52/PET XXIV. GP

Eingebracht am 11.06.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

 

Dr. Wolfgang Zinggl
Grüner Klub im Parlament
1017 Wien

An die

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Wien, 25. Mai 2010

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

in der Anlage übermittle ich die Petition „Stopp der Verbauungen des Augartens" im Sinne
des §
100 Abs. 1 Z. 1 GOG mit dem Ersuchen um geschäftsordnungsmäßige Behandlung.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Zinggl


Petition: Stopp der Verbauungen des Augartens

Wiewohl die österreichische Rechtsordnung vorsieht, dass behördliche Entscheidungen unter Wahrnehmung des öffentlichen Interesses zu treffen sind, kommt es immer wieder zur gegenteiligen Praxis: Parteipolitische Interventionen oder Netzwerke mit privaten Interessen stehen häufig über den öffentlichen Anliegen. Ein Beispiel dafür ist der geplante Bau des Konzertkristalls der Wiener Sängerknaben im Augarten.

Seit dem Jahr 1775 ist die barocke Garten- und Bundesparkanlage im 2. Wiener Gemeindebezirk für die Bevölkerung geöffnet. Im Jahr 2000 wurde sie zur Gänze unter Denkmalschutz gestellt. Mit Bescheid vom 05.03.2009, GZ: 39.086/83/200, hat das Bundesdenkmalamt jedoch eine Teilzerstörung des Denkmals Augarten für zulässig erklärt, damit eine Konzerthalle für den privaten Verein Wiener Sängerknaben gebaut werden kann. Dieser Bescheid, wiewohl Grundlage für die erteilte Baubewilligung, weist eminente Schwächen auf. Das wurde mittlerweile u.a. vom Verfassungsrechtler o. Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer bestätigt.

Für die Wiener Sängerknaben ist der Bau an dieser Stelle ebenso wenig zwingend erforderlich wie für die Wiener Bevölkerung oder gar das Renommee Österreichs (vgl. Beilage).

Wir fordern daher die Mitglieder des Nationalrates und die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung auf,

         für  einen endgültigen Stopp aller Verbauungen im denkmalgeschützten Augarten und den Schutz des wertvollen urbanen Grünraums einzutreten,

         sich für die friedliche Lösung des festgefahrenen Konflikts am Augartenspitz einzusetzen und einen ergebnisoffenen Mediationsprozess zu unterstützen,

         Maßnahmen zu ergreifen, um die Privatisierung öffentlichen Raums zu stoppen,

         den Mietvertrag mit den Wiener Sängerknaben zu veröffentlichen.

In diesem Zusammenhang ersuchen wir weiters um Stellungnahmen der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend, des Bundesdenkmalamtes, des Vereins „Freunde des Augartens", des Josefinischen Erlustigungskomitees, der Initiative Denkmalschutz sowie des Präsidenten des Vereins Wiener Sängerknaben.

Darüber hinaus ersuchen wir um Behandlung unseres Anliegens im Rahmen des parlamentarischen Bautenausschusses.


Konzertsaal der Sängerknaben zeigt,
dass gut gemeint meist nicht gut ist

Von Reinhard Göweil

■Am Anfang stand eine noble Geste: Die Privatstiftung des Finanzmanagers Peter
Pühringer schenkt 2004 den Wiener Sängerknaben fünf Millionen Euro. Damit soll eine
eigene Spielstätte mit 500 Sitzplätzen errichtet werden. Das Erstprojekt sieht vor, sie
unterirdisch - neben dem Palais im Augarten in Wien-Leopoldstadt - zu errichten.
Grundwasser-Probleme und die Sorge um den alten Baumbestand im Augarten lassen die
Kosten auf 18 Millionen Euro schnalzen. Das Projekt scheitert.

Doch warum fünf Millionen Euro für eine Spielstätte einfach liegen lassen? Also wird ein
neues Projekt oberirdisch geplant - als architektonisches "Landschaftsrelief" im Bereich
Augartenspitz. Auch dieses Projekt scheitert an der Finanzierung. Zudem unterliegt der
Wiener Augarten den Denkmalschutz-Bestimmungen. Und das Denkmalamt verkleinert
das Projekt. Trotzdem wird von den Sängerknaben verbissen daran festgehalten. Die
Pühringer-Privatstiftung ist mittlerweile bereit, zwölf Millionen Euro bereitzustellen.
Warum noch mehr Geld einfach liegen lassen?

Kulturmanager melden sich zu Wort und hinterfragen die Sinnhaftigkeit des Projektes der
Sängerknaben: Es gebe ausreichend Konzertsaal-Kapazitäten in Wien, und die
Sängerknaben müssten nicht unbedingt im Augarten auftreten. Eine Bürgerinitiative
bildet sich, um gegen den Bau zu protestieren. Einer der Einwände: Es gibt kein
Verkehrskonzept f
ür die Veranstaltungen und vor allem keine Parkplätze. Die Pühringer-
Stiftung macht auch dazu Vorschl
äge, allerdings müsste eine Straßenführung geändert
werden. Das ist der Gemeinde Wien zu aufwendig.

Die Bürgerinitiative "Rettet den Augartenspitz" bekommt Zulauf, Künstler engagieren
sich. Wir befinden uns im Jahr 2007, die Gemeinde ist skeptisch.

Im Jahr 2008 wird der frühere Wiener Wirtschaftskammer-Chef Walter Nettig Präsident
der Wiener S
ängerknaben. Nettig hat exzellente Kontakte ins Wiener Rathaus, vom
B
ürgermeister abwärts. Mit seinem Einsatz beginnen sich die Dinge (wie etwa die
Baugenehmigung) zu beschleunigen, allerdings auch der Konflikt mit den Gegnern des
Projekts. Er kumuliert mit der polizeilichen Räumung der Baustelle.

Aus der ursprünglich noblen Geste ist ein bloßes Machtspiel geworden. Aus den
ursprünglich architektonisch interessanten Entwürfen ist ein bloßer Konzertsaal
geworden. Die Baugrube ist nach der Rodung der B
äume abgesperrt und wird 24
Stunden bewacht. Gegner kampieren davor, sind in Facebook aktiv. Idylle schaut anders
aus.

Ein schlüssiges Verkehrskonzept gibt es immer noch nicht - Busse sollen beim Prater
parken. Die Frage, ob der Konzertsaal ben
ötigt wird, ist ebenfalls unbeantwortet. Ach ja
- die S
ängerknaben geben von jetzt bis Ende Oktober 31 Konzerte in Wien, die meisten
davon in der Hofburgkapelle und im Musikverein.

Printausgabe vom Freitag, 09. April 2010
Online seit: Donnerstag, 08. April 2010 17:50:21