Textfeld: An den
Verfassungsausschuss im Nationalrat

Eisenstadt, am 25.3.2010

E-Mail: post.vd@bgld.gv.at

Tel.: 02682/600 DW 2030

Dr.in Martina Handl-Thaller

 

 

 

 

 

 

Zahl:  LAD-VD-B101-10082-10-2010

Betr: Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

            (Lissabon-Begleitnovelle); Stellungnahme

 

 

 

Seitens des Landes Burgenland wird positiv vermerkt, dass den Ländern die Möglichkeit eingeräumt wird, sich zu dem am 24. Feber 2010 eingebrachten Initiativantrag 978/A betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovelle), eine Stellungnahme abzugeben.

 

Eine Anpassung des B-VG an die unionsrechtlichen Änderungen durch den Vertrag von Lissabon wird für erforderlich erachtet und gibt der vorliegende Initiativantrag Anlass zu folgenden Bemerkungen:

 

Zu Z 1 (Art. 23c Abs. 2):

Es wird angeregt zu überlegen, ob bei der Erstellung von Vorschlägen für die Ernennung von österreichischen Mitgliedern in Organen der Europäischen Union nicht auch eine Einbeziehung des Bundesrates möglich wäre.

 

Zu Z 2 (Art. 23d Abs. 2):

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass in diesem zentralen Bereich der Ländermitwirkung bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Integration kein inhaltlicher Änderungsbedarf gesehen wird und sich diese Regelungen aus unserer Sicht bewähren. Insbesondere ist die ausdrückliche Bindung des Bundes an einheitlichen Länderstellungnahmen beizubehalten und wird die diesbezüglich vorgeschlagene Neuformulierung nachdrücklich abgelehnt. Eine aus terminologischer Sicht allenfalls erforderliche Überarbeitung dieser Bestimmung darf nicht zum Anlass genommen werden, die ausdrücklich verankerte Bindungswirkung entfallen zu lassen. Wenn – dann sollte die Überarbeitung dieser Bestimmung – vielmehr zum Anlass genommen werden, im Falle der beabsichtigten Abweichung von einer einheitlichen Länderstellungnahme ein dem Art. 23e Abs. 3 B-VG entsprechendes Verfahren zu verankern. Dies würde auch eine entsprechende Anpassung des Art. 10 Abs. 3 B-VG bedingen.

 

Zu Z 4 (Art. 23d Abs. 5):

Die geplante Novellierung dieser Bestimmung sollte zum Anlass genommen werden, um in den Erläuterungen klarzustellen, dass es sich ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Gericht im Rahmen der Europäischen Union festgestellt hat, dass ein Land seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, um eine konkurrierende Zuständigkeit von Bund und Ländern und nicht um eine etwaige ausschließliche Bundeszuständigkeit handelt. Weiters hat die Formulierung, wonach eine vom Bund getroffene Maßnahme außer Kraft tritt, sobald das Land die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, in erster Linie Gesetzes- oder Verordnungsmaßnahmen im Auge hat. Es sind aber durchaus auch andere Maßnahmen vorstellbar, die der Bund aufgrund dieser vorübergehenden Zuständigkeit treffen könnte, und bei diesen stellt sich die Frage, ob sie wirklich außer Kraft treten können oder ob für derartige Fälle nicht eine Verpflichtung des Bundes zur Rückziehung vorgesehen werden müsste.

 

Zu 5:

Zum Art. 23e Abs. 1a:

Der Mehrwert dieser Bestimmung im Verhältnis zu Abs. 1 ist nicht ersichtlich. Beschlüsse des Rates bzw. des Europäischen Rates betreffend den Übergang vom Einstimmigkeitserfordernis zur qualifizierten Mehrheit bzw. von einem besonderen Gesetzgebungsverfahren zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren fallen wohl auch unter den weiten Vorhabensbegriff des Abs. 1. Auch in den vorgeschlagenen Erläuterungen zum Abs. 1 a wird davon ausgegangen („Bei derartigen Vorhaben ...“). Der vorgesehene Abs. 1a könnte daher entfallen.

Weiters wird angeregt zu überprüfen, ob es statt „nach diesem Artikel“ nicht lauten müsste „ nach Art. 23i Abs. 1“.

 

Zum Art. 23e Abs. 3:

Zu dieser Bestimmung wird darauf hingewiesen, dass der Anwendungsbereich für bindende Stellungnahmen des Bundesrates nach wie vor ein äußerst geringer ist. Eine Ausweitung dieses Anwendungsbereiches wäre systemkonform im Bereich der Bundesgesetzgebung sinnvoll und würde zu einer Aufwertung der Rolle des Bundesrates im Mitwirkungsverfahren führen.

