Manfred Tesch

 

 

Söchau 228

8362 Söchau

 

                                                                 

                                                                                  Söchau, am 12.01.2012

 

 

An das

 

Präsidium des Nationalrates

 

verfassungsausschussbegutachtung@parlament.gv.at

 

Sehr geehrte Damen und Herren !

 

Betrifft:

Antrag 1780/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert, ein Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz – EBIG) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Bundesministeriengesetz 1986, das Strafgesetzbuch, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (EBIG-Einführungs-

gesetz);

 

 

Ich nehme zu obigem Antrag wie folgt Stellung:

 

I)     Grundsätzlich:

         Der österreichische Weg der Gesetzgebung, für die Bürgerinnen und Bürger unverständliche Gesetze zu schaffen, wird mit dieser Novelle fortgesetzt.

 

         Die Verständlichkeit von Gesetzen ist ein Bürgerrecht, dass von der     Gesetzgebung, das heißt von den Abgeordneten des Nationalrates,      endlich erkannt, berücksichtigt und umgesetzt werden muss. Die Ent-       fremdung zwischen den Bürgerinnen und Bürgern einerseits und den  politischen Eliten andererseits hat auch - neben anderen Gründen - in         der allgemeinen Unverständlichkeit der Gesetze ihre Ursachen. Ihre         Bedeutung als allgemein verständliche  generelle Normen, und nicht als      

         bloße Handlungsanleitung für die mehr oder minder damit vertrauten     Organe des Gesetzesvollzuges, wird durch den eklatanten Mangel an   Verständlichkeit herabgesetzt und zum Teil sogar völlig untergraben.

 

        

 

 

–  2  --

 

 

         Vorab sei die fehlende Involvierung von zivilgesellschaftlichen     Organisationen in Österreich im Zuge der Ausarbeitung der Verordnung         Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.        Februar 2011 über die Europäische Bürgerinitiative (im folgenden          kurz:EBI)genannt. Konkret        wurden dabei die   Kriterien zur          Identifikation von          Unterstützungsbekundungen      ausgearbeitet und in        weiterer Folge in    Annex III der vorzitierten   Verordnung länderspezifisch     aufgelistet.

 

         Auch die lediglich kurze Frist zur Stellungnahme im Begutachtungsver-          fahren wird gerügt, da gerade Interessierten aus der Zivilgesellschaft der Zugang zur parlamentarischen Gesetzeswerdung bei einem für die     Frage der BürgerInnenrechte wichtigen (und komplexen) Thema          erleichtert und nicht, wie im vorliegenden Fall, durch zeitliche     Beschränkung erschwert werden soll. Generell sei an dieser Stelle       angemerkt, dass die Befassung der Zivilgesellschaft im Rahmen von          legislativen Prozessen, die diese  betreffen, ein im Interesse der          Bürgerinnen und Bürger äußerst notwendiger Schritt wäre, der leider in         der österreichischen Praxis aufgrund der Haltung der politischen        Parteien offensichtlich nicht gewünscht wird.

 

II)   Zur vorliegenden Novelle:

 

          Die Eintragung einer Pass-Nummer oder einer Personal-Ausweis-       Nummer sowohl im Papier- als auch im Online-Sammelverfahren als     Voraussetzung der Gültigkeit stellt für die Organisatoren eine          wesentliche Hürde einer erfolgreichen Durchführung dar, da beim          Sammeln von Unterstützungserklärungen auf öffentlichen Straßen und Plätzen unterstützungswillige Bürgerinnen und Bürger kaum die    benötigten Dokumente mit sich führen und beim Online-Sammeln      Zweifel an der Datensicherheit die Bereitschaft zur Bekanntgabe der ID-         Nummer einschränken. Ein Großteil der österreichischen Bevölkerung erachtet die Pass- bzw. Personalausweisnummer als eine höchst       private und im Hinblick auf den Datenschutz sehr sensible Information.

