47/SBI XXIV. GP

Eingebracht am 22.08.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative

 

Parlamentsdirektion, Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen,

Bürgerinitiative Nr. 30 betreffend Freie Schulwahl ohne Schulgeld - Jetzt!“

(Novellierung des Privatschulgesetzes); Ressortstellungnahme

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur erlaubt sich zu der übermittelten Bürgerinitiative Nr. 30 betreffend Freie Schulwahl ohne Schulgeld - Jetzt!“ (Novellierung des Privatschulgesetzes) wie folgt Stellung zu nehmen:

Vorweg ist zur Frage der Vereinbarkeit der österreichischen Rechtslage mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zunächst auf Art. 14 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Amtsblatt der Europäischen Union C 83 vom 30.3.2010, S. 389, hinzuweisen, der bestimmt, dass das Recht auf Bildung die Möglichkeit umfasst, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen.

Gemäß den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Amtsblatt der Europäischen Union C 303 vom 14.12.2007, S 17, besagt der Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Pflichtschulunterrichts lediglich, dass in Bezug auf den Pflichtschulunterricht jedes Kind die Möglichkeit haben muss, eine schulische Einrichtung zu besuchen, die unentgeltlichen Unterricht erteilt. Er besagt nicht, dass alle - und insbesondere auch die privaten - schulischen Einrichtungen, die den betreffenden Unterricht oder berufliche Ausbildung und Weiterbildung anbieten, dies unentgeltlich tun müssen.

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Art. 14 Abs. 3 der Grundrechte der Europäischen Union normiert, dass die Freiheit zur Gründung von Lehranstalten unter Achtung der demokratischen Grundsätze sowie das Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen, weltanschaulichen und erzieherischen Überzeugungen sicherzustellen, nach den einzelstaatlichen Gesetzen geachtet werden, welche ihre Ausübung regeln.

Gemäß den Erläuterungen zu Art. 14 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wird durch Art. 14 die Freiheit zur Gründung von öffentlichen oder privaten Lehranstalten garantiert, ihre Ausübung ist jedoch durch die Achtung der demokratischen Grundsätze eingeschränkt und erfolgt entsprechend den in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegten Einzelheiten. Aus Art. 14 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union kann somit keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, private Schulen zu subventionieren, abgeleitet werden.

Ferner ist zur Frage der Vereinbarkeit der österreichischen Rechtslage mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union darauf zu verweisen, dass das in Art. 14 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthaltene Recht der Freiheit zur Gründung von Lehranstalten sowie das darin enthaltene Recht der Eltern auf freie Schulwahl inhaltlich nicht über die in Art. 17 Abs. 2 Staatsgrundgesetz 1867 sowie in Art. 2 1. ZP zur EMRK enthaltenen Rechte hinausgehen und somit insofern keine inhaltlich weitere Anspruchsgrundlage als bisher besteht. Sowohl die österreichischen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben die österreichische Rechtslage als konform mit den im Staatsgrundgesetz 1867 und der EMRK enthaltenen Grundrechten erachtet.

Zu dem in der Bürgerinitiative angesprochenen Begehren zur Neufassung des Privatschulgesetzes mit einem Regelungsinhalt, der eine Kostenübernahme der Privatschulen durch die öffentliche Hand vorsieht, ist ferner zu bemerken, dass eine Schulerhalterschaft des Bundes für den Pflichtschulbereich nicht besteht und daher der Privatschulerhalter - sofern sein Angebot den Pflichtschulbereich umfasst - eine derartige Forderung an den verfassungsrechtlich jeweils zuständigen Pflichtschulerhalter (Länder bzw. Gemeinden) zu richten hätte: Eine besondere Regelung in der Schulerhalterschaft, die von den allgemein verfassungsrechtlichen Regelungen abweicht, wäre systemwidrig.

Eine staatliche Förderung der in der gegenständlichen Bürgerinitiative angesprochenen Privatschulen ist entsprechend den näheren Voraussetzungen des Privatschulgesetzes möglich, dies jedoch nach der grundsätzlichen Voraussetzung der vom Bundesfinanzgesetzgeber zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel (§ 21 Privatschulgesetz). Sieht also das jeweilige Bundesfinanzgesetz keine oder nur geringfügige Förderungen der angesprochenen Privatschulen vor, so stellt dies weder einen Gesetzesbruch dar, noch hindert es Schülerinnen und Schüler am Besuch einer Schule, die unentgeltlichen Unterricht erteilt.

Eine angedachte Vollsubventionierung der sonstigen Privatschulen alleine im Bereich der Personalausgaben für Lehrkräfte würde eine deutliche Steigerung der diesbezüglichen Aufwendungen zur Folge haben.

