Entwurf

Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Unternehmensgesetzbuch, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz und das Verbraucherkreditgesetz geändert werden (Zahlungsverzugsgesetz – ZVG)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1

Änderung des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs

Das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2010, wird wie folgt geändert:

1. § 905 wird wie folgt geändert:

a) In Abs. 1 lautet der zweite Satz:

„Für das Maß und das Gewicht ist der Ort der Erfüllung maßgeblich.“;

b) der bisherige Abs. 2 entfällt, und der bisherige Abs. 3 erhält die Absatzbezeichnung „(2)“.

2. Der bisherige § 905a wird hinter den neuen § 907a verschoben und erhält die Paragraphenbezeichnung „§ 907b“.

3. Der bisherige § 905b erhält die Paragraphenbezeichnung „§ 905a“.

4. Nach § 907 wird folgender § 907a eingefügt:

„§ 907a. (1) Eine Geldschuld ist durch Barzahlung an dem nach § 905 Abs. 1 maßgeblichen Ort zu erfüllen. Der Gläubiger kann stattdessen jedoch Erfüllung durch Überweisung auf sein Bankkonto verlangen.

(2) Ist die Geldschuld durch Banküberweisung zu erfüllen, so hat der Schuldner den Überweisungsauftrag so rechtzeitig zu erteilen, dass der Gläubiger bei Fälligkeit über den geschuldeten Betrag auf seinem Konto verfügen kann. Wenn die Fälligkeit nicht anderweitig bestimmt ist, hat der Schuldner den geschuldeten Betrag binnen zehn Tagen ab dem für die Fälligkeit maßgeblichen Umstand (§§ 904, 1334) dem Gläubiger auf dessen Konto zur Verfügung zu stellen. Der Schuldner trägt die Gefahr für die Verzögerung oder das Unterbleiben der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers, soweit die Ursache dafür nicht beim Bankinstitut des Gläubigers liegt.“

5. Dem § 1417 wird folgender Satz angefügt:

„Für die Zahlungsfrist bei einer durch Banküberweisung zu erfüllenden Geldschuld gilt § 907a Abs. 2.“

6. In § 1420 wird das Klammerzitat „(§ 905)“ durch das Klammerzitat „(§ 905, § 907a Abs. 1)“ ersetzt.

 

Artikel 2

Änderung des Unternehmensgesetzbuchs

Das Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2010, wird wie folgt geändert:

1. In § 5 lautet der zweite Satz:

„Der Anwendungsbereich des Dritten Buches ergibt sich aus § 189, der des Vierten Buches aus § 343, für dessen Achten Abschnitt aber aus § 455, und der des Fünften Buches aus den §§ 1 bis 3.“

2. § 352 wird aufgehoben.

3. Vor § 454 erhält die Abschnittsüberschrift „Achter Abschnitt“ die neue Abschnittsbezeichnung „Siebenter Abschnitt“.

4. Nach § 454 werden die Abschnittsüberschrift

Achter Abschnitt

Zahlungsverzug

und sodann folgende §§ 455 bis 461 samt Überschriften eingefügt:

Anwendungsbereich

§ 455. Dieser Abschnitt gilt für Rechtsgeschäfte zwischen Unternehmern sowie für Rechtsgeschäfte zwischen einem Unternehmer und einem öffentlichen Auftraggeber im Sinn des § 3 Abs. 1 und des § 164 BVergG 2006.

Verzugszinsen

§ 456. Bei der Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen beträgt der gesetzliche Zinssatz 9,2 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Dabei ist der Basiszinssatz, der am ersten Kalendertag eines Halbjahres gilt, für das jeweilige Halbjahr maßgebend. Wenn der Schuldner für die Verzögerung aber nicht verantwortlich ist, hat er nur die in § 1000 Abs. 1 ABGB bestimmten Zinsen zu entrichten.

Vereinbarungen über Zahlungsfrist und Rechnungseingang bei öffentlichen Auftraggebern

§ 457. (1) Handelt es sich beim Schuldner um einen öffentlichen Auftraggeber, so ist die Vereinbarung einer 30 Tage übersteigenden Zahlungsfrist in der Regel nichtig. Eine Zahlungsfrist von bis zu 60 Tagen kann aber dann wirksam vereinbart werden, wenn dies aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale des Vertrags sachlich gerechtfertigt ist.

(2) Die Wirksamkeit einer Vereinbarung über die Zahlung der Forderung in Raten wird durch Abs. 1 nicht berührt.

(3) Der Zeitpunkt des Eingangs der Rechnung ist bei einem öffentlichen Auftraggeber einer vertraglichen Vereinbarung nicht zugänglich.

Dauer von Abnahme- oder Überprüfungsverfahren

§ 458. Die Dauer eines gesetzlich oder vertraglich vorgesehenen Abnahme- oder Überprüfungsverfahrens zur Feststellung der vertragsgemäßen Leistungserbringung darf höchstens 30 Tage ab dem Empfang der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung betragen. Die Vereinbarung einer längeren Frist ist nur zulässig, soweit dies für den Gläubiger nicht grob nachteilig ist; ist der Schuldner ein öffentlicher Auftraggeber, so ist eine solche Vereinbarung überdies nur wirksam, wenn darauf sowohl im Vertragsdokument als auch in etwaigen Vergabeunterlagen hingewiesen wird.

