15993/J XXIV. GP

Eingelangt am 20.09.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Chaos rund um den Ausbau der Pottendorfer Linie

 

Um den überfälligen Ausbau der Pottendorfer Linie (Schienenstrecke Wiener Neustadt-Wien über Ebreichsdorf-Pottendorf) mit den Interessen der davon betroffenen Region mit starkem Bevölkerungswachstum südlich von Wien unter einen Hut zu bekommen, finden seit Jahren intensive Verhandlungen unter Beteiligung von ÖBB und betroffenen Gemeinden statt.

 

Im offiziellen verfahrensbegründenden Antrag der ÖBB Infrastruktur an das Verkehrsministerium für einen wesentlichen Ausbauabschnitt dieser Strecke (siehe VR/09-122/1/WI/09 vom 24.4.2009,

http://www.bmvit.gv.at/verkehr/eisenbahn/verfahren/matzleinsdorf/uvp/antrag.pdf)

ist wörtlich festgehalten:

„Schaffung einer leistungsfähigen Bahnstrecke im Südraum von Wien, (…) die die stark frequentierte Südbahn entlasten soll (…)“ und es soll „dadurch das Nahverkehrsangebot verbessert und auf diese Weise der Anteil des Öffentlichen Verkehrs am Modal Split erhöht werden“.

(Dies wäre auch dringend nötig, waren die Fahrgäste doch in den letzten Jahren mit Angebotsverschlechterungen konfrontiert, unter anderem ist infolge zweier fehlender Weichen keine Verbindung mehr auf die S-Bahn-Stammstrecke in Wien möglich, Züge enden statt in Wien Mitte teilweise überhaupt schon in Meidling.)

 

Von diesem Ziel hat sich die ÖBB nun aber offensichtlich einseitig verabschiedet. So wurde bei den jüngsten Sitzungen am Runden Tisch seitens der ÖBB plötzlich kategorisch jede über eine „Fernverkehrsstrecke Wien-Klagenfurt“ hinausgehende Zuständigkeit und Verantwortung zurückgewiesen. Für den Nahverkehr – eine Verbesserung des Angebots setzt auch entsprechende bauliche Maßnahmen voraus – scheint plötzlich niemand zuständig zu sein.

Ergebnis jahrelanger Verhandlungen ist also offenbar, dass ein Verhandlungs“partner“ macht, was er will, während sein Eigentümer (Republik, vertreten durch BMVIT) zusieht.

 

Konkret ist bereits bekannt, dass die ÖBB im Zug des weiteren Ausbaus die Auflassung von Bahnhöfen in Pendlergemeinden und keine Weiterführung von S-Bahn-Zügen ins Wiener


Stadtzentrum beabsichtigen. Für die stark wachsende Zahl an Pendlerinnen und Pendlern aus der Region würde dies eine deutliche Verlängerung der Reisezeit (+20 bis 25 Min.) durch die längere Anfahrt zu nächstliegenden Ersatzbahnhöfen und die Umsteigzwänge in Wien Meidling oder Wien Hbf bedeuten.

Zusätzlich hat sich in den Gesprächen der Eindruck von Chaos, gravierenden Fehlplanungen und Unterlassungen (siehe dazu u.a. bereits die Parl. Anfrage 121/J XXIII.GP) beim Projekt Wiener Hauptbahnhof verdichtet – wegen fehlender (vergessener?) Abstellanlagen/Abstellgruppen für den Nahverkehr sind künstliche Durchbindungen etwa von Pottendorfer Linie nach Gramatneusiedl Richtung Neusiedl am See beabsichtigt, während die Fahrgäste überwiegend ins Stadtzentrum oder darüber hinaus müssen. Dieses Chaos verwundert allerdings nicht, wird doch von der für die Ostregion zuständigen Personenverkehrs-Führungskraft im ÖBB-Konzern nun behauptet, dass es keine Verkehrsstromanalysen rund um den Hauptbahnhof gäbe, weshalb man auf Zahlen der Arbeiterkammer zurückgreifen wolle und weshalb die ÖBB bis heute – nicht lang vor der Teilinbetriebnahme - nicht wissen, welche Nah- und Regionalverkehrslinien künftig durch den Hauptbahnhof fahren sollen. Die fünf bestehenden S-Bahn-Linien, auf denen zumindest teilweise – siehe ÖBB-Antrag Pottendorfer Linie – das Angebot dezidiert ausgeweitet werden soll, können mangels entsprechender Gleislagen weder am fast 1 Mrd Euro teuren neuen Hauptbahnhof noch in seinem Umfeld kundengerecht miteinander verknüpft werden.

