12048/J XXIV. GP

Eingelangt am 15.06.2012
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

betreffend „Belastung von Ein-Personen-UnternehmerInnen durch Verzugszinssatz bei ausstehenden Sozialversicherungsbeiträgen der SVA“

BEGRÜNDUNG

 

Im Jahr 2010 wurde die Methode für die Berechnung der Verzugszinsen von ausstehenden Versicherungsbeiträgen im GSVG (§ 35 GSVG) und ASVG (§ 59 ASVG) an die in der Privatwirtschaft vorgeschriebene Methode nach § 352 UGB angepasst. Seitdem setzen sich die Verzugszinsen eines Kalenderjahres aus dem Basiszinssatz (Art. I § 1 Abs. 1 des 1. Euro-Justiz-Begleitgesetzes) zuzüglich acht Prozentpunkte zusammen. Die Änderung der Berechnungsmethode hatte zur Folge, dass der Verzugszinssatz von 6,01% im Jahr 2010 auf 8,38% im Jahr 2011, auf aktuell 8,88% angestiegen ist.

Im Vergleich hierzu betragen die vom Finanzamt zu verrechnenden Stundungszinsen laut Bundesabgabenverordnung mit Stand 2012 4,88%.

Die derart gestaltete Zinssatzberechnung trifft die große Gruppe der Ein-Personen-UnternehmerInnen - sie stellen bereits 55,6% der SVA-Versicherten - mit voller Härte (Quelle: SVA 2012). Denn aufgrund der stark schwankenden Auftrags- und Einkommenssituation sind EPU besonders oft mit Nachzahlungen konfrontiert auf die bei Zahlungsverzug nach kurzer Kulanzzeit (nach 15 bzw. 18 Tagen nach Fälligkeit) hohe Verzugszinsen aufgeschlagen werden.

Hinzu kommt die spezielle Situation von JungunternehmerInnen nach dem GSVG, deren Beiträge nach den ersten drei Jahren nach Neugründung, teilweise (insbesondere in der Pensionsversicherung) nachbemessen werden. Das hat zur Folge, dass diese UnternehmerInnen im vierten Jahr häufig hohe Nachzahlungen zu begleichen haben, denen sie jedoch nicht immer gleich nachkommen können.

 


 

Die hohen Verzugszinssatzzahlungen führen dazu, dass immer mehr EPU und KleinstunternehmerInnen unzumutbaren Belastungen ausgesetzt sind. Denn Fakt ist, dass die Veränderung der Berechnungsmethode etwaige Zahlungsrückstände ungleich erhöht und die betroffenen UnternehmerInnen in eine soziale Abwärtsspirale und letztlich in die Armutsfalle treibt.

Als Beispiel hierfür sei angeführt, dass eine gescheiterte Selbständigkeit in Österreich die gewichtigste Ursache für eine Privatinsolvenz darstellt. Denn von den 9.596 Privatkonkursen im Jahr 2011, gingen bereits 35 Prozent auf das Konto von ehemaligen Selbständigen (Quelle: Kreditschutzverband 2012).

Zudem stellt sich die Frage, welche zusätzlichen Mittel (Mehrerträge) durch die veränderte Berechnungsmethode des Verzugszinssatzes erzielt wurden, wie diese Mittel verwendet werden und insbesondere ob diese direkt an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zurückfließen um den Versicherten in anderen Bereichen verbesserte Serviceleistungen zukommen zu lassen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie hoch waren die Mehrerträge, die durch die Anpassung des Verzugszinssatzes an § 352 UGB in den Jahren 2010 und 2011 in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft erzielt wurden?

 

2)    Wofür wurden diese Mehrerträge verwendet?

 

3)    Kann auf Basis der Mehrerträge für die Jahre 2010 und 2011 die Projektion der Mehreinnahmen bis 2014 (lt. Erläuterungen der Regierungsvorlage) von insgesamt 138,9 Mrd. Euro beibehalten werden?

 

4)    Wieviele Versicherte der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) mussten in den Jahren 2009, 2010 und 2011 nach § 35 Abs. 5 Verzugszinsen entrichten und in welcher Höhe?

