15806/J XXIV. GP
Eingelangt am 05.08.2013
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „Broschüre des Bundesministeriums für Justiz ´Alles was Recht ist´“
Rechtsexperten weisen nach, dass die Broschüre des BMJ „Alles was Recht ist“ haarsträubende Fehler und Falschinformationen enthält, die Menschen davor abhalten können bestehende Rechte durchzusetzen. Es sind auch Falschinformationen enthalten, die Menschen in Prozesse hetzen könnten, die sie sicher verlieren würden.
Diese Fehler sind vor dem Hintergrund, dass die Broschüre laut Untertitel „Wegweiser und Hilfen, wie man zu seinem Recht kommt“ bietet, besonders zu kritisieren.
Einige Beispiele zum Kapitel „Wohnen und Nachbarschaft“ (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
Seite 47
„Mietzinsbildung
Für Wohnungen in Altbauten (Baubewilligung bis zum 30. Juni 1953) und in Eigentumswohnungen, wenn die Baubewilligung bis zum 8. Mai 1945 erteilt wurde, sind die Mietzinse durch das MRG beschränkt. Es gilt der sogenannte Kategoriemietzins, der in Wien momentan bei 3,25 Euro netto per Quadratmeter liegt. In den meisten Bundesländern ist er höher. Für Wohnungen in Gebäuden, für die die Baubewilligung zwischen 9. Mai 1945 und 30. Juni 1953 erteilt wurde, gilt eine „Angemessenheitsprüfung“. Bei Neuvermietungen nach dem 1. 3. 1994 gilt im Regelfall das „Richtwertsystem“.
Expertenkommentar:
Hier sind gleich mehrere Unrichtigkeiten und Missverständlichkeiten:
a) Es ist schlichtweg falsch, dass die Mietzinse durch das MRG nur für Wohnungen in Altbauten (Baubewilligung bis zum 30. Juni 1953) und in Eigentumswohnungen, wenn die Baubewilligung bis zum 8. Mai 1945 erteilt wurde, beschränkt sind.
Auch in geförderten Neubauten (zB bei 1980 errichteten geförderten Häusern) sieht das MRG Mietzinsbegrenzungsvorschriften vor!
b) „Es gilt der sogenannte Kategoriemietzins, der in Wien momentan bei 3,25 Euro netto per Quadratmeter liegt. In den meisten Bundesländern ist er höher.“
Diese Info ist insofern missverständlich / falsch, weil der Kategoriemietzins schon seit fast 20 Jahren für den Neuabschluss von Mietverträgen nicht gilt (außer der Kategorie D Mietzins für SubstandardWohnungen, der beträgt aber nur 0,81 bzw 1,62 €/m²).
Der Kategorie-A-Betrag – praktisch relevant eigentlich nur für Mietverträge über Kategorie-A-Altbauwohnungen, die zwischen 1.1.1981 und 31.12.1985 geschlossen wurden – beträgt ÖSTERREICHWEIT 3,25 €/m² und ist in den meisten anderen Bundesländern gerade nicht höher als in Wien; so ein Blödsinn!
c) Bei Neuvermietungen nach dem 1. 3. 1994 gilt im Regelfall das „Richtwertsystem“.
Im Zusammenhang des ganzen Absatzes ist das falsch/zumindest missverständlich, weil für Wohnungen in Gebäuden, für die die Baubewilligung nach dem 9. Mai 1945 erteilt wurde, gilt weiterhin die „Angemessenheitsprüfung“.
Seite 48/49:
„Strittig und immer wieder Grund für rechtliche Auseinandersetzungen ist ein Zuschlag für die Lage der Wohnung (Güte des Wohnviertels, U-Bahn-Nähe usw.). Die Zuschläge müssen im Mietvertrag nicht einzeln ausgewiesen werden, der Vermieter muss sie aber im Falle eines Konflikts nachweisen und in ihrer Höhe begründen können.“
Expertenkommentar:
Falsch! Der Vermieter muss einen Zuschlag, den Lagezuschlag, sehr wohl schon im Mietvertrag und nicht erst im Falle eines Konflikts begründen, ansonsten der Zuschlag verloren geht.
Seite 50
„Ablösen
Ablösen an den Vormieter oder Vermieter durch den Mieter sind nach § 27 MRG verboten sowie strafbar und können innerhalb von zehn Jahren zurückverlangt werden. Für verbotene Ablösen können Geldstrafen bis zu 22.500 Euro verhängt werden. Als Ablöse definiert das Gesetz Leistungen dafür, „dass der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgibt“.
