Entwurf

Bundesgesetz betreffend Grundsätze für den Schutz der Pflanzen vor Krankheiten und Schädlingen (Pflanzenschutzgrundsatzgesetz) 2010

Anwendungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz stellt für die Landesgesetzgebung gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes Grundsätze für die Regelung des Schutzes der Pflanzen vor Krankheiten und Schädlingen innerhalb des Bundesgebietes auf.

(2) Dieses Bundesgesetz betrifft nicht die im Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 55/2007, vorgesehenen Maßnahmen zum Schutz von Pflanzen. Abweichend davon gelten die Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz jedoch auch dann für Grundflächen, auf die die Bestimmungen des Forstgesetzes Anwendung finden, wenn diese unmittelbar an landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Grundflächen angrenzen und dies im Interesse des Pflanzenschutzes geboten ist.

(3) Dieses Bundesgesetz betrifft weiters nicht den Schutz vor Schädigungen der Pflanzen durch jagdbare Tiere.

Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes sind:

           1. Pflanzen: lebende Pflanzen und spezifizierte lebende Teile von Pflanzen einschließlich Samen.

Als lebende Teile von Pflanzen gelten auch:

                a) Früchte - im botanischen Sinne -, sofern nicht durch Tieffrieren haltbar gemacht;

               b) Gemüse, sofern nicht durch Tieffrieren haltbar gemacht;

                c) Knollen, Kormus, Zwiebeln, Wurzelstöcke;

               d) Schnittblumen;

                e) Äste mit Laub bzw. Nadeln;

                f) gefällte Bäume mit Laub bzw. Nadeln;

               g) Blätter, Blattwerk;

               h) pflanzliche Gewebekulturen;

                 i) bestäubungsfähiger Pollen;

                 j) Edelholz, Stecklinge, Pfropfreiser;

                k) andere Teile von Pflanzen, die nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften festgelegt worden sind.

Als Samen gelten Samen im botanischen Sinne außer solchen, die nicht zum Anpflanzen bestimmt sind.

           2. Pflanzenerzeugnisse: Erzeugnisse pflanzlichen Ursprungs, unverarbeitet oder durch einfache Verfahren bearbeitet, soweit sie nicht Pflanzen sind;

           3. Schadorganismen: alle Arten, Stämme oder Biotypen von Pflanzen, Tieren oder Krankheitserregern, die Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse schädigen können;

           4. Pflanzenschutzmittel: ein Pflanzenschutzmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG (ABl. Nr. L 309 vom 24.11.2009 S. 1);

           5. integrierter Pflanzenschutz: die sorgfältige Abwägung aller verfügbaren Pflanzenschutzmethoden und die anschließende Einbindung geeigneter Maßnahmen, die der Entstehung von Populationen von Schadorganismen entgegenwirken und die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und anderen Abwehr- und Bekämpfungsmethoden auf einem Niveau halten, das wirtschaftlich und ökologisch vertretbar ist und Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt reduziert oder minimiert; der integrierte Pflanzenschutz stellt auf das Wachstum gesunder Nutzpflanzen bei möglichst geringer Störung der landwirtschaftlichen Ökosysteme ab und fördert natürliche Mechanismen zur Regulierung von Schadorganismen;

           6. Verwendung von Pflanzenschutzmitteln: das Verbrauchen, Anwendung und Ausbringen sowie das Gebrauchen, Lagern, Vorrätighalten und innerbetriebliche Befördern von Pflanzenschutzmitteln zum Zwecke der Anwendung;

           7. beruflicher Verwender: jede Person, die im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit Pflanzenschutzmittel verwendet, insbesondere Anwender, Techniker, Arbeitgeber sowie Selbständige in der Landwirtschaft und anderen Sektoren;

           8. Berater: jede Person, die entsprechende Kenntnisse erworben hat und im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit oder einer gewerblichen Dienstleistung Beratung zum Pflanzenschutz und zur sicheren Verwendung von Pflanzenschutzmitteln erteilt, einschließlich gegebenenfalls private selbständige und öffentliche Beratungsdienste, Handelsvertreter sowie Lebensmittelhersteller und Einzelhändler;

           9. Pflanzenschutzgeräte: alle Geräte, die speziell für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bestimmt sind, einschließlich Zubehör, das für den ordnungsgemäßen Betrieb dieser Geräte von wesentlicher Bedeutung ist, wie Düsen, Druckmesser, Filter, Siebe und Reinigungsvorrichtungen für den Tank;

         10. Spritzen oder Sprühen mit Luftfahrzeugen: die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln von einem Luftfahrzeug (Flugzeug oder Hubschrauber) aus;

         11. Risikoindikator: das Ergebnis einer Berechnungsmethode, die zur Beurteilung der Risiken von Pflanzenschutzmitteln für die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt verwendet wird;

         12. nicht chemische Methoden: alternative Methoden zur Verwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf der Grundlage von agronomischen Verfahren wie die in Anhang III Nummer 1 der Richtlinie 2009/128/EG genannten oder physikalische, mechanische oder biologische Bekämpfungsmethoden.