 

5)    Wieviele Ein-Personen-UnternehmerInnen mussten in den Jahren 2009, 2010 und 2011 nach § 35 Abs. 5 Verzugszinsen entrichten und in welcher Höhe? (Mit der Bitte um Auflistung nach Bundesland, Geschlecht und Branchen)

 


6)    Bei wievielen Ein-Personen-UnternehmerInnen wurden in den Jahren 2009, 2010 und 2011 aufgrund ausstehender Sozialversicherungsbeiträge Exekutionsanträge gestellt und wieviele wurden tatsächlich exekutiert?

 

7)    Wieviele KleinstunternehmerInnen (bis zu neun MitarbeiterInnen) mussten in den Jahren 2009, 2010 und 2011 nach § 35 Abs. 5 Verzugszinsen entrichten und in welcher Höhe? (Mit der Bitte um Auflistung nach Bundesland, Geschlecht und Branchen)

 

8)    Bei wievielen KleinstunternehmerInnen wurden in den Jahren 2009, 2010 und 2011 aufgrund ausstehender Sozialversicherungsbeiträge Exekutionsanträge gestellt und wieviele wurden tatsächlich exekutiert?

 

9)    Wieviele NeugründerInnen nach Feststellung der tatsächlichen Beitragspflicht im vierten Jahr mussten in den Jahren 2009, 2010 und 2011 nach § 35 Abs. 5 Verzugszinsen entrichten und in welcher Höhe? (Mit der Bitte um Auflistung nach Bundesland, Geschlecht und Branchen)

 

10)  Bei wievielen NeugründerInnen wurden in den Jahren 2009, 2010 und 2011 aufgrund ausstehender Sozialversicherungsbeiträge Exekutionsanträge gestellt und wieviele wurden tatsächlich exekutiert?

 

11)  Können Sie sich als zuständiger Minister eine Änderung der Berechnung der Verzugszinsen vorstellen um insbesondere Ein-Personen-UnternehmerInnen, KleinstunternehmerInnen und JungunternehmerInnen bei Zahlungsrückständen von Sozialversicherungsbeiträgen zu entlasten?

 

12)  Wenn ja, wie könnte so eine Entlastung Ihrer Meinung nach aussehen?

 

13)  Was halten Sie davon, für „freie Berufe und selbstständig Erwerbstätige“ eigene Verzugszinssätze in der Sozialversicherung einzuführen?

 

14)  Was halten Sie davon, den Verzugszinssatz nach § 35 Abs. 5 GSVG an den Stundungszinssatzes des Finanzamtes laut Bundesabgabenordnung anzupassen?

 

15)  Können Sie sich für in Verzug geratene Beitragsschuldner eine längere Rückzahlungs- bzw. Stundungsfrist für ausstehende Beitragszahlungen iSd § 35 Abs. 3 vorstellen?

 

16)  Wenn ja, an welche Zahlungs- bzw. Stundungsfristverlängerung hätten Sie hierbei gedacht?

 


17) § 35 Abs. 5 GSVG lautet: „(…) Der Versicherungsträger kann die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen, wenn durch die Einhebung in voller Höhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet wären. Die Verzugszinsen können überdies nachgesehen werden, wenn es sich um einen kurzfristigen Zahlungsverzug handelt und der Beitragsschuldner ansonsten regelmäßig seine Beitragspflicht erfüllt hat.“

In wievielen Fällen wurden in den Jahren 2009, 2010 und 2011 die Verzugszinsen iSd § 35 Abs. 5 GSVG herabgesetzt? (Mit der Bitte um Auflistung nach Ein-Personen-UnternehmerInnen, KleinstunternehmerInnen, JungunternehmerInnen und anderen).

 

18) In wievielen Fällen wurden in den Jahren 2009, 2010 und 2011 iSd § 35 Abs. 5 GSVG die Verzugszinsen gänzlich nachgesehen? (Mit der Bitte um Auflistung nach Ein-Personen-UnternehmerInnen, KleinstunternehmerInnen, JungunternehmerInnen und anderen).

 

19) Können Sie sich als zuständiger Minister eine Ausweitung der Kulanzregelungen bei Zahlungsverzug vorstellen um insbesondere Ein-Personen-UnternehmerInnen, KleinstunternehmerInnen und JungunternehmerInnen in begründeten Härtefällen bzw. wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet sind, zu unterstützen?

 

20) Wenn ja, wie könnte so eine Unterstützung Ihrer Meinung nach aussehen?