15558/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.07.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Beschaffung von Sprachaufzeichnungs-Systemen durch die ÖBB

 

Im Jahr 2009 erfolgte durch die damalige ÖBB-Dienstleistungs GmbH (Einkauf) und die damalige ÖBB Infrastruktur Bau AG (T-KOM Services CoC Telefonie) eine öffentliche Ausschreibung für eine Rahmenvertrag über fünf Jahre für „Lieferung von Sprachspeichersystemen für analoge, digitale und VOIP Schnittstellen mit Zentralsoftwarekomponenten“.

Sprachspeichersysteme werden bei den ÖBB unter anderem zur Aufzeichnung von Funkverkehr verwendet, um zB bei Zwischenfällen die Verantwortung auf Basis dieser Dokumentation zu klären.

 

Die Ausschreibung/Aufruf zum Wettbewerb (DLG-321-2009-002) wurde im EG-Amtsblatt Nr. 2009/S 70-102074 vom 10.4.2009 veröffentlicht. Die Auftragsvergabe erfolgte am 20.12.2009 an eine in Wien 23 ansässige Firma V. und wurde am 31.3.2010 öffentlich bekannt gemacht.

Diese Firma steht im Eigentum einer liechtensteinischen Kapitalgesellschaft und ist schon aus dieser Warte in Zeiten wie diesen ein recht origineller Geschäftspartner für ein rechnungshofkontrolliertes Staatsunternehmen wie die ÖBB.

 

Davon abgesehen war diese Ausschreibung von 2009 – so wie die gesamte Vergabe – in mehrerlei Hinsicht auffällig:

·         Es handelte sich um ein besseres „Pflichtenheft“ auf Basis vorangegangener Erfahrungen und um keine Ausschreibung im engeren Sinn.

·         Es erfolgte eine Ausschreibung für nur 1 Stück (!) Sprachspeicher. Die „voraussichtliche Gesamtvergabemenge“ von ca. 200 Stück und als Rahmenvertrag über 5 Jahre stellte hingegen eine bloße Absichtserklärung dar und blieb zB ausdrücklich ohne jede Mindestabnahmeverpflichtung. Dokumentation und Unterlagen waren hingegen bereits zur ersten Anlage vollumfänglich mit auszufolgen und deren Nichtausfolgen hoch pönalisiert, eine komplett unübliche Vorgehensweise.

 


·         Im Auftrag ist durch die konkrete Gestaltung extrem viel Entwicklungsarbeit enthalten, die kaum seriös geleistet werden kann außer wenn von vornherein klar ist, dass die Beauftragung im vollen unscharf in Aussicht gestellten Umfang erfolgt. Dies schreckt konkurrierende Anbieter ab.

·         Die Ausschreibung ist zugleich auch geradezu gespickt mit Pönalen – zB einer kompletten „Vertragsstrafen-Tabelle“ und einer völlig unüblichen Pönalisierung von 1 Stück. Auch derlei schreckt konkurrierende Anbieter wirksam ab.

·         Es wurden die Grundkosten für 15 Jahre, also 15 Jahre Wartung und Hardware für 15 Jahre im Voraus in den Auftrag hineingerechnet und dem Auftragnehmer bezahlt anstatt Jahres-Wartungsverträge gesondert abzuschließen - eine im privatwirtschaftlichen Bereich völlig unübliche bis undenkbare Vorgangsweise, die für den Auftraggeber zugleich teuer und im Fall zB eines Ausfalls des Lieferanten riskant ist, für den Auftragnehmer hingegen bequem, wurde der Gesamt-Auftragswert von mehreren Millionen Euro dadurch doch mehr als verdoppelt.

·         Die EU-Konformität der Ausschreibung ist zweifelhaft: Formal wurde EU-Vergaberechts-Vorgaben durch die Veröffentlichung der Ausschreibung im EU-Amtsblatt zwar möglicherweise erfüllt, inhaltlich ist das angesichts der konkreten Ausschreibungs-Gestaltung höchst zweifelhaft.

 

Es steht die Vermutung im Raum, dass es sich um ein abgekartetes Spiel zwecks verlässlicher Auftragsvergabe an die letztlich erfolgreiche Firma handelte, zu der zwei offiziell Mitbietende Scheinangebote zwecks Wahrung der Optik beigesteuert haben dürften.

 

Diese Vermutung wird dadurch gestützt, dass die erfolgreiche Firma finanziell bessere Zeiten gesehen hat, an zahlungsfähigen Auftraggebern nahezu nur mehr die ÖBB aufzuweisen hat und es daher (und aufgrund diverser sonstiger Turbulenzen) wohl schwer hätte, die nötigen Referenzen für das An-Land-ziehen neuer potenter Auftraggeber vorzuweisen. Ein Auftrag dieser Art und dieser Ausgestaltung kommt also einer gezielten „Überlebenshilfe“ gleich. Dass seitens der ÖBB vor dem Zuschlag offenbar bei keiner der vom siegreichen Anbieter angeführten Referenzen konkret nachgefragt wurde, passt insofern bestens in Bild.