Eine Ausnahme bilden nur tatsächliche Übersiedlungskosten oder Aufwendungen, die der Vermieter dem früheren Mieter zu erstatten hat.“
Expertenkommentar: Eine weitere ganz ganz wichtige Ausnahme wurde vergessen!!!: Es ist keine verbotene Ablöse, wenn sich der Vormieter vom Nachmieter die übergebenen Möbel und Investitionen ablösen lässt; solange nicht mehr als der Zeitwert verlangt wird.
Seite 51
„Abschlag vom Mietzins
Der Vermieter muss im Falle einer Befristung dem Mieter einen 25-Prozent-Abschlag vom Richtwert gewähren.“
Expertenkommentar:
a) falsch: der 25 % Abschlag ist nicht vom Richtwert (in Wien zB 5,16 €/m²) zu rechnen, sondern vom Richtwertmietzins!! Das heißt zuerst alle Zuschläge und Abschläge rechnen, vom Gesamtergebnis (zB 7,50 €/m²) dann erst Abschlag rechnen; der ist dann betragsmäßig höher, wie in der Broschüre angegeben!
b) ganz wichtig und vergessen: Der Befristungsabschlag ist auch beim angemessenen Hauptmietzins zu rechnen!!
Seite 54
„Heiztherme – ein ungeklärter Fall
Noch nicht definitiv geklärt ist die Frage, wer die Kosten der Erhaltung oder Erneuerung etwa von Wärmebereitungsgeräten in den einzelnen Mietobjekten zu tragen hat. Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre dazu ist divergent. Außerhalb des Vollanwendungsbereichs des Mietrechtsgesetzes bestimmt § 1096 ABGB ganz allgemein die Erhaltungspflicht des Vermieters und damit auch dessen Pflicht, die Kosten dafür zu tragen. Allerdings ist diese Bestimmung dispositiv – sie kann also durch vertragliche Vereinbarungen abbedungen werden, was in den meisten Mietverträgen auch geschieht.“
Expertenkommentar:
Der unterstrichene Teil ist in der Regel schlichtweg falsch!
Seit mehr als 8 Jahren ist es ständige Rechtsprechung, dass man diese Bestimmung in einem Formularmietvertrag gerade NICHT abbedingen kann bzw. eine solche Klausel ungültig ist.
Fast 100% aller Mietverträge haben ja vorformulierte Vertragsklauseln
Seite 58
„Wie viel Lärm muss man ertragen?
Ein Grundeigentümer kann nach § 364 Abs. 2 ABGB dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Immissionen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Unter diesen Voraussetzungen bezieht sich der Abwehranspruch des Grundeigentümers also auch auf Lärmeinwirkungen. Es sind immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend. So hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass Klavierspielen in einer Wohnung grundsätzlich als ortsüblich zu dulden ist. Dies gilt ebenso für das tägliche Klavierspiel einer Studentin eines Konservatoriums zwischen 15 Uhr und 19 Uhr.“
Expertenkommentar:
Eine Falschinformation. In einer neueren Entscheidung (7 Ob 286/03i) hat sich
der OGH gerade dagegen ausgesprochen, dass man als Nachbar eine
Beeinträchtigung durch Klavierspielen über 4 Stunden dulden
müsse.
lediglich ein bis zwei Stunden seien wohl noch als ortsüblich anzusehen. … demnach muss die Ortsüblichkeit von 4 Stunden Klavierspiel verneint werden.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage:
1.
Warum
wurde eine externe Person – gegen Entgelt – mit der Textierung einer
solchen Fachbroschüre beauftragt, wenn doch die fachkundigen Juristen und
Experten im eigenen Haus sitzen?
2.
Über
welche einschlägigen Qualifikationen verfügte der Verfasser dieser
Broschüre?
3.
Wie
hoch war das Honorar, das ihm bezahlt wurde?
Wie hoch waren die Druckkosten?
4.
Was
werden Sie nun aufgrund dieser offensichtlichen Fehler und Falschinformationen ind
dieser Broschüre unternehmen?
5. Werden Sie die Öffentlichkeit informieren, um weiteren Schaden für Rechtssuchende zu verhindern?
6.
Werden
Sie diese Broschüre aufgrund dieser Fehler aus dem Verkehr ziehen?
Wenn nein, warum nicht?
7. Werden
Sie diese Broschüre aufgrund dieser beispielhaft aufgezählten Fehlern
von Experten ihres eigenen Hauses überarbeiten lassen?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, ist dann eine Neuauflage geplant?
8.
Wurde
diese Broschüre „Alles was Recht ist“ vor Druckbeginn von
Experten, MitarbeiterInnen ihres Kabinetts oder von Ihnen persönlich auf
inhaltliche Richtigkeit kontrolliert?
Wenn ja, durch wen?
Wenn nein, warum nicht?