 

Auffällt, dass in Art. 23e Abs. 3 sowie auch in Abs. 2 nunmehr auf „unmittelbar geltende Rechtsakte“ abgestellt wird. Begründet wird dieses Abgehen von der unmittelbaren Anwendbarkeit mit terminologischen Gründen aufgrund des Vertrages von Lissabon. Nach ha. Ansicht dürfte damit aber auch eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs verbunden sein [siehe Schweitzer/Hummer/Obwexer, Europarecht (2007), Rz 261 und 168]. Demgegenüber wird in Art. 23h Abs. 2 weiterhin von einem „unmittelbar anwendbaren Rechtsakt“ ausgegangen.

 

Zur Z 5 (Art. 23g Abs. 3):

Vorgesehen ist, dass der Bundesrat die Landtage über alle Entwürfe im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung zu informieren und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben hat. Die vorgeschlagene Bestimmung wäre dahingehend zu ergänzen, dass der Bundesrat den Landtagen alle zur Frage der Abgabe einer begründeten Stellungnahme gemäß Abs. 1 gefassten Beschlüssen einschließlich einer solchen Stellungnahme mitzuteilen hat. Es wäre dem Bundesrat aufzutragen, Stellungnahmen der Landtage in seine Beschlüsse einfließen zu lassen, auch wenn eine rechtliche Bindung nicht besteht. Außerdem soll eine Information der Landtage über die Reaktion des Bundesrates auf Stellungnahme der Landtage garantiert sein.

 

Dem Art. 23g Abs. 3 wäre daher der folgende Satz anzufügen:

 

„Der Bundesrat hat die Stellungnahme der Landtage zu berücksichtigen und die Landtage über alle gefassten Beschlüsse zu Entwürfen gemäß Abs. 1 zu unterrichten.“

 

In den Erläuterungen wäre klarzustellen, dass die Landtage autonom festlegen können, wie die Abgabe einer Stellungnahme organisiert wird (zB durch Ausschüsse).

 

Zu Z 5 (Art. 23h):

Art. 23h in der vorgeschlagenen Fassung würde den Bundesrat gegenüber dem Nationalrat benachteiligen und de facto wohl ausgerechnet bei der Klagebefugnis wegen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips ausschalten.

 

Es wird daher folgende Formulierung vorgeschlagen:

 

„Art. 23h (1) Der Nationalrat und der Bundesrat können gegen einen Gesetzgebungsakt im Rahmen der Europäischen Union beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage wegen eines Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip erheben.

 

(2) Der Bundeskanzler übermittelt die Klage im Namen des Nationalrates oder des Bundesrates unverzüglich an den Gerichtshof der Europäischen Union.“

 

Der Bundesrat wäre damit dem Nationalrat völlig gleichgestellt. Die sachliche Begründung besteht darin, dass auch Gesetzgebungsakte der Union, die nicht durch Landesgesetz umzusetzen sind, aber von den Ländern bzw. ihren Organen zu vollziehen sind, zu einem erheblichen Kostenaufwand für die Länder führen oder diese sonst wesentlich berühren können. Es wird dabei entsprechend dem Subsidiaritätsprotokoll davon ausgegangen, dass sowohl der Nationalrat als auch der Bundesrat (unabhängig voneinander) Klage erheben können.

 

Zu Art. 23i des Entwurfs:

Diese Bestimmung scheint zu eng gefasst und müsste im Hinblick auf besondere Passerelle- oder Brückenklauseln (z.B. Art. 31 Abs. 3 EUV, Art. 81 Abs. 3 AEUV, Art. 192 Abs. 2 AEUV, Art. 153 Abs. 2 AEUV oder Art. 312 Abs. 2 AEUV) an die Formulierung des Art. 23e Abs. 1a des Vorschlages angepasst werden.

 

 

Für die Landesregierung:

Im Auftrag des Landesamtsdirektors:

Dr.in Handl-Thaller


Zl.u.Betr.w.v.                                                                        Eisenstadt, am 25.3.2010

 

 

1.    Präsidium des Nationalrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien

2.    Präsidium des Bundesrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien

3.    Allen Ämtern der Landesregierungen (z.H. der Herren Landesamtsdirektoren)

4.    Der Verbindungsstelle der Bundesländer beim Amt der NÖ Landesregierung, Schenkenstraße 4, 1014 Wien

5.    Landtagsdirektion

 

 

zur gefälligen Kenntnis

 

Mit freundlichen Grüßen!

 

 

Für die Landesregierung:

Im Auftrag des Landesamtsdirektors:

Dr.in Handl-Thaller