Abweichend von Z 1, 2, und 3 sind für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln die Begriffe „Pflanzen“, „Pflanzenserzeugnisse“ und „Schadorganismen“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG (ABl. Nr. L 309 vom 24.11.2009 S. 1) maßgeblich.

Pflanzenschutzmaßnahmen

§ 3. Die Landesgesetzgebung hat vorzusehen:

           1. die Verpflichtung der Eigentümer und sonstigen Verfügungsberechtigten von Grundstücken, Baulichkeiten und Transportmitteln, auf oder in denen sich Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse oder andere Gegenstände, die als Überträger von Schadorganismen in Betracht kommen, befinden, diese Grundstücke, Baulichkeiten oder Transportmittel sowie Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse tunlichst frei von Schadorganismen zu halten und jedes atypische Auftreten oder jeden Verdacht eines solchen Auftretens von Schadorganismen, die sich in Gefahr drohender Weise vermehren, der zuständigen Behörde zu melden und die ihnen von dieser aufgetragenen Maßnahmen durchzuführen oder die Durchführung von Maßnahmen sowie das Betreten ihrer Grundstücke, Baulichkeiten oder Transportmittel durch die Behörde, auch zum Zwecke der Überwachung, zu dulden sowie die zur Durchführung dieser Maßnahmen erforderlichen Auskünfte zu gewähren;

           2. die Überwachung von Grundstücken, Baulichkeiten und Transportmitteln, auf bzw. in denen Schadorganismen auftreten können, sowie erforderlichenfalls eine örtliche Beschränkung oder ein Verbot des Verbringens von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen, Schadorganismen sowie Überträgern von Schadorganismen durch die zuständige Behörde;

           3. das Verbot des Haltens von Schadorganismen, sofern nicht hiefür auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft eine Ermächtigung vorliegt oder sie für Züchtungszwecke, wissenschaftliche Untersuchungen oder Versuchszwecke benötigt werden und eine entsprechende Genehmigung der zuständigen Behörde vorliegt;

           4. das Verbot oder die Einschränkung des Anbaus bestimmter Pflanzenarten oder der Verwendung bestimmter Kultursubstrate im Interesse des Pflanzenschutzes;

           5. die Überwachung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sowie die Anwendung bestimmter Pflanzenschutzverfahren sowie die Einhaltung bestimmter Fruchtfolgen;

           6. Maßnahmen zur Beschränkung oder Sperre der Nutzung von Grundstücken, die von Schadorganismen in einem Gefahr drohenden Ausmaß befallen oder eines solchen Befalles verdächtig oder gefährdet sind, sowie zur Vernichtung, Entseuchung oder Entwesung von Befallsgegenständen, des Bodens, von Kultursubstraten oder Räumlichkeiten;

           7. die Möglichkeit der Begleitung von Kontrollorganen durch Sachverständige der Kommission der Europäischen Gemeinschaft bei der Durchführung von Tätigkeiten nach den dieses Bundesgesetz ausführenden Landesgesetzen, soweit dies zur Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen erforderlich ist.

Verwendung von Pflanzenschutzmitteln

§ 4. Die Landesgesetzgebung hat vorzusehen, dass

           1. Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2009/128/EG über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (ABl. Nr. L 309 vom 24.11.2009 S. 71), ausgenommen Biozid-Produkte nach dem Biozid-Produkte-Gesetz, BGBl. I Nr. 105/2000, unter Berücksichtigung der Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes, der Grundsätze der guten Pflanzenschutzpraxis und der Anwendung des Vorsorgeprinzips festgelegt werden, insbesondere im Hinblick auf

                a) Einschränkungen oder Verbote der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln oder der mit der Verwendung verbundenen Risiken unter bestimmten Bedingungen oder in bestimmten Gebieten;

               b) Fort- und Weiterbildung für berufliche Verwender und Berater für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und die Einführung eines Bescheinigungssystems;

                c) Information und Sensibilisierung, sofern sie nicht bereits in anderen Rechtsvorschriften vorgesehen sind;

               d) Prüfung der Pflanzenschutzgeräte und die Einführung eines Bescheinigungssystems;

                e) Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und die Reinigung der Pflanzenschutzgeräte;

