12351/J XXIV. GP

Eingelangt am 06.07.2012
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Anfrage

 

 

 

des Abgeordneten Mag. Roman Haider

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Finanzen

 

betreffend Einführung eines EDV gestützten Überrechnungssystems

 

 

Die Presse 11.03.2012:

 

Schutzsystem gegen Milliardenbetrug ist auf Eis.

Finanzbeamte werben für EDV-Modell. Im Kern geht es beim neuen System darum, dass die Umsatzsteuergebarung elektronisiert wird, um die Lücke, die sonst den Karussellbetrug ermöglicht, zu schließen. Es geht nicht um Drogenschmuggel oder Menschenhandel. Dennoch spricht der zuständige Finanzbeamte ausdrücklich von „organisierter Kriminalität“. Herwig Heller, Leiter der Abteilung Betrugsbekämpfung im Finanzministerium, redet vom Karussellbetrug. Waren wie Handys, andere Elektronikartikel, Baustoffe, Edelmetalle und selbst Schrott werden meist durch eine Reihe von Ländern über mehrere Käufer herumgeschickt. Die Finanz wird dabei nicht nur um die Umsatzsteuer geprellt, sondern muss auch die Vorsteuerverluste tragen. Die Summen, um die es dabei geht, sind kein Pappenstiel. Der EU-Rechnungshof schätzt den Schaden durch Karussellbetrug laut Heller auf stolze 100 Milliarden Euro. Dabei liegt ein Modell von Österreichs Finanzbeamten, das federführend von Norbert Mattes, Teamleiter der Großbetriebsprüfung am Standort Ost im dritten Wiener Gemeindebezirk, zur Ausschaltung derartiger Betrügereien bei der Umsatzsteuer entwickelt wurde, seit Jahren vor. Es handelt sich um ein typisches Erfinderschicksal: Obwohl dieses „Überrechnungssystem“ ganz ohne Steuererhöhung und ohne zusätzliches Personal in Österreich zwei Milliarden mehr an Einnahmen aus den Steuern brächte, kommt es bisher nicht zur Anwendung. Als Grund wird vonseiten der Gewerkschaft auch hinhaltender Widerstand der Wirtschaftskammer genannt. Inzwischen liegt laut Mattes schon ein Evaluierungsbericht zu dem Projekt bei Vizekanzler ÖVP-Obmann Michael Spindelegger. Im Kern geht es beim neuen System darum, dass die Umsatzsteuergebarung elektronisiert wird, um die Lücke, die sonst den Karussellbetrug ermöglicht, zu schließen. Für den Finanzgewerkschafter Klaus Platzer ist es „ein watscheneinfaches System“. Heller wäre es freilich am liebsten, würde die Umstellung nicht nur in Österreich erfolgen, weil Waren beim Karussellbetrug oft über mehrere (EU-)Länder geschickt werden. Der politische Sanktus für die Umstellung fehlt allerdings. Die Vorarbeiten sind hingegen längst weit gediehen: Die IT-Sektion des Finanzressorts hat die technische Machbarkeit bestätigt, die Steuersektion die verfahrensrechtliche Machbarkeit aufgrund der Bundesabgabenordnung. Die Gesamtkosten wären nach Angaben von Mattes schon nach lediglich zwei Wochen im Vollbetrieb gedeckt, die Umstellung vom Probe- auf den Echtbetrieb könnte innerhalb von sechs Monaten bewerkstelligt werden. Ein „Nachteil“ des Überrechnungssystems ist, dass die Umsatzsteuergebarung von Unternehmen dadurch „gläsern“ wird. Der Leiter der Betrugsabteilung im Finanzministerium macht darauf aufmerksam, dass die Beamten nach dem bisherigen System zunehmend mit dem Problem konfrontiert seien, dass man aufgrund der Quantität einfach an Prüf- und Kontrollgrenzen stößt. Man müsse sich nur einmal vorstellen, wie viele Firmen es allein in Österreich gebe, die mit Handys handeln. Die Ware werde, wie er aus internationalen Beispielen weiß, dabei oft sehr lange „im Kreis geschickt“: So habe es in Großbritannien einen Fall gegeben, bei denen Handys nach Dubai versendet worden seien. Als die Handys über Zwischenhändler dort eingelangt sind, seien die Batterien inzwischen ausgeronnen. Den klassischen „Stammkunden“, so Heller, der in Österreich der Finanz einfach Steuer schuldig bleibe, „haben wir ein bisschen verloren“. Das bedeutet: Das rückt im Vergleich zum organisierten Steuerbetrug in den Hintergrund.

 

 

 

In diesem Zusammenhang ergeht an die Bundesministerin für Finanzen folgende

 

 

 

Anfrage:

 

 

1. Ist ihnen das in der obigen Presseausendung erwähnte EDV-System bekannt und seit wann wissen sie davon?

 

2. Die betroffenen Beamten und die ausführende IT-Abteilung befürworten das System und haben die Machbarkeit ohne großen technischen und finanziellen Aufwand bestätigt, warum wird es nicht umgesetzt?

 

3. Teilen sie die Ansicht ihres zuständigen Finanzbeamten Heller, dass das Überrechnungssystem ganz ohne Steuererhöhung und ohne zusätzliches Personal in Österreich zwei Milliarden mehr an Steuereinnahmen bringen würde?

 

4. Wie hoch beziffern Sie den Schaden der dem österreichischen Steuerzahler jährlich aus dem sogenannten Karussellbetrug und aus dem Umsatzsteuerbetrug entstehen?


5. Teilen sie die Ansicht ihrer IT-Abteilung, dass das System nach sechs Monaten voll einsatzfähig wäre?

 

7. Ist ihnen bekannt warum die Wirtschaftskammer die Einführung dieses Systems blockiert?

 

8. Als weiteres taugliches Mittel gegen den Umsatzsteuerbetrug wird von verschiedenen Experten das sog. „reverse-charge-System“ genannt. Im Kern geht es dabei darum, dass die Berechtigung zum Vorsteuerabzug erst mit der Bezahlung der Rechnung entsteht, was Vorsteuerbetrug natürlich verunmöglichen würde. Wie stehen Sie zur Einführung eines solchen „reverse-charge-Systems“?