Vorblatt

Problem:

Das geltende Gesetz stammt aus dem Jahr 1989 und ist – abgesehen von kleineren Anpassungen – zuletzt 1999 substantiell geändert worden.

Die zwischenzeitlich eingetretenen gesellschaftlichen Veränderungen, wie die anhaltend hohe Zahl an Trennungen und Scheidungen, Eineltern- oder Patchworkfamilien, die steigende Erwerbsbeteiligung beider Elternteile bei gleichzeitiger Flexibilisierung von Arbeitszeiten aber auch die zunehmende Zahl an Familien mit Migrationshintergrund, stellen die soziale Arbeit mit Familien vor geänderte Herausforderungen.

Gleichzeitig ist das allgemeine Bewusstsein für altersgemäße Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen sowie die Sensibilität für mögliche Kindeswohlgefährdungen sowohl bei Fachleuten als auch in der allgemeinen Bevölkerung gestiegen, weshalb vermehrt Verdachtsfälle an die Kinder- und Jugendhilfe herangetragen werden.

Auch haben die rund 20-jährige Praxis und Weiterentwicklung der Angebote sowie zahlreiche Initiativen auf Ebene der Landesausführungsgesetze einen Anpassungsbedarf des Bundesgrundsatzgesetzes ergeben.

All das erfordert eine Fortentwicklung der Rechtsgrundlagen auf Bundesebene, insbesondere die Präzisierung der Aufgabenstellungen aber auch eine Festlegung von Mindeststandards der Leistungserbringung, die bundesweit zur Anwendung kommen sollen. Die professionelle Überprüfung von Verdachtsfällen der Kindeswohlgefährdung sowie die fachlich fundierte Auswahl von Hilfen und kurz- und mittelfristige Festlegung der Ziele der gewährten Hilfen ist das zentrale Ziel dieser Reform, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen möglichst umfassend zu gewährleisten und trotzdem nur in angemessenem Umfang in familiäre Beziehungen einzugreifen.

Ziele:

Mit der Neuformulierung des Bundesgrundsatzgesetzes werden primär folgende Ziele verfolgt

                         - Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt in der Familie und anderen Gefährdungen

                         - Impulse für einheitliche Standards und weitere Professionalisierung der Fachkräfte

                         - Stärkung der Prävention von Erziehungsproblemen

                         - Konkretisierung der Ziele und Aufgaben

                         - Verbesserung des Schutzes von Geheimhaltungsinteressen von Klient(inn)en

Während bewährte Rechtsinstitute beibehalten und entsprechend angepasst werden, sollen aber auch Impulse für wesentliche rechtliche Neuerungen gesetzt werden. Die Schwerpunkte der gegenständlichen Gesetzesinitiative betreffen

                         - Einführung der Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung

                         - Neuformulierung der Mitteilungspflichten bei vermuteten Kindeswohlgefährdungen

                         - Einführung des Rechts auf förderliche Erziehung und der Kinderrechte als handlungsleitende Prinzipien neben dem Kindeswohl

                         - detailliertere Regelung von Verschwiegenheit, Auskunftsrechten, Dokumentation und Datenschutz

                         - genauere Definition von Aufgaben und Standards in den verschiedenen Leistungsbereichen

                         

Weiters wird der Titel der Rechtsnorm von „Bundesgesetz, mit dem Grundsätze über die Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge aufgestellt und unmittelbar anzuwendende Vorschriften im diesem Bereich erlassen werden (Jugendwohlfahrtsgesetz 1989)“ in „Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2009)“ geändert.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz auf Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG (1. Teil)  und Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (2. Teil).

Alternativen:

Umfangreiche Novellierung des bestehenden Gesetzes, welche der Lesbarkeit der Rechtsvorschriften und damit der Rechtssicherheit abträglich wäre.

Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich:

keine

Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen und Bürger/innen:

Es sind im Vergleich zur geltenden Rechtslage keine zusätzlichen Informationspflichten für Unternehmen oder Bürger/innen vorgesehen.

Finanzielle Auswirkungen:

Einleitend ist anzumerken, dass die erwarteten Mehrkosten erst 2011, in voller Höhe erst 2012, entstehen werden, da der vorliegende Entwurf eines Grundsatzgesetzes von den Ländern bis 31.3.2011 auszuführen ist.

Durch die Regelung der Gefährdungsabklärung und die Festschreibung des Vieraugenprinzips ist zu erwarten, dass der Aufwand für Gefährdungseinschätzung durch zwei Fachkräfte auch in weniger komplexen Fällen steigt.

Annahme:

40.000 Gefährdungsabklärungen jährlich (= Hochrechnung der Wiener Zahlen nach Bevölkerung)

Steigerung der Gefährdungseinschätzung im Vier-Augen-Prinzip um 15.000 Fälle

Steigerung des Personalaufwandes um 17,85 VBÄ

Unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Personalaufwandes ergeben sich Mehrkosten in der Höhe von € 1.107.146,20

Durch die Regelung der Hilfeplanung und die Festschreibung des Vieraugenprinzips ist zu erwarten, dass der Aufwand für Hilfeplanung unter Einbeziehung einer zweiten Fachkraft auch in weniger komplexen Fällen steigt.

Annahme:

8.000 Hilfeplanungen jährlich (= Schätzung anhand der im Jugendwohlfahrtsbericht 2008 erfassten Hilfen)

Steigerung der Hilfeplanung im Vier-Augen-Prinzip um 5.000 Fälle

Steigerung des Personalaufwandes um 5,95 VBÄ

Unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Personalaufwandes ergeben sich Mehrkosten in der Höhe von € 369.048,75.

Die Kosten der vollen Erziehung sind künftig nur noch von den zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten und nicht mehr durch die Kinder und Jugendlichen selbst zu ersetzen. Dadurch ist ein Einnahmenentfall in der Höhe von € 579.420,- zu erwarten. Dies ergibt sich aus der Annahme, dass von allen Jugendlichen im erwerbsfähigen Alter ein Betrag von jährlich € 185,- (rechnerisch ermittelt aus den Einnahmen des Landes Salzburg im Jahr 2007) hereingebracht wird.

Durch die Einschränkung der Bewilligungspflicht bei privaten Pflegeverhältnissen ergeben sich geringfügige Einsparungen bei der Aufsicht über 34 bestehende Pflegeverhältnisse (lt. Jugendwohlfahrtsbericht 2008) und die Bewilligung von jährlich 10 neuen Pflegeverhältnissen (Annahme) im Ausmaß von 0,57 VBÄ. Unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Personalaufwandes ergeben sich Einsparungen in der Höhe von € 35.354,25.

Daraus ergeben sich insgesamt Mehrausgaben von jährlich € 2.020.260,70.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass durch die Einschränkung der Befragung des Kinder- und Jugendhilfeträgers gemäß § 106 AußStrG durch das FamRÄG 2009 eine Entlastung für die Sozialarbeit bei den Kinder- und Jugendhilfeträgern eintritt.

Für den Bund entstehen durch die jährliche Erstellung der Bundesstatistik und die Durchführung von Forschungsvorhaben ab 2011 Mehrkosten in der Höhe von € 120.000,- pro Jahr für die Entlohnung externer Auftragnehmer/innen, welche durch ressortinterne Umschichtungen bedeckt werden können.

Da im Begutachtungsverfahren wegen der erwarteten Kostenfolgen Verhandlungen nach der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften gefordert wurden, wird im Folgenden auch auf die diesbezüglichen Argumente der Bundesländer eingegangen:

Bei § 2 handelt es sich um eine programmatische Zielbestimmung, die bei der Interpretation der übrigen Normen herangezogen werden kann, die aber keine individuellen Rechtsansprüche begründet. Die bisher bestehende Orientierung an den zivilrechtlich verankerten Obsorgepflichten und dem Kindeswohl soll nicht aufgegeben werden. Insbesondere soll keine Garantenstellung des Kinder- und Jugendhilfeträgers für das persönliche Lebensglück von Kindern und Jugendlichen geschaffen werden. Auch soll die primäre Verantwortung der Eltern und sonstigen Obsorgeberechtigten und die subsidiäre Zuständigkeit des Kinder- und Jugendhilfeträgers beibehalten werden. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wodurch finanzielle Mehrbelastungen der Länder und Städte entstehen sollen.

Da eine fachliche Arbeit in großen Organisationen ohne nachvollziehbare Dokumentation nicht möglich ist, haben die Jugendwohlfahrtsträger entsprechende Systeme entwickelt. Durch die vorliegende Bestimmung entsteht keine Verpflichtung bestehende Systeme zu ändern, wodurch Kosten verursacht würden.

In den letzten Jahren wurden von den Kinder- und Jugendhilfeträgern im Rahmen ihrer fachlichen Verantwortung Personalschlüssel und fachliche Standards erarbeitet. Diese Entwicklung wird nun auch durch die Grundsatzgesetzgebung nachvollzogen und entsprechend kodifiziert. Weitere Mehrkosten sind daher nicht erklärbar.

Forschung hat bislang nur in einem eingeschränkten Ausmaß stattgefunden, weshalb durch das neue Gesetz entsprechende Impulse zu setzen sind. Da aber erstmals eine Kostenbeteiligung des Bundes vorgesehen ist, sollte bei entsprechend akkordiertem Vorgehen trotzdem mit den bislang veranschlagten Budgets in den Ländern das Auslangen gefunden werden.

Bereits das geltende Recht verpflichtet die Länder zur Vorsorge für notwendige Soziale Dienste, wobei auf die regionalen Verhältnisse und die Bevölkerungsstruktur Bedacht zu nehmen ist (vgl. § 11 Abs. 3: „Die Jugendwohlfahrtsträger haben vorzusorgen, …“). Der Gesetzentwurf beinhaltet keine diesbezügliche Änderung, es wurden die Beispiele in der demonstrativen Aufzählung modernisiert und an die aktuellen Bedarfslagen der Bevölkerung angepasst.

Die Regelungen der Pflegeverhältnisse und des Pflegekindergeldes wurden gegenüber dem Begutachtungsentwurf wesentlich umformuliert, weshalb diese nunmehr den bisherigen Standards entsprechen und keine zusätzlichen Kosten entstehen. Insbesondere wurde auf eine Normierung des Vieraugenprinzips bei der Eignungsbeurteilung verzichtet, die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Pflegepersonen ist nur noch ein Angebot.

Da die Normierung der Hilfen für junge Erwachsene im Vergleich zum Begutachtungsentwurf drastisch verändert wurde und inhaltlich nunmehr mit der Verlängerung der Erziehungshilfen nach geltendem Recht vergleichbar ist, sind keine Mehrkosten zu erwarten.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die Novelle steht zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union nicht im Widerspruch.

Besonderheiten des Normsetzungsverfahrens:

Keine

Geschlechtergerechter Sprachgebrauch:

Der vorliegende Gesetzentwurf bevorzugt die Verwendung von geschlechtsneutralen Begriffen, auch wenn dies die Verwendung des Plural notwendig macht. Daher beziehen sich auch Mehrzahlformen von Personenbezeichnungen auf einzelne Individuen und nicht auf eine größere Anzahl von Menschen oder die Personengruppe im Allgemeinen.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das geltende Gesetz stammt aus dem Jahr 1989 und ist – abgesehen von kleineren Anpassungen – zuletzt 1999 substantiell geändert worden.

Die zwischenzeitlich eingetretenen gesellschaftlichen und rechtlichen Veränderungen sowie die fast 20-jährigen Erfahrungen der Praxis haben nahe gelegt, dass eine grundlegende Überarbeitung der grundsatzgesetzlichen Vorschriften notwendig ist.

Daher wurden im Frühjahr 2008 unter Leitung des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend drei Arbeitsgruppen zu den Themenbereichen „Aufdeckung von Gefährdungen und Hilfeplan“, „Standards“ sowie „Ziele und Grundsätze“ eingerichtet. Zur Teilnahme daran wurden unter anderem Vertreter/innen von Bundesministerien, Ländern, Städten, privaten Jugendwohlfahrtsträgern, Kinder- und Jugendanwaltschaften, Volksanwaltschaft, Kinderschutzgruppen, betroffenen Berufsgruppen und Parlamentsklubs eingeladen. Diese Gruppen haben unter Koordination einer Lenkungsgruppe Vorschläge für Änderungen des Grundsatzgesetzes erarbeitet, die in einen Entwurf Eingang gefunden haben, der im Herbst 2008 einer allgemeinen Begutachtung unterzogen wurde. Dabei wurden von allen Ländern Verhandlungen aufgrund der Konsultationsvereinbarung gefordert, da die vorgeschlagenen Änderungen insbesondere der Rechtsanspruch junger Erwachsener auf Hilfe aus ihrer Sicht erhebliche Mehrkosten befürchten ließen. In den darauf folgenden Beratungen mit Vertreter/innen der Bundesländer auf Beamtenebene wurde der Entwurf mit dem Ziel der Kostenreduktion überarbeitet, wobei gegenüber dem Begutachtungsentwurf insbesondere folgende Änderungen vorgenommen wurden:

                         - Entfall des Rechtsanspruchs auf Hilfen für junge Erwachsene bei gleichzeitiger Konkretisierung der Voraussetzungen für die Ermessensleistung

                         - Beschränkung des Vier-Augen-Prinzips auf Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung

                         - Entfall der Begleitung und Betreuung von Adoptiveltern nach rechtskräftiger Bewilligung der Adoption

                         - Einschränkung des Pflegeelternbegriffs: Personen, denen vom Gericht Pflege und Erziehung übertragen wurden, sind nicht Pflegeeltern und unterliegen daher nicht der Bewilligung und der Aufsicht

                         - Reduktion der Bewilligungspflicht für private Pflegeverhältnisse auf die Übernahme von Kindern und Jugendlichen bis 14 Jahren in Anpassung an das KindRÄG 2001

                         - Beschränkung des Anspruchs auf Pflegekindergeld auf Pflegeeltern, die im Rahmen der vollen Erziehung tätig werden

Mit der Ratifikation der UN-Konvention über die Rechte des Kindes (KRK) im Jahr 1992 hat sich Österreich verpflichtet, Kinder und Jugendliche als Träger grundlegender Rechte anzuerkennen und diese Rechte zu garantieren. Kinder und Jugendliche müssen vor Gewalt und Ausbeutung geschützt und ausreichend versorgt werden und haben ein Recht darauf, ihre Meinung frei zu äußern. Art. 3 KRK verpflichtet die Vertragsstaaten, dass immer dann, wenn sich Eltern und andere Verwandte nicht in geeigneter Weise um Kinder und Jugendliche kümmern (können), der Staat für den notwendigen Schutz und die Fürsorge zu sorgen und das Kindeswohl bei all seinen Maßnahmen als bestimmendes Kriterium zu gelten hat.

