100/SBI XXIV. GP

Eingebracht am 15.04.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative

 

Wien, am 15. April 2013

 

Betreff: Bürgerinitiative Nr. 54

Bezug: do. GZ. 17020.0025/19-L1.3/2013

Bezug nehmend auf Ihre E-Mail vom 11. März 2013 mit dem die Bürgerinitiative Nr. 54 betreffend „Rettet Griaß di“ übermittelt wurde, darf seitens des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie mitgeteilt werden, dass es für eine entsprechende Initiative zur Änderung des Gemeinschaftsrechts aus den folgenden Überlegungen keinen Anlass gibt:

Der Bereich des Markenrechts wird durch gesetzliche Normen und deren Auslegung durch die Registrierungsbehörden/-stellen und Gerichte geregelt und weiter entwickelt.

Das Gemeinschaftsrecht geht wie auch das österreichische Markenschutzgesetz von einem offenen Markenbegriff aus (Art. 4 GMV), wonach Gemeinschaftsmarken alle Zeichen sein können, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Ein expliziter Ausschluss von Grußformeln und allgemeinen Redewendungen wäre solcherart systemwidrig und ist darüber hinaus auch nicht erforderlich, um die von der Initiative „Griaß di“ befürchteten und auf einem verkürzten und teilweise falschen Markenverständnis beruhenden Auswüchse zu verhindern.

Marken sollen die betriebliche Herkunft der damit bezeichneten Waren und Dienstleistungen kennzeichnen, den angesprochenen Kreisen die Zuordnung der entsprechenden Produkte zu lediglich einem Unternehmen, einer Quelle, ermöglichen. Diese Zielsetzung begrenzt auch ihren Schutzumfang. Ob ein Wort oder ein Logo im markenrechtlichen Sinne unterscheidungskräftig und damit als Marke eintragungsfähig ist, wie die Definition vorgibt, hängt von den konkreten Waren und Dienstleistungen ab, wofür Markenschutz in der jeweiligen Anmeldung beantragt wird. Die diesbezügliche Prüfung kann je nach Waren- oder Dienstleistungsart zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, d.h. ein und dieselbe Bezeichnung kann für bestimmte Waren als Marke schutzfähig sein, für andere hingegen wiederum nicht. Der Europäische Gerichtshof verlangt in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung der wahrscheinlichen Auffassung der jeweils in Frage kommenden Abnehmer- und Wirtschaftskreise, Branchenverhältnisse bzw. der Umstände, wie die Produkte üblicherweise vermarktet und deren Kennzeichnungen von den Verkehrskreisen wahrgenommen werden. Diese Aspekte müssen in die Prüfung im Anmeldeverfahren, aber auch in die Beurteilung des Schutzumfangs einer Marke im Verletzungsstreit vor den Gerichten einfließen.

Ist eine Marke registriert, so gewährt sie ihrem Inhaber grundsätzlich das Recht, unberechtigte Dritte im geschäftlichen Verkehr von der Verwendung eines damit identen oder ähnlichen Zeichens für idente oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen auszuschließen. Allerdings unterliegen diesem Verbotsrecht lediglich kennzeichnende bzw. markenmäßige Verwendungen der geschützten Marke. Wird eine Marke in bestimmten Verwendungsformen von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als Kennzeichen bzw. Marke wahrgenommen, erscheint sie in der konkreten Verwendungsart z.B. als bloß allgemein gebräuchliche Grußform, so wird kein Markeneingriff verwirklicht und diese Verwendungsform bleibt zulässig.

Die Beurteilung der Unterscheidungskraft eines angemeldeten Zeichens bzw. der anzunehmenden Wahrnehmung einer Marke in bestimmten Fallkonstellationen durch die Verbraucher ist - wie bereits ausgeführt - von Fall zu Fall von den Registrierungsbehörden bzw. den Gerichten durchzuführen. Die derzeit vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen dabei eine differenzierte und sachgerechte Beurteilung, die einen tauglichen Ausgleich zwischen Anmelderinteressen (Rechtsschutz, Abgrenzung) und den Bedürfnissen der Öffentlichkeit bzw. Mitbewerbern (freibleibende Verwendung benötigter Begriffe) gewährleistet.

Sollte dennoch eine Registrierung entgegen den gesetzlichen Bestimmungen in der durch die Judikatur und Lehre entwickelten Auslegung erfolgen, so steht jedermann ein Überprüfungsrecht in Form einer Antragstellung an das EU-Markenamt zu (Nichtigkeitsantrag), dessen Entscheidungen wiederum im Instanzenweg bis zum EuGH anfechtbar sind.

Im Fall der Gemeinschaftsmarke „Griaß di“ (CTM 10118396) ist auszuführen, dass es das EU- Markenamt in Alicante - wenn man vom Fall absieht, dass es die Bedeutung der Wortfolge „griaß di“ in der deutschen Sprache nicht erkannt hat - offenbar als möglich angesehen hat, dass es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten einer Anbringung dieser Worte unter anderem auf Bekleidungsstücken und Druckereierzeugnissen oder deren Verpackung etc. gibt, die kennzeichnend im markenrechtlichen Sinne wirken (z.B. auf einem eingenähten Etikett, auf Anhängern oder auf der Rückseite von Karten, Billets etc.). Vgl. in diesem Sinne BGH, I ZB 62/09, Beschluss v. 31.3.2010 - Marlene Dietrich-Bildnis II.

Nachdem es nach der Judikatur nicht erforderlich ist, dass alle denkbaren Verwendungsarten dem Markenzweck genügen müssen, wurde offensichtlich die Registrierung vorgenommen.

Daraus kann jedoch nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass auch die Anbringung der Grußformel auf der Vorder- oder Rückseite eines T-Shirts als im markenrechtlichen Sinne kennzeichnend anzusehen und damit für Dritte verboten wäre. Die Wahrnehmung dieser Verwendungsweise durch die Konsumenten geht in diesem Fall wohl lediglich in Richtung eines dekorativen Zwecken dienenden Aufdrucks, der ein offenes, entgegenkommendes Wesen des Trägers dieser Bekleidungsstücke nach außen verdeutlichen und der Kontaktaufnahme mit Dritten dienen soll. Mangels den Markenzweck verwirklichender Benutzung sollte eine derartige Verwendung der Marke „Griaß di“ vor den Gerichten sohin sanktionslos bleiben. Vergleichbare Überlegungen wären bezüglich der Verwendung der Marke für Papierwaren etc. anzustellen.

Keine Rede kann jedenfalls davon sein, dass durch die Registrierung der Wortmarke „griaß di“ für bestimmte Warengruppen die Verwendung dieses Grußes in der Alltagssprache schlechthin eingeschränkt bzw. verboten werden könnte.

Gegen die beim Harmonisierungsamt eingetragene „Griaß di“- Marke sind mit heutigem Datum bereits mehr als 45 Nichtigkeitsanträge anhängig, sodass es aus ho. Sicht keines zusätzlichen Antrags bedarf.


 

Für die Bundesministerin:                                                                     lhr(e) Sachbearbeiter(in):

Mag. Heinrich Knab                                                                                                     Petra Farthofer

Tel.Nr.: +43 (1) 71162 65 7405

E-Mail: petra.farthofer@bmvit.gv.at