Aus den Daten zu den bisher gewährten Subventionen zum Personalaufwand an sonstige Privatschulen auf der Sekundarstufe I (AHS) und Sekundarstufe II lässt sich ein diesbezüglicher Zusatzaufwand im Bereich der Personalausgaben des Bundes im Ausmaß von rd. 17 Mio. EUR jährlich errechnen. Ergänzt muss jedoch werden, dass eine derartige Maßnahme auch all jene Schulen betreffen würde, die derzeit in keinster Weise Subventionen zum Personalaufwand erhalten und daher in den Bewirtschaftungssystemen des Ressorts überhaupt nicht evident sind.

 

 

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Von diesen Schulen sind daher auch keine Daten zu Schüler- oder Klassenzahlen vorhanden, wodurch der Personalaufwand auch gar nicht beziffert werden kann. Bemerkt wird ferner, dass für den weiterführenden Bereich zudem Aufwendungen für das Verwaltungspersonal, die laufenden Sachaufwandsmittel sowie die räumliche Unterbringung zu berücksichtigen wären. Dazu wird auch hier festgehalten, dass eine seriöse Einschätzung nur bei Kenntnis zumindest teilweise der Aufwendungen nach den tatsächlichen Standorten möglich sein würde.

Für den Bereich der Pflichtschulen kann das Volumen des jährlichen Personalzusatzaufwandes bei einem geschätzten Schüleraufkommen von ca. 4.000 bis 5.000 Schülerinnen und Schülern mit ca. 15 bis 20 Mio. EUR angenommen werden.

Bemerkt wird weiters, dass in Entsprechung zum Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode, wonach die Schulen in freier Trägerschaft weiter gefördert“ werden sollen, schon davor die Förderungen im Jahr 2007 um 20% und im Jahr 2008 um weitere 10% auf insgesamt rund 2,1 Mio. EUR angehoben (Waldorfschulen: 1,800 Mio. EUR, Netzwerkschulen: 0,300 Mio. EUR, Montessorischulen: 20.000 EUR) wurden.

In den Jahren 2009 und 2010 erhöhte das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur die im BVA vorgesehene finanzielle Förderung um je 2,47 Mio. EUR. Zudem wurde in diesem Zusammenhang ein einheitliches Pro-Kopf-Fördersystem für alle freien“ Privatschulen erarbeitet. Das bewirkte eine Verdoppelung der bisherigen Förderansätze. Für die Subventionierung der Privatschulen in freier Trägerschaft“, zu denen ua. Waldorfschulen und Montessorischulen zählen, hat das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2009 und 2010 somit insgesamt je rund 4,5 Mio. EUR aufgebracht.

Es ist geplant, möglichst das gleiche Gesamtvolumen wie im Jahr 2010 auch im Jahr 2011 für die Förderung dieser Privatschulen zur Verfügung zu stellen.

Was die in der Bürgerinitiative hinsichtlich der Privatschulen geforderte volle Autonomie für die Umsetzung ihrer jeweiligen pädagogischen Inhalte im Rahmen ihrer genehmigten Lehrpläne und Statuten“ anbelangt, so ist einerseits darauf hinzuweisen, dass die Schaffung der Voraussetzungen zur Führung einer Privatschule grundsätzlich dem jeweiligen Schulerhalter obliegt. Unabhängig von der Verantwortung der Schulerhalterschaft obliegt den Schulbehörden des Bundes, zumal dem Bund die grundlegende Kompetenz auf dem Gebiet des Privatschulwesens zukommt, andererseits eine Gesamtverantwortung für die Entwicklung und Qualitätssicherung des Schulwesens in Österreich; auf die aus Art. 17 Staatsgrundgesetz 1867 und Art. 14 B-VG erfließende Aufsicht über Privatschulen nach Maßgabe des § 22 des Privatschulgesetzes wird aufmerksam gemacht.

Dementsprechend sind Erforderniskriterien auch für die Privatschulen im Privatschulgesetz verankert, die hinsichtlich Errichtung eines Schulstandortes, Organisation, Lehrplan, Ausstattung der Schule, Lehrbefähigung der Leitungen sowie der Lehrkräfte und Unterrichtserfolg einzuhalten sind. Es ist unbestritten, dass das Privatschulwesen in Österreich eine wesentliche Bereicherung für die gesamte Bildungslandschaft darstellt.


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Ausgehend davon ist im gesamten Schulwesen eine höchstmögliche Qualität im Interesse der Kinder sicher zu stellen. Ferner müssen sich die Erziehungsberechtigten darauf verlassen können, dass Schulen mit Öffentlichkeitsrecht die gleiche Qualität bieten wie öffentliche Schulen. Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht haben den allgemeinen Qualitätsnormen zu entsprechen, da die Zeugnisse die gleichen Berechtigungen wie jene der entsprechenden öffentlichen Schulen vermitteln.

Wien, 22. August 2011

Für die Bundesministerin:

SektChef Mag. Wolfgang Stelzmüller

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