15076/J XXIV. GP

Eingelangt am 13.06.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend systematischer Integration von „Globalem Lernen“ im Österreichischen Bildungssystem

BEGRÜNDUNG

 

„Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt“

Erich Fried

Die UN-Weltgipfel von Rio de Janeiro (1992 und 2012) und Johannesburg (2002) haben die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung als gemeinsame globale Herausforderung deutlich gemacht. Darauf aufbauend wird die derzeit verhandelte neue globale Entwicklungsagenda, die 2015 die UN-Millenniumsentwicklungsziele ablösen wird und für die ganze Welt gelten soll, nachhaltige Entwicklung ins Zentrum stellen.

Doch um nachhaltige Entwicklung im Kontext einer „Weltgesellschaft“ zu verwirklichen, ist es notwendig, globale politische, wirtschaftliche, soziale,  ökologische und kulturelle Zusammenhänge und Prozesse zu verstehen. Eine zeitgemäße Bildung braucht dementsprechend eine zeitgemäße LehrerInnenbildung, die zum Erfassen komplexer globaler Probleme und Entwicklungen befähigt und einer Haltung der Weltoffenheit, des Kosmopolitismus und dem Bewusstsein von Verantwortung für eine global gerechte Gesellschaft verpflichtet ist.

Die Vereinten Nationen haben aus diesem Grund die Jahre 2005 bis 2014 zur UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" erklärt. Von großer Bedeutung für nachhaltige Entwicklung auf europäischer Ebene ist zudem die vom Europäischen Rat 2006 angenommene erneuerte Nachhaltigkeitsstrategie der EU, die sich auch wesentlich auf die Bildung bezieht.


In Österreich wurden in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen gesetzt, um Bildung für nachhaltige  Entwicklung bzw. Globales Lernen im Bildungssystem zu verankern, einen Bewusstseinswandel der Lernenden und Lehrenden in Richtung Nachhaltigkeit zu unterstützen und relevante AkteurInnen zu vernetzen. Insbesondere wurde 2008 die „Österreichische Strategie zur Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) vom BMUKK, BMWF und BMLFUW in den österreichischen Ministerrat eingebracht und beschlossen und in der Folge eine Vielzahl von begrüßenswerten Maßnahmen im Bereich Globales Lernen von mehreren Ressorts gefördert und unterstützt. 2009 wurde – wie in der Peer Review zu Globalem Lernen des Nord-Süd-Zentrums des Europarats empfohlen – eine nationale Strategie zu Globalem Lernen veröffentlicht.

Vor dem Hintergrund dringenden Handlungsbedarfes, um künftigen Generationen eine lebenswerte Welt zu erhalten und der aktuellen Verhandlungen um eine Schulreform, die sich bis jetzt vor allem auf Strukturen und kaum auf Lerninhalte bezieht, muss jedoch auf Herausforderungen hingewiesen werden, denen sich das österreichische Bildungssystem dringend stellen sollte:

·        Bisherige Bemühungen zur Stärkung von Globalem Lernen in der Ausbildung zukünftiger LehrerInnen haben wenig Erfolge gezeigt, es ist bei einzelnen, punktuellen Maßnahmen geblieben (z. B. Angebot als Freifach). Erfahrungen zeigen, dass pädagogische Konzepte, die in der Ausbildung nicht vorkommen, auch später kaum  wahrgenommen werden. Wenn daher so wichtige Ansätze wie Globales Lernen, Bildung für nachhaltige Entwicklung oder interkulturelle Bildung in der Ausbildung nicht verpflichtend gelehrt werden, werden sie auch später kaum Chancen auf breite Umsetzung haben. Ziel müsste sein, Globales Lernen in allen Bildungsplänen und in der Ausbildung aller Pädagoginnen und Pädagogen systematisch zu verankern.

 

·        Derzeit wird das Fortbildungsangebot für LehrerInnen sehr verengt auf die Reformagenden, wie Neue Mittelschule, Bildungsstandards, neue Reifeprüfung. Angebote, die sich mit wichtigen Zukunftsfragen unserer Gesellschaft bzw. wichtigen Zukunftsfragen globaler Entwicklung auseinandersetzen, werden jedoch von den Pädagogischen Hochschulen kaum berücksichtigt. Die wenigen Fortbildungsangebote, die es zu Globalem Lernen derzeit gibt, sind einerseits zeitlich kurze und damit reduzierte Angebote, die kaum nachhaltige Effekte erzielen werden. Andererseits erhalten LehrerInnen vielfach keine Bewilligung zur Teilnahme, weil die meisten DirektorInnen und andere Verantwortliche nur Fortbildung zu den Reformvorhaben bewilligen.

