21/JPR XXIV. GP

Eingelangt am 20.05.2009
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde

 

an die Präsidentin des Nationalrats

 

betreffend „Würde des Hauses“

 

 

Über die 9.   P r ä s i d i a l k o n f e r e n z am Donnerstag, 14. Mai 2009, 14.00 Uhr, stellt deren Protokoll fest:

 

b) Vorgangsweise bei unzulässigen Anfragen

Zu dieser Frage weist die Präsidentin auf die kürzlich gestellte Anfrage des Abgeordneten Dr. Pilz an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur hin, in welcher der Wortlaut eines Fragebogens an die Schüler in unveränderter Form an die Bundesministerin direkt gestellt wurde und die Präsidentin im Hinblick auf die Würde des Hauses eine problematische Vorgangsweise sieht.

 

Bisher wurden zumindest 1988 und 1991 je eine Anfrage zurückgewiesen, da sich diese nicht auf Aufgaben der Vollziehung bezogen bzw. der Würde des Hauses widersprachen.

 

In einer Diskussion hierüber, an der sich alle Mitglieder der Präsidialkonferenz beteiligen, kommt man zu dem Ergebnis, dass jene relativ seltenen Fälle, in denen eine parlamentarische Anfrage diesen inhaltlichen Erfordernissen nicht genügt, die Zulassung derselben, über welche letztlich die Präsidentin zu entscheiden hat, in der Präsidialkonferenz selbst geführt werden sollte. Dies entspricht der bisherigen Praxis in den vergleichbaren zitierten Fällen.

 

Klubobfrau Dr. Glawischnig-Piesczek gibt bekannt, dass Abg. Dr. Pilz in einem diesbezüglichen Gespräch, das sie mit ihm geführt habe, nicht die Absicht bekundet habe, seine Anfrage an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur zurückzuziehen.

 

Die von der Präsidentin als unwürdig empfundene Anfrage lautet:


 

ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

 

betreffend ein paar unumgängliche Fragen

 

 

Da im Wirkungsbereich der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung (BIFIE) Fragen, die jede Grenze des Datenschutzes überschreiten, an SchülerInnen gestellt werden, empfiehlt sich die beispielhafte Beantwortung dieser und einiger ergänzender Fragen durch die Ressortleiterin.

 

Anhand der Antworten und der Reaktionen darauf werden sich nicht nur die SchülerInnen ein Bild machen können.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.          Wirst du von deinen Eltern geschlagen?

2.          Wirst du von deinen Mitschülern (bzw. Regierungskollegen) geschlagen?

3.          Wirst du von deinen Mitschülern (bzw. Regierungskollegen) gedemütigt?

4.          Wirst du von deinen Mitschülern (bzw. Regierungskollegen) ausgeschlossen, weil du aus einem anderen Land kommst?

5.          Gefällt dir Österreich?

6.          Fühlst du dich in deinem Heimatland wohler?

7.          Möchtest du nicht mehr in dein Heimatland zurück?

8.          Aus welchem Land kommst du?

9.          Aus welchem Land kommen deine Eltern?

10.      Was ist deine Muttersprache?

11.      Tust du dich mit der deutschen Sprache leicht?

12.      Wie gut sprechen deine Eltern die deutsche Sprache?

13.      Wann bist du hierher gekommen?

14.      Mit welchem Alter hast du die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen?

15.      Bist du beliebt?

16.      Wie verbringst du deine Freizeit? (zum Ankreuzen: mit Freunden, alleine, mit deinen Eltern, mit Bekannten, mit Fremden)