Dieser Schutz und die Fürsorge werden durch die breite Palette an Angeboten und Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe sichergestellt, deren bundesgesetzliche Grundlage bislang das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 sowie die korrespondierenden Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts waren. Mit der gegenständlichen Reform sollen bewährte Rechtsinstitute beibehalten und den heutigen Anforderungen angepasst aber auch Impulse für wesentliche Neuerungen gesetzt werden.

Auch wenn in die bestehende Kompetenzverteilung – Grundsatzgesetzgebung Bund, Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung Länder – mit der Reform nicht eingegriffen werden soll, sollen dennoch Grundlagen für bundesweit vergleichbare Standards für die Leistungserbringung geschaffen werden.

Der gegenständliche Gesetzentwurf bedient sich neben den gesetzlichen Termini des Bürgerlichen Rechts wie z. B. „Pflege und Erziehung“ oder „Obsorge“ auch einer neuen Terminologie, die nunmehr – im Gegensatz zum Begutachtungsentwurf – großteils im Gesetz definiert wird.

Es werden aber auch Begriffe des täglichen Lebens bzw. der Fachliteratur verwendet. So ist unter „Familie“ die soziale Gemeinschaft aus Eltern(teilen), ihren allfälligen Partner(inne)n und Kindern zu verstehen, wobei kein Unterschied zwischen ehelicher oder unehelicher Abstammung bzw. leiblicher Familie oder Adoptivfamilie besteht.

Weiters wird die Verwendung des allgemein gebräuchlicheren Begriffs „Adoption“ und daraus abgeleiteter Worte der Diktion des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs – „Annahme an Kindes Statt“, „Wahleltern“, „Wahlkind“ – vorgezogen.

Die Bezeichnung „Kinder- und Jugendhilfeträger“ ist dem öffentlichen Träger vorbehalten, wobei darunter das Land mit all seinen Organisationseinheiten, denen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe übertragen sind, zu verstehen ist. Private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sind Organisationen, denen vom Kinder- und Jugendhilfeträger bestimmte Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe übertragen wurden.

Der vorliegende Gesetzentwurf bevorzugt zum Zweck der geschlechtergerechten Formulierung die Verwendung von geschlechtsneutralen Begriffen, auch wenn dies die Verwendung des Plural notwendig macht. Daher beziehen sich auch Mehrzahlformen von Personenbezeichnungen auf einzelne Individuen und nicht auf eine größere Anzahl von Menschen oder die Personengruppe im Allgemeinen.

Durch die Änderung des Titels soll unterstrichen werden, dass die Zielgruppen des Gesetzes Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen sowie Familien sind, und sich die Kinder- und Jugendhilfe nicht nur – wie vielleicht vom bisherigen Titel nahegelegt – auf die Zeit rund um die Geburt sowie das Jugendalter beschränkt. Außerdem ist der Begriff der Hilfe im Vergleich zu Wohlfahrt moderner. Weiters kann dadurch im Vergleich mit dem deutschsprachigen Ausland eine Angleichung der Begrifflichkeiten erzielt werden: In Deutschland heißt das entsprechende Gesetz auch Kinder- und Jugendhilfegesetz und in der Deutschschweiz ist Kinder- und Jugendhilfe ein weitverbreiteter Legalbegriff, obgleich die gesetzlichen Grundlagen für diese Gesetzesmaterie auf kantonaler Ebene erlassen werden und daher deutliche Unterschiede aufweisen.

Besonderer Teil

1. Teil

1. Hauptstück

Zu § 1:

Kinder und Jugendliche brauchen für eine stabile Entwicklung primäre Bezugspersonen, die sie durch ihr Leben begleiten, sie fördern und schützen. Für diese Aufgabe ist niemand in vergleichbarer Weise prädestiniert wie die Eltern. Die Anerkennung der Elternverantwortung und der damit verbundenen Rechte findet daher ihre Rechtfertigung darin, dass Kinder und Jugendliche ihres Schutzes und ihrer Hilfe bedürfen, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln.

Mit Art. 18 KRK haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, Eltern beziehungsweise andere mit Pflege und Erziehung betraute Personen in angemessener Weise bei der Erfüllung ihrer Erziehungsaufgaben zu unterstützen. Wenn sie sich jedoch nicht in geeigneter Weise um die Kinder und Jugendlichen kümmern (können), hat der Staat für den notwendigen Schutz und die Fürsorge zu sorgen.

Dies bedeutet nicht, dass jedes singuläre Defizit oder jede Nachlässigkeit den Staat berechtigt, die Eltern von der Pflege und Erziehung auszuschalten. Vielmehr muss er stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern Rechnung tragen. Art und Ausmaß von Eingriffen bestimmen sich nach dem Ausmaß des Unvermögens der Eltern und danach, was im Interesse der betroffenen Kinder und Jugendlichen geboten ist. Der Kinder- und Jugendhilfeträger muss daher nach Möglichkeit zunächst versuchen, durch helfende, und unterstützende Maßnahmen, ein verantwortungsvolles Verhalten der Eltern und sonstiger mit der Obsorge betrauter Personen herzustellen. Er ist aber nicht darauf beschränkt, sondern kann, wenn solche Maßnahmen keinen Erfolg gebracht haben oder einen solchen nicht erwarten lassen, die Entziehung von Pflege und Erziehung oder sonstigen Teilen der Obsorge veranlassen. In diesen Fällen muss er angemessene Lebensbedingungen für ein gesundes Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen schaffen.

In jedem Fall ist die Zusammenarbeit mit den Eltern oder anderen mit Pflege und Erziehung betrauten Personen zu suchen, die Einsicht in die altersgemäßen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen zu fördern, bestehende Erziehungsdefizite zu beseitigen und die Herstellung oder Wiederherstellung förderlichen Erziehungsverhaltens zu unterstützen.

Die gegenständliche Bestimmung allein begründet aber keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch und auch keine rechtliche Grundlage für Eingriffe in Obsorgerechte bzw. das Grundrecht auf Privat- und Familienleben. Dafür sind die korrespondierenden Bestimmungen des ABGB, insbesondere §§ 144 ff und § 176 ABGB, maßgeblich. Sie dient vielmehr der programmatischen Formulierung von Grundsätzen, wie insbesondere des Vorrangs der familiären Erziehung und der Subsidiarität der Kinder- und Jugendhilfe.

Zu § 2:

In erster Linie sollen durch die Gesamtheit der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe Chancen eröffnet werden, dass Kinder und Jugendliche sich in angemessener Form in physischer, psychischer, sozialer und emotionaler Hinsicht entwickeln. Sie sollen in die Lage versetzt werden, als eigenverantwortliche, gemeinschaftsfähige Persönlichkeiten am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und darin Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen.

Die besten Voraussetzungen für eine gedeihliche Entwicklung bieten familiäre Strukturen, die auf die Bedürfnisse und Wünsche von Kindern und Jugendlichen in altersgemäßer Form eingehen, aber auch Grenzen setzen, um sie vor Gefährdungen zu schützen oder die Bedürfnisse anderer zu respektieren. Die Aufgabe der Familie ist es auch, Kindern und Jugendlichen eine ihren Fähigkeiten, Neigungen und Interessen angemessene Entwicklung und Ausbildung zu ermöglichen.

Kinder und Jugendliche sind aber auch durch Eingriffe in das elterliche Erziehungsrecht davor zu schützen, dass sie (weiterhin) Formen von Gewalt, aber auch Vernachlässigung und sonstigen Kindeswohlgefährdungen in Bezug auf Pflege und Erziehung ausgesetzt sind.

Sind die Eltern oder andere mit Pflege und Erziehung betraute Personen nicht in der Lage diese Aufgaben zu erfüllen, und haben sie das Wohl der Kinder und Jugendlichen gefährdet, ist es das Ziel der Kinder- und Jugendhilfe, durch adäquate Leistungen die Herstellung förderlicher Lebensbedingungen sowie die Wiederherstellung funktionierender familiärer Strukturen zu fördern. Dabei ist die Rückführung der Kinder und Jugendlichen in ihre Familie anzustreben und durch adäquate Hilfen zu unterstützen.

Zu § 3:

Mit der Ratifikation der UN-Kinderrechtekonvention wurden das handlungsleitende Prinzip des Kindeswohls sowie das Recht auf Gleichbehandlung und Achtung der Meinung von Kindern und Jugendlichen als Leitgedanken der Kinder- und Jugendhilfe besonders unterstrichen. Kinder und Jugendliche werden nunmehr primär als Träger/innen von Rechten und nicht mehr als Objekte wohlmeinender Fürsorge betrachtet.

Um die Erziehungskraft der Familien zu stärken, sollen ihnen Informationen über altersgemäße Entwicklung, förderliche Erziehungsstile, Reflexion der eigenen Erziehungsziele sowie des Erfahrungsaustausches angeboten sowie konkrete Tipps zur Bewältigung des Erziehungsalltages zur Verfügung gestellt werden.

Beratung besteht in der Problemanalyse, in der Information über zur Verfügung stehende Lösungsmöglichkeiten, in der Unterstützung bei der Entscheidungsfindung, in der Hilfe zur Umsetzung der getroffenen Entscheidung und in der Festigung der notwendigen Verhaltensänderung. Die Beratung konzentriert sich auf Erziehungsfragen und Problemfelder im familiären Kontext und grenzt sich von der Beratung zu Fragestellungen über andere Lebensbereiche, wie z. B. Bildungs- und Berufsberatung oder Schuldnerberatung, ab.

In Krisensituationen sind dem Charakter der Krise entsprechende Unterstützungsangebote zu machen, die die Betroffenen dazu befähigen, die Situation zu bewältigen, um danach soweit wie möglich wieder selbst ihre Aufgaben und ihre Verantwortung innerhalb der Familie wahrzunehmen. Diese Hilfen können z. B. in der vorübergehenden Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen oder einer zeitlich beschränkten Familienintensivbetreuung bestehen.

Die Gefährdungsabklärung umfasst jenen fachlichen Prozess, der notwendig ist, um sich Kenntnis über die Erziehungssituation des Kindes zu verschaffen und eine Gefährdungseinschätzung vorzunehmen. Bei der Gefährdungsabklärung, wie auch bei der daran anschließenden Hilfeplanung und Gewährung von Erziehungshilfen, ist eine strukturierte Zusammenarbeit von Einrichtungen etwa Schule oder Kindergarten, Behörden und öffentlichen Dienststellen wie Gericht oder Polizei und Kinder- und Jugendhilfe unumgänglich, um das Wohl der Minderjährigen in bestmöglicher Form zu gewährleisten und eine Mehrfachbelastung von Kindern und Jugendlichen durch wiederholte, ähnlich gelagerte Interventionen zu verhindern.

Bei der Gewährung von Erziehungshilfen ist die der konkreten Gefährdungssituation angepasste, für die künftige Entwicklung der Minderjährigen am förderlichsten erscheinende Maßnahme zu wählen.

Haben Eltern(teile) beschlossen, ihre Kinder zur Adoption freizugeben, oder wurde das Kind im Inland anonym geboren oder elternlos aufgefunden (Babyklappe), hat der Kinder- und Jugendhilfeträger im Interesse des Kindes Adoptiveltern zu suchen.

Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe zu stärken und bestehende, weitverbreitete Vorurteile über deren Tätigkeit zu beseitigen, aber auch zur Erleichterung der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Bildungs- und Beratungseinrichtungen, Behörden und Organen der öffentlichen Aufsicht und medizinischen Betreuungssystemen, ist eine grundlegende Kenntnis von Zielen, Aufgaben und Arbeitsweisen der Kinder- und Jugendhilfe notwendig. Dies ermöglicht erst eine rechtzeitige Kontaktaufnahme der betroffenen Familien und sonstigen Personen aus dem Nahbereich der Kinder und Jugendlichen sowie eine weitere konstruktive Zusammenarbeit.

Zu § 4:

In Sinne der Anregungen des Begutachtungsverfahrens wurden zur leichteren Lesbarkeit des Gesetzes und zur Vermeidung von Missverständnissen und abweichenden Interpretationen Begriffsdefinitionen in den Gesetzestext aufgenommen.

Kinder und Jugendliche werden als Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres unabhängig vom Zeitpunkt der Erlangung der Volljährigkeit definiert, damit das in der UN-Kinderrechtekonvention definierte Schutzalter umfasst ist. Junge Erwachsene sind Personen, die das 18. aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben. Die Anknüpfung an Altersgrenzen erleichtert die Abgrenzung zwischen den einzelnen Zielgruppen.

Abgrenzungskriterium für den Elternbegriff ist einerseits die Abstammung (leibliche Eltern und Adoptiveltern) und andererseits das Innehaben der Obsorge oder vergleichbarer Rechte nach ausländischen Rechtsordnungen. Pflege- oder Stiefeltern(teile) sind ebenso wenig von diesem Begriff umfasst wie Elternteile, denen Pflege und Erziehung nicht zusteht. Unter „mit Pflege und Erziehung betrauten Personen“ sind alle anderen natürlichen Personen zu verstehen, denen von in- und ausländischen Gerichten oder anderen zuständigen ausländischen Behörden Pflege und Erziehung bzw. vergleichbare Rechte übertragen wurden oder ihnen diese Rechte aufgrund von Gesetzen zukommen, z. B. auch Großeltern. Unter „werdende Eltern“ werden Schwangere, ihre Ehepartner oder Lebensgefährten aber auch andere von ihnen als Väter bezeichnete Männer verstanden.

