14754/J XXIV. GP

Eingelangt am 16.05.2013
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Kurt Grünewald, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung

betreffend Treffsicherheit bzw. Aussagekraft von Eignungstests

BEGRÜNDUNG

 

Nachdem kürzlich mit einer UG Novelle neben der Studienplatzfinanzierung auch weitere Zugangsregeln mit Regierungsmehrheit beschlossen wurden, werden „kapazitätsorientierte Zugangsregeln“ in fünf überdurchschnittlich nachgefragten Studienfeldern festgelegt. Die Mindestanzahl an Studienplätzen, die in den einzelnen Studienfeldern für neue Studierende pro Studienjahr österreichweit insgesamt zur Verfügung stehen müssen, wird gesetzlich vorgeschrieben. Bei „Bedarf“, d.h. wenn die Nachfrage die in der Leistungsvereinbarung festgelegten Studienplatzzahlen übersteigt, kann das Rektorat jeder Universität Zugangsregelungen durch Aufnahmeverfahren schaffen. Unter „Universitätsfinanzierung NEU“ kann auf der Seite des BMWF[1] abgerufen werden, wie viele Plätze zur Verfügung stehen werden.

 

Massive Kritik an dieser Novelle wurde von verschiedensten Seiten geäußert. Dies betrifft z.B. die Kosten und den bürokratischem Aufwand der Universitäten, ohne eine Entlastung in den überfüllten Studienrichtungen zu bewirken[2] über das Fehlen von verbindlichen Vorgaben für einheitliche Evaluierungen aller Aufnahmeverfahren[3], ist eines für uns ganz offensichtlich: Die primäre Intention ist, Auswahlverfahren in Anbetracht hoher Studierendenzahlen und geringer Ressourcen zu konzipieren[4], also der Unterfinanzierung der Universitäten durch eine Reduktion der Studierenden zu begegnen.

 

Zugangsbeschränkungen bzw. Auswahlverfahren werden hier offensichtlich einmal mehr aus einer Not heraus eingesetzt, und nicht aufgrund einer qualitätssteigernden Intention. Häufig wird folglich schnell und primär pragmatisch gehandelt, ohne zu berücksichtigen, welche individuellen, bildungs- und gesellschaftspolitischen Konsequenzen dies nach sich ziehen kann.

Eignungstests als zentrale Bestandteile solcher Zugangsbeschränkungen „erleichtern“ für die EntscheidungsträgerInnen den Auswahlprozess, die Verantwortung kann auf ein scheinbar objektives und gültiges Messinstrument übertragen werden. Fraglos können sie je nach Qualität sinnvolle Aussagen treffen, der bisherige Umgang damit ist aber aus der Sicht verschiedener ExpertInnen oft sehr kritisch zu hinterfragen. Dies soll exemplarisch an zwei Aspekten aufgezeigt werden:

 

Ad Konstruktion qualitätsvoller Auswahlverfahren:

 

Das Beispiel der Auswahltests für  Medizinstudium macht einige Problemfelder deutlich: In Folge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (2005) bzgl. des Hochschulzugangs in Österreich wurde das Universitätsgesetz 2002 novelliert. Mit der Begründung, wir müssten einem drohenden ÄrztInnenmangel in Österreich entgegenwirken, wurden die Medizinischen Universitäten ermächtigt, für die deutschen „Numerus Clausus-Flüchtlinge“ Zugangsbeschränkungen[5] zu erlassen. Die Kritik am an verschiedenen Standorten eingesetzten EMS Test ist hinlänglich bekannt[6], derzeit ist ein neuer Test in Ausarbeitung. Bei einer Veranstaltung[7] der UNIKO zur Fairness von Auswahlverfahren kamen dazu kürzlich hochrangige internationale ExpertInnen zu Wort. Hier wurden die Hintergründe der Erarbeitung des neuen „EMS Tests“ präsentiert, die Erkenntnisse sind aber auch auf alle anderen Auswahlverfahren anzuwenden.

Als relevante Parameter für diese Aufnahmeverfahren wurden u.a. Gewissenhaftigkeit, Studierfähigkeit, Prokrastination, Schulnoten und Testangst genannt. Die Grenzen solcher Verfahren sind, neben einseitiger Sichtweise und dem Mangel an (u.a. sozialer) Fairness, eindeutig: „nicht alles Relevante kann getestet werden“.

Insgesamt setzt die Konstruktion eines qualitätsvollen Aufnahmeverfahrens einige Ressourcen voraus, sie muss auf die jeweiligen Studiengänge zugeschnitten sein und bedarf neben hoher Expertise umfangreiche Reflexionsprozesse über Anforderungsprofile von und für Studiengänge. V.a. Letztere finden bisher an den Universitäten kaum statt. Auch gilt, dass sämtliche Aufnahmeprozeduren transparent sein und frühzeitig bekannt gegeben werden müssen, um zumindest diese Form der Fairness einzuhalten Ebenso steht und fällt die Qualität von Aufnahmeprozeduren (und Eignungstests als Teil davon) damit, inwiefern sie Teil eines Gesamtkonzepts von Information und Klärung der Passung zu einem Studium sind. [8]

Ad fehlende Integration in ein Gesamtkonzept:

Vielfach gefordert, aber leider nach wie vor vernachlässigt, ist in diesem Kontext die Beratung von Studieninteressierten als wichtigste Grundlage für die Studienwahl. Die Beratung sollte bereits in der Oberstufe beginnen. Die Motivation für ein Studium muss reflektiert werden, Informationen über Ziele und den Ablauf eines Studiums müssen systematisch transportiert werden, so kann Studierenden viele Frustrationen sowie „verlorene“ Lebenszeit erspart werden, die sich aus der Wahl eines suboptimalen Studiums, einem Studienabbruch oder einem Studienfachwechsel ergeben.

