Parlamentsdirektion

 

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ZAHL

DATUM

CHIEMSEEHOF

2001-BG/1/ 396-2011

27.9.2011

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Herr Dr. Sieberer

 

BETREFF

Neugestaltung der Immunität der Abgeordneten; Stellungnahme

Zum Initiativantrag 1619/A XXIV.GP betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das B-VG geändert wird, wird wie folgt Stellung genommen:

1. Die vorgeschlagene Neuregelung der Immunität, die gemäß Art 96 Abs 1 und 2 B-VG auch für den Landtag maßgeblich ist, wird, was die Ausdehnung der sachlichen Immunität (Art 33 B-VG) dahingehend betrifft, dass auch der Abgeordnete selbst (nicht nur berichtende Dritte) außerhalb einer Parlamentssitzung die von ihm in einer solchen Sitzung getroffenen Aussagen frei von jeder Verantwortung wiederholen können soll, nicht befürwortet. Den von den Aussagen Betroffenen bliebe nämlich der Zugang zum Gericht wegen Kreditschädigung oder übler Nachrede verwehrt, ohne dass dafür eine hinreichende Rechtfertigung ersichtlich wäre, da eine Beeinträchtigung des Schutzgutes der freien Rede in einem parlamentarischen Gremium in diesem Fall ausscheidet. Aus diesem Grund wird auch die Vereinbarkeit der in Aussicht genommenen Neuregelung mit Art 6 EMRK bezweifelt (vgl die einschlägigen immunitätsbezogenen Entscheidungen des EGMR vom 30.1.2003, 45649/99 und 40877/98; siehe dazu auch Bußjäger, Streiflichter zum Verhältnis von Parlamentsakten und EMRK, JRP 2007, 73 [74]).

2. Begrüßt wird dagegen der Entfall der Bestimmungen über andere Verfolgungshandlungen als Verhaftungen und Hausdurchsuchungen im Rahmen der außerberuflichen Immunität und der damit verbundenen – bisher gebotenen – Differenzierung zwischen einem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit und dem Fehlen eines derartigen Zusammenhangs, da diese Bestimmungen nicht mehr zeitgemäß erscheinen und dem aktuellen Schutzbedürfnis von Abgeordneten vor behördlichen Übergriffen, die von der parlamentarisch zu kontrollierenden Regierung steuerbar sind, nicht mehr entsprechen.

3. Überschießend erscheint die vorgesehene Ausdehnung des Immunitätsschutzes insoweit, als Sachverhalte, die die Vorbereitung und Erfüllung der parlamentarischen Aufgaben eines Abgeordneten unmittelbar betreffen, nicht ermittelt werden dürfen, und zwar unabhängig davon, ob die Ermittlung gegen einen Abgeordneten oder gegen einen Dritten gerichtet ist, und als sowohl für Abgeordnete als auch für Parlamentsmitarbeiter ein entsprechendes Aussageverweigerungsrecht im Fall ihrer Zeugenfunktion vor Gericht und in Verwaltungsverfahren normiert werden soll (Art 57 Abs 6). Denn damit könnten wichtige Ermittlungselemente (Zeugenaussagen, Beweisgegenstände) durch die bloße Behauptung einer Person, sie arbeite einem Abgeordneten in dieser Funktion zu oder sie verfüge über mit der parlamentarischen Tätigkeit des Abgeordneten im Zusammenhang stehende Daten, den Strafverfolgungsbehörden entzogen werden. Bei einem entsprechenden Konnex zur Parlamentsarbeit wäre die Ermittlung strafrechtlich relevanter Sachverhalte unmöglich bzw in kaum zu rechtfertigender Weise erschwert, da nicht in jedem Fall eines derartigen Zusammenhangs zum Mandat ein Schutz des Abgeordneten für Zwecke des Aufdeckens von durch die Regierung zu vertretenden Missständen geboten ist.

Es sollte daher eine Einschränkung bzw nähere, nur auf den unbedingt notwendigen Schutz der Abgeordneten Bezug nehmende Präzisierung der maßgeblichen Wortfolge im Art 57 Abs 3 B-VG erfolgen. Die Wortfolge „Sachverhalte, die die Vorbereitung und Erfüllung der parlamentarischen Aufgaben eines Abgeordneten unmittelbar betreffen“, ist unklar und kann – wie gesagt – eine unsachliche Einschränkung der Strafverfolgung bewirken. Weiters wäre näher darzulegen, wann „offensichtliche Verstöße“ gegen das darauf bezogene Ermittlungsverbot (Art 57 Abs 4 B-VG) anzunehmen sind.

4. Hinterfragt werden sollte zudem, ob Aufgaben im Rahmen des verfassungsrechtlich vorgezeichneten Verfahrens zur Prüfung der Wahrung der Immunität einer Institution (Rechtsschutzbeauftragte) übertragen werden sollen, die im B-VG nicht geregelt ist und deren Einrichtung nicht verfassungsrechtlich garantiert ist (vgl §§ 91a SPG, 47a StPO, 57 MBG). Im Übrigen wird kritisch angemerkt, dass die Rechtsschutzbeauftragten auch in Bezug auf Landtagsabgeordnete tätig zu werden hätten (Art 96 Abs 1 B-VG), aber ohne jegliche Mitwirkung von Landesorganen bestellt werden. Die Institution der Rechtsschutzbeauftragten sollte daher in einem eigenen Artikel des B-VG verfassungsrechtlich grundgelegt und bei der Bestellung ein Anhörungsrecht der Landtage normiert werden.

5. Hingewiesen wird letztlich darauf, dass eine Inkrafttretensbestimmung fehlt (Anfügung eines Abs 47 im Art 151 B-VG).

Für die Landesregierung:

Dr. Ferdinand Faber