Der Terminus „nahe Angehörige“ soll alle Personen erfassen, die gewöhnlich in einem Naheverhältnis zum Kind stehen und umfasst daher Verwandte in auf- und absteigender Linie wie in der Seitenlinie, jeweils bis zum 3. Grad sowie die Partner/innen von Elternteilen (Ehegatt(inn)en, Lebensgefährt(inn)en).

Zu § 5:

Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sind allen im Inland befindlichen werdenden Eltern, Familien, Kindern und Jugendlichen zu gewähren, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrer aufenthaltsrechtlichen Situation. Maßgeblich für die Gewährung der Leistungen ist das Vorliegen fachlicher Voraussetzungen wie der Bedarf nach Information und Beratung in Erziehungsfragen, die Gefährdung des Kindeswohls durch Vernachlässigung, Misshandlung, sexuelle Gewalt oder Ausbeutung, Kinderhandel oder die dauerhafte Abwesenheit von Eltern oder sonstigen mit der Obsorge betrauten Personen.

Der Übergang der örtlichen Zuständigkeit wird nur durch den Wechsel des Anknüpfungspunktes gemäß Abs. 1 ausgelöst. Hat etwa ein/e Minderjährige/r einen Wohnsitz in Österreich, bewirkt nicht schon die Änderung des (gewöhnlichen) Aufenthalts den Zuständigkeitsübergang. Wird der Ortswechsel durch eine Erziehungshilfe verursacht, tritt kein Zuständigkeitswechsel ein. Bei Gefahr im Verzug wird jener Kinder- und Jugendhilfeträger zuständig, in dessen Wirkungsbereich die Hilfe zu gewähren ist.

Jener Kinder- und Jugendhilfeträger der im Rahmen seiner Tätigkeit, vom Zuständigkeitswechsel erfährt, z. B. durch Mitteilung der Klient(inn)en oder anderer Auskunftspersonen, hat den anderen darüber zu informieren. Eine routinemäßige Kontrolle etwa durch Abfrage des Melderegisters ist nicht notwendig. Gibt es aber konkrete Anhaltspunkte, wie wiederholt fehlgeschlagene Hausbesuche, unzustellbare Poststücke, so sind einfache Erhebungen wie eine ZMR-Anfrage erforderlich.

Ist die örtliche Zuständigkeit übergegangen, sind alle Informationen über die Betroffenen in fachlich geeigneter Weise weiterzugeben. Nach Möglichkeit ist ein Übergabegespräch zwischen den hauptverantwortlichen Fachkräften zu führen.

Zu § 6:

Die Neuregelung stellt klar, dass sowohl öffentliche als auch private Kinder- und Jugendhilfeträger der Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich von Tatsachen des Privat- und Familienlebens, die Minderjährige mittelbar oder unmittelbar betreffen, unterliegen. Die Offenbarung von Tatsachen ist nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sie im überwiegenden Interesse der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen liegt, wobei stets eine Abwägung zwischen den relevanten Interessen zu treffen ist. Die Verschwiegenheitspflicht besteht nötigenfalls auch gegenüber den gesetzlichen Vertreter/innen von Minderjährigen. Würde z. B. durch die verfrühte Konfrontation eines Elternteils mit dem Vorwurf der Kindeswohlgefährdung der Druck auf die Kinder und Jugendlichen verstärkt, wodurch eine Aufdeckung und Hilfegewährung nicht möglich wäre, ist die Information über die diesbezüglichen Kenntnisse nicht zulässig.

Ein überwiegendes Interesse von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird immer dann vorliegen, wenn durch die Weitergabe der Informationen ihr Schutz vor (weiteren) Kindeswohlgefährdungen sichergestellt werden kann, z. B. in der Begründung eines Antrages auf Obsorgeentziehung, oder ihrem Wohl durch zielgerichtete Leistungen gedient und durch die Weitergabe wiederholte belastende Befragungen vermieden werden können. Gründe der „Verwaltungsvereinfachung“ oder wissenschaftliche Erkenntnisnotwendigkeiten genügen dafür nicht. Im Falle wissenschaftlicher Arbeiten ist nur eine anonymisierte Weitergabe von Daten zulässig.

Die Weitergabe von Informationen an Personen, die in keinem Rechtsverhältnis zu den Minderjährigen stehen und auch nicht in die Gefährdungsabklärung oder Leistungserbringung eingebunden sind, z. B. Nachbarn, die sich nach dem „Erfolg“ ihrer Gefährdungsmitteilung erkundigen, ist nicht zulässig.

Auf diese Weise soll der Vertraulichkeitsschutz sichergestellt werden, der für eine erfolgreiche Sozialarbeit – insbesondere bei der Abklärung einer möglichen Kindeswohlgefährdung – unabdingbar ist. Die Bestimmungen der Amtsverschwiegenheit sind für diese Zwecke nicht ausreichend. Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und deren Eltern müssen sich sicher sein, dass sie den Mitarbeiter/innen der Kinder- und Jugendhilfe auch ihre „Familiengeheimnisse“ anvertrauen können, ohne fürchten zu müssen, dass bald die örtliche Schule, Nachbarn, Verwandte usw. über ihre Verhältnisse Bescheid wissen. Erst dann werden sie bereit sein, offen über familiäre Probleme zu berichten und an deren Lösung mitzuwirken.

Um die Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu schützen, ist es auch notwendig, dass die Verschwiegenheitspflicht nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in der Kinder- und Jugendhilfe weiter besteht. Die Verschwiegenheitspflicht besteht jedoch nicht gegenüber Organisationseinheiten der Kinder- und Jugendhilfe, die im Rahmen der Fachaufsicht einen Einzelfall überprüfen oder auf die die örtliche Zuständigkeit übergegangen ist.

Zu § 7:

Korrespondierend zur Verschwiegenheitspflicht soll auch die Normierung von Auskunftsrechten das Vertrauen der betreuten Familien stärken. Die Klarheit über gesammelte Informationen soll das Entstehen von „Mythen“ über das vermutliche Wissen der Mitarbeiter/innen der Kinder- und Jugendhilfe verhindern.

Um die Ziele, die mit der Festlegung der Verschwiegenheitspflicht verfolgt werden, nicht zu gefährden, werden die Auskunftsrechte auf Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und deren Eltern sowie sonstige mit der Obsorge betraute Personen beschränkt, wobei diese jeweils ein eigenes, nicht abgeleitetes Recht haben, um Interessenskollisionen auszuschließen. Das Auskunftsrecht besteht auch weiter, wenn im Rahmen einer Erziehungshilfe gegen den Willen die Obsorge entzogen wird.

Auskünfte an Kinder und Jugendliche können an diese erteilt werden, sobald sie in der Lage sind, die konkreten Umstände zu verstehen und zu beurteilen. Sie sind in altersgemäßer Form zu erteilen. Ist ihnen die Kenntnis eines Umstandes aber aufgrund ihres Alters oder Entwicklungsstandes noch nicht zumutbar, ist ihnen die Information vorzuenthalten. Dies kann aber zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Mit Vollendung des 14. Lebensjahres wird das Vorliegen von Einsichts- und Urteilsfähigkeit vermutet, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte dagegen sprechen. Dann bestehen derartige Einschränkungen nicht mehr. Jedoch sind immer berücksichtigungswürdige überwiegende persönliche Interessen von Dritten – auch den Eltern – zu schützen. Dies können z. B. Mitteilungen der Eltern über die eigene Erziehung, Missbrauchs- oder Misshandlungserfahrungen sein, die für die Reflexion ihres Erziehungsverhaltens notwendig waren, bei einer späteren Weitergabe an ihre Kinder aber einen Eingriff in ihre persönlichen Interessen darstellen.

Die Grenze für das Auskunftsrecht von Eltern und sonstigen mit der Obsorge betrauten Personen ist die Gefährdung von Interessen der betreuten Kinder und Jugendlichen sowie der Schutz berücksichtigungswürdiger überwiegender persönlicher Interessen von Dritten. Würde z. B. die verfrühte Konfrontation der Eltern mit dem Missbrauchsverdacht den Druck auf das betroffene Kind erhöhen, dessen Kooperationsbereitschaft und damit die Schutzgewährung in Frage stellen, ist die Auskunft nicht zu erteilen.

Das Auskunftsrecht umfasst immer nur Tatsachen des eigenen Privat- und Familienlebens. Eine Auskunftserteilung an getrennt lebende Elternteile über die Familienverhältnisse ihrer Expartner/innen ist nicht zulässig.

Die Erteilung der Auskünfte kann sowohl mündlich als auch durch Einsicht in die entsprechenden Teile der Dokumentation gewährt werden.

Zu § 8:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000-DSG 2000) ist die Verwendung von personenbezogenen Daten, soweit sie nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, nur auf der Grundlage von Gesetzen erlaubt. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz von Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

Die gegenständliche Regelung versucht einen weitestgehenden Interessensausgleich zwischen dem Grundrecht auf Datenschutz, insbesondere hinsichtlich personenbezogener Daten betreffend das Privat- und Familienleben, und dem Schutz des Kindeswohles herzustellen. Daher wird bei der Ermächtigung zur Datenverwendung zwischen Verwendungszwecken, Personengruppen und Datenarten differenziert.

Die Regelung zur Datenverwendung bezieht sich auf automationsunterstützte und manuelle Daten in gleicher Weise.

Zur Identifikation soll in erster Linie das bereichsspezifische Personenkennzeichen gem. § 9 E‑Government-Gesetz verwendet werden. Die Sozialversicherungsnummer darf als Identifikator einer Person in Ausnahmefällen nur dann verwendet werden, wenn kein bereichsspezifisches Personenkennzeichen verfügbar ist, bzw. nicht errechnet werden kann.

Daten über die Gesundheit werden für die Beurteilung der Eignung zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen benötigt und umfassen daher in erster Linie Krankheiten, die die Betreuungsfähigkeit einschränken, oder – wenn sie nahe Angehörige betreffen – einen hohen Betreuungsaufwand erfordern, sowie anzeigepflichtige Krankheiten gemäß § 1 Epidemiegesetz.

Daten betreffend strafrechtliche Verurteilungen sind ebenfalls für die Beurteilung der Eignung zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen notwendig, wobei insbesondere solche Strafdaten relevant sind, die eine Gefährdung der betreuten Kinder und Jugendlichen erwarten lassen wie (schwerer) sexueller Missbrauch oder Körperverletzungsdelikte.

Die ZVR-Zahl ist die Zentrale Vereinsregister-Zahl im Sinne des § 18 Abs. 3 Vereinsgesetz 2002.

Mit der Weitergabe bestimmter Daten an andere Kinder- und Jugendhilfeträger ist sowohl der Datenaustausch zwischen den einzelnen Jugendämtern als auch zwischen den Kinder- und Jugendhilfeträgern verschiedener Bundesländer gemeint.

Bei der Datenübermittlung an Gerichte ist im Einzelfall sicherzustellen, dass nur jene Daten übermittelt werden, die für das jeweilige gerichtliche Verfahren relevant sind.

Nach den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000 dürfen Daten nur solange aufbewahrt werden, als dies erforderlich ist. Die Erforderlichkeit, gesammelte Daten aufzubewahren, ist dann nicht gegeben, wenn Daten auf Vorrat gesammelt werden, weil sie zu einem unbestimmten Zeitpunkt zu einem noch nicht bestimmbaren Zweck gebraucht werden könnten.

Zu § 9:

Ziel einer schriftlichen Dokumentation der Leistungserbringung ist es, die einzelnen Schritte und Entscheidungen nachvollziehbar festzuhalten. Dies dient der Überprüfbarkeit der Leistungserbringung im Rahmen der Fachaufsicht ebenso, wie der Arbeitserleichterung im Falle eines Personalwechsels, der urlaubs- oder krankheitsbedingten Vertretung, oder eines Wechsels des örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträgers sowie der Vereinfachung der interdisziplinären Zusammenarbeit.

In Abs. 2 und 3 sind nur die notwendigsten Inhalte der Dokumentation im Sinne von Mindeststandards festgeschrieben. In die Dokumentation sind jedoch alle Informationen und Schriftstücke einzubeziehen, die in einem individuellen Fall für fachliches Handeln wichtig sind z. B. auch psychologische oder psychiatrische Gutachten, Beschlüsse und Urteile der Zivil- und Strafgerichte.

Unter organisatorischen Vorkehrungen zum Schutz von Geheimhaltungsinteressen sind technische Maßnahmen bei elektronischer Dokumentation wie die Beschränkung der Zugriffsrechte, die Protokollierung erfolgter Zugriffe und Veränderungen oder  die verschlüsselte Datenübertragung sowie Maßnahmen  bei schriftlicher Dokumentation wie sichere Verwahrung von Aktenstücken oder der bescheinigte Postversand zu verstehen.

Beim Wechsel der örtlichen Zuständigkeit bzw. der Gewährung von Erziehungshilfen durch den örtlich nicht zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger im Falle von Gefahr im Verzug verbleiben in der Dokumentation des bisher zuständigen bzw. örtlich unzuständigen Kinder- und Jugendhilfeträgers nur die Angaben über Name und Geburtsdatum der betroffenen Kinder,  Jugendlichen und jungen Erwachsenen, den Zeitraum der Leistungserbringung und den Kinder- und Jugendhilfeträger, an den die Zuständigkeit übergegangen ist.

