12521/J XXIV. GP

Eingelangt am 12.07.2012
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Kurt Grünewald,  Freundinnen und Freunde an den/die Bundesminister für Gesundheit

betreffend Stopp für kassenfinanzierte Psychotherapie durch die WGKK

BEGRÜNDUNG

 

1992 wurde in der 50.ASVG-Novelle die psychotherapeutische Behandlung der ärztlichen Hilfe gleichgestellt. Trotzdem gibt es bis heute keinen Gesamtvertrag zwischen Psychotherapeuten und der Sozialversicherung.

Über Versorgungsvereine werden Kontingente von Therapiestunden für ca. 35.000 PatientInnen finanziert, etwa dieselbe Zahl von PatientInnen erhält lediglich Kostenzuschüsse von 21,80 Euro pro Therapiestunde. Der Kassenzuschuss von 21,80 Euro pro Behandlungseinheit wurde seit 1992 weder erhöht noch wertangepasst.

Die derzeit bestehende Unterversorgung psychisch Kranker ist durch Studien des ÖBIG mehrfach dokumentiert. Verzögerte Diagnosen und überlange Wartezeiten auf eine geeignete Psychotherapie fördern Chronifizierung und Arbeitsausfälle durch lange Krankenstände. Bekannt ist auch der hohe Anteil psychischer Erkrankungen bei BezieherInnen von Invaliditätspensionen. All dies verursacht Kosten, die weit über denen einer kassenfinanzierter Psychotherapie liegen. Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist durch zahlreiche wissenschaftliche Studien hinreichend erwiesen.

Die Wiener Gebietskrankenkasse hat ab Februar 2012 dem größten Wiener Versorgungsverband, der Wiener Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung, alle Neuanträge für kassenfinanzierte Einzel-Psychotherapie gesperrt.

PatientInnen, die sich keinen hohen Selbstbehalt leisten können, müssen mit überlangen Wartezeiten auf einen Therapieplatz rechnen. Dies ist unverantwortlich und Ähnliches wäre bei somatisch Kranken unvorstellbar.


Aber auch unter den einzelnen Berufsgruppen gibt es eine Ungleichbehandlung. Wie sich herausstellte, sind PsychologInnen mit psychotherapeutischer Ausbildung nicht von den Kontingentkürzungen betroffen.

Im Juni wurde bekannt, dass die Wiener Gebietskrankenkasse ab Herbst hoch frequente Psychoanalyse (mehr als 2 Stunden/Woche) weder bezuschussen noch vollfinanzieren wird.

Ab Oktober soll zudem für WGKK-PatientInnen das Salzburger Bewilligungsverfahren (4 Seiten mit vielen persönlichen und intimen Angaben) ohne Anonymisierung für alle Psychotherapien eingeführt werden.

Die Wahlfreiheit bezüglich Methoden und PsychotherapeutInnen ist für den Therapieerfolg und die Compliance der PatientInnen ein wesentlicher Bestandteil. Auch hier sind derart drastische Einschränkungen (Restriktionen bei WahlpsychotherapeutInnen) kontraproduktiv.

Das alles steht im Widerspruch zum gültigen Regierungsübereinkommen. Im Kapitel Gesundheit/Verbesserung für PatientInnen heißt es: „Bei der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems ist auf die Interessen der PatientInnen einzugehen. Dazu ist eine Überarbeitung und Anpassung des Leistungsangebotes des öffentlich finanzierten Gesundheitswesens an den Bedarf der PatientInnen (insbesondere Zahnmedizin, Psychotherapie und Impfung für Kinder und Erwachsene) unter Sicherstellung der Finanzierung durchzuführen.“

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie viele PatientInnen betrifft der Stopp bei den kassenfinanzierten Einzel-Psychotherapien durch die WGKK?

 

2)    Was sind die Gründe für den Stopp bei den kassenfinanzierten Einzelsitzungen?

 

3)    Wie lange werden voraussichtlich keine Einzelsitzungen durch die WGKK  über die WGPV mehr finanziert?

 

4)    Wie viele PatientInnen sind vom Finanzierungsstopp bei der hochfrequenten Psychoanalyse durch die WGKK betroffen?

 

5)    Was sind die Gründe für diesen Finanzierungsstopp?

 

6)    Widerspricht diese Vorgangsweise nicht dem ASVG, wonach alle 21 anerkannten Psychotherapierichtungen zu finanzieren sind?


7)    Wie argumentieren Sie die gesundheitspolitische Sinnhaftigkeit von Kontingentierung bei Psychotherapie?

 

8)    Wie stehen Sie zu dem Vorhaben der WGKK, das „Salzburger Bewilligungsverfahren“  für Psychotherapie zu übernehmen, noch dazu in nicht anonymisierter Form?

 

9)    Wie lassen sich diese Maßnahmen mit dem Datenschutz und der Verschwiegenheitspflicht von TherapeutInnen vereinbaren?

 

10) Wie argumentieren Sie eine derartige Diskriminierung von psychisch Kranken gegenüber PatientInnen mit einer somatischen Erkrankung?

 

11) Ist es richtig, dass PsychologInnen mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung nicht vom Finanzierungsstopp für kassenfinanzierte Einzelsitzungen  betroffen sind, PsychotherapeutInnen aber sehr wohl?

 

12) Wenn ja, wie begründen Sie eine derartige Ungleichbehandlung der Berufsgruppen?

 

13) Welche Schritte werden Sie gegen diese Ungleichbehandlung unternehmen?

 

14) Wie begründen Sie, dass die vom Gesetzgeber im Jahr 2002 verabschiedete 50. ASVG-Novelle im Bereich Psychotherapie (§ 349, Abs. 2) noch immer nicht umgesetzt wurde?

 

15) Welche Schritte werden Sie unternehmen, damit es möglichst bald zu einem Gesamtvertrag für Psychotherapie kommt?

 

16) Warum wurde auch der in § 597 Abs. 5 ASVG formulierte Auftrag nach einem Psychotherapiekonzept zur Vorbereitung eines Gesamtvertrages für Psychotherapie bis heute noch nicht erfüllt?

 

17) Durch welche Maßnahmen werden Sie das Regierungsübereinkommen im Bereich Psychotherapie umsetzen?