15881/J XXIV. GP

Eingelangt am 30.08.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Alev Korun, Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Sexismus, Rassismus, Diskriminierung und weitere auch sicherheitsrelevante Missstände bei den ÖBB - Mobbing bis zur fristlosen Entlassung gegen interne Kritiker?

Aktuelle Fälle deuten leider auf Missstände beim Staatsunternehmen ÖBB hin: Mehrere ÖBB-Mitarbeiter (Personenverkehr/Zugbegleiter) mit Migrationshintergrund, die nach eigenen Angaben unternehmensintern gegen Sexismus, Diskriminierung, Rassismus und andere, auch sicherheitsrelevante Missstände in ihrem Arbeitsumfeld auftraten, wurden massiv gemobbt, nach Herantragen der Mängel an höhere Vorgesetzte gekündigt und bei rechtlichem Widerstand gegen diese Kündigung gar fristlos entlassen. Die „Vergehen“, die diese Bediensteten mit türkischen oder mazedonischen Wurzeln sich nach vorliegenden Aussagen, Unterlagen und Dokumentationen erlaubten:

·         Sie hätten offen rassistische, fremdenfeindliche und nazistische Schmierereien und Umgangsformen in ÖBB-Diensträumlichkeiten dokumentiert und sich bei unmittelbaren und höheren Vorgesetzten gegen diese Zustände gewehrt;

·         sie hätten sexistisches Verhalten und entsprechende Gestaltung von Aufenthaltsräumen dokumentiert und auf Änderungen gedrängt;

·         sie hätten vorschrifts- und gesetzwidrigen, von Personalvertretern und Vorgesetzten anscheinend tolerierten Alkoholkonsum mit entsprechend gutgefüllten Kühlschränken etc in Diensträumlichkeiten intern kritisch angesprochen und sich auch von nachdrücklichen Hinweisen Vorgesetzter, ob man denn nun verstanden habe, dass hier kein Kühlschrank stehe, nicht von der Kritik abhalten lassen;

·         sie hätten sicherheitsrelevante und andere Missstände in den Zugsgarnituren vorschriftsgemäß mit schriftlichen Meldungen dokumentiert und sich auch durch entsprechende Aufforderungen von Vorgesetzten nicht davon abhalten lassen.

Hierbei scheint die Rolle höherer ÖBB-Kreise und leider auch der Personalvertretung aufklärungswürdig. Auf direkter Vorgesetzten-Ebene sollen etwa erfolgt sein:

·         Aufforderungen, doch wegzuschauen und das einfach zu ignorieren,

·         Aussagen, dass „Tschusch“ oder „Scheiß-Türke“ als Anrede doch nur Spaß sei,

·         Leugnen von Tatsachen (etwa der Alkohol-Kühlschränke in Diensträumen zB beim Wiener Haupt- und Westbahnhof, intern als „Gumpi-Bar“ u.dgl. weitum bekannt),


 

·         und Ignorieren von Hinweisen auf weitere Missstände, vom Konsum im Zug „auf Business Class“ (also auf Unternehmenskosten) über „Kleinhandel“ samt Bereicherung mit Entschuldigungs-Gutscheinen und Trinken im Dienst in nahen Gasthäusern bis zu für private Zwecke geänderten Schlössern in Diensträumen.

Die Mitarbeiter sollen darüber hinaus wiederholt aktiv gedrängt worden sein, den Dingen nicht weiter nachzugehen und ja nicht Personenverkehrs-Vorstände oder ÖBB-Chef Kern anzurufen. Als seitens der unmittelbar Vorgesetzten und Zuständigen keine Abhilfe erfolgte und daher die Weiterleitung der Missstände an den ÖBB-(PV-)Vorstand angekündigt wurde, hätte der Vorgesetzte des Dienstsitzes (in Anwesenheit des Teamkoordinators) dem Hauptbetroffenen zufolge gemeint, dann könne der nicht so schnell schauen, wie er gekündigt werde - was dann ja auch eintraf. Beklagt wird auch, dass sich auch die Personalvertretung offenbar nicht für die gemobbten Kollegen einsetzen wollte, dass engagierte und disziplinär „unbescholtene“ Kollegen mit ausländischen Wurzeln aufgrund ihrer Kritik somit ohne Rückhalt aus dem Unternehmen entfernt werden, und dass Nichtmelden von Missständen mit „Aufstiegen“ in bessere Dienstpläne belohnt würde. Dies rundet ein leider unerfreuliches Sittenbild ab.

