13222/J XXIV. GP

Eingelangt am 05.12.2012
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Eisenbahnsicherheitsvorschriften als Sicherheitsgefährdung – legistischer Lapsus oder Absicht?

 

Seit vielen Jahren fällt leider immer wieder unangenehm auf, dass vom BMVIT die erforderlichen Sicherheitsverordnungen für den Eisenbahnbereich immer wieder verspätet erlassen werden - und dann auch noch mangelhaft ausgearbeitet sind.

 

Besonders negative Beispiele für diese unprofessionelle Vorgangsweise sind unter anderem die Eisenbahnbau- und –betriebsverordnung (EisbBBV), für deren Erlassung das Verkehrsministerium Jahrzehnte benötigt hat, oder die neue Eisenbahnkreuzungsverordnung, für deren Erlassung man über zehn Jahre hinweg mehrere Anläufe nehmen musste, ehe heuer schließlich in den konkreten Inhalten erst wieder überfallsartig für die Normunterworfenen eine Regelung festgelegt wurde, deren Finanzierung bis heute unter allen Beteiligten massiv umstritten ist.

In wesentlichen Sicherheitsbereichen wurden bisher überhaupt keine Sicherheitsverordnungen zusammengebracht, obwohl das seit vielen Jahren versprochen wurde: Zum Beispiel für die Ausbildung von Eisenbahnbediensteten oder für Anschlussbahnen. Leider ist als Konsequent bereits zu beobachten, dass Eisenbahnunternehmen in diese regelungsfreien Bereiche ausweichen: So betreibt die NÖVOG fast ihr gesamtes Netz als „Anschlussbahn“ und erspart sich damit, weil es die seit zehn Jahren angekündigte Anschlussbahnverordnung noch immer nicht gibt, im Gegensatz zur Konkurrenz offenbar „lästig“ fallende Sicherheitsvorschriften. Unterm Strich ist derlei quasi ein Beitrag des BMVIT dazu, dass der NÖ Landeshauptmann sein Straßenbaubudget nicht zugunsten der Bahn und des Öffentlichen Verkehrs einschränken muss.

 

Ein wahres Gesellenstück für mangelhafte Sicherheitsverordnungen im Eisenbahnbereich ist aber jetzt mit der „Verordnung über die Eisenbahnschutzvorschriften“ (BGBl II Nr. 219/2012) eindrucksvoll gelungen. Auch diese Sicherheitsvorschriften wurden bereits seit vielen Jahren angekündigt, bisher hatte man es aber immer wieder nur „geschafft“, die diesbezügliche Verordnungsermächtigung im Eisenbahngesetz von einem Paragrafen in den anderen zu rangieren.


Die am 27.6.2012 erlassene Verordnung, die mit 1.9.2012 in Kraft trat, wurde ganz offensichtlich nicht mit den Betroffenen abgestimmt und wird daher folgerichtig zusätzliche massive Sicherheitsprobleme im Eisenbahnbereich schaffen. So finden sich darin zum Beispiel geradezu kuriose Regelungen über das Betreten von Eisenbahnanlagen - das für Angehörige von Einsatzorganisationen und Hilfskräfte im Zuge eines Hilfseinsatzes massiv beschränkt (!) wird, im Gegenzug aber für alle Angehörigen des Bundesheeres völlig freigegeben wird. Seitens der Feuerwehrorganisationen wird bereits die Frage gestellt, ob und wie unter diesen Umständen eine Hilfsleistung im Fall des Falles ohne Rechtsbrüche oder unverantwortlichen Zeitverlust möglich sein sollte.

 

Derartige „Sicherheitsvorschriften“ können wohl nicht als großer Wurf durchgehen und müssten so rasch wie möglich korrigiert werden.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Die Verordnung über die Eisenbahnschutzvorschriften wurde nach einer jahrzehntelangen „Wartezeit“ erst 2012 erlassen und ist am 1. 9. 2012 in Kraft getreten. Weshalb wurde mit der Erlassung dieser wichtigen Regelung derartig lange zugewartet, obwohl sie schon seit dem Eisenbahngesetz 1957 zu erlassen gewesen wäre?

2)    Nach einer derartig langen Vorbereitungszeit sollte wohl zumindest eine gewissenhafte Erstellung der Verordnung unter Einbeziehung aller Beteiligten erwartet werden können. Welche der betroffenen Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen wurden bei der Erarbeitung der Verordnung einbezogen? In welcher Form wurden die betroffenen Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen einbezogen?