17.      Verbieten dir deine Eltern Freunde mit einer anderen Nationalität zu haben?

18.      Kennen deine Eltern deine Freunde?

19.      Mögen deine Eltern deine Freunde?

20.      Sind die Eltern deiner drei besten Freunde Ausländer?

21.      Habt ihr eine Waschmaschine zuhause?

22.      Habt ihr ein Badezimmer zuhause? (zum Ankreuzen: 1, 2 oder 3)

23.      Habt ihr einen Computer zuhause?


24.      Hast du einen eigenen Arbeitsplatz, an dem du Hausaufgaben machen kannst?

25.      Hast du Bücher zuhause? (zum Ankreuzen: 100, 200, 350, über 500)

26.      Habt ihr Kunstwerke zuhause?

27.      Habt ihr Bücher mit Gedichten zuhause? z.B. Goethe

28.      Habt ihr eine Playstation, Gameboy, Nintendo zuhause?

29.      Habt ihr einen Internetanschluss?

30.      Habt ihr Lernsoftware zuhause?

31.      Fühlst du dich von deinen Eltern geliebt?

32.      Welche Berufe haben deine Eltern?

33.      Beschreibe den Beruf deiner Mutter bzw. deines Vaters.

34.      Welche Schulausbildung haben deine Eltern?

35.      Lernen deine Eltern mit dir?

36.      Sind deine Eltern religiös?

37.      Welchen Religionsunterricht besuchst du?

38.      In einem eigenen Teil werden fachspezifische Fragen gestellt:

39.      Magst du deinen Englischlehrer?

40.      Korrigiert dein Lehrer Hausaufgaben?

41.      Wie ist die Aussprache deines Englischlehrers?

42.      Macht dein Lehrer regelmäßig Grammatikübungen?

43.      Macht dein Lehrer regelmäßig Hörverstehensübungen?

44.      Erklärt dein Lehrer die Übungen mehrmals?

45.      Erklärt dein Lehrer den Stoff bis alle Schüler ihn verstehen?

46.      Magst du Englisch nicht weil, - du mit deinem Lehrer nicht klarkommst?

47.      - du mit dem Fach nicht zurechtkommst?

48.      - dein Lehrer nicht gut genug erklären kann?

49.      Tust du dich leicht mit dem Datenschutz?

50.      Kennst du den Begriff „sensible Daten“?

51.      Findest du nicht auch, dass die Frage nach Religion (auch der Eltern), Heimatland und Muttersprache solche sensible Daten nach § 4 Z 2 DSG betrifft? 

52.      Weißt du, dass nach § 4 Z 8, 9 und 10 DSG schon das Ermitteln von Daten als Verwendung und Verarbeitung zählt?

53.      Ist es richtig, dass die Fragebögen von LehrerInnen an die SchülerInnen ausgeteilt und in beantworteter Form eingesammelt wurden?

54.      Findest du nicht auch, dass damit schon eine Ermittlung von sensiblen Daten vorliegt, für welche die Voraussetzungen nach § 9 iVm § 46 DSG nicht erfüllt sind?

55.      Welche Maßnahmen haben du oder deine FreundInnen vom BIFIE getroffen, um zu verhindern, dass LehrerInnen sich die Beantwortung der sensiblen Fragebögen durch ihre SchülerInnen ansehen?

56.      Wurde für diese Fragebögen und die Verwendung der erhobenen Daten eine Genehmigung der Datenschutzkommission nach § 46 Abs 3 DSG oder nach einer anderen Bestimmung erteilt?

57.      Ist es richtig, dass deine FreundInnen vom BIFIE bzw. die LehrerInnen auf die Fragebögen die Katalognummern der SchülerInnen geschrieben haben?

58.      Können deine FreundInnen vom BIFIE daher jetzt durch einfaches Nachfragen bei der Schule oder auf andere Weise einen persönlichen Bezug zu den SchülerInnen herstellen?


59.      Hat es für diese Aktion eine Meldung und Prüfung durch die Datenschutzkommission gem. § 17 und 18 DSG gegeben?

60.      Verletzt deiner Meinung nach diese Aktion des BIFIE die gesetzlichen Bestimmungen des DSG?

61.      Wenn ja: Kannst du sicherstellen, dass die österreichischen SchülerInnen in Zukunft vor ähnlichen Verletzungen des Datenschutzes geschützt werden?