Dass es im Arbeitsumfeld der ZugbegleiterInnen Missstände geben muss, ist auch über die aktuellen Anlassfälle hinaus offenkundig: So hat in den letzten Jahren bereits eine dreistellige Zahl qualifizierter und disziplinär untadeliger ZugbegleiterInnen trotz der bei Arbeitszeit und Bezahlung durchaus attraktiven Bedingungen das Weite gesucht.

In seiner Verzweiflung hatte sich ein Hauptbetroffener, Herr Yüksel Y., auch an die zuständige Bundesministerin gewandt. Die bisher öffentlich bekannt gewordene Stellungnahme des BMVIT scheint jedoch leider realitätsfern:

Wenn die ÖBB darin als „sehr fortschrittliches Unternehmen“ bezeichnet werden, mag dies für bestimmte Bereiche und Aktionsfelder zutreffen, ist aber im konkreten Zusammenhang der Kritik von Bediensteten an sexistischen, rassistischen, nazistischen und (Alkohol) unmittelbar sicherheitsrelevanten Missständen in ihrem Arbeitsumfeld schwer nachvollziehbar. Von Rassismus und einschlägigem Mobbing Betroffenen wie Yüksel Y. wird von der BMVIT-Spitze ausgerichtet, allgemeine Rassismus-Bekämpfung und die Bestellung entsprechender Beauftragter sei wörtlich „viel wichtiger“ − wohl als sein konkreter Fall. Auch wird von der BMVIT-Spitze ausgeführt: „Die ÖBB ... haben neben einer Diversity- Beauftragten auch einen Compliance Officer. Diese beiden Stellen sorgen nicht nur für die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften, sondern auch für die Einhaltung der weit strengeren unternehmensinternen Regelungen. Das sind nicht zuletzt zwingende strategische Vorgaben an das Unternehmen, welche eine klare politische Handschrift unserer Frau Bundesministerin zeigen.“

Die konkreten Vorkommnisse legen demgegenüber nahe, dass entgegen dieser Darstellung Regelungen bis hin zu gesetzlichen Vorschriften (Alkohol!) womöglich systematisch und mit Deckung von Vorgesetzten nicht eingehalten wurden, von sonstigen Missständen in Sachen Sexismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Sicherheit ganz zu schweigen.

Somit scheint in Sachen „klare politische Handschrift“ wohl weiterer Handlungsbedarf zu bestehen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

1)    Welche „zwingenden strategischen Vorgaben an das Unternehmen“ ÖBB haben Sie selbst bzw. Ihre VertreterInnen im Aufsichtsrat wann im Einzelnen zum Thema Rassismus, rassistische Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit im ÖBB-Arbeitsalltag konkret erteilt?

2)    Welche konkreten Maßnahmen sind daraufhin erfolgt?

3)    Welche Konsequenzen haben Bedienstete mit Personalverantwortung (Teamleiter, ...)
a) bei aktivem Rassismus oder b) bei Nichteinschreiten gegen Rassismus, rassistische Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit in ihrem Arbeitsbereich zu gewärtigen?

4)    Wie viele entsprechende Fälle wurden in den letzten Jahren jeweils aufgezeigt?

5)    Wie oft wurden entsprechende Konsequenzen gegenüber den aktiv oder passiv Verantwortlichen gezogen?

6)    Welche „zwingenden strategischen Vorgaben an das Unternehmen“ ÖBB haben Sie selbst bzw. Ihre VertreterInnen im Aufsichtsrat wann im Einzelnen zum Thema (Neo)Nazismus und Antisemitismus im ÖBB-Arbeitsalltag konkret erteilt?

7)    Welche konkreten Maßnahmen sind daraufhin erfolgt?

8)    Welche Konsequenzen haben Bedienstete mit Personalverantwortung (Teamleiter, ...) a) bei aktivem (Neo)Nazismus und Antisemitismus oder b) bei Nichteinschreiten gegen (Neo)Nazismus und Antisemitismus in ihrem Arbeitsbereich zu gewärtigen?

9)    Wie viele entsprechende Fälle wurden in den letzten Jahren jeweils aufgezeigt?

10) Wie oft wurden entsprechende Konsequenzen gegenüber den aktiv oder passiv Verantwortlichen gezogen?

11) Wurde angesichts der durch Fotos dokumentierten (neo)nazistischen Zeichen (z.B. Hakenkreuze) Anzeige wegen Wiederbetätigung erstattet? Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?

12) Welche „zwingenden strategischen Vorgaben an das Unternehmen“ ÖBB haben Sie selbst bzw. Ihre VertreterInnen im Aufsichtsrat wann im Einzelnen zum Thema Sexismus (zB frauenfeindlicher oder homophober Ausprägung) im ÖBB-Arbeitsalltag konkret erteilt?