           2. im Rahmen der Richtlinie 2009/128/EG Berichte zu erstellen und an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft weiterzuleiten sind, und zwar insbesondere im Hinblick auf

                a) den nationalen Aktionsplan und dessen Änderungen gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2009/128/EG;

               b) die Umsetzung der Kontrollmaßnahmen gemäß Artikel 8 der Richtlinie 2009/128/EG;

                c) den integrierten Pflanzenschutz gemäß Artikel 14 der Richtlinie 2009/128/EG;

               d) die Ergebnisse von Bewertungen gemäß Artikel 15 der Richtlinie 2009/128/EG;

                e) die Festlegung von Sanktionen gemäß Artikel 17 der Richtlinie 2009/128/EG;

                f) die Umsetzung gemäß Artikel 23 der Richtlinie 2009/128/EG;

               g) die Kontrollen der Verwendung von Pflanzenschutzmittel gemäß Artikel 68 erster Unterabsatz der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG (ABl. Nr. L 309 vom 24.11.2009 S. 1).

Kostentragung

§ 5. (1) Die Landesgesetzgebung hat vorzusehen, dass alle Eigentümer und sonstigen Verfügungsberechtigten von Grundstücken, Baulichkeiten und Transportmitteln die Kosten behördlich angeordneter oder von der Behörde selbst durchgeführter Bekämpfungsmaßnahmen zu tragen haben, soweit diese nicht aus öffentlichen Mitteln bestritten werden, sowie dass für die sonstigen Tätigkeiten der zuständigen Behörde in Vollziehung der dieses Bundesgesetz ausführenden Landesgesetze Gebühren erhoben werden können.

(2) Soweit die Kosten aus öffentlichen Mitteln bestritten werden, hat die Landesgesetzgebung für den Fall einer Inanspruchnahme eines finanziellen Gemeinschaftsbeitrages gemäß Artikel 23 der Richtlinie 2000/29/EG (ABl. Nr. L 169 vom 10.7.2000 S 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/102/EG (ABl. Nr. L 309 vom 5.10.2004 S 9) die Möglichkeit einer Forderungsabtretung an die Europäische Gemeinschaft gemäß Artikel 23 Absatz 7 der Richtlinie 2000/29/EG vorzusehen.

Pflanzenschutzdienst

§ 6. (1) Die mit der Vollziehung der dieses Bundesgesetz ausführenden Landesgesetze, ausgenommen der die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln regelnden Bestimmungen, betrauten Behörden (Pflanzenschutzdienste der Länder) bilden gemeinsam mit den amtlichen Stellen gemäß § 3 des Pflanzenschutzgesetzes 1995, BGBl. Nr. 532, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 86/2009, den Amtlichen Österreichischen Pflanzenschutzdienst.

(2) Die Landesgesetzgebung hat vorzusehen, dass die zuständigen Behörden juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts Aufgaben der Durchführung des Pflanzenschutzes, die unter ihrer Aufsicht und Kontrolle zu erfüllen sind, übertragen können, sofern diese Personen und ihre Mitglieder am Ergebnis der von ihnen getroffenen Maßnahmen kein persönliches Interesse haben.

(3) Der Austausch von Daten, die in Vollziehung der dieses Bundesgesetz ausführenden Landesgesetze erhoben worden sind, ist nur dann zulässig, wenn dies

           1. zur Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen oder

           2. aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Pflanzengesundheit erforderlich ist.

Schlussbestimmungen

§ 7. Die Landesgesetzgebung hat Übertretungen der in den Landesausführungsgesetzen festgelegten Vorschriften unter Strafe zu stellen.

§ 8. (1) Mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes tritt das Pflanzenschutzgrundsatzgesetz, BGBl. I Nr. 140/1999, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 55/2007, ausgenommen § 3a, außer Kraft.

(2) § 3a des Pflanzenschutzgrundsatzgesetzes, BGBl. I Nr. 140/1999, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 55/2007, tritt am 14. Juni 2011 außer Kraft.

(3) Die Landesausführungsgesetze sind binnen eines Jahres nach Kundmachung dieses Bundesgesetzes oder nachfolgender Änderungen dieses Bundesgesetzes zu erlassen.

(4) Mit der Wahrnehmung der Rechte des Bundes gemäß Art. 15 Abs. 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betraut.

Bezugnahme auf Rechtsvorschriften

§ 9. (1) Durch dieses Bundesgesetz werden folgende Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft umgesetzt:

           1. die Richtlinie 2000/29/EG über Maßnahmen zum Schutz der Gemeinschaft gegen die Einschleppung und Ausbreitung von Schadorganismen der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse (ABl. Nr. L 169 S 1), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/143/EG (ABl. Nr. L 318 S 23);

           2. die Richtlinie 2009/128/EG über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (ABl. Nr. L 309 vom 24.11.2009 S. 71) ausgenommen Biozid-Produkte nach dem Biozid-Produkte-Gesetz, BGBl. I Nr. 105/2000.

(2) Die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG (ABl. Nr. L 309 vom 24.11.2009 S. 1) bleiben unberührt.