Die Überlebenshilfe-Konstellation erinnert ganz offenkundig an andere „schräge“ ÖBB-Auftragsvergaben wie etwa bei der Causa „ÖBB-Dienstbekleidung“, die bereits Gegenstand mehrerer Parlamentarischer Anfragen war, mit einem Schaden von über einer Million Euro für die ÖBB endete und deren Nachwehen (Pleiten, …) seit Jahren Gerichte und JuristInnen beschäftigten.

 

Wie jedoch weiterhin (und nicht nur als Einzelfall) derartige Vergaben der ÖBB erfolgen können, ohne dass die zahlreichen Aufsichtsgremien darauf aufmerksam werden, ist schwer nachvollziehbar. Der Eindruck von Freunderlwirtschaft, finanzieller Großzügigkeit und „Nicht-so-genau-Hinschauen“, den andere ÖBB-Vergaben und Beschaffungsvorgänge der letzten Jahre von diversen Telekom- und Sicherungstechnik-Beschaffungen bis zur erwähnten Causa Dienstbekleidung/Jagerhofer und bis zur Gestaltung der neuen Eisenbahnkreuzungs-Verordnung zugunsten ausgewählter Lieferanten hinterlassen, setzt sich fort.

Es handelt sich somit um ein Muster. Dieses Muster zu durchbrechen und derartige Vorgänge zu stoppen würde gerade in einem derartig technisch anspruchsvollen Bereich massive Nachteile für seriöse Anbieter beseitigen und Innovation fördern. (Demgegenüber datiert zB die letzte Innovation im Imagefolder des zum Zuge gekommenen Anbieters aus 2007!) Innovation auch durch ein Auge auf entsprechend korrekte Beschaffungsvorgänge zu fördern sollte im besonderen Interesse eines Ressorts stehen, das unter anderem Innovation und Technologie im Namen führt und in seiner Öffentlichkeitsarbeit sehr hoch gewichtet.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Werden Sie über Ihre VertreterInnen in ÖBB-Aufsichtsfunktionen darauf hinwirken, dass die fragwürdig zustande gekommene, mit fragwürdigen Großzügigkeiten gegenüber dem Auftragnehmer gespickte und auch in der nunmehrigen Umsetzung nach Beauftragung fragwürdig ablaufende Beschaffung von Sprachspeichersystemen bei den ÖBB a) durchleuchtet, b) weitere Abrufe aus diesem Rahmenvertrag für diesen Prüfungszeitraum auf Eis gelegt und c) gegebenenfalls gerichtliche Aufklärungsschritte veranlasst werden? Wenn nein warum nicht?

2)    Wie war es möglich, diese offenkundig weit teurer als nötig erfolgte Beauftragung als „wirtschaftlich günstigstes Angebot“ zu charakterisieren?

3)    Wie erklären Sie insbesondere die zahlreichen unüblichen, für andere als den offenbar bevorzugten und zum Zug gekommenen Lieferanten offenkundig prohibitiven Ausschreibungsinhalte, wie exzessive Pönalisierungen etc.? Welche Stellungnahmen Ihrer VertreterInnen in ÖBB-Aufsichtsfunktionen sind diesbezüglich erfolgt?

4)    Wie erklären Sie, dass die ÖBB die Wartung der zu beschaffenden Geräte auf 15 Jahre im Voraus bezahlten, eine im privatwirtschaftlichen Bereich völlig undenkbar großzügige und teure, für den Auftragnehmer aber ausnehmend bequeme Vorgehensweise?

5)    Trifft es zu, dass die Wartung trotz – oder wegen? – dieser Großzügigkeit in der Praxis nicht bzw. nicht zufriedenstellend funktioniert?

6)    Wie erklären Sie insbesondere, dass mit einem Unternehmen für die ÖBB bindende Geschäftsverbindungen über derart lange Zeiträume eingegangen werden, obwohl im Rahmen der vorherigen Zusammenarbeit bereits große Zweifel an der Leistungsfähigkeit und wirtschaftlichen Stabilität des Gegenübers entstanden sein müssen?

7)    Ist es zutreffend, dass im gegenständlichen Vertrag mit der Firma Voxtronic auf Basis der Ausschreibung vorgesehene Pönalisierungen mittlerweile bereits schlagend wurden, aber nicht in der eigentlich vereinbarten Form geleistet werden mussten (oder konnten), sondern auf andere Weise für den Lieferanten „günstig erledigt“ wurden?

8)    Wenn ja – welche Ersatz-Leistungen sind konkret erfolgt?

9)    Teilen Sie die Einschätzung, dass sich die ÖBB mit Auftragsvergaben dieser Art in gewaltige einseitige Abhängigkeiten von teilweise nur bedingt leistungsfähigen Lieferanten begibt, die sachlich nicht gerechtfertigt werden können und daher aus anderen Motiven erfolgen dürften?

10) Wie rechtfertigen Sie als auch für Innovation und Technologie zuständiges Regierungsmitglied die Benachteiligung innovativer Technologieunternehmen durch derartige Vergabepraktiken der ÖBB, eines Konzerns bei dem Sie Eigentümervertreterin der Republik Österreich sind?