12993/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.11.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

 

der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Katzian

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend Warum gibt es keine Rechtsextremismusdatei in Österreich?“

 

Aus den Anfragebeantwortungen 7372/AB XXIV.GP  und 10935/AB XXIV.GP wird die Entwicklung rechtsextremer Straftaten in Österreich in den Jahren 2010 und 2011  dokumentiert:

Im Jahr 2010 gab es insgesamt 580 rechtsextremistische, fremdenfeindliche, rassistische, islamistische, antisemitische sowie unspezifische oder sonstige Tathandlungen, bei denen einschlägige Delikte zur Anzeige gelangten, 2011 waren es 479 diesbezügliche Tathandlungen.

Im Jahr 2010 sind insgesamt 1.040 Anzeigen nach dem Verbotsgesetz, dem Strafgesetzbuch, dem Abzeichengesetz sowie dem EGVG erstattet worden, 2011 waren es 963 Strafanzeigen. Für 2012 liegen noch keine diesbezüglichen Deliktszahlen vor. 2012 wurde aber  in den Medien über zahlreiche Strafverfahren wegen derartiger Delikte und über rechtskräftigen Verurteilungen, insbesondere wegen Wiederbetätigung, berichtet.

Vor über einem Jahr flog die „Zwickauer Terrorzelle“ (NSU) in Deutschland auf. Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ermordeten über Jahre hinweg aus Rassen- und Fremdenhass Migranten, raubten zur Geldbeschaffung Banken aus und zogen eine Spur der Gewalt und der Zerstörung durch die Bundesrepublik. Möglichen „Kontakte“ nach Österreich muss erst nachgegangen werden.

Im Zuge der Ermittlungsverfahren nach dem Auffliegen des „Terrortrios“ zeigte sich in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ein katastrophales Bild über die Zusammenarbeit der zuständigen Verfassungsschutzämter mit  den einzelnen Polizeibehörden auf Länderebene. Wichtige Ermittlungsakten wurden vernichtet, „V-Männer“ subventioniert und zwischen den unterschiedlichen Behörden existierte de facto kein Informationsaustausch über Ermittlungsergebnisse und den jeweiligen Ermittlungsstand.

 

Aufgrund dieser abscheulichen Taten dieses Terrortrios sowie weiteren rechtsextremen Gewalttaten und den nachgewiesenen Mängel in der Ermittlungsarbeit vom Verfassungsschutz und Polizei ging Mitte September 2012 die sogenannte „Neonazidatei“ der deutschen Bundesregierung in Betrieb. Die deutsche Politik verspricht sich von dieser Datei eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Behörden, so dass Taten wie jene, die von der „Zwickauer Terrorzelle“ begangen worden sind, zukünftig verhindert werden sollen.

 

Die „Verbunddatei Rechtsextremismus (RED)“ soll eine „informatorische Verschmelzung“ von Polizei- und Verfassungsschutzdaten bringen und soll von 36 Behörden benutzt und bestückt werden, unter ihnen auch die verschiedenen Verfassungsschutzämter und der Militärische Abschirmdienst (MAD). Für die Zukunft sollen damit in Deutschland Ermittlungspannen, wie im Fall des „Terrortrios“ ausgeschlossen werden, da diese Datei ein „Lagerdenken“, im Sinne von „mein Tatort, meine Zuständigkeit, mein Fall, ich weiß etwas das Du nicht weißt“ verhindern soll. Diese Rechtsextremismusdatei orientiert sich in ihrem Aufbau an der 2007 eingeführten Antiterrordatei (ATD) und führt Daten zusammen, die in anderen Dateien und Informationssystemen der Behörden gespeichert sind.

 

In Österreich existierte bis zum Jahr 2002 eine derartige Datei. Im Zuge der Regierungsbildung des Kabinettes Schüssel II wurde diese Datei aufgelöst. Seither gibt es in Österreich keine EDV-technische Erfassung von rechtsextremistischen Gewalttätern.

Sieht man sich die Verfassungsschutzberichte der letzten beiden Jahre jedoch genau an, stellt sich aus sachlichen Gründen die Frage, warum denn eine derartige Verbunddatei in Österreich nicht mehr geführt wird.


