16/PET XXIV. GP

Eingebracht am 25.02.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

Abgeordnete zum Nationalrat:
Carmen Gartelgruber

An Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

A-1017Wien

Wien, am 25. Februar 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

In der Anlage überreiche ich Ihnen gem. §100 (1) GOG-NR die

Petition Neues Geld"
Mit der Bitte um geschäftsordnungsmäßige Behandlung dieser Petition verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Anlage


Petition "Neues Geld"

Neues Geld für eine gesunde Welt

Geld spielt eine Schlüsselrolle in allen Lebensbereichen - von der Wirtschaft bis
hinein in pers
önliche Beziehungen. Die aktuelle Finanzmarktkrise zeigt, dass
politischer Handlungsbedarf besteht. Dieser sollte sich aber nicht auf das Finanzieren
der Verluste privater Verursacher aus Steuergeld beschr
änken und damit nur bei der
Symptombek
ämpfung bleiben, sondern bei der Ursache ansetzen.

Geld entscheidet, in welcher Welt wir leben: ein auf Zinseszins und Spekulation
aufgebauter Kapitalismus f
ührt zur harten Konkurrenzgesellschaft, stellt die
Wirtschaft unter unendlichen Wachstumszwang und m
ündet in Ausbeutung von
Mensch und Natur mit sozialen Spannungen und Kriegen, astronomischen
Verm
ögen und Schuldenbergen, riesigen Spekulationsblasen und etwa alle 60 Jahre
zu massiven Krisen bzw. zum v
ölligen Zusammenbruch der Börsen, Finanzmärkte
und Währungen.

Das Geld, das jetzt über die internationalen Finanzmärkte die Welt regiert, ist ein
Relikt aus einem feudalen Zeitalter - die Macht ist bei wenigen Menschen
konzentriert, was dem Grundgedanken einer demokratischen Verfassung
widerspricht. Das systembedingte exponentielle Wachstum des Geldverm
ögens
durch Zinseszins steht im Gegensatz zur Natur - die Erde ist begrenzt und wir alle
tragen Verantwortung daf
ür, dass auch die nächsten Generationen noch auf ihr
leben können.

Geld ist gestaltbar

Unser heutiges Geld gilt als Rechtsanspruch auf Leistung, dessen Wert auf
Vertrauen gründet. Die Regeln des bestehenden Geldsystems dienen aber nicht
allen Menschen gleich und stärken einseitig das Konkurrenzdenken, das in
bestimmten wirtschaftlichen Bereichen wie dem technischen Fortschritt auch seine
Berechtigung hat, in anderen Lebensbereichen jedoch hinderlich ist.

Geld kann auch so gestaltet werden, dass es die Zusammenarbeit und den
Zusammenhalt einer Gesellschaft unterst
ützt. Neue Geldformen zielen darauf ab,
wertstabil, demokratisch gelenkt und gemeinschaftsbildend zu sein, sie unterstützen
eine nachhaltige, ressourcenschonende und naturnahe Wirtschaftsweise mit dem
Ziel, gerecht verteilten Wohlstand f
ür alle zu ermöglichen.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Geld auch nach anderen Regeln als denen
des heutigen Finanzsystems funktionieren kann. Als demokratisch gew
ählte
Volksvertreter können Sie zum Gemeinwohl hier Änderungen veranlassen und den
Ordnungsrahmen f
ür die Geldwirtschaft des Staates gestalten, indem nicht nur ein
Geldsystem als rechtlich zugelassenes Zahlungsmittel G
ültigkeit hat, sondern
unterschiedliche Zahlungs- und Verrechnungssysteme ebenfalls gesetzlich
anerkannt und durch die
öffentliche Hand gefördert werden.

In Österreich, aber auch in anderen Ländern, bestehen und entstehen Initiativen,
welche aufzeigen, dass ergänzende Währungssysteme wichtige Aufgaben in der
F
örderung des Sozialkapitals und der Nahversorgung übernehmen.