62.      Hast du wegen dieser Aktion disziplinar- oder strafrechtliche Schritte gegen die verantwortlichen Personen veranlasst?

 

Zumindest die Fragen 49 bis 62 betreffen eindeutig die Vollziehung des Bildungsministeriums. Darüber hinaus steht der Präsidentin des Nationalrats nach dem GOG keinerlei inhaltliche Zensur über die formal korrekt eingebrachten Anfragen der Abgeordneten zu.

 

Zur geschäftsordnungsmäßigen Zulässigkeit wird auf § 91 Abs 1 GOG verwiesen. Die dort genannten Voraussetzungen sind erfüllt, da der Name des Anfragestellers, die korrekte Bezeichnung der befragten Bundesministerin und die eigentliche Frage enthalten sind (Atzwanger-Zögernitz, NRGO, 3.A., § 91 Anm 1). Nach Atzwanger-Zögernitz, aaO, Anm 5 räumt das Gesetz anders als bei mündlichen Anfragen der Präsidentin kein Recht ein, schriftliche Anfragen, bei denen die Formerfordernisse des Abs 1 erfüllt sind, die aber aus anderen Gründen nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, als unzulässig zurückzuweisen. Die geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit, eine Anfrage nicht weiterzuleiten, habe die Präsidentin nur für den Fall, dass die Anfrage die Würde des Nationalrates (§ 13 Abs 1 NRGO) verletze.

 

Das einzige Schlupfloch bietet hier die „Würde des Hauses“.

 

Da es sich bei den zitierten Fragen um solche handelt, die von einer unter der Verantwortung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur stehenden öffentlichen Stelle an zahlreiche Personen gerichtet wurden, kann darin eine Verletzung der Würde des Nationalrates ohne Verletzung der Würde der Bildungsministerin nicht erkannt werden.

 

 

Da die Präsidentin des Nationalrats die Weiterleitung der vorliegenden Anfrage mit Verweis auf eben diese Würde verweigert, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Im Verantwortungsbereich der Bildungsministerin sind die oben zitierten Fragen an Schülerinnen und Schüler gerichtet worden. Warum verletzen diese Fragen die Würde des Parlaments, aber nicht die Würde der Schüler und Schülerinnen?

 

2.      Als bekennendes Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft „Olympia“ steht Dr. Martin Graf nationalsozialistischem Gedankengut nahe. Olympia wird vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Organisation laufend beobachtet. Dr. Graf ist nicht bereit, sich von Olympia glaubhaft zu distanzieren. Verletzt Ihr Stellvertreter Dr. Graf die Würde des Hauses?

 

3.      Parlamentarische Mitarbeiter von Dr. Graf beziehen einschlägige Artikel aus Nazi-Versandhäusern. Verletzen diese Mitarbeiter die Würde des Hauses?

 

4.      Klubobmann Strache verharmlost neonazistische Störer in Ebensee als „Lausbuben“. Verletzt Herr Strache die Würde des Hauses?

 

5.      Die Mehrheit der Regierungsabgeordneten hat Dr. Graf zu Ihrem Stellvertreter gewählt. Haben diese Abgeordneten die Würde des Hauses verletzt?

 

Da unserer Ansicht nach zwischen der Würde der Bildungsministerin, der Würde der Nationalratspräsidentin und der Würde der Schüler und Schülerinnen kein Unterschied gemacht werden soll, richten die unterfertigten Abgeordneten an Sie die weiteren ausgewählten Fragen:

 

6.      Gefällt dir Österreich?

 

7.      Tust du dich mit der deutschen Sprache leicht?

 

8.      Bist du beliebt?

 

9.      Habt ihr eine Waschmaschine zuhause?

 

10.    Habt ihr ein Badezimmer zuhause?

 

11.    Sind deine Eltern religiös?

12.    Werden Sie sich in Zukunft als Präsidentin und als Abgeordnete dort um die Würde des Hauses kümmern, wo sie zum Schaden des Ansehens der Republik Österreich ständig, hartnäckig und vorsätzlich verletzt wird?