Adoptionsrechts-Änderungsgesetz 2013 – AdRÄG 2013

 

Einbringende Stelle:

Bundesministerium für Justiz

Laufendes Finanzjahr:

2013

Inkrafttreten/

Wirksamwerden:

2013

 

Vorblatt

 

Ziele

 

- Keine weitere Verurteilung Österreichs durch den EGMR im Hinblick auf die Möglichkeiten der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare

Mit Urteil des EGMR vom 19.2.2013 wurde Österreich aufgrund einer Verletzung von Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK verurteilt, weil nach bestehendem Recht die Adoption des Kindes durch den gleichgeschlechtlichen Partner eines leiblichen Elternteils ausgeschlossen ist, ohne die rechtliche Beziehung zu diesem Elternteil aufzuheben.

 

Inhalt

 

Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahme(n):

 

- Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare

Durch die Änderungen im ABGB und im EPG wird die Stiefkindadoption dadurch ermöglicht, dass die rechtliche Beziehung des leiblichen Elternteils zum Kind nicht durch die Annahme durch dessen gleichgeschlechtlichen Partner aufgehoben wird.

 

Wesentliche Auswirkungen

Wirtschafts-, umwelt-, konsumentenschutzpolitische Auswirkungen sowie Auswirkungen auf Kinder und Jugend sowie die Verwaltungskosten für Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen, als auch in sozialer Hinsicht und insbesondere auch auf die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen sind nicht zu erwarten.

 

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte:

Gesamt für die ersten fünf Jahre

 

Zusätzliche Kosten sind durch das Vorhaben keine zu erwarten. Bei insgesamt rund 220 Adoptionen pro Jahr (Schnitt der Jahre 2009 bis 2011) ist nur vereinzelt mit Stiefkindadoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare zu rechnen. Ausgehend von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von 88 Minuten für einen Adoptionsfall, ergibt dies eine – auf das gesamte Bundesgebiet und sämtliche Bezirksgerichte zu vernachlässigende – Mehrbelastung von rund 13 Stunden pro Jahr.

In den weiteren Wirkungsdimensionen gemäß § 17 Abs. 1 BHG 2013 treten keine wesentlichen Auswirkungen auf.

 

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

 

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine

 

Wirkungsorientierte Folgenabschätzung

AdRÄG 2013

 

Problemanalyse

 

Problemdefinition

Die Stiefkindadoption ist nach geltendem Recht für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und für eingetragene Partner nicht möglich. Aufgrund dieser Rechtslage ist Österreich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 19.2.2013, X. und andere gegen Österreich, verurteilt worden.

 

Nullszenario und allfällige Alternativen

Ohne Gesetzesänderung würde Österreich wieder in gleichartigen Fällen vom EGMR wegen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verurteilt werden.

 

Interne Evaluierung

 

Zeitpunkt der internen Evaluierung: 2018

Die interne Evaluierung soll im Jahr 2018 durchgeführt werden. Zu diesem Zweck ist zu erheben, ob Österreich neuerlich wegen eines gleichartigen Falles vom EGMR wegen Verletzung der EMRK (Art. 14 iVm Art. 8) verurteilt wurde.

 

Ziele

 

Ziel 1: Keine weitere Verurteilung Österreichs durch den EGMR im Hinblick auf die Möglichkeiten der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare

 

Wie sieht Erfolg aus:

 

Ausgangszustand Zeitpunkt der WFA

Zielzustand Evaluierungszeitpunkt

Eine Verurteilung durch den EGMR (X. und andere gegen Österreich, Nr. 19010/07).

Keine Verurteilung durch den EGMR bei gleichartiger Fallkonstellation.

 

Maßnahmen

 

Maßnahme 1: Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare

Beschreibung der Maßnahme:

Durch geringfügige Änderungen im ABGB und im EPG wird die Stiefkindadoption in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und eingetragenen Partnerschaften ermöglicht.

 

Wie sieht Erfolg aus:

 

Ausgangszustand Zeitpunkt der WFA

Zielzustand Evaluierungszeitpunkt

Eine Verurteilung durch den EGMR (X. und andere gegen Österreich, Nr. 19010/07).