2. Hauptstück

Zu § 10:

Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung sind Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe die Länder. Im Sinne der den Ländern seit der B-VGNov 1974 zukommenden Organisations-hoheit ist es der Landesgesetzgebung vorbehalten, in ihrem Bereich zu bestimmen, welche Organisationseinheiten welche Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe zu erfüllen haben. Sie kann sich dabei Einheiten der allgemeinen Verwaltung ebenso bedienen wie spezialisierten Einrichtungen.

Die Erbringung von Leistungen kann auch privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen übertragen werden, sofern es sich nicht um hoheitliche Tätigkeiten handelt oder die Leistung dem öffentlichen Träger explizit vorbehalten ist. Die Entscheidung darüber treffen die Kinder- und Jugendhilfeträger nach fachlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Überlegungen. Ein – wenn auch nur allgemein formulierter – Vorrang privater Träger besteht nicht mehr.

Zu § 11:

Die Eignung ist immer nur für jene Leistung zu prüfen, für die die private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung auch tatsächlich herangezogen  werden soll.

Private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen unterliegen der Fachaufsicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers. Bei mangelhafter Leistungserbringung bzw. Nichtbeseitigung von Mängeln kann die Anerkennung als private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung bescheidmäßig entzogen werden.

Zu § 12:

Eines der zentralen Kriterien für die Erbringung qualitativer Leistungen für werdende Eltern, Familien, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und damit auch für die Gewährleistung des Kindeswohls ist die Beschäftigung von Fachkräften, die für den jeweiligen Fachbereich ausgebildet und geeignet sind und im Rahmen einer Berufseingangsphase auch entsprechend eingeschult wurden. Die Befähigung der Fachkräfte ist auch durch regelmäßige Fort- und Weiterbildung sowie Super- oder Intervision zu fördern.

Neben der persönlichen Eignung und der fachlichen Ausbildung spielt auch die Anzahl der eingesetzten Fachkräfte für die Qualität der Leistungserbringung eine wesentliche Rolle. Daher sind bei der Festlegung allfälliger allgemeiner Betreuungsschlüssel in erster Linie fachliche Aspekte unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu berücksichtigen.

Da diese Anforderungen laufenden Änderungen und Weiterentwicklungen unterliegen, werden diese Kriterien nicht im gegenständlichen Gesetzentwurf bestimmt, sondern sind in geeigneter, rechtlich verbindlicher Form sowohl für Kinder- und Jugendhilfeträger als auch für private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen festzulegen.

Fachliche Standards für die Leistungserbringung haben unter anderem Angaben über Handlungsabläufe, und Anforderungen an (interdisziplinäre) Entscheidungen, in die Fachkräfte und Betroffene einzubeziehen sind, zu enthalten. Sie sind in geeigneter Weise sowohl für Mitarbeiter/innen der öffentlichen wie der privaten Kinder- und Jugendhilfe rechtlich verbindlich zu machen z. B. durch Dienstanweisungen, Qualitätshandbücher u.ä.

Zu § 13:

Die Kinder- und Jugendhilfe braucht kurz-, mittel- und langfristige Konzepte, damit sie ihre Aufgaben bedürfnisorientiert, zielgerichtet und wirksam erfüllen kann. Planung umfasst die systematische Erarbeitung von Zielen und die gedankliche Vorwegnahme solcher Handlungsabfolgen, die eine bestmögliche Verwirklichung der Ziele erwarten lassen. Diese Planung hat die Gesamtheit aller Dienste und Leistungen der öffentlichen wie privaten Kinder- und Jugendhilfe einzubeziehen und auch die entsprechende budgetäre Vorsorge zu treffen.

Die Planung hat zukunftsorientiert zu erwartende Trends in der Bevölkerung wie die Entwicklung der Kinderzahlen, Familienformen (Alleinerziehende, Patchworkfamilien etc.) und familiären Netzwerke aber auch gesamtgesellschaftliche Problemfelder z. B. Armut, Verschuldung, legaler und illegaler Drogenkonsum, Kriminalität zu beobachten und mit entsprechenden Konzepten darauf zu reagieren.

In diese strukturellen Überlegungen sind Ergebnisse der allgemeinen Sozial- und Familienforschung ebenso einzubeziehen wie die Forschungserkenntnisse gemäß § 14.

Zu § 14:

Als Grundlage für wirkungsorientierte Planung und die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe werden sowohl Erkenntnisse über das Ausmaß der Zielerreichung durch eingesetzte Angebote und Leistungen als auch Wissen über die Auswirkungen der gesetzten Maßnahmen auf das Wohl und die Entwicklung der betreuten Kinder und Jugendlichen benötigt. Dieses soll durch entsprechende Forschungsarbeiten geliefert werden.

Die Forschungsarbeiten sollen primär die Effizienz der Interventionen der Kinder- und Jugendhilfe prüfen sowie outcome-, praxis- und zielgruppenorientiert sein. Ebenso ist ein Vergleich mit wissenschaftlichen Arbeiten aus dem EU-Ausland anzustreben.

Da viele forschungsrelevante Fragen sich nicht auf den Zuständigkeitsbereich eines Kinder- und Jugendhilfeträgers beschränken, ist eine Zusammenarbeit mehrerer Länder, in die auch Universitäten einzubeziehen sind, anzustreben, um Synergien zu nutzen und Ressourcen zu bündeln.

Zu § 15:

Eine weitere Voraussetzung für seriöse Planung und wirkungsorientierte Steuerung ist die Kenntnis der zahlenmäßigen Inanspruchnahme von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Weiters bestehen vermehrt völkerrechtliche Verpflichtungen Österreichs über Maßnahmen, die Kindern und Jugendlichen zugute kommen, einschließlich deren zahlenmäßiger Relevanz, zu berichten, z. B. Staatenbericht gemäß Art. 44 KRK.

Dafür sollen die in Abs. 1 Z 1 bis 10 aufgezählten zentralen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe statistisch erhoben werden. Ziel einer taxativen Aufzählung ist es, eine Grundlage für eine bundesweite Zusammenarbeit aller Kinder- und Jugendhilfeträger und des Bundes zu schaffen. Weitere Details wie Stichtag oder Abgrenzungsfragen sind in der Folge auszuhandeln.

Das Erfordernis zur Aufschlüsselung der Daten nach Alter und Geschlecht im Abs. 2 entspricht den internationalen Anforderungen, die an Österreich u.a. bei der Erstellung des Staatenberichts gemäß Art. 44 KRK gestellt werden. Auf die Erfassung der ethnischen Herkunft, die international regelmäßig gefordert wird, wurde aufgrund der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens verzichtet.

Auch in diesem Bereich sollen durch eine Zusammenarbeit aller Länder und des Bundes Synergien genutzt und (finanzielle) Ressourcen gebündelt werden.

Zu § 16:

Abs. 1 formuliert wie bisher eine Verpflichtung des Kinder- und Jugendhilfeträgers, Soziale Dienste im erforderlichen Ausmaß zur Verfügung zu stellen, wobei für Art und Umfang insbesondere die Planung gemäß § 13 maßgeblich ist.

Die Nutzer/innen Sozialer Dienste entscheiden nach eigenem Ermessen, ob und wie lange bzw. welche Dienste sie in Anspruch nehmen.

Unter ambulanten Diensten sind alle unterstützenden Dienste zu verstehen, die keine Entfernung von Kindern und Jugendlichen aus der Familie beinhalten. Stationäre Dienste sind solche, bei denen Kinder und Jugendliche außerhalb ihrer Familie bzw. ihres sonstigen bisherigen Wohnumfeldes untergebracht sind.

Die Aufzählung der Sozialen Dienste für werdende Eltern, Familien, Kinder und Jugendliche ist eine demonstrative, da diese Dienste immer den Problemlagen der Bevölkerung entsprechend bedürfnisorientiert anzubieten sind. Eine laufende Weiterentwicklung, Erweiterung aber auch Reduktion sollen möglich sein.

Angebote zur Förderung von Pflege und Erziehung in Familien können Information zu förderlichem Erziehungsverhalten, die Wissensvermittlung über altersgemäße Entwicklung, förderliche Erziehungsstile, Reflexion der eigenen Erziehungsziele, den Erfahrungsaustausch aber auch konkrete Tipps zur Bewältigung des Erziehungsalltages und Erziehungsberatung umfassen. Diese erfolgt vor allem in Elternbildungsveranstaltungen, Elternschulen, Eltern-Kind-Zentren und Erziehungsberatungsstellen.

Hilfen zur Bewältigung von familiären Problemen bieten Familien in problematischen Lebenslagen Hilfe zur Selbsthilfe. Beratung besteht in der Problemanalyse, in der Information über zur Verfügung stehende Lösungsmöglichkeiten, in der Unterstützung bei der Entscheidungsfindung, in der Hilfe zur Umsetzung der getroffenen Entscheidung und in der Festigung der notwendigen Verhaltensänderung. Die Beratung konzentriert sich auf Erziehungsfragen und Problemfelder im familiären Kontext und grenzt sich von der Beratung zu Fragestellungen über andere Lebensbereiche, wie z. B. Bildungs- und Berufsberatung oder Schuldnerberatung, ab.

Hilfen für Familien in Krisensituationen sind dem Charakter der Krise entsprechende Unterstützungsangebote, die die Betroffenen dazu befähigen, die Situation zu bewältigen, um danach soweit wie möglich wieder selbst ihre Aufgaben und ihre Verantwortung innerhalb der Familie wahrzunehmen. Schwierige Situationen können unter anderem durch die Erkrankung oder den Tod eines Elternteiles, die physische, psychische oder sonstige Überlastung sowie Ausfall der Betreuungspersonen oder die Geburt eines behinderten Kindes entstehen. Mit beraterischen und therapeutischen Interventionen wird an den gewünschten oder notwendigen Veränderungen oder Zielen gearbeitet. Sie sind im Allgemeinen ein zeitlich begrenztes Angebot.

Hilfen für Kinder und Jugendliche in Problemsituationen können traditionelle Dienste wie Informations- und Beratungsangebote aber auch besonders niederschwellige Hilfen wie Streetwork, Notschlafstellen und vergleichbare Einrichtungen umfassen. Sie unterstützen Kinder und Jugendliche dabei, neue Perspektiven und Orientierung zu finden und aktuelle Problemsituationen zu bewältigen. Durch besonders niederschwellige Hilfen können Problemgruppen frühzeitig angesprochen werden, die mit traditionellen Diensten nicht oder viel zu spät erreicht werden können.

Sowohl für Pflegepersonen als auch für Adoptivwerber und Adoptivwerberinnen sind Aus- und Fortbildungen anzubieten. Diese sollen sie auf die besonderen Herausforderungen einer Pflege- bzw. Adoptivfamilie vorbereiten, sie unterstützen und die Möglichkeit zur Reflexion über ihre Motive und Erziehungsziele bieten.

Für Soziale Dienste können dem Aufwand des Angebots entsprechende Entgelte eingehoben werden. Bei der Festsetzung derselben ist einerseits darauf zu achten, dass finanzschwache Personen/Familien von der Teilnahme nicht ausgeschlossen werden und andererseits das Vertrauen der Bevölkerung in die Qualität der Leistung gestärkt wird.

Zu § 17:

Unter sozialpädagogischen Einrichtungen sind alle Angebote zusammengefasst, die eine vorübergehende oder auch längerfristige Entfernung der Kinder und Jugendlichen aus dem bisherigen Familienverband oder Wohnumfeld erfordern, wobei darauf abzustellen ist, dass der Schwerpunkt der Erziehungsarbeit in der Einrichtung erfolgt.  Eine im Konzept vorgesehene regelmäßige Übernachtung im elterlichen Haushalt oder (ausgedehnte) Besuchswochenenden bei Verwandten ändern daran nichts. Davon nicht umfasst sind Einrichtungen des Bildungswesens, der Justiz, des Gesundheitswesens, der Obdachlosenhilfe sowie Kinderbetreuungseinrichtungen im Sinne der jeweiligen Landesgesetze.

Um den Bedürfnissen und unterschiedlichen Problemlagen der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden, hat eine Differenzierung der Angebote stattzufinden, wobei im Rahmen der Planung auch dafür Sorge zu tragen ist, dass die Plätze im erwarteten Ausmaß vorhanden und kurzfristig verfügbar sind. Die Aufzählung im Abs. 4 ist eine demonstrative, die die derzeit bestehenden Formen erwähnt. Eine Erweiterung ist aber im Sinne einer bedarfsorientierten Weiterentwicklung der Angebote möglich.

Für den Betrieb einer sozialpädagogischen Einrichtung ist eine behördliche Genehmigung erforderlich. Eine Eignung ist nur gegeben, wenn die Einrichtung über ein fachlich fundiertes pädagogisches Konzept, die erforderliche Anzahl an für ihre Aufgaben ausgebildeten Fachkräften (z. B. Sozialpädagog(inn)en), ausreichend Hilfskräfte, geeignete Räumlichkeiten sowie die entsprechenden wirtschaftlichen Voraussetzungen verfügt. Organisation und Finanzplanung können auch von einer übergeordneten Administration, die für mehrere Dienste zuständig ist, übernommen werden.

Im Bewilligungsverfahren, bei der Aufsicht und der Leistungserbringung trifft die Betreiber eine Verpflichtung zur Kooperation mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger.

Zu § 18:

Zentrales Element bei der Definition des Begriffs Pflegekind ist der Umstand, dass diese Pflegekinder nicht von ihren leiblichen Eltern, Adoptiveltern oder anderen mit Pflege und Erziehung betrauten natürlichen Personen gepflegt und erzogen werden und diese Betreuung auf Dauer ausgerichtet ist. Die vorübergehende Unterbringung bei anderen Personen z. B. für die Dauer eines kurzen Spitalsaufenthalts bzw. einer Reise oder die regelmäßige Betreuung durch Tagesmütter/-väter erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Kinder und Jugendliche, die durch nahe Verwandte im Sinne des § 4 betreut werden, gelten nur als Pflegekinder, wenn die Fremdunterbringung im Rahmen der vollen Erziehung erfolgt ist.