13) Welche konkreten Maßnahmen sind daraufhin erfolgt?

14) Welche Konsequenzen haben Bedienstete mit Personalverantwortung (Teamleiter, ...) a) bei aktivem Sexismus (zB frauenfeindlicher oder homophober Ausprägung) oder b) bei Nichteinschreiten gegen Sexismus (zB frauenfeindlicher oder homophober Ausprägung) in ihrem Arbeitsbereich zu gewärtigen?

15) Wie viele entsprechende Fälle wurden in den letzten Jahren jeweils aufgezeigt?

16) Wie oft wurden entsprechende Konsequenzen gegenüber den aktiv oder passiv Verantwortlichen gezogen?

17) Wie erklären Sie, dass trotz Ihrer „zwingenden strategischen Vorgaben an das Unternehmen“ bei den ÖBB Mitarbeiter mit zB türkischen oder mazedonischen Wurzeln a) sich jahrelang folgenlos gegen entsprechende Missstände fremdenfeindlicher, (neo)nazistischer oder sexistischer Art zur Wehr setzen müssen, b) in offensichtlichem zeitlichem und inhaltlichem Zusammenhang gemobbt und bei Herantragen der Fakten an höhere Vorgesetzte gekündigt, c) bei rechtlichem Widerstand gegen diese Kündigung fristlos entlassen werden?


18) Auf Basis welcher konkreter Informationen und welcher „Einholung mehrerer Sichtweisen“ gelangen Sie zur öffentlichen Einschätzung, dass im Fall Yüksel Y. „kein einheitliches Bild festzumachen“ sei?

19) Von welchen Stellen konkret stammen diese von Ihnen erwähnten „mehreren Sichtweisen“ zum Fall Yüksel Y.?

20) Wie gelangen Sie angesichts der von Herr Yüksel Y. aufgezeigten und bestens dokumentierten rassistischen und ausländerfeindlichen Vorkommnisse und Missstände zu Ihrer Aussage, dass die ÖBB im Zusammenhang mit Rassismus ein sehr fortschrittliches Unternehmen seien? Halten Sie die zur Untermauerung angeführte Bestellung einer Diversity-Beauftragten und eines Compliance Officers wirklich für einen Ersatz für konkrete Konsequenzen für aktiven Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie für die offenkundig verbreitete passive Duldung bzw Deckung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit durch Vorgesetzte bei den ÖBB?

21) Welche Summe wurde im ÖBB-Konzern seit 2007 für verlorene Arbeits- und Sozialgerichts-Verfahren − zB infolge rechtswidriger Kündigungen, Entlassungen etc. - aufgewendet?

22) Halten Sie diese Ausgaben für zweckdienlich im Sinne eines sparsamen Umgangs mit Geldern, die letztlich von den ÖBB-Kunden und von der Öffentlichen Hand aufgebracht werden müssen?

23) Welche „zwingenden strategischen Vorgaben an das Unternehmen“ ÖBB haben Sie selbst bzw. Ihre VertreterInnen im Aufsichtsrat wann im Einzelnen zum Thema Alkoholmissbrauch im ÖBB-Arbeitsalltag konkret erteilt - sowohl a) zur im Sinne der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs höchst relevanten Durchsetzung der entsprechenden gesetzlichen und unternehmensinternen Regelungen, als auch b) darüber hinaus?

24) Welche konkreten Maßnahmen gegen Alkoholmissbrauch im Unternehmen ÖBB sind daraufhin erfolgt?

25) Welche Konsequenzen haben Bedienstete mit Personalverantwortung (Teamleiter, ...) a) bei aktivem eigenen Alkoholkonsum im Dienst, b) bei aktivem Alkoholkonsum ihrer MitarbeiterInnen im Dienst, c) bei Nichteinschreiten gegen Alkoholkonsum ihrer MitarbeiterInnen im Dienst zu gewärtigen?

26) Wie viele entsprechende Fälle wurden in den letzten Jahren jeweils aufgezeigt?

27) Wie oft wurden entsprechende Konsequenzen gegenüber den aktiv oder passiv Verantwortlichen gezogen?

28) Haben Sie eine Erklärung dafür, warum bei den ÖBB Einrichtungen zum Alkoholkonsum im Dienst wie die „Gumpi-Bar“ in den Diensträumlichkeiten am Wiener Westbahnhof, in Dienststellen im Raum Hauptbahnhof oder auch am Bahnhof Wr. Neustadt jahrelang trotz interner Kritik existieren können?

29) Was hat das BMVIT als Sicherheitsbehörde im Eisenbahnverkehr gegen diese Missstände wann konkret unternommen?