 

         Keine Abgabe einer derartigen höchst persönlichen Identifikations-      nummer zur gültigen Unterstützungserklärung wird in Belgien,       Dänemark, Deutschland, Estland, Irland, Niederlande, Slowakei,     Finnland und dem Vereinigten Königreich verlangt. Dies entspricht den          Intentionen dieses europaweit neuartigen demokratiepolitischen          Instruments, indem es die freie Unterstützungsbekundung voranstellt    und nicht von diffizilen Identifikationskriterien abhängig macht. Der    gegenständliche österreichische Initiativantrag stellt sich somit avor      diesem Hintergrund als           aktuelles Dokument Metternich'scher   Observations- und Repressionspolitk den Bürgerinnen und Bürger gegenüber dar.

 

 

 

 

–  3  --

 

 

 

Diese von Mitgliedsstaat zu Mitgliedsstaat variablen Identifikations-  kriterien widersprechen weiters dem Erwägungsgrund (3) der diesbezüglichen EU-Verordnung, gemäß der Mitgliedsstaaten „gewährleisten sollten, dass für alle Unionsbürger unabhängig von dem Mitgliedsstaat, aus dem sie stammen, die gleichen Bedingungen für die Unterstützung einer Bürgerinitiative gelten sollten.“

 

         Aufgrund einer  ausschließlich durch die Angabe einer Pass- bzw.       Personalausweisnummer gültige Abgabe einer Unterstützungserklärung         wird schon a priori ein Teil der österreichischen Bevölkerung von ihrem     explizit in Art. 11 EU-Vertrag von Lissabon bzw. Art. 3 der          entsprechenden EU-Verordnung festgeschriebenen Recht der    Unterstützung einer Europäischen Bürgerinitiative ausgeschlossen,       da viele Personen schlicht und einfach weder Reisepass noch     Personalausweis besitzen und eine Rechtspflicht zur Verschaffung       dieser Dokumente in Österreich nicht besteht. Dies widerspricht auch   schon prinzipiell den demokratiepolitischen Intentionen einer         EBI,   die     (unter gewissen Einschränkungen       wie beispielsweise einem       Mindestwahlalter) allen EU-Unionsbürgern offenstehen sollte.

 

Auch die hohen Kosten, die den Organisatoren einer EBI durch das angedachte, aufwändige Zertifizierungsverfahren entstehen, sind nicht im Sinne der Erwägungsgründe der entsprechenden EU-Verordnung. Erwägungsgrund (2) schreibt  zur Etablierung einer Europäischen Bürgerinitiative „klare, einfache, benutzerfreundliche und dem Wesen einer Bürgerinitiative angemessene Bedingungen und Verfahren“ vor. Durch den im vorliegenden Gesetzesentwurf vorgesehenen  aufwändigen Zertifizierungsprozess mit entsprechend hoher Kostenbelastung werden potentielle Organisatoren von EBIs abgeschreckt. Die Einhaltung der in § 14 DSG gesetzlich vorge- schriebenen Bestimmungen durch die Systeme erscheint ausreichend. Eine Detailprüfung jedes einzelnen Systems kann daher unterbleiben.

 

         Gem. Art. 22 der diesbezüglichen Verordnung hat die Kommission bis zum 1. April 2015 und anschließend alle drei Jahre dem Rat einen   Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vorzulegen. Aus     österreichischer Sicht sollte hierbei insbesondere auf die Entschärfung          der Identifikationsnummernproblematik hingearbeitet werden. Wie oben      schon erwähnt stellt die von zahlreichen Mitgliedsstaaten praktizierte        Unterstützungserklärungsabgabe ohne Identifikationsnummer die          Ideallösung dar.

 

 

 

 

 

 

 

–  4  --

 

 

Zusammenfassung:

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf wird in der vorliegenden Form wegen seiner  prohibitiven Bestimmungen, insbesondere im Bereich des Nachweises der Identität durch Bekanntgabe der persönlichen Identifikations-Nummer und der Überwälzung der Kosten auf die Organisatoren abgelehnt.

 

Angesichts der Tatsache, dass eine Europäische Bürgerinitiative im Erfolgsfall lediglich dazu führt, dass die EU-Kommission dazu aufgefordert wird, unverbindlich tätig zu werden, erscheinen die Formvorschriften zur EBI in Österreich überzogen. Es ist unverständlich, warum für ein derartig wenig wirksames politisches Instrument ohne unmittelbare Rechtswirkung die Preisgabe persönlicher Daten verlangt wird und extrem hohe Sicherheits- standards gesetzt werden.