14873/J XXIV. GP

Eingelangt am 23.05.2013
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

gem. § 93 Abs. 1 GOG-NR

 

 

der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann,
Kollegin und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Bankgeheimnis erhalten statt EUdSSR gestalten!

 

 

 

Mit dem gestrigen Europäischen Rat bzw. der Zustimmung des Bundeskanzlers zu den entsprechenden Schlussfolgerungen wurde ein erster Schritt in Richtung Abschaffung des Bankgeheimnisses in Österreich gesetzt.

 

Dieser Beschlussfassung ging ein beispielloses Schauspiel von SPÖ und ÖVP voraus, das geprägt war und ist von öffentlich ausgetragener Streiterei, fehlender Koordinierung und letztlich unabgestimmten Positionen der Bundesregierung auf Europäischer Ebene. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die skurrilen Vorgänge in Zusammenhang mit einem am 25.04.2013 im Finanzministerium verfassten Schreiben, in welchem vier Bedingungen für Verhandlungen über das Bankgeheimnis genannt werden. Dieses Schreiben – so die offensichtliche Absicht der Finanzministerin – hätte als gemeinsames Schreiben von Fekter und Faymann nach Brüssel gehen sollen. Wie die heftigen Reaktionen des Bundeskanzlers jedoch unschwer vermuten lassen, dürfte dieser – diplomatisch ausgedrückt – nur sehr marginal in die Entstehung dieses Schreibens eingebunden gewesen sein.

„Wir werden hier eine Lachnummer!“ So verhandelt man nicht!“ so die ersten unmissverständlichen Reaktionen des Kanzlers auf diesen einzigartigen „fekterischen“ Alleingang.

Dass in dieser Bundesregierung die eine Hand nicht weiß, was die andere tut, Koordinierung ein Fremdwort ist, und insbesondere die Finanzministerin durch Verhaltensoriginalität im In- und Ausland negativ auffällt, ist nicht erst seit gestern bekannt, hat aber nunmehr einen neuen Höhepunkt erreicht.

„Ich habe keinen Brief unterschrieben. Ich werde keinen Brief unterschreiben", bekräftigte Faymann im Ö1-Morgenjournal. "So verhandelt man nicht."

Der SPÖ-Chef sagte, es scheint offenbar eine "Idee" gegeben zu haben, die aber "keine besonders gute" gewesen sei.


KEINE KOORDINIERUNG IN DER REGIERUNG:

Wie bereits ausgeführt gab es innerhalb der österreichischen Bundesregierung auch im Vorfeld dieser Entscheidungen keinerlei interne Koordinierung und Abstimmung. Im Gegenteil Bundeskanzler und Finanzministerin lieferten sich öffentlich ein Match über die diesbezüglichen Positionen!

 

DIESE „NICHTEINIGUNG“ AUF EINE EINHEITLICHE ÖSTERREICHISCHE LINIE FÜHRTE AUF EUROPÄISCHER EBENE IN DEN LETZTEN WOCHEN ZU FOLGENDER SKURRILER POSITIONIERUNG:

 

Über die Debatte in der Sitzung der Ständigen Vertreter in Brüssel am 7. Mai 2013 zum Thema „Verhandlungsmandat für Änderungen der Abkommen mit Drittländern im Bereich der Besteuerung der Zinserträge ist im Protokoll des österreichischen Vertreters folgendes wörtlich zu lesen:

 

„Österreich verschwieg sich weisungsgemäß.“

 

 

Ebenso verhielt es sich bei der Debatte über die Richtlinie zur Änderung der Besteuerung von Zinserträgen. Auch hier hieß es:

 

„Österreich verschwieg sich weisungsgemäß.“

 

 

NOCH SKURRILER WURDE ES AM 8. MAI 2013: (Nächste Sitzung der Ständigen Vertreter):

Dazu steht im Protokoll:

„Österreich verwies weisungsgemäß auf die konstruktive Debatte zu Zins-RL und Mandat im AStV am Vortag und auf die geplante Diskussion beim bevorstehenden Ecofin am 14.5., der zuversichtlich entgegengesehen werde.“

 

An dieser „konstruktiven Debatte“ beteiligte sich Österreich, wie oben dargestellt, gar nicht!

 

Die strategische Verhandlungslinie zur Rettung des österreichischen Bankgeheimnisses erfolgte somit „durch weisungsgemäßes Verschweigen!“

Angesichts dieser gewählten Vorgangsweise der österreichischen Bundesregierung ist es nicht verwunderlich, dass es der Bundeskanzler auch weiterhin nicht der Mühe wert findet, gegenüber dem Nationalrat – wie im Übrigen in der Geschäftsordnung des Nationalrates in § 74 b Abs. 3 explizit vorgesehen – eine umfassende Erklärung abzugeben, und der Linie des sich Verschweigens somit treu bleibt.