Keine weitere Verurteilung durch den EGMR in gleichartigen Fällen.

 

Abschätzung der Auswirkungen

 

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte

 

Finanzielle Auswirkungen für die Länder

 

Aus dem Vorhaben ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen für Länder/Gemeinden.

 

Finanzielle Auswirkungen für die Gemeinden

 

Aus dem Vorhaben ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen für Länder/Gemeinden.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Nach geltendem Recht erlöschen bei einer Adoption durch einen Wahlvater bzw. eine Wahlmutter die familienrechtlichen Beziehungen zum leiblichen Vater bzw. der leiblichen Mutter (vgl. § 197 Abs. 2 ABGB). Aufgrund dieser Regelung konnte bislang ein gleichgeschlechtlicher Partner das leibliche Kind des anderen nicht adoptieren, ohne die rechtliche Beziehung zu diesem Elternteil aufzuheben. Der EGMR sieht darin eine Verletzung von Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK (siehe X u. a. gegen Österreich, 19.2.2013, Beschw-Nr. 19010/07).

Mit den vorgeschlagenen Änderungen im ABGB und im EPG soll erreicht werden, dass die familienrechtlichen Beziehungen des leiblichen Elternteils zum Kind nicht durch die Annahme des Kindes durch den   gleichgeschlechtlichen Partner dieses Elternteils aufgehoben werden. Außerdem soll durch eine neue Gliederung der betroffenen Bestimmungen die Verständlichkeit des Gesetzestextes verbessert werden.

Kompetenzgrundlage

Das Gesetzesvorhaben gründet sich auf Art. 10 Z 6 B-VG („Zivilrechtswesen“).


Besonderer Teil

Zu § 197 ABGB:

Abs. 2 gibt den ersten Satz des bisherigen Abs. 2 wieder und regelt unverändert die Wirkungen bei gemeinsamer Adoption durch Ehegatten.

Abs. 3 entspricht dem zweiten Satz des bisherigen Abs. 2 (inklusive Halbsätze) und normiert – ebenfalls unverändert – die Wirkungen der Adoption durch eine einzelne Person (mit Ausnahme der im Abs. 4 gesondert geregelten Stiefkindadoption). Damit soll der Übersichtlichkeit und der besseren Lesbarkeit dieser ohnehin komplexen Regelungen gedient sein. Inhaltlich sind damit keine Änderungen verbunden. Der „nicht verdrängte Elternteil“ bezeichnet denjenigen leiblichen Elternteil, dessen familienrechtlichen Beziehungen nicht aufgrund Abs. 2 erloschen sind. Die Änderung des Wortes „Einwilligungserklärung“ in „Zustimmungserklärung“ soll eine Vereinheitlichung der Begriffe herstellen (vgl. § 195 ABGB und § 86 AußStrG).

Abs. 4 regelt – als Sonderform der Adoption durch eine einzelne Person – die sogenannte Stiefkindadoption. Demnach erlöschen bei Adoption des Kindes eines Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten durch den anderen Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des Abs. 2 nur zum anderen leiblichen Elternteil und dessen Verwandten. Hierdurch wird nunmehr auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die Stiefkindadoption ermöglicht, ohne dass die familienrechtlichen Beziehungen des Kindes zum eingetragenen Partner oder Lebensgefährten des Wahlelternteils erlöschen. Damit wird der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (X u. a. gegen Österreich, Urteil vom 19. 2. 2013, Beschw-Nr 19010/07) entsprochen. Vom Begriff „Kind“ können bei der Stiefkindadoption unter Ehegatten sowohl das leibliche Kind als auch das Wahlkind erfasst sein, bei eingetragenen Partnern und Lebensgefährten muss es sich dagegen immer um das leibliche Kind des Partners handeln. Die sogenannte „Sukzessivadoption“ (also die Adoption des in die Beziehung eingebrachten Wahlkindes durch den neuen Partner) bleibt nämlich – wie auch die ursprünglich gemeinsame Adoption – Ehegatten vorbehalten (siehe § 191 Abs. 2 erster Satz ABGB in der geltenden Fassung sowie § 8 Abs. 4 EPG in der vorgeschlagenen Fassung). Damit wird dem auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (X u. a. gegen Österreich, Urteil vom 19. 2. 2013, Beschw-Nr 19010/07) hervorgehobenen besonderen Status der Ehe Rechnung getragen. Ein Erlöschen der familienrechtlichen Beziehungen des nicht verdrängten Elternteils kann bei der Stiefkindadoption – anders als bei sonstigen Konstellationen der Adoption durch eine einzelne Person – nicht ausgesprochen werden. Ziel der Stiefkindadoption ist es doch, möglichst der Familie nahe kommende Verhältnisse zu erreichen, ein „opting-out“ des leiblichen Elternteils, der Partner des Wahlelternteils ist, soll es hier nicht geben können.