Wie auch bisher, unterscheidet sich die Definition der Pflegekinder und Pflegepersonen im Kinder- und Jugendhilferecht von jener des Bürgerlichen Rechts und ist nur im Anwendungsbereich dieses Gesetzes maßgeblich.

Zu § 19:

Pflegeverhältnisse, die auf Initiative des Kinder- und Jugendhilfeträgers zur Fremdunterbringung von gefährdeten Kindern begründet werden, bedürfen wie bisher keiner bescheidmäßigen Bewilligung. Die Eignung der in Betracht kommenden Personen – nahe Verwandte ebenso wie sonstige Personen – ist jedoch nach fachlichen Kriterien zu überprüfen. Dabei sind, im Sinne einer gesamtheitlichen Sicht, die verschiedenen Aspekte körperlicher und geistiger Eignung zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Erziehungsschwierigkeiten und Traumatisierungen sowie das familiäre Umfeld der Pflegepersonen einzubeziehen sowie die geplante Dauer der Unterbringung und die individuellen Bedürfnisse des Kindes zu berücksichtigen. Bei der Eignungsbeurteilung naher Verwandter sind auch das emotionale Verhältnis und die Bindung, die durch die nahe Verwandtschaft begründet sind, zu berücksichtigen.

Zur Beurteilung dieser Umstände ist die Kenntnis über Tatsachen des Privat- und Familienlebens, der physischen und psychischen Gesundheit, der Wohnverhältnisse sowie allfälliger Vorstrafen der Pflegepersonen u.ä. notwendig, weshalb sie zur Auskunft über diese Tatsachen, zur Vorlage von Urkunden und Attesten sowie zur Duldung der Besichtigung ihrer Wohnräume zu verpflichten sind. Da Pflegekinder auch mit den im Haushalt lebenden Angehörigen der Pflegepersonen zusammenwohnen sollen, sind diese Informationen auch für diesen Personenkreis erforderlich. Für die Vorgehensweise bei der Beurteilung sind fachliche Standards festzulegen, die Fehleinschätzungen weitgehend ausschließen sollen.

Um eine bestmögliche Betreuung von Kindern und Jugendlichen durch Pflegepersonen zu gewährleisten, haben diese Schulungen zu absolvieren, die sie auf die besonderen Herausforderungen mit einem Pflegekind vorbereiten, sie bei der Bewältigung derselben unterstützen und Möglichkeiten zur Reflexion über Motive und Erziehungsziele bieten sollen. Inhalte und Umfang der Lehrgänge sind in rechtsverbindlicher Form vom Kinder- und Jugendhilfeträger festzulegen, wobei eine bundesweite Harmonisierung anzustreben ist.

Die Befähigung der Pflegepersonen soll auch durch regelmäßige Fort- und Weiterbildung sowie Super- oder Intervision erhalten bleiben. Hilfen zur Festigung des Pflegeverhältnisses dienen der Unterstützung der Beziehung zwischen Pflegepersonen und Pflegekindern.

Zu § 20:

Das Pflegekindergeld ist auch weiterhin eine Sozialleistung und kein Entgelt, weshalb auch zukünftig keine Einkommens- oder Umsatzsteuerpflicht entsteht.

Die Pauschalierung des Pflegekindergeldes anstelle einer Abgeltung des individuellen Aufwands dient der Gleichbehandlung von Pflegepersonen und Pflegekindern, weshalb auch eine bundesweite Harmonisierung der Höhe des Pflegekindergeldes anzustreben ist.

Bei der Festlegung des Pflegekindergeldes sind der altersgemäße Betreuungsaufwand und sonstige mit Pflege und Erziehung verbundene Lasten zu berücksichtigen. Dies beinhaltet insbesondere die Einbeziehung von durchschnittlichen Kosten für eine altersgerechte Versorgung mit Nahrung, Kleidung, Wohnen, Transport, Bildung und Freizeitgestaltung. Den speziellen Bedürfnissen von Pflegepersonen, die in der Krisenunterbringung eingesetzt werden, ist Rechnung zu tragen.

Den Pflegepersonen soll auch die Möglichkeit einer sozialversicherungsrechtlichen Absicherung geboten werden. Die Fortsetzung und Weiterentwicklung entsprechender Modelle obliegt den Kinder- und Jugendhilfeträgern, wobei im Hinblick auf die zunehmende Mobilität der Pflegepersonen eine bundesweite Harmonisierung anzustreben ist.

Damit die Unterbringung bei nahen Verwandten nicht an finanziellen Fragen scheitert, kann ein Pflegebeitrag gewährt werden. Dieser kann maximal die Höhe des Pflegekindergeldes erreichen, wobei soziale Verhältnisse (Einkommen, Vermögen, Schulden, eigene Sorgepflichten) aber auch allfällige Unterhaltspflichten (Großeltern) zu berücksichtigen sind. Auch der Pflegebeitrag ist eine Sozialleistung und kein Entgelt, weshalb auch keine Einkommens- oder Umsatzsteuerpflicht entsteht.

Zu § 21:

Im Begutachtungsverfahren hat sich gezeigt, dass auch bei der Begründung von Pflegeverhältnissen durch die Eltern oder sonstigen mit Pflege und Erziehung betrauten Personen ein rechtspolitisches Bedürfnis nach Kinderschutz besteht und diese Pflegeverhältnisse wie auch bisher eine Bewilligung erhalten sollen. Eingeschränkt wurde jedoch die Altersgruppe der Pflegekinder, für die diese notwendig ist. Die behördliche Überprüfung soll nur noch für die Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendete 14. Lebensjahr gelten, da seit dem KindRÄG 2001 Jugendliche über 14 in Angelegenheiten von Pflege und Erziehung selbständig das Pflegschaftsgericht anrufen können und damit der Kinderschutz gewährleistet ist. Bislang war die Altersgrenze 16, obwohl bis 2001 keine Befassung des Gerichts durch die Jugendlichen selbst möglich war. Nicht bewilligungspflichtig ist auch weiterhin die privat vereinbarte Betreuung durch nahe Verwandte.

Um dem Kinder- und Jugendhilfeträger Kenntnis über die Begründung privater Pflegeverhältnisse zu verschaffen, wurde eine Mitteilungspflicht eingeführt.

Die Eignungsfeststellung erfolgt in hoheitlicher Form durch Bescheid. Die fachlichen Kriterien dafür sind mit jenen für die Eignungsbeurteilung von Pflegepersonen in der vollen Erziehung vergleichbar. Es besteht auch die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Eignungsbeurteilung und Aufsicht.

Zu § 21a:

Der öffentlichen Jugendwohlfahrt kommt die allgemeine Aufgabe zu, die Familie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in der Pflege und Erziehung zu unterstützen und Hilfen für die Betreuung von Kindern anzubieten.

Die Angebote der Tagesbetreuung sollen Eltern die Möglichkeit der regelmäßigen Betreuung und Beaufsichtigung für einen Teil des Tages bieten, wobei der maßgebliche erzieherische Einfluss den Erziehungsberechtigten zukommt.

Vorschulische Bildungsangebote sowie schulbegleitende Betreuungsangebote sind von der gegenständ­lichen Regelung nicht umfasst, sondern werden durch die Bundesländer im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 14 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (Kindergarten- und Hortwesen) geregelt.

Bewilligungspflichtig sollen nur solche Betreuungsangebote sein, die Betreuung Minderjähriger regel­mäßig und entgeltlich anbieten. Auf die Erzielung eines Gewinns kommt es dabei nicht an.

Hinsichtlich jener Betreuungsangebote, die von Eltern nicht regelmäßig in Anspruch genommen werden (z. B. Babysitter), oder die nicht entgeltlich angeboten werden (z. B. kurzzeitige Beaufsichtigung von Kindern in Einkaufszentren), bzw. der Betreuung innerhalb des Familienkreises, besteht kein Regelungsbedarf.

Die Festlegung der Bewilligungsvoraussetzungen, z. B. personelle und sachliche Ausstattung von Einrichtungen, Ausbildung und Qualifikation von Betreuern/innen, obliegt der Landesgesetzgebung, welche hierbei auf die regionalen Verhältnisse Bedacht zu nehmen hat. Tagesmüttern/-vätern können auch weiterhin allgemeine Bewilligungen erteilt werden.

Zu § 22:

Mitteilungen von Fachkräften, die gemäß § 37 oder aufgrund berufsrechtlicher Vorschriften zur Mitteilung über Kindeswohlgefährdungen verpflichtet sind, lösen die umgehende Verpflichtung zur Überprüfung aus. Bei Mitteilungen Dritter trifft diese nur zu, wenn die Angaben konkret sind und glaubhaft erscheinen. Dabei sind das Verhältnis der mitteilenden Person zum/zur Minderjährigen sowie die vorgebrachten Angaben im Einzelfall in Betracht zu ziehen.

„Umgehend zu überprüfen“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger möglichst rasch tätig werden muss. Für die Beurteilung, wann konkrete Überprüfungsschritte zu setzen sind, sind Inhalt und Dringlichkeit des gemeldeten Verdachts einerseits sowie Inhalt und Dringlichkeit anderer Tätigkeiten andererseits und die Wertigkeit der betroffenen Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen. Legt die Meldung eine erhebliche Kindeswohlgefährdung nahe, ist soweit irgend möglich am selben oder nächsten Arbeitstag mit der Überprüfung zu beginnen.

Ziel der Gefährdungsabklärung ist die Einschätzung, ob eine Gefährdung von Kindern und Jugendlichen vorliegt. Dabei müssen fachliche Standards (§ 11 Abs. 4) eingehalten und die einzelnen Verfahrensschritte und die daraus gewonnenen Erkenntnisse dokumentiert werden. In Abs. 3 sind die wesentlichsten Erkenntnisquellen aufgezählt, wobei aber auch andere nach der Sachlage des Falles zweckdienliche Erkundigungen eingeholt werden können. Dem Gespräch mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen wird dabei zentrale Bedeutung zukommen, es sei denn, dass sie aufgrund ihres Alters (Babys, Kleinstkinder) oder ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage sind, relevante Angaben zu machen. Bei jüngeren Kindern wird eine pädiatrische Untersuchung, bei noch nicht schulpflichtigen Kindern ein Hausbesuch unerlässlich sein. Nötigenfalls kann auch eine Fallkonferenz mit mehreren in den Fall involvierten Fachleuten durchgeführt werden.

Um eine möglichst umfassende Kenntnis über relevante Umstände zu gewährleisten, sind Personen, die eine Mitteilungspflicht bei Verdacht der Kindeswohlgefährdung trifft, zur Auskunftserteilung verpflichtet. Eine Berufung auf Verschwiegenheitspflichten oder vertragsrechtliche Vertrauensverhältnisse ist nicht zulässig, da bei einer Güterabwägung der Gewährleistung des Kindeswohls und dem Schutz der betroffenen Kinder und Jugendlichen gegenüber Geheimhaltungsinteressen der Vorzug zu geben ist.

Mit dem Vieraugenprinzip wird die höchstmögliche Sicherheit für eine zutreffende Einschätzung der Gefährdungssituation angestrebt. Dieses kann nur außer Acht gelassen werden, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalles eine Gefährdungseinschätzung durch mindestens zwei Fachkräfte  aufgrund der besonderen Dringlichkeit der Entscheidung nicht möglich ist oder nicht erforderlich ist. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass die beiden Fachkräfte alle der Gefährdungseinschätzung vorangegangenen Überprüfungsschritte gemeinsam gesetzt haben.

Wenn in der ersten Phase der Abklärung die Situation des Kindes in der Familie als zu riskant eingestuft wird, wird das betroffene Kind bereits während der Gefährdungsabklärung in einer Krisenpflegefamilie oder einer Betreuungseinrichtung für Notsituationen untergebracht. Für diese Entscheidung gelten die gleichen fachlichen Kriterien wie für die gesamte Abklärung (Vieraugenprinzip, Dokumentation etc).

Zu § 23:

Im Anschluss an die Gefährdungsabklärung, bei der eine konkrete Gefährdungseinschätzung vorgenommen wurde, und die soziale Anamnese, ist ein Hilfeplan für die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Familien zu erarbeiten. Dabei sind Ziele zu definieren und Hilfen auszuwählen, die für die Zielerreichung und das Wohl der betroffenen Kinder und Jugendlichen am aussichtsreichsten erscheinen.

Bei der Arbeit mit Menschen und sozialen Systemen kann nicht mit Bestimmtheit vorausgesehen werden, wie die Wirkung sein wird, ob die angestrebten Ziele durch die getätigten Interventionen erreicht werden können und wie lange die einzelnen Prozessphasen und der gesamte Hilfeprozess dauern werden. Dies spielt bei der Hilfeplanung und der Bewertung von Hilfen eine Rolle. Rückkoppelungsschleifen zu vorherigen Prozessen sind durchzuführen, wenn es das Fallgeschehen verlangt. Das vereinfachte Ursache-Wirkungsprinzip trifft bei sozialen und psychischen Systemen nicht zu, da diese zu komplex und nicht vollkommen durchschaubar und berechenbar sind.

Daher sind die Zielerreichung durch die gewählten Hilfen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und nötigenfalls sowohl die Zieldefinition als auch die Wahl der Hilfen anzupassen. Bei der Wahl der Hilfen sind Erfordernisse zur Sicherung des Wohles von Kindern und Jugendlichen einerseits und die Eingriffe in das Familienleben und die Erziehungsrechte andererseits im Sinne einer Rechtsgüterabwägung gegenüberzustellen. Es ist jedoch darauf hinzuwirken, dass in familiäre Verhältnisse so wenig und so kurz wie möglich eingegriffen wird.

Bei der Wahl der Hilfen ist auf die Aktivierung bzw. den Erhalt von Selbsthilfepotential hinzuwirken. Lokale Netzwerke mit Familienmitgliedern, Freund(inn)en, Schulkolleg(inn)en und sonstigen Bezugspersonen sind zu erhalten und zu fördern.

