12539/J XXIV. GP

Eingelangt am 16.07.2012
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Anfrage

 

der Abgeordneten Harald Walser, Albert Steinhauser; Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde an den Bundeskanzler

betreffend Denkmal für Opfer der NS-Militärjustiz auf dem Ballhausplatz bzw. Heldenplatz

BEGRÜNDUNG

 

Seit 1999 gibt es eine wissenschaftliche, öffentliche und insbesondere sehr intensive parlamentarische Debatte über die Opfer der NS-Militärjustiz, ihre Bewertung aus heutiger Sicht und ihre juristische und sozialrechtliche Rehabilitierung. 2005 und 2009 wurde diese Opfergruppe pauschal durch Bundesgesetze, Anerkennungsgesetz (AnerkG, BGBl. I, Nr. 86/2005) und Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz (BGBl. I Nr. 110/2009), rehabilitiert. Schon seit Beginn der Debatte wird auch um ein öffentlich sichtbares Zeichen dieser Auseinandersetzung und schlussendlichen Rehabilitierung diskutiert. Die Wiener Stadtregierung hat das Vorhaben ein solches Denkmal zu errichten in ihr Koalitionsabkommen aufgenommen, u.a. eine Arbeitsgruppe samt dreier Unterkommissionen eingesetzt. Seit Frühjahr 2012 liegt eine sogenannte Shortlist vor die fünf mögliche Orte auflistet. Medial werden vor allem die Standorte Heldenplatz und Ballhausplatz (das ausgeschnittene Eck, welches ursprünglich für das Dollfußdenkmal geplant war, siehe Plan im Anhang) kolportiert. Das Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ plädierte mehrfach für den Standort Heldenplatz. Auch Ihr Fachminster Norbert Darabos hat sich zur Frage des Deserteursdenkmals schon mehrmals positiv zu Wort gemeldet, zur Frage des Standorts gibt es von ihm unterschiedliche Aussagen. Zuletzt Anfang Juni 2012 im Ö1-Mittagsjournal es geht in Richtung Heldenplatz, sowie ich das jetzt mitverfolgt habe, und ich werde das auch mittragen“. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ist seit langem eine Unterstützerin des Deserteursdenkmals: „Es ist höchst an der Zeit, den Wehrmachtsdeserteuren mit einem gut sichtbaren Denkmal im öffentlichen Raum Anerkennung und Ehre für ihr mutiges Handeln auszusprechen.“ Ebenso der Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer: „Ein weiterer Aspekt, der mir dabei und auch schon im Rahmen der Ausstellung im Nestroyhof wichtig war, ist die Aufforderung und Mahnung an die Jugend, sich mit historischen Ereignissen auseinander zu setzen. Möge auch das nun von der Stadt Wien geplante Deserteursdenkmal diesem Zweck dienen.“[1]

Bundespräsident Dr. Heinz Fischer hat gerade erst vor wenigen Tagen in der ORF-Pressestunde deutliche Worte gefunden: „Ich bin für ein Denkmal für Deserteure und ich bin auch dafür, dass man das Denkmal nicht irgendwo versteckt, sondern dass man das an einem würdigen Platz macht. Und hier ist durchaus auch zu überlegen, ob nicht der Heldenplatz ein geeigneter Ort ist.“

Sie als Bundeskanzler haben bisher keine Meinung und Präferenz verlautbaren lassen. In der Rede anlässlich der Sondersitzung des Ministerrates am Nationalfeiertag 2009 führten Sie zur Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure aus: „Manche verweigerten - meist im Bewusstsein, dass dies den Tod bedeuten könne - die Mitwirkung am Krieg. Ihnen Respekt zu gewähren, sich vor ihnen zu verbeugen und sie vom Makel des Rechtsbrechers zu befreien, war deswegen höchst an der Zeit.“

Wir finden, dass die Position des Bundeskanzlers (und auch des Bundeskanzleramts) in dieser zentralen Frage für die Nachkriegsgeschichte Österreichs sehr wichtig ist. Österreichische Bundeskanzler haben in der Positionierung in zeithistorischen Fragen immer eine wichtige Rolle gespielt;
Dies vor allem in Hinblick auf das Schuld-Eingeständnis
der MittäterInnenschaft der ÖsterreicherInnen an den Verbrechen des Nationalsozialismus durch Bundeskanzler Franz Vranitzky im Jahre 1991, das die Basis für die darauf folgenden Schritte – Einrichtung des Nationalfonds unter Bundeskanzler Franz Vranitzky, Einsetzung der Historikerkommission unter Bundeskanzler Viktor Klima, Entschädigung von ZwangsarbeiterInnen sowie Unterzeichnung des Washingtoner Abkommens unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel – legte.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Warum hat sich der Bundeskanzler bisher nicht zur Frage des Standortes für ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz geäußert?

2)    Ist es mit der Rehabilitierung dieser Opfergruppe durch die besagten beiden Bundesgesetze alleine getan oder bedarf es Ihrer Meinung nach weitere Schritte um eine tatsächliche Rehabilitierung auf gesellschaftlicher Ebene zu erreichen?


3)    Wie stehen Sie zu der von ihrem Fachminister Norbert Darabos in einer Anfragebeantwortung (10751/AB XXIV. GP, Fr. 7-9) geäußerten Ansicht, dass Deserteure durch die Aufhebung der gegen sie verhängten Urteile „keine ‚Deserteure‘ mehr“ seien?

4)    Teilen Sie die Einschätzung, dass durch Gesetze historische Tatsachen verändert werden können?

5)    Befürworten Sie die Errichtung eines Denkmals für die Opfer der NS-Militärjustiz in Wien?

6)    Befürworten Sie die Errichtung eines Denkmals für die Opfer der NS-Militärjustiz in anderen Bundesländern?

