Entwurf

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr erlassen und das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1

Bundesgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr

Ausnahmen vom Anwendungsbereich

§ 1. (1) Vom Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, ABl. Nr. L 315 vom 3.12.2007 S 14, ist eine Beförderung im Stadtverkehr ausgenommen.

(2) Von der Anwendung auf eine Beförderung im Vorort- und Regionalverkehr sind Art. 13 Abs. 2, Art. 16, Art. 17, Art. 18 Abs. 2 und 4, Art. 27 Abs. 3 und Art. 28 der zitierten Verordnung ausgenommen. Für Beförderungen im Vorort- und Regionalverkehr ist die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 ausgenommen, soweit die entsprechenden Informationen nicht verfügbar sind. Für Beförderungen im Vorort- und Regionalverkehr ist die Anwendung des Art. 15 insoweit ausgenommen, als ein Fahrgast verpflichtet ist, vorrangig zumutbare alternative öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, und außer für Personen mit eingeschränkter Mobilität die Höhe eines Schadensersatzes mit 50 Euro für eine erforderliche Taxibenützung und mit 80 Euro für eine erforderliche Übernachtung begrenzt ist.

Fahrpreisentschädigungen Jahreskarten

§ 2. (1) Fahrgäste, die über eine namentlich auf ihre Person ausgestellte und nur sie zur Benützung berechtigende Jahreskarte verfügen, und denen während deren Geltungsdauer wiederholt Zugverspätungen oder Zugausfälle widerfahren, haben Anspruch auf eine Entschädigung nach Maßgabe folgender Modalitäten:

           1. Die Jahreskarte muss zu Beförderungen auf Haupt- oder vernetzten Nebenbahnen berechtigen und die Inanspruchnahme der Beförderung auf einer derartigen Eisenbahn muss glaubhaft sein; ausgenommen sind Beförderungen im Bereich des Stadtverkehrs.

           2. Bei Nichterreichen eines vom Eisenbahnverkehrsunternehmen im Vorhinein vor- und bekanntzugebenden Pünktlichkeitsgrades erhalten Fahrgäste mit Jahreskarten eine pauschalierte Entschädigung in Form eines Gutscheines oder einer Gutschrift des Eisenbahnverkehrsunternehmens. Der Pünktlichkeitsgrad ist vom Eisenbahnverkehrsunternehmen für die einzelnen Strecken bzw. Streckenabschnitte, auf denen es Beförderungen im fahrplanmäßigen Personenverkehr anbietet, jeweils unter Bedachtnahme auf die Strecken- und Verkehrsverhältnisse für den Regelbetrieb vorzugeben.

           3. Ob der Pünktlichkeitsgrad erreicht wird oder nicht, ist jeweils pro Monat zu ermitteln.

           4. Die Höhe der bei Nichterreichen des Pünktlichkeitsgrades zu gewährenden Entschädigung ist vom Eisenbahnverkehrsunternehmen ebenfalls im Vorhinein vor- und bekanntzugeben. Die Entschädigung ist in pauschalierten Beträgen abgestuft nach Entfernungsstufen und anteilig für jeden Monat in dem der Pünktlichkeitsgrad nicht erreicht wurde festzusetzen. Die Beträge haben sich jeweils am Wert von mindestens 10% des rechnerisch auf diesen Monat entfallenden Fahrpreises zu orientieren und sind jedenfalls auf 50 Cent Beträge auf- oder abzurunden, wobei Beträge bis 25 Cent abgerundet und Beträge über 25 Cent aufgerundet werden.

(2) Bei der Ermittlung der betroffenen Fahrgäste und der Höhe der Entschädigungsbeträge haben die Jahreskarten verwaltenden Stellen entsprechend mitzuwirken.

(3) Dem Fahrgast steht ein Anspruch gemäß Abs. 1 insoweit nicht zu, als die Nichterreichung des Pünktlichkeitsgrades auf Verspätungen und Zugausfälle auf folgende Ursachen zurückzuführen ist:

           1. außerhalb des Betriebes liegende Umstände, die das Eisenbahnverkehrsunternehmen trotz Anwendung der nach der Lage des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen es nicht abwenden konnte;

           2. ein Verschulden des Fahrgastes;

           3. ein Verhalten einer dritten Person, welches das Eisenbahnverkehrsunternehmen trotz Anwendung der nach der Lage des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und dessen Folgen nicht abwenden konnte.

Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das den Fahrweg betreibt, auf dem die Beförderung erfolgt, gilt im Verhältnis zum Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht als dritte Person.

(4) Die Eisenbahnverkehrsunternehmen haben auch für die Anwendung der Regelung über die Fahrpreisentschädigungen für Fahrgäste mit Jahreskarten, unter Beteiligung der Vertretungsorganisationen von Personen mit eingeschränkter Mobilität für deren Beförderung, Dienstqualitätsnormen festzulegen, sowie dafür zu sorgen, dass die Fahrgäste beim Verkauf von Jahreskarten über ihre Rechte und Pflichten informiert werden.

Vollziehung

§ 3. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, in zivilrechtlichen Belangen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz, betraut.

Artikel 2

Änderung des Eisenbahngesetzes 1957

Das Eisenbahngesetz 1957, BGBl. Nr. 60, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 95/2009 wird wie folgt geändert:

1. Nach § 22 wird folgender § 22a samt Überschrift eingefügt:

“Entschädigungsbedingungen

§ 22a. (1) Die Tarife für die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen auf Hauptbahnen und vernetzten Nebenbahnen haben auch Entschädigungsbedingungen jeweils zur Anwendung der Regelungen über die Fahrpreisentschädigung gemäß § 2 des Bundesgesetzes zur Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr und gemäß Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, ABl. Nr. L 315 vom 3.12.2007  S 14, zu enthalten.