Durch das multidisziplinäre Zusammenwirken unter Leitung der fallführenden Sozialarbeiter/innen soll eine bestmögliche Planung von Hilfen mit größtmöglicher Zielerreichung gewährleistet werden.

Auch in der Hilfeplanung gilt das Vier-Augen-Prinzip. Dieses kann nur außer Acht gelassen werden, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalles eine Entscheidung durch mindestens zwei Fachkräfte aufgrund der besonderen Dringlichkeit der Entscheidung nicht möglich ist oder nicht erforderlich ist.

Zu § 24:

Art. 12 KRK sichert Kindern und Jugendlichen, die fähig sind, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen sie berührenden Angelegenheiten frei zu äußern und verpflichtet die Vertragsstaaten, diese Meinung angemessen und dem Alter und der Reife entsprechend zu berücksichtigen. Demnach sind Kinder und Jugendliche – den oben genannten Grundsätzen folgend – in die Hilfeplanung gemäß § 23 einzubeziehen.

Gleiches gilt für ihre Eltern oder andere mit Pflege und Erziehung betraute Personen, denen durch die österreichische Rechtsordnung die primäre Verantwortung für das Wohl ihrer Kinder übertragen wurde und denen Art. 8 MRK den Schutz ihres Privat- und Familienlebens garantiert.

Daraus folgt, dass Kinder, Jugendliche, Eltern oder andere mit Pflege und Erziehung betraute Personen in einer für sie verständlichen Sprache über die getroffene Gefährdungseinschätzung, die zu erwartenden Entwicklungen sowie über die Art, den Umfang und die Wirkungsweise der vorgeschlagenen Hilfen informiert und in die Auswahl derselben einbezogen werden. Eine verständliche Sprache bedeutet Formulierungen ohne Fachbegriffe, die dem Bildungsniveau und dem Alter entsprechen, eventuell ist eine Beratung in der Muttersprache in Betracht zu ziehen. Es ist auf eine konsensuale Festlegung der Ziele und Hilfen hinzuarbeiten. Bei der Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen ist auf deren Alter, Reife und Einsichtsfähigkeit in die vorliegende Problematik durch einfühlsame Gespräche und kindgerechte Settings besonders Bedacht zu nehmen. Soweit ihr Wohl aber durch die Beteiligung gefährdet wäre, sind sie nicht zu beteiligen.

Zu § 25:

Die Unterstützung der Erziehung stellt im Vergleich zur vollen Erziehung den geringeren Eingriff in die familiären Verhältnisse und die Obsorgerechte der Eltern und sonstigen Personen dar, weshalb dieser der Vorzug zu geben ist, sofern die bestehende Kindeswohlgefährdung dadurch abgewendet werden kann. Die Prognoseentscheidung ist im Rahmen der Hilfeplanung nach den diesbezüglichen fachlichen Standards zu treffen.

Unterstützung der Erziehung kann auch im Anschluss an eine volle Erziehung zur Sicherung der erzielten Erfolge oder ergänzend zur vollen Erziehung zur Vorbereitung der Rückführung gewährt werden.

Im Abs. 2 sind demonstrativ einige wichtige Formen der Unterstützung aufgezählt. Da sich die gewährten Hilfen aber am Kindeswohl und dem konkreten Hilfebedarf orientieren, kommen auch andere Formen in Betracht. Unter ambulante Hilfen sind sowohl jene Angebote zu verstehen, die als Soziale Dienste zur Verfügung stehen, als auch Angebote, die speziell für die Gewährung von Unterstützung der Erziehung bereitgestellt werden.

Zu § 26:

Gemäß Art. 20 KRK haben die Vertragsstaaten die Pflicht, Kindern und Jugendlichen, die nicht in ihrer familiären Umgebung leben können, besonderen Schutz zu gewähren und dafür zu sorgen, dass sie auf eine andere Art und Weise, z. B. durch eine Pflegefamilie oder in einer Betreuungseinrichtung, versorgt werden. Bei der Wahl dieser Betreuung sind die Kontinuität der Erziehung von Kindern und Jugendlichen sowie ihre ethnische, religiöse, kulturelle und sprachliche Herkunft gebührend zu berücksichtigen.

Volle Erziehung kommt immer dann in Betracht, wenn aufgrund des festgestellten Gefährdungspotentials ein Verbleib in der Familie nicht möglich ist. Die Wahl der Betreuungsform ist im Rahmen der Hilfeplanung (§ 23) unter Berücksichtigung vorhandener Bindungen, bestehender Verhaltensauffälligkeiten, psychischer und physischer Traumata sowie der zu erwartenden Wirkungsweisen der Hilfen nach fachlichen Standards zu treffen. Die Aufzählung der Betreuungsformen im Abs. 2 (Verwandtenpflege, Pflegepersonen, sozialpädagogische Einrichtung) ist nicht taxativ, sondern ist entsprechend dem Hilfebedarf erweiterbar z. B. Einrichtungen der Behindertenhilfe oder der Grundversorgung. Kinder, Jugendliche, Eltern oder andere mit Pflege und Erziehung betraute Personen sind in diese Entscheidung angemessen miteinzubeziehen (§ 24).

Die Wahl der Betreuungsform soll sich vor allem daran orientieren, welches Setting eine angemessene soziale, emotionale, physische und psychische Entwicklung der betroffenen Kinder und Jugendlichen erwarten lässt. Dabei ist auch in Betracht zu ziehen, dass Beziehungsabbrüche möglichst durch vorausschauende Entscheidungen hintanzuhalten sind. Ist etwa zu erwarten, dass betagte Großeltern die bevorstehenden Herausforderungen in absehbarer Zeit nicht mehr bewältigen könnten, aber eine dauerhafte Fremdunterbringung notwendig, wird eine andere Form der Unterbringung dem Kindeswohl besser dienen.

Auf die Normierung einer Rangfolge zwischen den Betreuungsformen wurde verzichtet, um die ausschließliche Orientierung am individuellen Kindeswohl zu ermöglichen. Sonst entspricht diese Norm inhaltlich dem bislang geltenden Recht. Geändert wurde vor allem die Terminologie.

Zu § 27:

Weil die Vereinbarung über die Erziehungshilfe einen Eingriff in die Rechte der Obsorgeberechtigten und in ihr Grundrecht auf Schutz des Privat- und Familienlebens darstellt, bedarf diese der Schriftform. Bei Verletzung der Formvorschrift ist der Vertrag unwirksam. Die Vereinbarung muss den Umfang der Einschränkung der Obsorge, die vereinbarte Hilfe und deren erwartete Dauer enthalten. Im Hinblick auf den Grundrechtseingriff sind Vereinbarungen über Erziehungshilfen auch mit beschränkt geschäftsfähigen Personen (minderjährige oder besachwalterte Eltern) zu schließen, sofern sie über die notwendige Urteils- und Einsichtsfähigkeit verfügen.

Im Hinblick auf die Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit der gesetzten Schritte hat auch der Widerruf der Zustimmung durch die Eltern oder sonstige mit der Obsorge betrauten Personen schriftlich zu erfolgen. Soll die Erziehungshilfe dann gegen den Willen der Eltern fortgesetzt werden, bedarf dies einer gerichtlichen Entscheidung (§ 176 ABGB). Bei Gefahr im Verzug hat der Kinder- und Jugendhilfeträger die Maßnahme vorläufig selbst zu treffen (§ 215 ABGB).

Ebenso soll die einvernehmliche Beendigung einer Erziehungshilfe schriftlich festgehalten werden. Alle derartigen Schriftstücke sind der Dokumentation anzuschließen.

Zu § 28:

Da Eingriffe in die Obsorge nur durch richterliche Entscheidungen getroffen werden können, besteht diese Bestimmung lediglich im Verweis auf die entsprechenden Regelungen des Zivilrechts. § 28 ist keine eigenständige Rechtsgrundlage für das Vorgehen gegen den Willen der Eltern und sonstiger mit der Obsorge betrauter Personen.

Bei Personen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft hat das Gericht die Regeln des internationalen Privatrechts anzuwenden.

Entsprechend dem Grundrecht auf Privat- und Familienleben ist in erster Linie eine Hilfegewährung im Einvernehmen mit den Eltern oder sonstigen mit Pflege und Erziehung betrauten Personen anzustreben. Erst wenn dieses nicht zustande kommt oder mangels Urteils- und Einsichtsfähigkeit nicht zustandekommen kann, sind gerichtliche Verfügungen zu beantragen.

Zu § 29:

Mit der Erreichung der Volljährigkeit endet der Erziehungsauftrag für Eltern und sonstige mit der Obsorge betrauten Personen sowie des Kinder- und Jugendhilfeträgers (§ 1). Übrig bleiben allenfalls die rechtliche Verpflichtung der Eltern zum Unterhalt sowie die moralische Pflicht zum gegenseitigen Beistand durch nahe Verwandte.

Das späte Jugendalter wie auch das frühe Erwachsenenalter sind geprägt von einer zunehmenden Verselbständigung der jungen Menschen vom Elternhaus. Erzieherische Aufgaben der Eltern treten immer stärker in den Hintergrund, während die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen zunehmend mehr Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen und letztlich den Haushalt der Eltern verlassen und selbst für ihren Unterhalt aufkommen.

Dieser Prozess kann durch unterschiedliche Krisen und Traumata im Kindes- und Jugendalter verzögert werden, weshalb eine Nachsorge zur Absicherung von während der Adoleszenz durch Erziehungshilfen erzielten Erfolgen sinnvoll ist. Voraussetzung für die Hilfeleistung ist daher die Gewährung von Erziehungshilfen zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres und die dringende Notwendigkeit zur Erreichung der im Hilfeplan definierten Ziele. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Hilfen für junge Erwachsene besteht nicht.

Das Ziel der Hilfen für junge Erwachsene ist in erster Linie die Unterstützung des Verselbständigungsprozesses, welcher auch die Beendigung einer Berufsausbildung miteinschließt,  weshalb die Palette der einzusetzenden Hilfe im Vergleich zu den Minderjährigen reduziert ist.

Primär orientiert sich die Dauer dieser Hilfen am individuellen Hilfebedarf der jungen Menschen, sie ist aber mit dem Ende des 21. Lebensjahres begrenzt.  Dauert die Hilfsbedürftigkeit jedoch noch für einen längeren Zeitraum an oder ist bereits bei Vollendung des 18. Lebensjahres absehbar, dass eine dauerhafte, über das 21. Lebensjahr hinausgehende Unterstützung notwendig sein wird, ist der junge Mensch dabei zu unterstützen, Hilfen außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe zu bekommen.

Das Instrument der Hilfen für junge Erwachsene ist kein Ersatz für ein funktionierendes System der Erwachsenensozialarbeit und zeitlich begrenzt, weshalb dieses nur Anwendung findet, wenn bereits vor der Erreichung der Volljährigkeit Erziehungshilfen gewährt wurden.

Wenngleich das Instrument der Hilfen für junge Erwachsene durch den gegenständlichen Entwurf neu geschaffen wird, löst dieses die dogmatisch unsaubere Verlängerung der Erziehungshilfen gemäß § 31 Abs. 4 JugendwohlfahrtsG 1989 ab, behält aber den bisherigen Leistungsumfang bei.

Zu § 30:

Um sicherzustellen, dass die Gewährung von Erziehungshilfen nicht von der Einigung über die Finanzierung durch unterschiedliche Kostenträger verzögert oder vereitelt wird, sind die Kosten vom Kinder- und Jugendhilfeträger zu tragen, der die Hilfen setzt. Welche Organisationseinheit diese Aufgabe übernimmt  – Land, Stadt, Sozialhilfeverbände, Fonds etc. – obliegt der Autonomie der Länder. Ist jedoch bundes- oder landesgesetzlich eine abweichende Kostentragung vorgesehen z. B. für Krankenanstalten, Einrichtungen der Behindertenhilfe oder der Grundversorgung, kommt diese zur Anwendung.

Für einen Kostenersatz zwischen den Kinder- und Jugendhilfeträgern sind allfällige Vereinbarungen gemäß Art. 15a B-VG maßgeblich.

Die Kosten der vollen Erziehung sowie von Hilfen für junge Erwachsene sind von den Unterhaltspflichtigen zu ersetzen, wobei die Höhe ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht die Grenze bildet. Eine Ersatzpflicht der Kinder und Jugendlichen selbst ist nicht mehr vorgesehen, um ihnen einen verbesserten wirtschaftlichen Start in die Selbständigkeit zu ermöglichen.

Unterhaltsansprüche und Leistungen, die einen Ausgleich für das Fehlen des Unterhaltsanspruches darstellen, wie Waisenpensionen, sind ebenfalls für den Kostenersatz heranzuziehen. Hierbei soll ex lege mit der Mitteilung an Dritte ein Forderungsübergang eintreten. Die diesbezüglichen Bestimmungen des ABGB sind sinngemäß anzuwenden.

Die Geltendmachung des Kostenersatzes kann für drei Jahre im Nachhinein erfolgen.

Zu § 31:

Art. 21 KRK verpflichtet die Vertragsstaaten, bei der Adoption dem Wohl der Kinder die höchste Priorität zuzumessen, allenfalls notwendige Zustimmungen von Eltern und sonstigen Verwandten einzuholen, die Bewilligung durch zuständige Behörden vorzusehen und sicherzustellen, dass keine unstatthaften Vermögensvorteile gewährt werden.

Eine Adoption kommt nach österreichischem Zivilrecht durch einen Vertrag zwischen dem Adoptivkind und den Adoptiveltern zustande. Die leiblichen Eltern haben – sofern sie nicht selbst als Vertreter/innen des Kindes den Vertrag abschließen – ein Zustimmungsrecht. Die Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht ist nur in eng begrenzten Fällen zulässig. Der Vertrag wird erst mit der Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht rechtswirksam.