Zu Beginn des Studiums ist überdies eine gut strukturierte Studieneingangsphase, in der noch Möglichkeiten zur Wahl stehen, notwendig. Die derzeit angewandte STEOP verdient ihren Namen häufig nicht,  Orientierung ist in dieser Zeit kaum mehr möglich, häufig wurden nur bestehende Lehrveranstaltungen umbenannt. Viele Studierende empfinden es als reine Schikane, auch wird immer wieder von „Knock out“ gesprochen. Hier ist dringende Neustrukturierung notwendig.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

Fragen zur Sicherung der Qualität der Auswahlverfahren:

 

1)    Wie wollen Sie als verantwortliche Minister gewährleisten, dass die derzeit bzw. künftig angewandten Aufnahmeverfahren den aktuellen wissenschaftlichen Standards entsprechen? Wie soll eine Überprüfung möglich sein, wenn die einzelnen Universitäten unabhängig voneinander Tests erarbeiten? Sind Sie davon überzeugt, dass Kriterien der Aufnahmeverfahren nicht vom zuständigen Ressort vorgegeben werden sollten? Wie können Sie den Hochschulplan weiter erarbeiten, wenn dieser Verantwortungsbereich nicht in Ihrer Hand ist? An welcher Stelle in Ihrem Ressort laufen die Fäden zusammen?

2)    Wäre es nicht effizienter und das Beste im Sinne aller Beteiligten, einheitliche Vorgaben hinsichtlich Qualitätsstandards und Evaluierung für Aufnahmeverfahren zu erstellen? Wenn nein, warum nicht?

3)    Wie wollen Sie als verantwortlicher Minister dafür Sorge tragen, dass die Qualität der Aufnahmeverfahren gewährleistet ist? Wann und wie wird eine Evaluierung erfolgen? Welche Konsequenzen können sich daraus ergeben?

4)    Die Entwicklung qualitativ hochwertiger Aufnahmeverfahren kostet Zeit und Geld. Welche Konzepte liegen vor, um diese Ressourcen zu gewinnen? Was sind die Vorgaben für Dauer und maximale Kosten der Entwicklung?

Fragen zum Gesamtkonzept:

5)    Halten Sie Aufnahmeverfahren allein für ausreichend, um den Hochschulzugang mit Blick auf die Eignung,  Motivation und Interessenslage von Studierwilligen sinnvoll zu steuern? Glauben Sie, dass anhand einer solchen Selektion soziale Chancengleichheit gewährleistet werden kann? Sind Sie der Überzeugung, dass die sgn. „Dropout-Rate“ nachhaltig gesenkt werden wird? Wann gedenken Sie, dies statistisch zu belegen?

6)    Wie hoch ist die „Dropout-Rate“ an den österreichischen Universitäten? Bitte um Auflistung aller Universitäten nach Fakultäten in 2-jährigen Abständen ab dem WS 2004/2005 sowie um die Anzahl der BewerberInnen bzw. der zugelassenen Studierenden pro Studienjahr.

7)    Eine Neustrukturierung der bereits jetzt gelebten Selektion namens STEOP ist dringend notwendig. Gibt es in Ihrem Ressort bereits Vorarbeiten dazu? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wann ist damit zu rechnen, dass hier Verbesserungen umgesetzt werden können?

 



[1] http://www.bmwf.gv.at/startseite/mini_menue/presse_und_news/news_details/cHash/9ffab816f0a0b660db2f8118ea0e6fdd/article/universitaetsfinanzierung-neu-plaetze-je-universitaet-in-stark-nachgefragten-studienfeldern-fixi/

[2] OTS0211 5 II 0209 RKO0001 XI, Mi, 27.Feb 2013: Schmidinger zur UG-Novelle: "Regierung hat großen Wurf verabsäumt"

[3] OTS0131 5 II 0222 NHO0001,Di, 18.Dez 2012: ÖH fordert einheitliches Evaluierungskonzept für alle Aufnahmeverfahren

[4] Spiel, C., Finsterwald, M. & Schober, B. (2009). Anerkennung non-formalen und informellen Lernens an Universitäten. In E. Westphal. & M. Friedrich (Hrsg.), Anerkennung von non-formalem und informellem Lernen an Universitäten (S. 29-83). Graz: Leykam.)

[5] Das Moratorium des Vertragsverletzungsverfahrens wurde erst kürzlich bis Ende 2016 verlängert. Die Quotenregelung gilt somit weiter.

[6] Spiel, C., Schober, B. & Litzenberger, M. (2008). Evaluation der Eignungstests für das Medizinstudium in Österreich. Abschlussbericht für das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung Österreich.

[7] http://www.uniko.ac.at/upload/Zulassungsverfahren_Einladung_11._April_2013.pdf

[8] Spiel, C., Finsterwald, M. & Schober, B. (2009). Anerkennung non-formalen und informellen Lernens an Universitäten. In E. Westphal. & M. Friedrich (Hrsg.), Anerkennung von non-formalem und informellem Lernen an Universitäten (S. 29-83). Graz: Leykam.