14220/J XXIV. GP

Eingelangt am 06.03.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Finanzen

betreffend Darstellung der Mitwirkungsrechte des Nationalrates am ESM auf der Homepage des Finanzministeriums

BEGRÜNDUNG

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen werden unter dem Titel Q & A Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) die Mitwirkungsrechte des Nationalrates an ebendiesem aus Sicht des Finanzministeriums dargestellt. Diese Darstellung weicht ganz erheblich von den im vergangenen Juli beschlossenen Änderungen der Bundes-Verfassung in Art 50 b- Art 50 d und der Geschäftsordnung des Nationalrates ab.

Einleitend wird auf Kritik an den parlamentarischen Mitwirkungsrechten als „Eingriffe in die Entscheidungsautonomie des ESM“ Bezug genommen:

Eingriffe in die Entscheidungsautonomie von ESM sind daher nicht nur aus dem Blickwinkel nationaler Informationspflichten zu betrachten, sondern auch dahingehend zu prüfen, ob sie die Funktionsfähigkeit der Institution gefährden.

Die von den Abgeordneten Wittmann, Stummvoll und Van der Bellen eingebrachten Anträge einer „ESM-Begleitnovelle“, d.h. Änderung des B-VG und damit zusammenhängend Änderung des GOG des Nationalrates gehen in dieser Hinsicht sehr weit – der österreichische Nationalrat erhält damit die Verantwortung für die wichtigsten Entscheidungen im ESM, insbesondere zur Gewährung finanzieller Hilfe. Die vorgesehenen umfassenden Unterrichtungspflichten werden für eine ständige Einbindung sorgen. Österreich wird auf diese Verfahren laufend angesprochen; einerseits gibt es hier Verständnis für die Notwendigkeit der Unterrichtungspflicht und der Einbindung bei den wichtigsten Entscheidungen; andererseits gibt es auch Kritik und Bedenken, dass die Entscheidungsautonomie und damit die Funktionsfähigkeit des ESM gefährdet sein könnten. Die Einbindung des Nationalrats ist auf Höhe der Einbindung des Deutschen Bundestags in die Positionierung von Deutschland, wobei der Bundestag bisher mehr Exekutivrechte ausübte als der Nationalrat, und Österreich hier jetzt nachzieht. S.2 f.

Die Verschwiegenheitspflicht aus dem ESM-Vertrag wird den Unterrichtungspflichten dem Nationalrat gegenüber entgegen gestellt. Auf der Homepage des BMF wird der Eindruck konkurrierender Geheimhaltungsbestimmungen aus den Verpflichtungen des Art 34 des ESM-Vertrages erweckt, die die Unterrichtungsverpflichtungen der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat beschränkt.:


Stellungnahme BKA/VD und BmeiA/VRB: Jene Informationen, die nach Art. 34 des Vertrages der beruflichen Schweigepflicht unterliegen, fallen auch in den Anwendungsbereich der Verschwiegenheitspflicht des Art. 20 Abs. 3 B-VG. Ihre Geheimhaltung ist im Interesse der auswärtigen Angelegenheiten und im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts geboten, sodass auch nach staatlichem Verfassungsrecht eine Verpflichtung des österreichischen Mitgliedes des Gouverneursrats zur Verschwiegenheit besteht. Nach herrschender Auffassung besteht die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder der Bundesregierung auch gegenüber dem Nationalrat.

Der ESM-Vertrag enthält keine genaueren Ausführungen zum Umfang der beruflichen Schweigepflicht, daher gilt diese grundsätzlich uneingeschränkt. S. 3 f

wenn man aber die Anträge der Abgeordneten mit den nun ausverhandelten Bestimmungen vergleicht, so kann man mit gutem Gewissen sagen, dass sämtliche entscheidungsrelevante Unterlagen, die zur Vorlage in die ESM-Gremien kommen, nicht an der beruflichen Schweigepflicht des Art. 34 scheitern werden, d.h. der Inhalt der Anträge steht nicht im Widerspruch zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen. Wichtig ist aber die vertrauliche Behandlung im Nationalrat. S. 4

Die tatsächlichen Mitwirkungsrechte werden lückenhaft dargestellt. Das zentrale Mitwirkungsrecht des Nationalrates nach Art 50 b Z 1, das den Grundsatzbeschluss zu einer Stabilitätshilfe für einen Mitgliedstaat betrifft, findet in der umfangreichen Darstellung auf Ihrer Homepage keine Erwähnung:

Beschließt der Nationalrat ein Fass ohne Boden? Wie sehen die Regeln im Falle einer Kapitalerhöhung aus?