Das Zustandekommen einer Adoption ist ein komplexes Geschehen, in dem leibliche Eltern, Adoptivwerber/innen, Gerichte sowie Kinder- und Jugendhilfeträger zusammenwirken müssen. Die Aufgabe des Kinder- und Jugendhilfeträgers, welche in diesem Gesetz zu regeln ist, ist dabei die Beratung und Begleitung leiblicher Eltern sowie die Beratung, Vorbereitung, Eignungsbeurteilung und Adoptionsvermittlung (Auswahl von zukünftigen Adoptiveltern). Eignungsbeurteilung und Adoptionsvermittlung sind dem Kinder- und Jugendhilfeträger vorbehalten. Beratende und begleitende Dienste können auch von privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen (§ 11) erbracht werden. Weiters wird er allenfalls zivilrechtlich mit der gesetzlichen Vertretung des Kindes beim Abschluss des Adoptionsvertrages betraut.

Das Ziel der Adoption ist die rechtliche Nachbildung von familiären Strukturen für Kinder und Jugendliche, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht von ihren Eltern versorgt werden können, um ihnen Schutz, Förderung und Versorgung zu garantieren. Es ist nicht die Aufgabe des Kinder- und Jugendhilfeträgers, kinderlosen Paaren zur Verwirklichung ihres individuellen Familienglücks zu verhelfen.

Der zentrale Maßstab für die Adoptionsvermittlung ist immer das Wohl des Kindes, wobei natürliche Familienbeziehungen bestmöglich nachgebildet werden sollen. Dabei ist auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen innerhalb der natürlichen Familiensysteme Bedacht zu nehmen. Im Hinblick auf biologische Gegebenheiten und gesellschaftliche Tendenzen ist anzunehmen, dass ein Altersunterschied von mindestens 18 und maximal 45 Jahren zwischen Adoptivkind und Wahlelternteil einem natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis am besten entspricht. Die Adoptiveltern haben für diese verantwortungsvolle Aufgabe auch die notwendige Reife aufzuweisen, weshalb ein Mindestalter von 30 Jahren angebracht scheint.

Für die Adoptionsvermittlung durch die Kinder- und Jugendhilfeträger ist die Einhebung von Entgelten unzulässig. Dies betrifft jedoch nicht den Ersatz von Aufwendungen, die seitens des Kinder- und Jugendhilfeträgers oder der privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für andere Dienste im Rahmen der Mitwirkung an der Adoption an Dritte geleistet wurden z. B. Erstellung von Gutachten, Übersetzungsdienste, Rechtsgebühren.

Im Hinblick auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Eltern (Art. 7 KRK) und die Verpflichtungen des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, an dessen Ausarbeitung Österreich aktiv beteiligt war und dessen Ratifikation in Aussicht genommen ist, wird eine Verpflichtung zur Dokumentation von Informationen über die leiblichen Eltern und eine Aufbewahrung dieser Daten über 50 Jahre (vgl. dazu Art. 22 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern) normiert. Um der Sensibilität dieser Informationen gerecht zu werden, wird das Auskunftsrecht auf besonders wichtige Gründe (z. B. Erbkrankheiten, Knochenmarkspende) eingeschränkt.

Zu § 32:

Die Mitwirkung an der Adoption im Inland besteht aus einer Fülle von Einzelaufgaben, die der Kinder- und Jugendhilfeträger für leibliche Elternteile (vornehmlich Mütter) und Adoptivwerber/innen zu erbringen hat.

Beratung besteht in der Problemanalyse, in der Information über zur Verfügung stehende Lösungsmöglichkeiten, in der Unterstützung bei der Entscheidungsfindung, in der Hilfe zur Umsetzung der getroffenen Entscheidung und in der Festigung der notwendigen Verhaltensänderung. Die Beratung konzentriert sich auf das Wesen und die Rechtswirkungen der Adoption, die Möglichkeiten der In- und Auslandsadoption, notwendige Verfahrensschritte aber auch auf Alternativen zur Adoption und die Reflexion der Motive für die Adoptionsfreigabe bzw. die Bewerbung um die Adoption.

Begleitung von leiblichen Elternteilen bedeutet in erster Linie psychosoziale Stützung, um die getroffene Entscheidung zur Adoptionsfreigabe zu be- und zu verarbeiten, damit diese langfristig als positiv eingeschätzt werden kann.

In der Vorbereitung und Ausbildung von Adoptivwerber/innen soll dem unerfüllten Wunsch nach leiblichen Kindern und der Reflexion der Adoptionsmotive genügend Platz eingeräumt werden. Weiters sind die Bewerber/innen auf die besonderen Herausforderungen, die die Begründung einer Adoptivfamilie mit sich bringt, etwa den Umgang mit Informationen über die leibliche Familie, kindgerechte Aufklärung über den Umstand der Adoption oder Spurensuche, vorzubereiten und Möglichkeiten der Bewältigung dieser Fragen aufzuzeigen. Bei der Erstellung von Ausbildungscurricula ist auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen Bedacht zu nehmen und eine Harmonisierung zwischen den Bundesländern anzustreben.

Bei der Auswahl von zukünftigen Adoptiveltern für ein individuelles Kind sind die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. Für den Abgleich sind die Informationen aus der Eignungsbeurteilung heranzuziehen und letztlich die Zustimmung der Adoptivwerber/innen einzuholen. Um eine Kette von Beziehungen und Beziehungsabbrüchen zu verhindern, ist das zukünftige Adoptivkind in die Pflege der Adoptivwerber/innen zu übergeben, sobald ihre Zustimmung vorliegt.

Zu § 33:

Laut Art. 21 lit. b KRK kommt eine internationale Adoption nur in Betracht, wenn Kinder und Jugendliche in ihrem Heimatland nicht in einer Pflege- oder Adoptivfamilie untergebracht oder in anderer geeigneter Weise betreut werden können. Da internationale Adoptionen fast ausschließlich aus dem Ausland nach Österreich stattfinden, obliegt die Verantwortung für die Einhaltung dieser Verpflichtung dem Heimatland des Kindes, das auch die Adoptionsvermittlung durchführt.

Internationale Abkommen wie das Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption sollen durch die Festlegung zuständiger Behörden, standardisierter Vorgangsweisen und sonstiger Qualitätskriterien die Gefahren von Kinderhandel, Betrug, der Gewährung unstatthafter Vermögensvorteile und sonstiger dem Kindeswohl abträglicher Praktiken hintanhalten.

Die Aufgabe gemäß Abs. 1 Z 1 entspricht jener gem. § 32 Z 3, weshalb auf die diesbezüglichen Erläuterungen verwiesen wird. Ergänzend dazu ist zu beachten, dass internationale Adoptionen für die Adoptivwerber/innen zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen und in der Eignungsbeurteilung auch darauf einzugehen ist, ob die Adoptivwerber/innen auch diesen Belastungen gewachsen sind, wie etwa Leben mit einem Kind anderer Hautfarbe und Kultur in einem fremdenfeindlichen Milieu. In der Beratung der Adoptivwerber/innen sind auch die Kriterien bestmöglicher Sicherheit bei der Adoptionsabwicklung zu erläutern und auf bekannte Risiken in einzelnen Herkunftsstaaten hinzuweisen. Diesbezüglich ist eine Kooperation mit dem Bundesministerium für Justiz sowie dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten zu suchen.

Der Umfang der Aufgaben gem. Abs. 1 Z 2 ergibt sich im Detail aus multi- und bilateralen Abkommen sowie den rechtlichen Anforderungen, die durch das Adoptionsverfahren im Heimatland des Kindes gestellt werden, konzentriert sich aber auf die Entgegennahme und Übermittlung von Informationen und Dokumenten. Nachforschungen über das rechtmäßige Zustandekommen der im Ausland abgewickelten Adoptionen sind davon jedenfalls nicht umfasst. Einige Herkunftsländer verlangen auch nach rechtskräftigem Abschluss der Adoption Entwicklungsberichte (post-placement-report). Im Hinblick auf Art. 8 MRK ist dabei zu beachten, dass Adoptivwerber/innen bereits vor dem Abschluss der Adoption über dieses Erfordernis informiert und zur Kooperation bei der Erstellung der Berichte verpflichtet werden müssen.

Zu § 34:

Bei der Eignungsbeurteilung sind, im Sinne einer gesamtheitlichen Sicht, die verschiedenen Aspekte körperlicher und geistiger Eignung zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die einer anderen Familie entstammen und damit bereits über eine – wenn auch kurze – Lebensgeschichte verfügen sowie das familiäre Umfeld der Adoptivwerber/innen einzubeziehen. Zur Beurteilung dieser Umstände ist die Kenntnis über Tatsachen des Privat- und Familienlebens, der physischen und psychischen Gesundheit, der Wohnverhältnisse sowie allfälliger Vorstrafen der Adoptivwerber/innen u.ä. notwendig, weshalb sie zur Auskunft über diese Tatsachen, zur Vorlage von Urkunden und Attesten sowie zur Duldung der Besichtigung ihrer Wohnräume zu verpflichten sind.

Für die Vorgehensweise bei der Beurteilung sollen fachliche Standards festgelegt werden, die Fehleinschätzungen weitgehend ausschließen können. Mehrjährige Berufserfahrung der Fachkräfte, das Vier-Augen-Prinzip oder die Bildung von Kompetenzzentren sollten angedacht werden, zumal einer Eignungsbeurteilung und Adoptionsvermittlung rechtliche Schritte folgen, die kaum rückgängig gemacht werden können.

Zu § 35:

Das Institut der Kinder- und Jugendanwaltschaft wurde mit dem Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 geschaffen, wobei für den Grundsatzgesetzgeber zu diesem Zeitpunkt Beratungs- und Vermittlungsaufgaben im Vordergrund standen.

Zwischenzeitlich wurden den Kinder- und Jugendanwälten und -anwältinnen durch die Ausführungsgesetze der Länder zahlreiche weitere Aufgaben und Befugnisse übertragen und ihre Unabhängigkeit durch die Einräumung fachlicher Weisungsfreiheit abgesichert. Die Beratung und Vermittlung bilden neben der Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen, Öffentlichkeitsarbeit für Belange junger Menschen, Begutachtung von Rechtsvorschriften usw. nur noch einen Teilbereich der Tätigkeit, die zumeist in multidisziplinären Teams wahrgenommen wird. Zentrales Leitmotiv für die Arbeit aller Kinder- und Jugendanwaltschaften ist dabei das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes.

Weiters wurden die Anforderungsprofile, Bestellungsvorgänge, Bestelldauer und Möglichkeiten der Abberufung teilweise detailliert in den Landesgesetzen geregelt, um die Qualität der Einrichtungen zu sichern.

Neben dem österreichweiten Informations- und Erfahrungsaustausch innerhalb der Ständigen Konferenz der Kinder- und JugendanwältInnen haben sich diese auch international im European Network of Ombudspersons for Children mit ähnlichen Organisationen vernetzt. Diese Organisation hat zuletzt die Mindeststandards für Mitglieder wie folgt festgelegt:

                         - Einrichtung per Gesetz

                         - Einrichtung im Bereich der Legislative

                         - Festlegung einer identifizierbaren Person als Funktionsinhaber/in

                         - Gesetzlich festgelegter Auswahl- und Bestellungsvorgang

                         - Unabhängigkeit bei der Aufgabenerfüllung

Die Organisationen sollen sich jedenfalls der Förderung der Kinderrechte sowie dem nationalen und internationalen Informations- und Erfahrungsaustausch widmen.

Im Hinblick auf die nationale und internationale Entwicklung sind die Grundsatzbestimmungen anzupassen. Insbesondere wird der Aufgabenkatalog erweitert, um den landesgesetzlichen Bestimmungen sowie den realen Tätigkeiten der einzelnen Kinder- und Jugendanwaltschaften gerecht zu werden.

Die Aufgaben gem. Abs. 2 Z 1 und 2 entsprechen dem geltenden Recht.

Die Information der allgemeinen Bevölkerung und von Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien im Besonderen soll einerseits der Bekanntmachung der Kinder- und Jugendanwaltschaften und der Kinderrechte dienen aber auch zur Sensibilisierung für die Interessen der Kinder und Jugendlichen beitragen. Diese Aufgabe kann mit allen Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit erfüllt werden: Broschüren, Veranstaltungen, Internetauftritt, Pressearbeit etc.

Die Aufgaben gem. Abs. 2 Z 4 umfassen vor allem die Einbindung der Kinder- und Jugendanwaltschaften in Begutachtungsverfahren, Arbeitsgruppen und Beiräten.

Die Zusammenarbeit in nationalen und internationalen Netzwerken dient in erster Linie dem Informations- und Erfahrungsaustausch der Fachkräfte aber auch der Nutzung von Synergien durch gemeinsame Projekte oder die Nutzung von Vorarbeiten anderer Organisationen.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft soll Kindern und Jugendlichen niederschwellig zugänglich sein, weshalb ihre Dienste unentgeltlich in Anspruch genommen werden können. Ergeben sich jedoch in der Beratung und Betreuung Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung, ist die Mitteilungspflicht gemäß § 37 zu beachten, wobei auf die Aufhebung einer allfälligen Anonymität durch fachliches Handeln hinzuwirken ist.

3. Hauptstück

Zu § 36:

Der Entwurf übernimmt aus dem geltenden Recht das Prinzip der Subsidiarität sowie das Verbot der Verhängung von Freiheitsstrafen. Die Subsidiarität wird allgemein, also gegenüber mit strengeren Strafen bedrohten gerichtlich strafbaren Handlungen und Verwaltungsübertretungen, angeordnet.

Neu sind hingegen die Tatbestände, für die Verwaltungsstrafen vorgesehen werden sollen.

Die Sanktionierung der Behinderung der Gefährdungsabklärung soll dazu beitragen, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger Informationen über mögliche Gefährdungen auch tatsächlich erhält. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Einhaltung der Verpflichtungen in den einzelnen Berufsgruppen sehr unterschiedlich ist. Da die teilweise eklatanten Unterschiede nicht ausschließlich auf die verschiedenen Möglichkeiten zur Wahrnehmung von Gefährdungen zurückzuführen sein können, ist davon auszugehen, dass mitunter auch eine geringe Bereitschaft zur Kooperation mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger besteht.

