13223/J XXIV. GP

Eingelangt am 05.12.2012
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Anfrage

 der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Einreiseverbot für Güterwagen - ÖBB als Sündenbock für Versäumnisse der Eisenbahnaufsicht?

 

Die Nachricht über die „Einreisesperre“ österreichischer Güterwagen in Italien nach dem Eisenbahnunfall in Brixen hat erschreckende Sicherheitsdefizite im österreichischen Eisenbahnwesen (einmal mehr) in die Schlagzeilen gebracht. Die italienische Maßnahme kommt de facto einer Einreisesperre für tausende österreichische Güterwagen nach Italien gleich und wird der ohnehin wirtschaftlich angeschlagenen Rail Cargo Austria AG massive weitere Folgekosten bescheren. Darüber hinaus haben die Ereignisse natürlich auch den Ruf der österreichischen Eisenbahnsicherheitsstandards europaweit nachhaltig beschädigt.

Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang einmal mehr die merkwürdig zurückhaltende Rolle des Verkehrsressorts als Eisenbahnaufsicht und zuständige Sicherheitsbehörde. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, das Verkehrsministerium wäre geradezu auf Tauchstation gegangen, um zu diesen Ereignissen nicht näher Stellung beziehen zu müssen.

Bei genauerem Hinsehen wird die Zurückhaltung des Verkehrsministeriums aber schnell begreiflich: Erst im Jahr 2009 hat die Verkehrsministerin die Eisenbahnbau- und -betriebsverordnung (EisbBBV) erlassen, mit der angeblich deutsche Eisenbahnsicherheits-Standards auch für Österreich übernommen hätten werden sollen. Diese vollmundige Ankündigung wurde aber in der Zielgeraden der VO-Entstehung unverständlicherweise verlassen. Schlussendlich wurde am 1. Jänner 2009 eine Regelung in Kraft gesetzt, die in wesentlichen Bereichen deutlich unter den deutschen Sicherheitsstandards liegt, ohne dass diese Standardabsenkung nachvollziehbar erklärt worden wäre. Bei der Sicherheit von Eisenbahnfahrzeugen scheint sich diese offenbar in ihrem Umkreis gewählte lasche Vorgangsweise jetzt zu rächen.

So sieht die deutsche Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO), die angeblich als Vorbild für die österreichischen Sicherheitsstandards vorgesehen war, in ihrem § 32 eine regelmäßige Frist zur Untersuchung von Eisenbahnfahrzeugen vor; die Untersuchungen sind demnach mindestens alle sechs Jahre durchzuführen. Eine derartige Vorgabe wurde in der österreichischen Eisenbahnbau- und -betriebsverordnung (EisbBBV) verwässert, dort hat man in § 26 keine Mindestfristen für die Untersuchung festgelegt, sondern diese Intervalle schlussendlich einer Festlegung durch die Eisenbahnunternehmen überlassen!

Mit dieser bequemen Vorgabe wurden die Eisenbahnunternehmen geradezu eingeladen, bei der Untersuchung der Eisenbahnfahrzeuge großzügigere Untersuchungsfristen als in Deutschland vorzusehen. Ebenso ist zu befürchten, dass im Ausland nicht mehr einsetzbare („abgelaufene“) Eisenbahnfahrzeuge mit entsprechend großzügigeren Untersuchungsfristen in Österreich weiter eingesetzt werden. Österreichische Eisenbahnunternehmen mit strengeren Untersuchungsfristen geraten dann in weiterer Folge unter wirtschaftlichen Druck, die österreichische Rechtslage auszunützen und bei ihren Eisenbahnfahrzeugen ebenfalls „sparsamere“, aber (siehe Brixen) potenziell gefährliche Erhaltungsvarianten zu wählen.

Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Ereignisse rund um das Einreiseverbot für die Rail-Cargo-Eisenbahnwagen durch die vom Verkehrsministerium definierten Rahmenbedingungen maßgeblich mitbestimmt wurden, während in der Öffentlichkeit ausschließlich das Vorgehen des Eisenbahnunternehmens diskutiert wird.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Weshalb wurden in der österreichischen Eisenbahnbau- und -betriebsverordnung (EisbBBV) keine verbindlichen Fristen zur Untersuchung von Eisenbahnfahrzeugen festgelegt, obwohl in der als Vorbild zitierten deutschen Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) selbstverständlich verbindliche Fristen vorgesehen sind?

2)    Hat Ihr Kabinett diese Passage - § 26 der Verordnung - a) so vorgeschlagen, b) so unkommentiert passieren lassen, c) in diese Richtung gegenüber dem Beamten-/Expertenentwurf abgeändert bzw. abändern lassen?

3)    Falls der letztlich umgesetzte Entwurf für diese konkrete Passage der EisbBBV nicht aus dem BMVIT stammen sollte – woher stammte er sonst?

4)    Sind legistische Maßnahmen (zB: Änderung der EisbBBV) beabsichtigt, um dieses gegenüber den deutschen Standards gegebene Sicherheitsdefizit zu beheben - oder erachten Sie die derzeitige Rechtslage mit einer „Selbstfestlegung“ der Untersuchungsfristen durch die Eisenbahnunternehmen für tragbar und ausreichend?

5)    Falls Sie die derzeitige Rechtslage mit einer „Selbstfestlegung“ der Untersuchungsfristen durch die Eisenbahnunternehmen für tragbar und ausreichend halten sollten: Wie begründen Sie dies nach dem durch offenbar unbemerkt gebliebene Wartungsmängel ausgelösten Unfall von Brixen/Südtirol?

6)    Die „Selbstfestlegung“ der Untersuchungsfristen gilt für alle Eisenbahnfahrzeuge und daher auch für Personenwagen im Nah- und Fernverkehr - halten Sie die derzeitige Rechtslage mit einer „Selbstfestlegung“ der Untersuchungsfristen durch die Eisenbahnunternehmen auch für Personenwagen für tragbar und ausreichend?

7)    Das BMVIT ist auch Aufsichtsbehörde für die Eisenbahnverkehrsunternehmen.

a)    Werden die von den Unternehmen festgelegten Untersuchungsfristen regelmäßig überprüft?

b)    Wie viele diesbezügliche Überprüfungen hat die Eisenbahnsicherheitsbehörde seit 1. Jänner 2009 (Erlassung der EisbBBV) konkret durchgeführt?

c)    Welche Ergebnisse haben diese Überprüfungen konkret erbracht?

d)    Welche unternehmensintern festgelegten Untersuchungsfristen wurden festgestellt?

8)    Haben Sie seit den Ereignissen von Brixen besondere Überprüfungen durch die Eisenbahnsicherheitsbehörde veranlasst? Oder erachten Sie die derzeitigen Prüfintervalle der Eisenbahnsicherheitsbehörde für ausreichend?

9)    In wie vielen Fällen hat die Eisenbahnsicherheitsbehörde seit 1. Jänner 2009 (Erlassung der EisbBBV) eingegriffen, um nicht ausreichende Untersuchungsvorgaben von Eisenbahnverkehrsunternehmen zu korrigieren? Welche Ergebnisse wurden dadurch konkret erzielt?

10) Wann wurden die Untersuchungsfristen für Eisenbahnwagen bei der Rail Cargo Austria zuletzt von der Eisenbahnsicherheitsbehörde überprüft? Welches Ergebnis hat diese Überprüfung konkret erbracht?

11) Sind im österreichischen Schienennetz auch die offenbar im Raum Ostrumänien-Ukraine gewarteten Güterwagen der Rail Cargo Hungaria unterwegs? Wenn ja, wann wurden deren Untersuchungsfristen für Eisenbahnwagen zuletzt von der Eisenbahnsicherheitsbehörde konkret überprüft und wie stellen sich diese Fristen dar?