In § 74 b Abs. 3 GOG-NR heißt es wörtlich:

„EU-Erklärungen von Mitgliedern der Bundesregierung finden zweimal pro Jahr in zeitlicher Nähe zu einer Tagung des Europäischen Rates statt. Sie dienen der Information des Nationalrates über Themen des Europäischen Rates, deren Auswirkungen auf Österreich und die Positionen der österreichischen Bundesregierung dazu.“

 

Dieses scheibchenweise, leichtfertige Aufgeben von Rechten der Österreicherinnen und Österreichern, wie es im gegenständlichen Fall mit dem Bankgeheimnis geschieht, passt genau in das Bild und die Absicht der österreichischen Bundesregierung, diesen Kurs fortzusetzen, und auch in Zukunft Souveränitätsrechte und Eigenstaatlichkeit bedenkenlos an Brüssel abzugeben.


So stellten beispielsweise die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 13. und 14. Dezember 2012, der der Bundeskanzler seine Zustimmung erteilte, ein weiteres Mosaiksteinchen am Weg hin zu einer weiteren Abgabe von nationaler Souveränität in Richtung der Schaffung einer politischen Union dar.

In der Praxis geht es dabei unter anderem um nicht mehr und nicht weniger als um die Abgabe weitreichender Souveränitätsrechte und insbesondere der Budgethoheit der Mitgliedstaaten. In diesen Schlussfolgerungen wurde unter der Überschrift „Fahrplan für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion“ insbesondere der sogenannte „Blueprint“ der Europäischen Kommission seitens der Staats- und Regierungschefs zur Kenntnis genommen.

Auf Seite 15 dieses sogenannten Blueprints oder Blaupause der Kommission ist nachzulesen, was seitens der EU tatsächlich gewollt ist:

„Schließlich soll langfristig (in mehr als fünf Jahren), durch schrittweise Zusammenführung von Hoheitsrechten und damit Verantwortung sowie Solidaritätsbefugnissen auf Europäischer Ebene, die Schaffung eines autonomen Haushalts des Euro-Währungsgebiets möglich werden.

Diese progressive weitere Integration des Euro-Währungsgebiets zu einer umfassenden Banken-, Fiskal- und Wirtschaftsunion wird parallele Schritte zu einer politischen Union mit verstärkter demokratischer Legitimation und Rechenschaftspflicht erfordern.“

 

Diese Formulierungen zeigen eindrucksvoll, wohin die Reise gehen soll. Ziel ist die Aufgabe der einzelstaatlichen Souveränität in den Bereichen Haushalt, Steuerpolitik, Beschäftigungs- und Sozialpolitik!

Mit diesen Schlussfolgerungen des Europäischen Rates ist eine Weiterentwicklung dieser Pläne in Richtung einer politischen Union vorgezeichnet. 

Ein ernstzunehmender Widerstand gegen diese Pläne zur Schaffung einer politischen Union unter Aufgabe der nationalen Souveränität ist insbesondere seitens der ÖVP nicht zu erwarten. Ganz im Gegenteil!

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Verein Nova Europa – Sammlungsbewegung für eine Europäische Republik, der sich die Schaffung einer Europäischen Republik unter Aufgabe der Restsouveränität der Mitgliedstaaten zum Ziel gesetzt hat.

 

Die geplante Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion war entsprechend einem Entwurf zu den Schlussfolgerungen des gestrigen Europäischen Rates – wenn auch ohne Formulierungen dazu in den Schlussfolgerungen – Thema. Dabei sollte es insbesondere um eine Bestandsaufnahme der Arbeiten zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion gehen.

 

Im Vorfeld dazu gab es jüngst eine alarmierende Aussage von Präsident Hollande, die letztlich zu einer Abgabe der nationalen Budgethoheit und in weiterer Folge zu einer politischen Union führen wird:

Frankreich dringt auf eine enge Abstimmung in der Eurozone. Die Gruppe der Euro-Länder sollte eigene Steuern erheben können und über einen eigenen Haushalt verfügen, forderte Präsident Francois Hollande am Donnerstag in Paris. Eine gemeinsame Wirtschaftsregierung der Eurozone könnte für die Harmonisierung der Steuern und eine gemeinsame Bekämpfung von Betrug sorgen. Hollande schlug vor, eine gemeinsame Wirtschaftsregierung der Eurozone sollte einmal pro Monat tagen.