Abs. 2 Z 2 entspricht dem geltenden Recht und erfasst alle Vermittlungen, die nicht vom Kinder- und Jugendhilfeträger durchgeführt werden. Er betrifft aber nicht die Begründung privater Pflegeverhältnisse durch die Eltern oder andere mit Pflege und Erziehung betraute Personen.

Abs. 2 Z 3 entspricht dem geltenden Recht. Erfasst sind sowohl Personen als auch Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche auf Dauer pflegen und erziehen und nicht über die notwendigen Bewilligungen (§§ 17,21) verfügen und das Pflegeverhältnis auch nicht im Rahmen der vollen Erziehung begründet wurde. Erfasst sind insbesondere auch Umstände, in denen nach Widerruf der Bewilligung die Betreuung nicht beendet wird. Die Pflege und Erziehung muss auf Dauer ausgerichtet sein. Die vorübergehende Unterbringung bei anderen Personen z. B. für die Dauer eines kurzen Spitalsaufenthaltes bzw. einer Reise oder die regelmäßige Betreuung durch Tagesmütter/-väter oder in einer Kinderbetreuungseinrichtung erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Da Eignungsfeststellung bzw. -beurteilung und Aufsicht ein wesentliches Instrument zur Qualitätssicherung und Gewährleistung des Kindeswohls sind, für die Durchführung derselben aber ein hohes Maß an Kooperation  von Leistungserbringer(inne)n notwendig ist, soll die Behinderung dieser Tätigkeit unter Strafe gestellt werden.

2. Teil

Zu § 37:

Die Kenntnis des Verdachts von Kindeswohlgefährdungen ist für die vor Ort tätigen Mitarbeiter/innen des Kinder- und Jugendhilfeträgers unerlässlich, um entsprechende Hilfen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen und deren Familien anbieten zu können. Daher sind bereits im geltenden Recht Mitteilungspflichten für Fachkräfte, Einrichtungen, Behörden oder Organe der öffentlichen Aufsicht, die aufgrund ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Kindeswohlgefährdungen entdecken können, vorgesehen. Der Kreis der Meldepflichtigen wird durch den Entwurf nicht ausgeweitet, jedoch soll mit der Neuformulierung mehr Klarheit geschaffen werden.

Ein begründeter Verdacht liegt vor, wenn über die bloße Vermutung hinausgehende, konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung eines konkreten, namentlich bekannten Kindes oder Jugendlichen vorliegen. Die Anhaltspunkte ergeben sich aus den von den Meldepflichtigen wahrgenommenen Tatsachen und den Schlüssen, die sie aus ihrem fachlichen Wissen und ihrer Berufserfahrung ziehen. Dabei kann es sich z. B. um die Ergebnisse medizinischer Untersuchungen, Beobachtungen im Verhalten von Kindern und Jugendlichen oder Inhalten von Gesprächen mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern handeln.

Misshandlung, Quälen, Vernachlässigen und (schwerer) sexueller Missbrauch umfassen die Tatbestandelemente der §§ 83 ff, 92, 206 und 207 StGB. Unter sonstigen Kindeswohlgefährdungen sind erhebliche Beeinträchtigungen, wie etwa die Suchterkrankung von Eltern, Kindern und Jugendlichen, die beharrliche Schulverweigerung oder die wiederholte Abgängigkeit aus dem elterlichen Haushalt zu verstehen, nicht jedoch kleinere Zwischenfälle, die u.a. durch die Intervention der Meldepflichtigen behoben werden können, wie etwa sporadisches Schulschwänzen.

Unverzüglich bedeutet auch in diesem Zusammenhang Handeln ohne schuldhafte Verzögerung. Die Mitteilung ist somit zu erstatten, sobald alle Untersuchungen, Erhebungen, fachlichen Beratungen abgeschlossen sind und die Einschätzung über das Vorliegen eines Verdachts getroffen wurde. Zur Zeitersparnis sollen bei der Übermittlung der schriftlichen Mitteilung moderne Kommunikationsmittel (e-mail, Internet, Fax) verwendet werden.

Um die Qualität der Gefährdungsmeldung zu erhöhen, soll die Entscheidung über die Mitteilung im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte z. B. Fachlehrer/in und Klassenlehrer/in, Klassenlehrer/in und Direktion erfolgen. In Krankenanstalten sind in diese Entscheidungen jedenfalls die Kinderschutzgruppen gem. § 8a KAKuG einzubeziehen. Wer letztlich die Mitteilung an den Kinder- und Jugendhilfeträger zu erstatten hat, haben die Einrichtungen intern zu regeln.

Die örtliche Zuständigkeit des Kinder- und Jugendhilfeträgers richtet sich nach § 5. Der Standort der meldepflichtigen Einrichtung ist dafür unerheblich, weshalb etwa „Spitalstourismus“ keine Auswirkungen auf die Sammlung der Daten hat.

Behörden sind öffentliche Dienststellen, die im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig werden. Für die Meldepflicht kommen in erster Linie Pflegschafts- und Strafgerichte, Staatsanwaltschaften, Schulbehörden oder Personenstandsbehörden in Betracht. Zu den Organen öffentlicher Aufsicht zählen insbesondere alle Organisationseinheiten der Bundespolizei und von Gemeindewachkörpern.

Einrichtungen zur Betreuung oder zum Unterricht von Kindern und Jugendlichen sind Organisationen, die nicht nur bestimmte Fertigkeiten vermitteln, wie Tanz-, Ski- oder Musikschulen, sondern sich regelmäßig der ganzheitlichen Erziehung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen widmen. Dazu zählen Krippen, Kindergärten, Horte, sonstige Tagesbetreuungseinrichtungen, Schulen und Einrichtungen der außerschulischen Jugenderziehung, jedoch nicht Beaufsichtigungseinrichtungen zur stundenweisen Betreuung z. B. in Kaufhäusern.

Einrichtungen zur psychosozialen Beratung sind etwa Familienberatungsstellen, Besuchsbegleitung, Kinderschutzzentren, Suchtberatungsstellen und Interventionsstellen.

Kranken- und Kuranstalten sind Einrichtungen gem. § 1 bzw. 42a KAKuG.

Personen gem. Abs. 3 Z 1 sind solche, die die Aufgaben von Einrichtungen gem. Abs. 1 Z 2 außerhalb derselben berufsmäßig wahrnehmen, wie Tagesmütter/-väter, mobile Mamis, Privatlehrer/innen für den häuslichen Unterricht, nicht jedoch Babysitter/innen.

Von der Kinder- und Jugendhilfe beauftragte Personen, bei denen eine Mitteilungspflicht in Betracht kommt, sind in erster Linie freiberuflich Tätige im Rahmen Sozialer Dienste (§ 16) oder für die Begutachtung herangezogene Fachkräfte.

Angehörige medizinischer Gesundheitsberufe sind: Ärzte/Ärztinnen, Zahnärzte/-ärztinnen, klinische und Gesundheitspsycholog(inn)en, Psychotherapeut(inn)en, Hebammen, Physiotherapeut(inn)en, biomedizinische Analytiker/innen, Radiologietechnolog(inn)en, Diätolog(inn)en, Ergotherapeut(inn)en, Logopäd(inn)en, Orthoptist(inn)en, diplomierte (psychiatrische) Gesundheits- und Krankenpfleger/innen, diplomierte Kinderkrankenpfleger/innen, Heilmasseure/innen.

Die Meldepflicht ist immer nur dann gegeben, wenn die Wahrnehmung der Kindeswohlgefährdung im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit für die meldepflichtige Organisation (Abs. 1) oder im Laufe der Berufsausübung (Abs. 3) erfolgt.

Die Gefährdungsmitteilung soll einerseits die betroffenen Kinder und Jugendlichen genau identifizieren (Name, Geburtsdatum, Adresse) und andererseits alle Umstände, die den Verdacht erregt haben, möglichst konkret beschreiben. Ärztliche Untersuchungsergebnisse sind in einer für Nichtmediziner/innen verständlichen Form wiederzugeben. Das Erfordernis der Schriftlichkeit dient der Strukturierung und Konkretisierung der Beobachtungen sowie der Dokumentation.

Die Mitteilungen über den Verdacht der Kindeswohlgefährdung unterliegen keinen Einschränkungen durch allfällige berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten oder die Amtsverschwiegenheit.

Zu § 38:

Diese Bestimmung entspricht dem geltenden Recht und enthält eine Konkretisierung der Verpflichtung zur Amtshilfe gem. Art. 22 B-VG.

Zu § 39:

Diese Bestimmung entspricht dem geltenden Recht und enthält keine Ausdehnung der Mitteilungspflichten für Arbeitgeber/innen. Die Bestimmung dient der Festlegung von Kostenersatzansprüchen für den Fall, dass der/die Unterhaltspflichtige nicht kooperationsbereit ist. Für die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen Minderjähriger als gesetzlicher Vertreter stehen dem Kinder- und Jugendhilfeträger ähnliche Befugnisse gem. § 102 AußStrG zu.

Zu § 40:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000-DSG 2000) ist die Verwendung von personenbezogenen Daten, soweit sie nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, nur auf der Grundlage von Gesetzen erlaubt. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz von Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

Die gegenständliche Regelung versucht einen weitestgehenden Interessensausgleich zwischen dem Grundrecht auf Datenschutz, insbesondere hinsichtlich personenbezogener Daten betreffend das Privat- und Familienleben, und dem Schutz des Kindeswohles herzustellen. Daher wird bei der Ermächtigung zur Datenverwendung zwischen Verwendungszwecken, Personengruppen und Datenarten differenziert.

Die Regelung zur Datenverwendung bezieht sich auf automationsunterstützte und manuelle Daten in gleicher Weise.

Melder/innen einer Kindeswohlgefährdung können zur Mitteilung gesetzlich verpflichtet sein oder auch freiwillig, eventuell anonym, Mitteilung erstattet haben.

Unter Gesundheitsdaten sind einerseits Krankheiten, die die Betreuungsfähigkeit einschränken oder einen hohen Betreuungsaufwand erfordern, sowie anzeigepflichtige Krankheiten gemäß § 1 Epidemiegesetz zu verstehen, aber auch Daten betreffend den Gesundheitszustand der betreuten Kinder und Jugendlichen wie Informationen über Impfungen, Erkrankungen, Unfälle, Medikation, Operationen oder Allergien.

Zur Identifikation soll in erster Linie das bereichsspezifische Personenkennzeichen (bPK, § 9 E‑Government-Gesetz) verwendet werden. Die Sozialversicherungsnummer darf als Identifikator einer Person in Ausnahmefällen nur dann verwendet werden, wenn kein Personenkennzeichen verfügbar ist, bzw. nicht ermittelt werden kann.

Der Begriff „Vermögen“ umfasst Vermögensaktiva und Vermögenspassiva.

Gemäß § 14 DSG 2000 sind Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit so zu treffen, dass Daten vor zufälliger oder unrechtmäßiger Zerstörung und vor Verlust geschützt sind, dass ihre Verwendung ordnungsgemäß erfolgt und Daten Unbefugten nicht zugänglich sind. Gemäß § 14 Abs. 2 Z 7 DSG 2000 ist Protokoll zu führen, damit tatsächlich durchgeführte Verwendungsvorgänge, wie insbesondere Änderungen, Abfragen und Übermittlungen, im Hinblick auf ihre Zulässigkeit im notwendigen Ausmaß nachvollzogen werden können.

Der Begriff Betreuung ist in einem weiten Sinn zu verstehen und umfasst auch die Beratung.

Mit der Weitergabe bestimmter Daten an andere Kinder- und Jugendhilfeträger ist sowohl der Datenaustausch zwischen den einzelnen Jugendämtern als auch zwischen den Kinder- und Jugendhilfeträgern verschiedener Bundesländer gemeint.

Bei der Datenübermittlung an Gerichte ist im Einzelfall sicherzustellen, dass nur jene Daten übermittelt werden, die für das jeweilige gerichtliche Verfahren relevant sind. So sind beispielsweise in einem laufenden Unterhaltsverfahren Gesundheitsdaten des Minderjährigen an das Pflegschaftsgericht nur dann weiterzugeben, wenn sie Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch (allfälliger Sonderbedarf) nach sich ziehen können.

Zu § 41:

Die Regelung wurde sprachlich vereinfacht, entspricht aber inhaltlich dem geltenden Recht.

Zu § 42:

Die Regelung wurde der Terminologie des Gesetzesentwurfes angepasst, entspricht aber im Übrigen dem geltenden Recht. Vergleichen über den Unterhalt gegenüber vom Kinder- und Jugendhilfeträger vertretenen Minderjährigen kommt dieselbe Wirkung gem. § 214 Abs. 2 ABGB zu.

Zu § 43:

Abgesehen von Anpassungen der Begrifflichkeit entspricht die Norm dem geltenden Recht.

Zu § 44:

Die Bestimmung wurde – abgesehen von den Begriffen „Kinder- und Jugendhilfeträger“ und „Kinder und Jugendliche“ – unverändert aus dem geltenden Recht übernommen.

Zu § 45:

Bei bundesweit wichtigen Themen soll der Bund initiativ werden und das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend entsprechende Forschungsaufträge und Aufträge für statistische Erhebungen erteilen. Bei der Wahl des Forschungsgegenstandes wie bei der Finanzierung ist die Kooperation mit den Kinder- und Jugendhilfeträgern anzustreben.

Zu § 46:

Die Bestimmungen des unmittelbar anwendbaren Bundesrechts gelten ohne weiteres ab 1.4.2010. Für die Grundsatzbestimmungen beginnt mit diesem Tag die Frist zur Erlassung der Ausführungsgesetze durch die Landtage.