Nein, das Risiko ist unter allen Umständen auf den Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt (d.h. 19 Mrd. 483 Mio. 800 Tsd. Euro). Eine Kapitalerhöhung ist ohne neuerliche Zustimmung des Nationalrats in Österreich nicht möglich. Artikel 10 sieht für so einen Fall eindeutig die Notifikation des Abschlusses nationaler Verfahren vor. Dies wird auch in den Erläuternden Bemerkungen festgestellt.

Dazu Stellungnahme BKA/VD und BMeiA/VRB: Bei der in Art. 10 Abs. 1 vorgesehenen Veränderung des genehmigten Stammkapitals auf Grund eines Beschlusses des Gouverneursrates handelt es sich nicht um einen Fall einer vereinfachten Änderung eines Staatsvertrages im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 1 B-VG. Da der Beschluss des Gouverneursrates erst in Kraft tritt, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben, sind die Mitwirkungsrechte des Nationalrates bei einer solchen Vertragsänderung nicht eingeschränkt.

NB : der Antrag zur Änderung des B-VG sieht außerdem eine Ermächtigung durch den Nationalrat als Voraussetzung für die Zustimmung des österreichischen Vertreters vor. Diese Bestimmung überträgt dem Nationalrat grundsätzlich keine zusätzlichen Rechte, da ohnehin eine dem Gouverneursratsbeschluss nachfolgende gesetzliche Ermächtigung erforderlich ist – eine solche Ermächtigung aber bereits vorab einzuholen birgt aber keine Nachteile und ermöglicht die frühzeitige Herstellung des Einvernehmens.  S. 10 f.

Ökonomische Fragen

Warum beträgt das ESM-Kapital 700 Mrd. € und ist dies ausreichend?

Die Idee des Rettungsschirmes ist es, einen glaubwürdigen Mechanismus zu schaffen, der die Liquiditätssituation absichert und Zahlungsausfälle von Staaten zu vermeiden. Nach langen Diskussionen wurden 700 Mrd. € als ausreichend angesehen, eingedenk auch des Umstandes, dass auch Mittel des IWF abgerufen werden können. Für eine höhere Summe spräche, dass dann auch die letzte Restwahrscheinlichkeit eines gleichzeitigen Zahlungsausfalles sehr vieler ESM-Mitglieder gegen Null ginge. Dem steht gegenüber, dass das Rufkapital von den Finanzmärkten als mögliche Finanzverpflichtung der Länder gesehen würde, was die Bonität schmälert und damit genau das provozieren könnte, was mit dem ESM verhindert werden soll. Es gibt daher eine, wenn auch nicht genau bezifferbare Obergrenze, bis zu der dieses Instrument sinnvoll ist. Die bisherigen Programme und die Anträge von Spanien und Zypern können jedenfalls problemlos abgewickelt werden.

Kann es sein, dass Österreich allfällige Zahlungsausfälle im Extremfall alleine Schultern müsste?

Nein. Im ESM (genauso wie im EFSF) sind die maximale Last eines Landes nach oben limitiert. Es gibt also nicht nur Anteile, sondern gemäß Anhang II auch eine Maximalsumme. Diese Genehmigt der Nationalrat und daher ist die Budgetsouveränität gewahrt.


Reichen die Instrumente aus?

In der Tat können nicht alle Problemkonstellationen vorab gekannt werden. Der ESM muss daher Flexibilität aufweisen, um unerwarteten Marktentwicklungen relativ rasch Rechnung tragen zu können. Artikel 19 sieht vor, dass der Gouverneursrat Änderungen der Liste der Finanzinstrumente im Einvernehmen vornehmen kann. Gemäß Antrag zur Artikel 50 b B-VG ist hiezu vorab die Genehmigung des Nationalrates einzuholen.

Können direkte Bankrekapitalisierungen/-beteiligungen vorgenommen werden?