(2) Die Eisenbahnverkehrsunternehmen haben die Entschädigungsbedingungen bei der erstmaligen Veröffentlichung gleichzeitig der Schienen-Control GmbH vorzulegen. Änderungen der Entschädigungsbedingungen sind von den Eisenbahnverkehrsunternehmen rechtzeitig vor der Veröffentlichung der Schienen-Control GmbH vorzulegen.“

2. § 77 Abs. 1 Z 5 lautet:

         „5. die Tätigkeit einer Schlichtungsstelle.“

3. § 78a samt Überschrift lautet:

„Schlichtungsstelle

§ 78a. (1) Unbeschadet der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte oder der Behörden können Gebietskörperschaften, Interessenvertretungen und Kunden Beschwerden, welche die Beförderung von Fahrgästen, Reisegepäck oder Gütern betreffen und die mit einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen oder Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht befriedigend gelöst worden sind, der Schienen-Control GmbH vorlegen. Die Schienen-Control GmbH hat die von Gebietskörperschaften und Interessenvertretungen vorgelegten Beschwerden jedenfalls und die von Kunden vorgelegten Beschwerden von grundsätzlicher Bedeutung oder überdurchschnittlicher Häufung gleich gelagerter Beschwerden zu behandeln.

(2) Unbeschadet der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte oder der Behörden können Gebietskörperschaften, Interessenvertretungen und Fahrgäste Beschwerden wegen behaupteter Verstöße gegen anzuwendende Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 und wegen behaupteter unrichtiger oder für  die Fahrgäste unzumutbarer Regelungen in den Beförderungsbedingungen oder in den Entschädigungsbedingungen gemäß § 22a bei der Schienen-Control GmbH erheben.

(3) Die Schienen-Control GmbH hat sich sowohl zu Beschwerden gemäß Abs. 1 als auch zu Beschwerden gemäß Abs. 2 um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Beteiligten zu bemühen. Ansonsten hat sie den Beteiligten ihre Ansicht mitzuteilen und kann eine Empfehlung, die nicht verbindlich und nicht anfechtbar ist, zur Regelung der Angelegenheit abgeben. Die Schienen-Control GmbH hat in einer Richtlinie eine Verfahrensweise gemäß Abs. 1 und Abs. 2 festzulegen und auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Betroffene Unternehmen haben mitzuwirken und nach Anforderung durch die Schienen-Control GmbH alle zur Beurteilung des beschwerderelevanten Sachverhaltes erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen.

(4) Die Schienen-Control GmbH hat über die Kundenzufriedenheit im Eisenbahnbereich im allgemeinen und über die anhängig gemachten Beschwerden im besonderen jährlich einen Bericht zu erstellen. Der Bericht ist in geeigneter Weise, jedenfalls auf ihrer Internetseite, zu veröffentlichen.“

4. Der § 78b erhält die Paragraphenbezeichnung § 78c. Nach § 78a wird folgender § 78b (neu) samt Überschrift eingefügt:

„Aufhebung der Entschädigungsbedingungen durch die Schienen-Control Kommission

§ 78b. (1) Die Schienen-Control GmbH hat die Schienen-Control Kommission über gemäß § 78a Abs. 2 behandelte und die Entschädigungsbedingungen betreffende Beschwerdefälle zu informieren, wenn es zu keiner einvernehmlichen Lösung kommt.

(2) Die Schienen-Control Kommission hat von Amts wegen:

           1. die Entschädigungsbedingungen ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären, wenn die Anwendung der Modalitäten für die Fahrpreisentschädigung für die Fahrgäste unangemessen und unzumutbar ist, oder wenn das Eisenbahnverkehrsunternehmen entgegen § 2 des Bundesgesetzes zur Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr bei der Vorgabe des Pünktlichkeitsgrades nicht auf die Strecken- und Verkehrsverhältnisse für den Regelbetrieb Bedacht nimmt, den Pünktlichkeitsgrad nicht monatlich ermittelt oder die Entschädigungshöhe nicht nach angemessenen Entfernungsstufen und mit mindestens 10% des rechnerisch auf einen Monat entfallenen Fahrpreises der Jahreskarte festsetzt,

           2. die Entschädigungsbedingungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären, wenn sie das Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht nach den Kriterien des Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 festsetzt.“

5. § 81 Abs. 2 lautet:

„(2) Der Schienen-Control Kommission obliegen die ihr im 3., 5. bis 6b. Teil dieses Bundesgesetzes zugewiesenen Zuständigkeiten (§§ 22a, 53c, 53f, 64 Abs. 5, 65e Abs. 4, 72, 73, 74, 75a Abs. 3 und 75e) und die Erledigung von Berufungen gegen Bescheide der Schienen-Control GmbH. In den Angelegenheiten der §§ 53e Abs. 2, 75 Abs. 2, 77 Abs. 3 und 80 Abs. 1 ist sie sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne der §§ 5, 68 und 73 AVG.“

6. Nach § 124 wird folgender § 124a eingefügt:

§ 124a. Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 2 180 Euro zu bestrafen,

           1. wer keine Entschädigungsbedingungen gemäß § 22a Abs. 1 festsetzt und veröffentlicht,

           2. wer schwerwiegend gegen die Informationspflichten gemäß Art. 8 oder 29 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 verstößt,

           3. wer schwerwiegend gegen die Hilfeleistungspflichten gemäß Art. 18 oder für Personen mit eingeschränkter Mobilität gemäß Art. 22 Abs. 1 und 3 und Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 verstößt.“