Entschädigung für Betreibungskosten

§ 459. Bei der Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen ist der Gläubiger berechtigt, als Entschädigung für etwaige Betreibungskosten vom Schuldner einen Pauschalbetrag von 40 Euro zu fordern. Für den Ersatz von Betreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag übersteigen, ist § 1333 Abs. 2 ABGB anzuwenden.

Grob nachteilige Vertragsbestimmungen oder Geschäftspraktiken

§ 460. (1) Eine Vertragsbestimmung über den Zahlungstermin, die Zahlungsfrist, den Verzugszinssatz oder die Entschädigung für Betreibungskosten ist nichtig, wenn sie für den Gläubiger grob nachteilig ist. Ebenso wenig können aus einer diese Fragen betreffenden Geschäftspraktik rechtliche Wirkungen abgeleitet werden, wenn sie für den Gläubiger grob nachteilig ist.

(2) Für die Beurteilung der groben Nachteiligkeit einer Vertragsbestimmung oder Geschäftspraktik ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit diese von der Übung des redlichen Verkehrs abweicht, ob es einen sachlichen Grund für diese Abweichung gibt und um welche Vertragsleistung es sich handelt. Bei einer zu Lasten des Gläubigers vereinbarten Vertragsbestimmung über eine von § 456 abweichende Höhe der Verzugszinsen oder über eine von § 459 erster Satz abweichende Höhe des pauschalen Entschädigungsbetrags ist auch zu berücksichtigen, ob es einen sachlichen Grund für diese Abweichung gibt.

(3) Die Vereinbarung einer Zahlungsfrist von bis zu 60 Tagen, bei einem öffentlichen Auftraggeber als Schuldner aber einer solchen von bis zu 30 Tagen, ist keinesfalls grob nachteilig.

(4) Der Ausschluss von Verzugszinsen ist jedenfalls grob nachteilig.

(5) Der Ausschluss der Entschädigung für Betreibungskosten nach § 459 gilt als grob nachteilig, sofern er nicht ausnahmsweise nach den Umständen des jeweiligen Rechtsgeschäfts sachlich gerechtfertigt ist.

Verbandsklage

§ 461. (1) Ein Unternehmer oder öffentlicher Auftraggeber, der im geschäftlichen Verkehr ohne sachliche Rechtfertigung grob nachteilige Vertragsbestimmungen im Sinn des § 460 verwendet oder grob nachteilige Geschäftspraktiken in diesem Sinn ausübt, kann von Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern auf Unterlassung geklagt werden, soweit diese Vereinigungen Interessen vertreten, die durch die Handlung berührt werden. Der Unterlassungsanspruch kann auch von der Wirtschaftskammer Österreich und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs geltend gemacht werden. Die §§ 24, 25 Abs. 3 bis 7 und 26 UWG 1984 sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Gefahr einer Verwendung derartiger Vertragsbestimmungen oder einer Ausübung derartiger Geschäftspraktiken besteht nicht mehr, wenn der Unternehmer oder öffentliche Auftraggeber nach Abmahnung durch eine nach Abs. 1 klagebefugte Vereinigung binnen angemessener Frist eine mit angemessener Konventionalstrafe (§ 1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung abgibt.“

Artikel 3

Änderung des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes

Das Bundesgesetz vom 7. März 1985 über die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, BGBl. Nr. 104/1985, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2010, wird wie folgt geändert:

In § 49a wird im ersten Satz das Wort „acht“ durch die Zahl „9,2“ ersetzt.

Artikel 4

Änderung des Verbraucherkreditgesetzes

Das Verbraucherkreditgesetz, BGBl. I Nr. 28/2010, wird wie folgt geändert:

1. In Anhang II lauten die letzten beiden Spalten in der Tabelle nach dem Punkt „3. Kreditkosten“:

 

(falls zutreffend)

Verpflichtung zur Zahlung von Notariatsgebühren

 

Kosten bei Zahlungsverzug

Ausbleibende Zahlungen können schwerwiegende Folgen für Sie haben (z. B. Zwangsversteigerung) und die Erlangung eines Kredits erschweren.

Bei Zahlungsverzug wird Ihnen [… (anwendbarer Zinssatz und Regelungen für seine Anpassung sowie gegebenenfalls Verzugskosten)] berechnet.

2. In Anhang III lautet die letzte Spalte in der Tabelle nach dem Punkt „3. Kreditkosten“:

 

Kosten bei Zahlungsverzug

Bei Zahlungsverzug wird Ihnen [… (anwendbarer Zinssatz und Regelungen für seine Anpassung sowie gegebenenfalls Verzugskosten)] berechnet.

Artikel 5

Außerkrafttreten

Mit Ablauf des 30. November 2012 tritt Artikel V des Zinsenrechts-Änderungsgesetzes, BGBl. I Nr. 118/2002, außer Kraft.

Artikel 6

Inkrafttreten, Übergangsbestimmung, Vollziehung

(1) Die Artikel 1 bis 3 und 5 dieses Bundesgesetzes treten mit 1. Dezember 2012 in Kraft. Sie sind auf Verträge anzuwenden, die ab diesem Zeitpunkt geschlossen werden. Auf Verträge, die vor dem 1. Dezember 2012 geschlossen wurden, sind die bisherigen Bestimmungen weiter anzuwenden. Artikel 4 dieses Bundesgesetzes tritt mit dem Tag nach dessen Kundmachung in Kraft.

(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Justiz betraut.

Artikel 7

Umsetzungshinweis

Mit diesem Bundesgesetz wird die Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. Nr. L 48 vom 23. Februar 2011, S. 1, umgesetzt.