13275/J XXIV. GP

Eingelangt am 06.12.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

 

Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr und GenossInnen

 

 

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Verfolgung eines Mannes, der mit HIV lebt, durch die Staatsanwaltschaft trotz Einhaltung der Safer Sex Regeln.

In einer Anfragebeantwortung aus dem Jahr 2010 (XXIV GB.-NR. 4941/AB vom 2. Juni 2010 hat Ihre Vorgängerin eine Frage nach Respektierung der Safer Sex Regeln bei der Strafverfolgung und in der Rechtsprechung in dem Sinne beantwortet, dass Geschlechtsverkehr von Menschen, die mit HIV leben, unter Einhaltung der selbigen nicht verfolgenswürdig bzw. strafbar ist. Darüber hinaus wurde in der Beantwortung davon ausgegangen, dass dieser Sachverhalt den Staatsanwaltschaften bekannt ist:

“Zu 8 und 9:

Der Inhalt des in der Anfrageeinleitung wörtlich wiedergegebenen Schreibens ist den Staatsanwaltschaften bekannt, weil ich auf Grund dieser Parlamentarischen Anfrage Berichte der staatsanwaltschaftlichen Behörden einholen habe lassen. Durch regelmäßige institutionalisierte Besprechungen der Leiter der Staatsanwaltschaften mit den Experten meines Hauses ist der Wissensaustausch und eine Harmonisierung der Verfolgungspraxis gewährleistet. Auch die Rückmeldungen der Staatsanwaltschaften aus Anlass dieser Anfrage haben gezeigt, dass die Praxis bereits auf die neueren Erkenntnisse aus der Aidsforschung und deren rechtliche Implikationen reagiert.”

Entgegen dieser Annahme, dass der Sachverhalt der Safer Sex Regeln bei der Staatsanwaltschaft bekannt sei, kam es am 22.11.2012 zu einer Anklage eines HIV-positiven Mannes durch die Staatsanwaltschaft Wien (37 St 133/12i), der sich beim Geschlechtsverkehr (Oralverkehr ohne Ejakulation) an die von den Aids-Hilfen propagierten Safer Sex Regeln gehalten hat. (siehe Beilage.)

Es ist aus gesundheitspolitischer und Aids-präventiver Sicht ein großes Problem, dass die Gesundheitspolitik eine Verhaltensweise propagiert, die dazu angetan ist, die Übertragung von HIV zu minimieren, und die Justizpolitik diese Botschaft mit Anzeigen gegen Menschen, die sich an eben jene Regeln halten, konterkariert.


Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

 

1.       Halten Sie angesichts der oben erwähnten Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft Wien die Meinung ihrer Vorgängerin aufrecht, dass die Staatsanwaltschaften über die neueren Erkenntnisse der Aidsforschung und deren rechtlichen Implikationen ausreichend informiert sind?

2.       Wenn ja, warum, wenn doch offensichtlich nicht einmal die Safer Sex Regeln bekannt sind?

3.       Wenn nein, welche Schritte werden Sie unternehmen, dass die Staatsanwaltschaften davon Kenntnis erlangen?

4.       Halten Sie die Anwendung der §§ 178 und 179 des StGB auf Menschen, die mit HIV leben, für sinnvoll, zumal UNAIDS, die FRA und andere Organisationen die Beseitigung derartiger Kriminalisierung fordert, Deutschland nie einen solchen Tatbestand kannte und auch die Schweiz jüngst den entsprechenden Tatbestand (Art. 231 schwStGB), der anders als der österreichische stets eine tatsächliche Ansteckung erforderte, auf Ansteckung in böser Absicht eingeschränkt hat(BBI 2012 8157)?

5.       Wenn ja, warum?

6.       Wenn nein, welche Schritte werden Sie unternehmen, um das StGB in diesem Bereich einer Novellierung zuzuführen?

7.       Gibt es Aufzeichnungen darüber, in welchen Fällen es zu Anklagen gegen Menschen, die mit HIV leben, aufgrund der §§ 178 und 179 gekommen ist, obwohl diese sich an die Safer Sex Regeln gehalten haben?

8.       Wenn ja, in wievielen Fällen kam es trotz Safer Sex zu einer Verurteilung?

9.       Wenn nein, wäre eine Aufzeichnung darüber Ihrer Meinung nach eine Basis, um künftig im Sinne einer Rechtsprechung zu wirken, die auf wissenschaftlichen Fakten basiert?

10.   Welche Maßnahmen sind seitens des Justizressorts angedacht, um die Botschaften der Gesundheitspolitik betreffen Aidsprävention zu verstärken und eine kohärente und wissenschaftsbasierte Rechtsprechung zu forcieren?