Im Einleitungstext des Verfassungsschutzberichtes 2011 heißt es auf der Seite 17 „der Rechtsextremismus stellte im Jahr 2010 keine ernsthafte Gefahr für den Staat bzw. die Verfassung oder eine Bedrohung der inneren Sicherheit dar“. Sieht man sich nun die nackten Zahlen und Fakten konkret  an, so kann man diese Aussagen nicht nachvollziehen. 2010 gab es im Vergleich zu 2009 einen Anstieg der rechtsextremistischen Anzeigen um 31,4 %. Im Jahr 2011 nahmen die Anzeigen zwar wieder leicht ab, trotzdem waren sie mit 963 Anzeigen deutlich über dem Niveau von 2009 (791).

 

Diese Zahlen zeigen, dass „rechte“ Gewalt und Rechtsextremismus in Österreich kein Randphänomen ist.

Verschiedene NGO´s haben darauf reagiert:

„Das österreichische „Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus“, dem rund 60 Organisationen angehören, hat nun den heimischen Spitzenpolitikern (mit Ausnahme der FPÖ) ein Dossier überreicht, das neonazistische und rechtsextreme Gewalttaten, Drohungen und Provokationen auflistet – und auf das Ansteigen der Gewalttaten verweist“ (Der Standard 6. November 2012).

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten an die Bundesministerin für Inneres nachstehende

 

Anfrage:

 

1.    Warum wurde im Zuge der Regierungsbildung Schüssel II im Jahr 2002 die österreichische „Rechtsextremismusdatei“ aufgelöst?

 

2.    Aus welchen sachlichen Gründen gibt es in Österreich analog zu Deutschland keine „Verbunddatei Rechtsextremismus “?

 

3.    Wie sieht die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen ihrem Ressort und dem deutschen Innenministerium bzw. den zuständigen Landesbehörden hinsichtlich rechtsextremistischer Gewalt bzw. rechtsextremistischen TäterInnen aus?
Wie viele gegenseitige Amtshilfeersuchen hinsichtlich rechtsextremistischer Gewalt bzw. rechtsextremistischen TäterInnen gab es in den Jahren 2010 und 2011?


4.    Wie ist das Ressort aktuell über die Aktivitäten von rechtsextremistischen TäterInnen bzw. rechtsextremistischer Gewalt in Österreich informiert?

 

5.    Was plant das Ressort in Zukunft, um Gewaltakte von rechtsextremistischen TäterInnen zentral zu erfassen und über ihre Aktivitäten informiert zu sein?

 

6.    Haben Sie bzw. ihr Ressort Kontakt mit dem deutschen Innenressort aufgenommen, um Informationen über die „Verbunddatei Rechtsextremismus“ einzuholen?
Wenn ja, wer hat diese Informationen eingeholt und welche Informationen wurden eingeholt?

 

 

7.    Zu welchen Schlussfolgerungen sind Sie bzw. Ihr Ressort gekommen?
Werden Sie bzw. Ihr Ressort in naher Zukunft für eine Erstellung einer verfassungskonformen  „Verbunddatei Rechtsextremismus “ analog wie in der Bundesrepublik Deutschland eintreten?
Wenn nein, warum nicht?

 

8.    Sehen Sie bzw. Ihr Ressort die Notwendigkeit eine verfassungskonforme „Verbunddatei Rechtsextremismus “ analog wie in der Bundesrepublik Deutschland einzuführen? Werden Sie eine entsprechende Gesetzesvorlage vorbereiten und als Regierungsvorlage dem Nationalrat zuleiten?
Wenn nein, warum nicht?

 

9.    Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort die Entwicklung von „rechter Gewalt“ in Österreich, in Anbetracht, dass die Strafanzeigen von 2009 auf 2010 um 31,4 % gestiegen sind und die diversen Strafanzeigen im Jahr 2011 noch immer über dem Niveau von 2009 lagen?

 

10. Sind Ihnen bzw. dem Ressort in den Jahren 2010, 2011 und 2012 Fälle bekannt geworden, wo es hinsichtlich rechtsextremistischer Gewalt bzw. der Verfolgung rechtsextremistischer TäterInnen durch fehlende Informationen oder die unterschiedliche Zuständigkeit von ExekutivbeamtInnen zu Ermittlungspannen bzw. zu Ermittlungsfehlern gekommen sind?
Wenn ja, was haben sie dagegen unternommen?


11. Gibt es überhaupt regelmäßige und gesicherte Informationen über rechtsradikale Veranstaltungen und Umtriebe sowie über neonazistische und rechtsextreme Gewalttäter, Drohungen und Provokationen von den einzelnen LVT´s an das BVT?

Wenn ja, wo und wie ist dies geregelt?