3)    Nach § 2 Abs. 7 der Verordnung dürfen Angehörige von Einsatzorganisationen und sonstige Hilfskräfte im Zuge eines Hilfseinsatzes die nicht dem „allgemeinen Verkehrsgebrauch“ dienenden Eisenbahnanlagen nur betreten, wenn durch betriebliche Maßnahmen und vor Ort anwesende geschulte Eisenbahnbedienstete ein gefahrloses Betreten gewährleistet wird. Somit dürfen Feuerwehr, Rettung, Polizei und andere Einsatzorganisationen und Hilfskräfte die Eisenbahnanlagen ausnahmslos erst dann betreten, wenn „geschulte Eisenbahnbedienstete“ vor Ort eingetroffen sind. Ist diese Regelung mit den betroffenen Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen abgestimmt?

4)    Halten Sie es für sinnvoll Verordnungsregelungen zu treffen, nach denen die Einsatzkräfte nach Hilfe schreienden Opfern im brennenden Eisenbahnwagen so lange aus sicherer Entfernung „zusehen“ müssten, bis ein „geschulter Eisenbahnbediensteter“ vor Ort eingetroffen ist und sie erst dann die Gleisanlagen betreten dürfen? Falls ja – warum? Falls nein – was werden Sie konkret unternehmen?

5)    Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen dürfen die Eisenbahnanlagen außerhalb des „allgemeinen Verkehrsgebrauchs“ erst dann betreten, wenn durch betriebliche Maßnahmen und vor Ort anwesende geschulte Eisenbahnbedienstete ein gefahrloses Betreten gewährleistet wird. Es müssen daher natürlich auch von den Eisenbahnunternehmen ausreichend „geschulte Eisenbahnbedienstete“ organisatorisch vorgehalten werden. Welche diesbezüglichen Veranlassungen haben Sie rechtzeitig vor Inkrafttreten der Verordnung getroffen, damit es zu keinen Sicherheitsdefiziten kommt?

6)    Es dürfte Ihnen bekannt sein, dass Eisenbahnbedienstete in der Fläche verstärkt eingespart werden (Fahrdienstleiter, Fahrkartenschalter usw.). Inwieweit ist der zusätzliche Personalbedarf von „geschulten Eisenbahnbediensteten“ vor Ort mit dieser Entwicklung abgestimmt? Welche Vorbereitungen haben Sie diesbezüglich mit den betroffenen Eisenbahnunternehmen getroffen?

7)    Das Erfordernis „geschulter Eisenbahnbediensteter“ vor Ort zur Unterstützung der Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen muss natürlich im Notfallmanagement der Eisenbahnunternehmen entsprechend berücksichtigt werden. Inwieweit haben Sie im Rahmen der Aufsicht die Einhaltung dieser Voraussetzung überprüft?

8)    In merkwürdigem Gegensatz zu den überstrengen Regelungen für Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen dürfen alle Angehörigen des Österreichischen Bundesheeres die Eisenbahnanlagen ohne Einschränkung und ohne jede Ausbildung überall ohne vor Ort anwesende „geschulte Eisenbahnbedienstete“ betreten. Aus welchem Grund bestehen zum Beispiel für einen Koch oder eine Reinigungskraft des Österreichischen Bundesheeres – oder auch: sämtliche Präsenzdiener – derart großzügige Regelungen, während die Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen vor ihrem Einsatz auf den „geschulten Eisenbahnbediensteten“ vor Ort warten müssen?

9)    Unter den betroffenen Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen herrscht bereits spürbarer Ärger über die unpraktikablen Regelungen des § 2 Abs. 7 der Verordnung. Es werden Befürchtungen laut, dass die Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen unter derartigen Rahmenbedingungen ihren Sicherheitsaufgaben nicht mehr verlässlich nachkommen können. Bis wann ist daher eine Überarbeitung und Anpassung dieser Regelungen vorgesehen?

10) Durch die unpraktikable Regelung des § 2 Abs. 7 der Verordnung und damit verbundener Verzögerungen beim Einsatz von Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen durch die Wartezeit auf „geschulte Eisenbahnbedienstete“ kann es zu riskanten Verzögerungen bei Hilfseinsätzen, zum Beispiel durch Feuerwehr, Rettung oder Polizei, kommen. Wie werden Sie sicherstellen, dass es hier nicht zu Vorwürfen an Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen kommen kann? Wie werden Sie sicherstellen, dass die Angehörigen der Einsatzorganisationen und Hilfsorganisationen für diese Verzögerungen nicht haftbar gemacht werden?

11) Sollte es bei Hilfseinsätzen wegen der unpraktikablen Regelung des § 2 Absatz 7 der Verordnung durch die Wartezeit auf „geschulte Eisenbahnbedienstete“ zu Verzögerungen kommen, wo würden Sie die politische Verantwortung für allfällige Folgen dieser Verzögerungen zuordnen?

12) Wer trug in ihrem Haus die federführende Verantwortung für die Textierung der „Verordnung über die Eisenbahnschutzvorschriften“ in der letztlich in BGBl II Nr. 219/2012 erlassenen Form?