7)    Wenn ja: Was tun sie dafür?

8)    Ist es Aufgabe von Bund, Ländern oder Städten für die Errichtung solcher Denkmäler zu sorgen?

9)    In der bereits angeführten ORF-Pressestunde wurde der Bundespräsident von Alexandra Föderl-Schmid (Der Standard) gefragt: Wenn Sie aus ihrem Fenster in der Hofburg schauen, können Sie ja auf die Krypta blicken, auf das äußere Burgtor, dort soll jetzt eine Umgestaltung passieren. Sie selbst legen ja auch immer am 26-ten Oktober einen Kranz ab, als Gedenken an die Gefallenen der Weltkriege. Jetzt soll aber parallel dazu auch noch ein Denkmal errichtet werden, nach sehr langer Diskussion, für die Deserteure, die eben aus der Wehrmacht ausgestiegen sind. Die Frage ist ja, wo kommt das Denkmal hin? Für welche Positionierung sind Sie? Soll es innerhalb der Krypta sein, soll es anderswo am Heldenplatz sein oder soll ein völlig anderer Standort gesucht werden, etwa vis-à-vis vom Bundeskanzleramt?“ Diese Frage trifft auf Sie genauso zu: Wie stehen Sie zur Möglichkeit ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz in das „Österreichische Heldendenkmal“, das das Äußere Burgtor darstellt, zu integrieren?

10) Sehen Sie hier die Gefahr – wie von einigen HistorikerInnen und/oder WissenschaftlerInnen sowie dem Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjusitz“ vorgebracht –, dass es zu einer Amalgamation von Opfern des NS-Regimes einerseits und andererseits ihre vermeintliche „Pflicht“ in der Wehrmacht Erfüllenden kommt?

11) Wie stehen Sie zur Möglichkeit ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz dem „Österreichische Heldendenkmal“ gegenüber, also in der Nähe des Leopoldinischen Traktes, zu errichten?

12) Wie stehen Sie zur Möglichkeit ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz auf der als Beilage 1 beigelegten und mit „XX“ gekennzeichneten Fläche zu errichten – also „etwa vis-à-vis vom Bundeskanzleramt“ wie im obigen Zitat?

13) Die Fläche steht im Besitz der Stadt Wien und ist historisch als Denkmalsfläche (Dollfuß-Denkmal) gewidmet. Sehen Sie aus Sicht des Bundeskanzleramts technische oder sicherheitstechnische Gründe die gegen eine Errichtung eines Denkmals an der besagten Stelle sprechen würden?


14) Das Bundesministerium für Inneres hat in der Anfragebeantwortung 10379/AB XXIV. GP ausgeführt, dass diese Fläche durch die Sicherheitsbehörden „aus  Gründen der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit“ genutzt werden. Steht diese Tatsache aus Ihrer Sicht einer Nutzung als Denkmalsstandort im Weg?

15) Das Innenministerium führt weiters aus, dass diese Fläche „im Einsatzfall, wie  bei Staatsbesuchen oder Demonstrationen“ genutzt wird. Das Bundeskanzleramt ist zentral in die Umsetzung von Staatsbesuchen involviert. Steht die Nutzung als „Abstell[ort]  von  Fahrzeugen  des  öffentlichen  Sicherheitsdienstes aus einsatztaktischen Gründen“ einer Nutzung als Denkmalsstandort im Weg?

16) Würden Sie die Errichtung eines Denkmals für Opfer der NS-Militärjustiz durch die Stadt Wien gegenüber Ihrem Amtssitz als dem Ansehen der Republik zuträglich oder abträglich erachten? Immerhin würde sich dieses „vis-à-vis vom Bundeskanzleramt“ befinden.

17) Bei Staatsbesuchen wird diese Fläche verschiedenartig genutzt, etwa als Parkplatz für Fahrzeuge. Würde die Platzierung eines Denkmals an dieser Stelle die Nutzung für Staatsbesuche u.Ä. auf Basis der Erfahrung des Bundeskanzleramts einschränken?

18) Würden Sie das Argument, dass Parkplätze im direkten Umfeld vieler Ministerien und des Amts des Bundespräsidenten rar seien und aus diesem Grund ein Denkmal an dieser Stelle nicht möglich sei, für sachlich bzw. politisch richtig halten?

19) Seit den heftigen Protesten gegen die Koalition aus FPÖ und ÖVP ab dem Jahr 2000 wird der oben beschriebene Standort („vis-à-vis vom Bundeskanzleramt“ – siehe Plan im Anhang) ganzjährig als Abstellplatz für Absperrgitter verwendet. Würden Sie das Argument, dass Abstellplätze für Absperrgitter im diesem Umfeld rar seien und aus diesem Grund ein Denkmal an dieser Stelle nicht möglich sei, für sachlich bzw. politisch richtig halten?

20) Ist es in Österreich tatsächlich notwendig, dass Polizei-Absperrgitter permanent „vis-à-vis vom Bundeskanzleramt“ und der Präsidentschaftskanzlei bereit gestellt sind?

21) Ist es der Bundespolizeidirektion Wien Ihrer Meinung nach zuzumuten die Gitter woanders zu lagern und im Bedarfsfall zu transportieren?

22) Der angesprochene Teil des Ballhausplatzes ist ein öffentliches Gut, EZ 1793, Gst. 1566/1 im Eigentum der Stadt Wien, der Heldenplatz hingegen ist ein Bundesgrund in Verwaltung der Burghauptmannschaft Österreich. Ergibt sich aus dieser Aufteilung für Sie eine Präferenz in der Standortfrage für das Denkmal?


 



[1] Quelle: http://www.deserteure.at/index.php?id=58