Zu § 199 ABGB:

Die Aufspaltung des bisherigen Abs. 2 in zwei Absätze soll der besseren Lesbarkeit dienen. Abs. 2 betrifft die gemeinsame Adoption durch Ehegatten und entspricht inhaltlich unverändert dem ersten Halbsatz des bisherigen Abs. 2.

Abs. 3 enthält Regelungen für die Adoption durch eine einzelne Person, hier unter Einschluss der Stiefkindadoption. Die Änderungen in Abs. 3 (zweiter Halbsatz des bisherigen Abs. 2) sind durch die Anpassungen des § 197 ABGB erforderlich. Der „nicht verdrängte Elternteil“ bezeichnet denjenigen leiblichen Elternteil, dessen familienrechtlichen Beziehungen nicht aufgrund des § 197 Abs. 3 und 4 ABGB erloschen sind. Der Elternteil, der nach § 197 Abs. 3 ABGB dem Erlöschen der familienrechtlichen Beziehungen zugestimmt hat, hat dadurch alleine keine Änderungen am Erbrecht bewirkt (vgl. Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 182b Rz 4).

Zu § 201 ABGB:

Die Änderungen in Abs. 1 vollziehen zum einen die herrschende Lehre und Rechtsprechung nach, wonach dem Aufhebungsgrund nach § 201 Abs. 1 Z 3 ABGB in der geltenden Fassung auch die Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe zwischen einem leiblichen Elternteil und einem Wahlelternteil zu unterstellen ist (Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, Kommentar zum ABGB 13 §§ 184a-185a Rz 2; OGH 26. 8. 1993, 6 Ob 571/93). Zum anderen soll der Aufhebungsgrund auch dann gegeben sein, wenn die eingetragene Partnerschaft zwischen dem leiblichen Elternteil und dem Wahlelternteil aufgelöst oder für nichtig erklärt wurde. Die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft allein oder die Beendigung der Lebensgemeinschaft von Lebensgefährten ist dagegen (weiterhin) kein Aufhebungsgrund.

Zu § 8 EPG:

In Abs. 4 soll durch den Entfall der Wortfolge „oder die Kinder des jeweils anderen an Kindesstatt“ der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (X u. a. gegen Österreich, Urteil vom 19. 2. 2013, Beschw-Nr 19010/07) entsprochen und das Verbot der „Stiefkindadoption“ in einer eingetragenen Partnerschaft beseitigt werden. Die sukzessive Stiefkindadoption ist hier aber weiterhin untersagt; schließlich würde die Möglichkeit zur sukzessiven Stiefkindadoption in eingetragenen Partnerschaften das – nach wie vor aufrechte – Verbot der gemeinsamen Adoption durch eingetragene Partner bzw. Lebensgefährten aushebeln.

Zu § 43 EPG:

Mit der neuen Z 27 in Abs. 1 soll sichergestellt werden, dass jene Bestimmungen, die die Folgen der Auflösung oder Scheidung der Ehe für die gemeinsamen Kinder zum Inhalt haben, auch für gemeinsame Kinder eingetragener Partner nach Auflösung der eingetragenen Partnerschaft anwendbar sind. Insbesondere sollen daher für diese Fälle etwa die §§ 179, 180 und 231 ABGB, aber auch die §§ 55a, 68a, 82, 83 und 97 EheG relevant sein.