der Kronen Zeitung vom 4. Jänner 2012. Während der ersten Woche hatte sich die vorgeschriebene Rettungsgasse nur selten bewährt. Die Rettungsgasse kam weder bei Unfällen noch bei diversen Staus ordnungsgemäß zustande. Vor allem für viele ausländische Lenker war und ist die Rettungsgasse noch immer ein Fremdwort. Die Verkehrspolizei musste sich daher in „Stop-and-Go“-Manier zur Unfallstelle vorkämpfen.
Medienberichten zufolge war am 9. Jänner 2012 beispielsweise auf der A 10 von der Rettungsgasse keine Spur. Laut Autobahnpolizeiinspektion St. Michael wurde die vorgeschriebene Rettungsgasse nicht gebildet. In der Salzburger Volkszeitung am 9. Jänner 2012 wurde berichtet: „Vor allem der „Stop-an-Go“-Verkehr bereitet den Fahrzeuglenkern noch Probleme. Wenn der Fließverkehr in eine stockende Fahrweise übergeht, herrsche noch eine Unsicherheit darüber, ob das nun als Stau zu werten ist oder nicht, sagte Dieter Rauchenzauner von der Verkehrsabteilung des Landespolizeikommandos Salzburg.“ Weiters wurde erklärt: „Wenn sich ein dichter Kolonnenverkehr mit 40 oder 50 km/h fortbewegt, ist noch keine Rettungsgasse zu bilden, bei „Stop-and-Go“ aber schon, erläuterte der Verkehrspolizist.“
Auch im „Report“ am 10. Jänner 2012 wurde berichtet, dass diese neue Verkehrsregelung, die in allen Medien und mit einer drei Millionen Euro teuren Werbe-Kampagne erklärt wurde, nicht funktionierte. „Oft fahren Autofahrer auf die falsche Straßenseite, verstopfen die Rettungsgasse oder nutzen sie zum Überholen.“
In einer ersten Reaktion gab die Asfinag bekannt, dass sie ihre Informationsoffensive in den nächsten Monaten noch verstärken werde. „Die Rettungsgasse soll so selbstverständlich werden wie Gurten- und Sturzhelmpflicht“, forderte Asfinag-Vorstandsdirektor Klaus Schierhackl in einem Artikel der Niederösterreichischen Nachrichten (Woche 46/2011).
Doch derzeit wissen noch viele Autofahrer nicht einmal, wie eine Rettungsgasse richtig gebildet wird. Bisher hat die Rettungsgasse nur im TV-Spot der Asfinag richtig funktioniert. Denn bei der Bildung der Rettungsgasse kommt es immer wieder zu gefährlichen Zwischenfällen. Immer wieder brechen Fahrzeuge in den frei werdenden Fahrstreifen aus. Nach einem Unfall auf der Schnellstraße S 5 kehrten die Lenker im Stau um und kamen den Einsatzfahrzeugen als „Geisterfahrer“ entgegen.
Obwohl die Rettungsgasse zwar vielen Autofahrern ein Begriff ist funktioniert sie viel zu selten. Nach einem Unfall dauert es noch immer Minuten, bis die Fahrzeuglenker eine Rettungsgasse bilden. Zudem erkennen die später nachkommenden Lenker die Rettungsgasse offenbar nicht und überholen die zur Seite gefahrenen Autos, wodurch die Fahrbahn wieder blockiert und die Zufahrt für die Einsatzkräfte erschwert wird.
Auch in Deutschland, wo seit Jahren die Rettungsgasse gilt, müssen sich Rettungskräfte immer wieder zum Unfallort durchkämpfen, weil viele Autofahrer erst zu spät eine Rettungsgasse bilden. Zuletzt wies sogar der Autofahrerclub ADAC auf die mangelnde Disziplin der Fahrzeuglenker hin.
In einer OTS-Pressemeldung des BMVIT am 7.11.2011 wurde noch erklärt: „Die Ministerin ist zuversichtlich, dass das System Rettungsgasse gut funktionieren werde.“ Auch in einem Artikel der Tageszeitung Kurier (29.12.2011) erklärte Verkehrsministerin Bures zum Thema Rettungsgasse: „Diese sollte besser rasch wirken. Denn die Idee der Rettungsgasse steht und fällt damit, dass sie auch funktioniert.“
Das aktuelle Umfrageergebnis des Meinungsforschungsinstituts Oekonsult zeigt aber, dass von den über 1.300 Befragten rund 83 Prozent der Meinung sind, dass die seit 1. Jänner 2012 geltende Regelung schlecht funktioniert, obwohl rund 75 Prozent der Österreicher der Idee der Rettungsgasse positiv gegenüber stehen. Drei von vier Befragten waren davon überzeugt, einem Unkundigen erklären zu können, wann und wie man die Rettungsgasse bildet. Doch als die Befragten den Wahrheitsbeweis antreten mussten, zeigte sich, dass nur jeder Zweite ausreichend gut informiert war.
Weiters stellte sich heraus, dass die Hälfte der Befragten der irrtümlichen Meinung war, dass Motorradfahrer von der Bildung einer Rettungsgasse ausgenommen sind. Falsch informiert waren auch rund 70 Prozent, die der Meinung waren, dass der Pannenstreifen beim Bilden einer Rettungsgasse nicht befahren werden darf. Rund 7 Prozent der Befragten glaubten auch, dass Autobusse die Rettungsgasse benützen dürfen, rund 5 Prozent waren der falschen Meinung, dass auch Taxis freie Fahrt hätten. Weitere 7 Prozent der Befragten nahmen an, dass sogar Dienstfahrzeuge (z.B. der Regierung) von der Bildung der Rettungsgasse ausgenommen sind, was völlig falsch ist.
Daher stellen mehr als die Hälfte der Befragten dem Projekt Rettungsgasse ein schlechtes Zeugnis aus.
Obwohl Strafen bis 2180 Euro drohen funktioniert die Rettungsgasse noch immer nicht. Die verbotene Benützung einer Rettungsgasse stellt eine Verwaltungsübertretung dar und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: zwei Wochen) bedroht. Wird dadurch ein Einsatz-, Straßendienst- oder Pannenfahrzeug behindert ist eine Geldstrafe von 72 bis 2180 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden bis zu sechs Wochen) vorgesehen. „Doch wer soll die Strafe einheben? Wir können uns nicht hinten beim Stau aufstellen und auf Verwaltungsübertretungen lauern, wir müssen nach vorn zur Unfallaufnahme“, erklärte ein Kommandant der Autobahnpolizei.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie folgende
Anfrage:
Wien, am 25.05.2012