 

Vertretern der betroffenen Region wurde zu dieser Problematik aus Ihrem Haus ausgerichtet, dass das BMVIT unzuständig sei und erst nach Fertigstellung der Strecke – also nach 2021 – über das Nahverkehrsthema verhandeln wolle. Es scheint eine weitere Runde an Bauinvestitionen nach dem Hochleistungsausbau beabsichtigt, obwohl diese begleitend zum Hochleistungsausbau nicht nur kostenmäßig weitaus sinnvoller terminisiert wären.

Die bekannt „eisenbahnfreundlichen“ Akteure in der NÖ Landesregierung ließen nach dem Positionswechsel der ÖBB zum Thema Nahverkehr die heiße Kartoffel postwendend ebenfalls fallen und wollen bei einer – wie von den ÖBB neuerdings betont – Fernverkehrsstrecke unter Verweis auf den Bund schon gar nicht mehr über Mitfinanzierung diskutieren.

 

Auf der Strecke drohen die Fahrgäste und ihre Interessen zu bleiben, die als Steuerzahler dieses Chaos rund um Hauptbahnhof und Pottendorfer Linie auch noch selbst mit mindestens 1,5 Mrd Euro finanzieren „dürfen“. Da damit zu rechnen ist, dass viele Betroffene auf den PKW umsteigen müssen, drohen auch Umwelt- und Klimaziele auf der Strecke zu bleiben.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wer ist für die Gesamtkoordination des Projektes Hochleistungsstrecke Pottendorfer Linie zuständig?

2)    Wie wird sichergestellt, dass das von der ÖBB Infra gegenüber dem BMVIT genannte Projektziel „Verbesserung des Nahverkehrs/Modal Split“ im Rahmen dieses Projekts erreicht wird?


3)    Welche Maßnahmen werden dazu konkret erfolgen?

4)    Welche Verbesserungsmaßnahmen – etwa Verkürzung der Reisezeit (ist nicht dasselbe wie höhere Geschwindigkeit!), bessere Intervalle – werden im Projektes Hochleistungsstrecke Pottendorfer Linie …

5)    Wurde das BMVIT von der ÖBB Infra informiert, dass diese sich beim Projekt Pottendorfer Linie ausschließlich für die Fernverkehrsagenden Wien-Klagenfurt zuständig fühlt (Widerspruch zur oben genannten genehmigungsrelevanten Projektbeschreibung vom April 2009)?

6)    Liegen für die Führung der Nahverkehrszüge durch den künftigen Wiener Hauptbahnhof und speziell für die Züge der Pottendorfer Linie a) Verkehrsstromanalysen, b) aktuelle Verkehrsstromanalysen, c) mit Abfahrtsort-/Zielort-Angaben der Fahrgäste vor?

7)    Welchen Zeitplan gibt es für die gesamte Umsetzung des Projektes Hochleistungsstrecke Pottendorfer Linie?

8)    Welchen Zeitplan gibt es a) für die Ausgestaltung des Nahverkehrs im Südraum Wien generell (ÖBB Infra, BMVIT und Land NÖ verweisen für Verhandlungen auf die Zeit nach 2021) und b) für die Linienführung von Schnellbahnen im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des Hauptbahnhofs Wien (lt ÖBB-PV AG in den nächsten Monaten für den Zeitraum 2015 bis 2030 festzulegen, danach keine Änderungen mehr)?

9)    Wie passen die in Frage 8 erwähnten höchst widersprüchlichen und im Ergebnis zu den offiziellen verkehrspolitischen Ansagen der Bundesregierung konträren Signale aus dem Ihnen unterstellten ÖBB-Konzern zusammen?

10) Was haben Ihnen dazu Ihre Aufsichtsräte und Staatskommissäre wann im Einzelnen berichtet?

11) Was haben Sie, insbesondere im Interesse der Fahrgäste, unternommen?