·        Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur  unterstützt den ersten Universitäts-Masterlehrgang „Global Citizenship Education“, durchgeführt von der Universität Klagenfurt, dessen vorrangige Zielgruppe LehrerInnen und Lehrende in der LehrerInnen-Ausbildung sind. Doch der Lehrgang wird vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur  nur zu einem Teil finanziert, die Teilnahme von LehrerInnen wird z. T. durch die Schulbehörden behindert.

·        Trotz der begrüßenswerten Initiativen des Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur  und anderer Ressorts sowie des Engagements des Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur auf Europäischer Ebene im Global Education Network Europe werden Aktivitäten zu Globalem Lernen in Österreich finanziell weit unter dem erforderlichen Ausmaß unterstützt.

·        Es stehen  viel zu wenig Mittel für Bildungsforschung zur Verfügung, damit auch zu wenig Mittel für Studien zu politischer Bildung und zur Entwicklung sowie empirischen Untersuchung von Schlüsselkompetenzen, die unsere Gesellschaft für die Herausforderungen komplexer globaler Problemlagen braucht.

 

·        Die Lehrpläne bieten zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten zur Bearbeitung globaler Themen und zum Erwerb wichtiger Schlüsselkompetenzen für zukünftige verantwortungsbewusste „WeltbürgerInnen“. Dennoch findet Globales Lernen lediglich im Lehrplan für Geschichte und politische Bildung Erwähnung. Daher nehmen LehrerInnen Globales Lernen nicht als wichtiges, in den Lehrplänen verankertes Querschnittsthema wahr.

Das Bildungskonzept Globales Lernen wird u. a. von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit, in globaler Umweltbildung, der Friedenspädagogik und Menschenrechtserziehung oder in der Interkulturellen Bildung engagiert sind, forciert und in Zusammenarbeit mit WissenschafterInnen konzeptiv mitgestaltet. Dennoch ist die Finanzierung zivilgesellschaftlicher Initiativen nicht ausreichend gewährleistet.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie wird gewährleistet, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung bzw. Globales Lernen in der inhaltlichen Ausrichtung der neuen LehrerInnenbildung substanziell Berücksichtigung findet?

 

2)    Welche Pläne bestehen seitens des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, um die Institutionen der LehrerInnenbildung, die Pädagogischen Hochschulen und Universitäten künftig dazu zu verpflichten? Und wie kann zudem gewährleistet werden, dass an den Pädagogischen Hochschulen Knowhow für die Ausbildung zu Globalem Lernen aufgebaut und weiterentwickelt wird?


3)    Ist geplant, dass das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur das einzigartige Fortbildungsangebot des  neuen Masterlehrgangs „Global Citizenship Education“ ausbaut und in Zukunft finanziell wie strukturell als zentrale Kombination von Politischer Bildung, Globalem Lernen, Friedenspädagogik und Interkultureller Bildung absichert?

 

4)    Wie viele Mittel werden seitens des Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, aber auch anderer Ressorts im Bereich Globales Lernen/ Bildung für nachhaltige Entwicklung für welche Maßnahmen ausgegeben und inwieweit ist eine kohärente, öffentlich transparente Mittelvergabe im Sinn der bestehenden österreichischen Strategie gewährleistet?

 

5)    Ist an eine Erhöhung der Mittel gedacht? Wenn ja, in welcher Höhe?

 

6)    Welche Initiativen setzt das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, um Globales Lernen in den Lehrplänen aller Unterrichtsfächer aller Schultypen als Querschnittsthema zu integrieren?

 

7)    Wie kann gewährleistet werden, dass die langjährige Expertise, das Knowhow und die zahlreichen qualifizierten Angebote zivilgesellschaftlicher Organisationen zu Globalem Lernen (Fortbildungsangebote, Angebote für Schulen, Unterrichtsmaterialien, Beratungsangebote, Mediatheken) weiter gestärkt werden und der Bildungspraxis zur Verfügung stehen?