(APA546/16.Mai 2013)


Dass, wie oben angesprochen, insbesondere die ÖVP keinerlei Probleme mit derartigen Entwicklungen hat, veranschaulichen jüngst getätigte Aussagen des Staatssekretärs Lopatka nur allzu drastisch:

 

Lopatka am 6. Mai 2013:

„Politische Union steht erst am Anfang“

„Wir müssen weiterhin alles tun, damit Europa sich weiterentwickelt und zusammen bleibt! Das funktioniert nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger das Projekt maßgeblich mitgestalten können und die europäischen Regierungen sich einig sind, wie man das Projekt weiterentwickeln soll. Es darf keine Kluft zwischen der EU und den Bürgern entstehen. Hier besteht ein intensiver Informationsbedarf. Man darf gleichzeitig nicht vergessen, dass die EU als politische Union mit ihren rund 20 Jahren noch ein relativ junges Projekt ist“, hielt Lopatka fest und betonte „Wir stehen erst am Anfang der politischen Union."

„Am Ende wird sich die Frage stellen, ob wir Nationalstaaten überhaupt noch haben“, sagte Staatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) bei einer Podiumsdiskussion im Haus der Europäischen Union zum Europatag.

 

Gerade vor dem Hintergrund derartiger Entwicklungen und den Aussagen des Staatssekretärs Lopatka hätten sich die unterfertigten Abgeordneten eine Erklärung des Bundeskanzlers gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung des Nationalrates erwartet, um Aufschluss über die diesbezügliche Positionierung der österreichischen Bundesregierung in der Frage der Aufgabe von weiteren Souveränitätsrechten an Brüssel zu bekommen.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende

Dringliche Anfrage:

1.    Welche konkreten Auswirkungen hat die geplante Änderung des automatischen Datenaustausches für österreichische Bürger?

 

2.    In welchen konkreten Konstellationen müssen künftig Auskünfte erteilt werden, die nach der bisherigen Rechtslage nicht möglich sind?

 

3.    Aus welchen Gründen haben Sie zugestimmt bzw. welche (internen) Absprachen wurden mit anderen Ländervertretern getroffen und in welcher Art und Weise sind diese gegenüber Ihnen in welcher Form aufgetreten?

 

4.    Wie ist die Koordination der österreichischen Position auf politischer Ebene vor den jeweiligen Sitzungen auf Beamten-Ebene und Ratsebene in der EU zum automatischen Datenaustausch jeweils konkret abgelaufen?

 

5.    Zu welchem Zeitpunkt wird in der Bundesregierung die Positionierung Österreichs vor Sitzungen der einzelnen Räte abgestimmt und wie erfolgt dies konkret?

 

6.    Wie wird verhindert, dass die Kontodaten der Österreicher nicht unter den automatischen Datenaustausch fallen?


7.    Bisher beschränkt sich der automatische Datenaustausch auf die Zinsen aus Kapitalvermögen, die von den Banken unschwer festgestellt werden können. Können Sie ausschließen, dass nun im erweiterten Datenaustausch alle positiven Kontobewegungen ausgetauscht werden?

 

8.    Die österreichischen Steuerbehörden stützen sich bei der Verfolgung von österreichischen Steuersündern schon heute auf ausländische Datensammlungen; was verhindert, dass auf dem Umweg über das Ausland die Kontodaten von Inländern auch den inländischen Finanzbehörden zur Verfügung stehen werden?

 

9.    Aus welchen Gründen haben Sie entgegen der Haltung der Finanzministerin Fekter entschieden bzw. inwieweit haben Sie sich mit ihr abgestimmt und wie ist Ihre Haltung zur getroffenen Entscheidung?

 

10. Mit welchen Argumenten haben Sie bisher, d.h. im Laufe Ihrer bisherigen Regierungszeit, das Bankgeheiminis verteidigt?

 

11. Warum haben Sie die jetzt getroffenen Änderungen nicht schon am Anfang Ihrer Amtszeit befürwortet?

 

12. Im Gegensatz zum Nationalbankpräsidenten Claus Raidl sind Sie der Meinung, dass die Unterscheidung zwischen Steuerausländer und Steuerinländer keine Rolle spielt. Inwieweit können Sie hier und heute eine Garantie dafür abgeben, dass Sie im Gegensatz zum Nationalbankpräsidenten Raidl Recht behalten und das Bankgeheimnis für Österreicherinnen und Österreicher Bestand behalten wird?

 

13. Falls Sie diese Garantie nicht abgeben können, welche Konsequenzen – etwa den Rückzug aus dem automatischen Datenaustausch – werden Sie ziehen?

 

14. Staatssekretär Lopatka stellt die Auflösung Österreichs in den Raum, indem er die Rolle von Nationalstaaten in Frage stellt. Er befindet sich damit in einer Linie mit den ÖVP-Thinktank „Nova Europa“. Teilen Sie die Meinung des Staatsekretärs?

 

15. Steuerexperte Werner Doralt meint in einem ORF-Interview am 6. April 2013, dass die österreichische Wirtschaft aus den gebunkerten Schwarzgeld lebt. Teilen Sie die Meinung von Prof. Doralt?

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt dringlich zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.