ESM-Mittel können für Bankrekapitalisierungen verwendet werden, allerdings ohne, dass der ESM Beteiligungsrechte dafür erhalten kann. Die Mittel werden im Wege der betroffenen Staaten eingesetzt, welche auch die Ausfallsgarantie übernehmen. Es ist sinnvoll Banken aufzufangen, um Dominoeffekte im Finanzsystem zu verhindern, welche auch österreichische Banken und Spareinlagen betreffen könnten. Jede Bankenhilfe wird aber unter dem EU-Beihilfenregime abgewickelt, dh. die EK hat hier die Möglichkeit, bindende Auflagen vorzusehen, welche den Wettbewerb der Banken nicht behindern und auch zur Strukturbereinigung, dh. Abwicklung von Banken führen kann.

Werden nur die Spekulanten gerettet?

Bei Griechenland haben die privaten Anleger einem Schuldenschnitt von etwa 100 Mrd. € zugestimmt. Dies war ein drastischer Schritt aufgrund besonderer Umstände. Der ESM hat das klare Prinzip, dass Hilfsmittel nur fließen, wenn eine Rückzahlung durch eine Schuldennachhaltigkeitsanalyse nachgewiesen werden kann. Sollte diese vorab nicht gegeben sein, werden zunächst im Rahmen des Schuldenregulierungsverfahrens Finanzinvestoren auf Forderungen verzichten, bevor Hilfsmittel fließen.

Wieso sieht der ESM keine wachstumsstärkenden Maßnahmen vor?

Grundsätzlich werden durch die Absicherung der Zahlungsfähigkeit von Staaten/Banken unweigerlich viel härtere Einschnitte in das wirtschaftliche und soziale Gefüge eines Landes vermieden, die bei Zahlungsunfähigkeit eintreten würden. Wachstumsstärkende Maßnahmen werden in den Vereinbarungen zur Konditionalität regelmäßig sehr wohl getroffen. Ebenso wurde bei den EU-Fonds das Kofinanzierungserfordernis gesenkt, also die Förderkomponente erhöht, was rascheres Wachstum ermöglichen soll. Im Falle Griechenlands wurde eine EK-Task Force eingerichtet, um effizient technische Hilfe geben zu können, An diese beteiligt sich auch Österreich z.B. im Bereich der Steuerverwaltung.

Wird Artikel 125 AEUV – Die „No-Bail out Klausel“ des AEUV verletzt?

Nein. Es werden keine Schulden dauerhaft übernommen. Die begünstigten Staaten müssen die Hilfsmittel zurückzahlen. Ist dies gefährdet, kommen die Umschuldungsklauseln für die Privatanleger zum Tragen, weil der ESM Vorrechte vor privaten Gläubigern beansprucht.

Wie ist die Verbindung zum Fiskalpakt?

In der Präambel wird das Verständnis festgehalten, dass es ab 1. März 2013 nur für jene Länder einer Finanzhilfe geben kann, welche den Fiskalpakt unterzeichnet haben. Dieser sieht eine verstärkte Koordinierung der Fiskalpolitik und der wirtschaftlichen Steuerung vor, aber z.B. keine Aufhebung der nationalen Budgethoheit.  S.13, 14

Quelle: https://www.bmf.gv.at/Allgemeines/Flashmeldung/QAEuropischerStabil_13225/_start.htm (22.02.2013)

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wer hat welche konkrete Kritik an welchen österreichischen Regelungen zur Mitwirkung des österreichischen Nationalrates in Sachen Europäischer Stabilitätsmechanismus geäußert?

2)    Sehen Sie sich an die gesetzliche Verpflichtung des Art 50 c B-VG, der die Unterrichtungsverpflichtungen des österreichischen Vertreters im ESM gegenüber dem Nationalrat auf Basis des § 74 g Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates bestimmt, gebunden?


3)    Erachten Sie Art 34 ESM-Vertrag oder Art 17 Satzung des ESM für eine weitergehende Beschränkung dieser verfassungsrechtlich verankerten Unterrichtungsverpflichtung?

4)    Worin besteht der Grund, dass das zentrale Mitwirkungsrecht des Nationalrates bei Grundsatzbeschlüssen für Stabilitätshilfen (Art 50 b Z 1) einzelner Mitgliedstaaten keine Erwähnung auf der Homepage des Finanzministeriums findet?