Neue Geldsysteme als ergänzende Währungen

Neue Geldsysteme werden ergänzend zum Euro bereits erprobt: Tauschsysteme,
Barterringe, Regiogeld und Zeitbanken benützen eigene Verrechnungs- und
Zahlungssysteme und verzichten auf Zins. Zukunftsweisende Modelle verbinden
regionale Zahlungsmittel mit der autarken Energieversorgung aus erneuerbaren
Rohstoffen. Beispiele dazu sind:

         Zeitvorsorge wie das Modell des Talente-Tauschkreises Vorarlberg stellt eine
wertvolle, nicht der Inflation und dem Kapitalmarkt ausgelieferte Erg
änzung
des Sozialsystems dar (4. S
äule der Altersvorsorge nach dem japanischen
Erfolgsmodell: Ansparen von Zeitguthaben durch freiwilliges, soziales
Engagement mit Anspruch auf Gegenleistung).
www.talentiert.at

         Tauschsysteme und Zeitbanken erweitern den wirtschaftlichen
Handlungsspielraum aller Beteiligten, st
ärken soziale Kompetenzen und
Strukturen und tragen in Form organisierter Nachbarschaftshilfe dazu bei,
Sozialkosten aus
öffentlichen Kassen einzusparen. www.talentiert.at oder
www.timesozial.org

         Regiogeld belebt die Wirtschaft durch Stärkung regionaler
Wirtschaftskreisläufe im Besonderen in der Versorgung der Grundbedürfnisse
nach Energie, Lebensmitteln und Betreuung, sichert Arbeitspl
ätze, erhöht die
regionale Wertsch
öpfung, schont durch gesparte Transporte die Umwelt und
bringt Lebensqualit
ät in die Regionen. www.regiogeld.de

         Barterringe unterstützen unkompliziert klein- und mittelständige
Wirtschaftsbetriebe, wie das Beispiel des Schweizer WIR zeigt. Das 1934
gegr
ündete Verrechnungssystem wirkt bei schwacher Konjunktur
wirtschaftsbelebend und ist wesentlich krisenresistenter. www.wir.ch

         Gemeinwesen können statt der Aufnahme von teuren, verzinslichen Darlehen
durch die Ausgabe von Steuergutschriften Finanzierungskosten sparen wie
das Taxos-Modell vorschl
ägt. www.taxos.info

Im Sinne einer ganzheitlichen Entwicklung können Regionalisierungsprozesse die
einzelnen Regionen der Welt neu beleben und stärken und so den aktuellen,
neoliberalen Globalisierungsprozess ausgleichen. Eine gesunde und starke
Weltwirtschaft kann nur auf Basis gesunder und starker Regionen begr
ündet sein.

Die Zukunft unserer Wirtschaft sollte nicht auf Gedeih und Verderb dem globalen
Spielcasino der Spekulanten an den B
örsen ausgeliefert sein. Die Politik kann durch
eine Demokratisierung des Geldsystems, die Zulassung und Unterst
ützung neuer
Zahlungs- und Verrechnungssysteme wesentlich zur Stabilit
ät der Wirtschaft und
damit zum Gemeinwohl beitragen.


Daher fordere ich die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung auf, zu prüfen, ob die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Komplementäwährungen sinnvoll ist oder nicht.

Auch gilt es, Forschungsprojekte zu Komplementärwährungen, aber auch in
Richtung eines nachhaltigen, gerechteren Geldwesens und die Etablierung von
wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekten zu unterst
ützen. Ein Vorschlag
dazu ist die Einrichtung eines eigenen Universit
ätslehrstuhles für diese
Themenbereiche.

Die kritische Situation auf den internationalen Finanzmärkten wird in
absehbarer Zeit eine gro
ße internationale Währungskonferenz zur Neuordnung
des internationalen Finanzsystems erforderlich machen. Sie sind aufgefordert
daf
ür einzutreten, dass bei einer solchen Konferenz nicht nur die Vertreter
traditioneller Geldtheorien, sondern auch Experten f
ür komplementäre
Geldsysteme und Wissenschafter anderer Geldtheorien geh
ört werden. Damit
kann ein Dialog über die Wirkung unterschiedlicher Geldsysteme auf
wissenschaftlicher und auf h
öchster politischer Ebene mit dem Ziel, Fehler der
Vergangenheit zu vermeiden, begonnen werden.