Amt der Steiermärkischen Landesregierung

 

 

 

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GZ:

FA1F-19.02-2/2000-58

Bezug:

BKA-600.883/0044-V/8/2008

Graz, am 19. Dezember 2008

 

Ggst.:

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006 geändert wird;

Stellungnahme des Landes Steiermark.

 


 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zu dem mit do. Schreiben vom 23. Oktober 2008, obige Zahl, übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006 geändert wird, wird folgende Stellungnahme abgegeben:

 

I. Zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfes:

 

Zu Ziffer 5:

 

Die Beschaffung von Bauleistungen durch Auftraggeber von einer zentralen Beschaffungsstelle soll nicht mehr im Ausnahmetatbestand des § 10 aufscheinen. Dies würde dazu führen, dass Bauleistungen vom Ausnahmetatbestand nicht mehr umfasst sind.

 

Eine Streichung der Ausnahme von Bauleistungen in § 10 Z. 14 steht daher in einem Widerspruch zu § 2 Z. 47 und erscheint deshalb fragwürdig.

 

Zu Ziffer 7:

 

Die Korrektur der Schwellenwerte trägt nur kurzfristig zur Klarheit bei. Da diese Schwellenwerte alle zwei Jahre, das nächste Mal voraussichtlich mit 1.1.2010, anzupassen sind, wird angeregt, die Werte nicht mehr im Gesetz anzuführen, sondern ausschließlich auf die entsprechende Verordnung zu verweisen.

 

Zu Ziffer 11:

 

Die geänderte Regelung wird grundsätzlich befürwortet.

 

Anzumerken ist allerdings, dass sowohl die neue Bestimmung als auch die Definition des § 2 Z. 5 nicht nur die digitale Speicherung, sondern auch die elektronische Übermittlung der Daten erfasst. Letztere ist aber gerade im technischen Bereich auf Grund der enormen Datenmengen oft nicht oder nicht ohne erhebliche Behinderung für die Bieter möglich. Dateigrößen von mehr als 10-20 MB führen bei manchen EDV-Ausstattungen zu Downloadzeiten, die Fehler befürchten lassen. Umfangreiche Daten werden daher zwar digital gespeichert, die CDs oder DVDs aber konventionell verschickt. Die Zulässigkeit derartiger Ausnahmen sollte in den Erläuternden Bemerkungen ausdrücklich angeführt werden.

 

Zu Ziffer 23:

 

Zur verpflichtenden Subvergabe siehe die gesonderte Fragebeantwortung unter Teil II dieser Stellungnahme.

 

Zu Ziffer 35:

 

Statt „Aufforderung“ sollte es besser „Anforderung“ heißen.

 

Zu Ziffer 41:

 

Die geänderte Regelung wird grundsätzlich befürwortet. Es wird angeregt, die Stillhaltefrist nach Bekanntgabe der Zuschlags- oder Widerrufsentscheidung im Unterschwellenbereich auf 5 Tage zu verkürzen.

 

 

II. Zu den gesonderten Fragen:

 

1.       Mindestvergabe an Subunternehmer

 

Der Entwurf sieht in § 83 Abs. 3 vor, dass der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen vorschreiben kann, dass der Auftragnehmer bei Bauleistungen einen bestimmten Mindestsatz des Gesamtwertes an Subunternehmer vergeben soll. Mit dieser Regelung soll, wie in den Erläuterungen ausgeführt wird, die (zumindest mittelbare) Teilnahme von kleineren und mittleren Unternehmen an Vergabeverfahren gefördert werden.

 

Soweit es sich bei der Festlegung einer Mindestvergabe an Subunternehmer um eine „kann“-Bestimmung handelt und die Weitergabe somit im Ermessen des Auftraggebers liegt, begegnet der Vorschlag zumindest keinen rechtlichen Bedenken. Eine verpflichtende Regelung wird aber jedenfalls abgelehnt. Inhaltlich wird der Vorschlag in dieser Form als kontraproduktiv und für die Erreichung des angestrebten Zieles ungeeignet betrachtet. Wie in den Erläuternden Bemerkungen eingeräumt werden muss, kann eine Weitergabe entsprechend dieser Regelung auch an konzernverbundene Unternehmen erfolgen, was den beabsichtigten Erfolg vereiteln würde. Ganz allgemein kann nicht sichergestellt werden, dass (regionale) kleine und mittlere Unternehmen mit der Subvergabe beauftragt werden. Im Gegenteil könnten diese zusätzlich belastet werden, wenn sie z.B. im Rahmen einer Bietergemeinschaft von der Verpflichtung zur Subvergabe betroffen wären.

 

Für den Auftraggeber würde die verpflichtende Subvergabe überdies zu einem erhöhten Aufwand und Risiko im Zuge der Vertragsabwicklung führen.

 

§ 83 Abs. 3 des Entwurfes sollte daher entfallen. Es wird angeregt, eine Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen auf anderem Wege, wie z.B. der Auftragsteilung oder der Teilvergaben zu überdenken.

 

Jedenfalls wird, falls die vorgeschlagene Regelung trotzdem weiterverfolgt wird, eine grundlegende Prüfung und Diskussion der aufgeworfenen Fragen sowie allfälliger verfassungsrechtlicher Bedenken für notwendig erachtet.

 

2.       Entfall der Mitteilungspflicht gemäß § 106 Abs. 6 BVergG 2006

 

Diese Pflicht des Unternehmers trägt zur Verfahrensicherheit bei und sollte daher keinesfalls entfallen.

 

3.       Antragsrecht gesetzlicher Interessenvertretungen

 

Ein Antragsrecht für gesetzliche Interessensvertretungen betreffend die Ausschreibungs- oder Wettbewerbsunterlagen wird kritisch betrachtet. Das vergaberechtliche Rechtsschutzsystem beruht auf dem Gedanken, dass Unternehmer eine gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers wegen Rechtswidrigkeit bekämpfen können, wenn sie ein Interesse an dem gegenständlichen Vertrag haben und ihnen durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entsteht. Wenn die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorliegen, ist der Antrag von der Rechtsschutzbehörde zurückzuweisen.

 

Ein Antragsrecht für gesetzliche Interessenvertretungen entspricht diesem System nicht. Da es sich bei einem solchen Antrag wohl eher um eine „anonyme“ Nachprüfung der Ausschreibungsunterlagen im Sinne einer objektiven Rechtsrichtigkeit handelt, könnte die Rechtsschutzbehörde das Vorliegen des Vertraginteresses und des Schadens mangels entsprechender Angabe gar nicht prüfen. Andererseits ist fraglich, ob und welche Zulässigkeitsvoraussetzungen normiert werden könnten.

 

Auch hinsichtlich der Praktikabilität einer solchen Regelung werden Bedenken angemeldet. Die Möglichkeit der Nachprüfung von Ausschreibung- oder Wettbewerbsunterlagen ohne Zulässigkeitsvoraussetzungen könnte sowohl mengenmäßig zu einer erheblichen Belastung der Rechtsschutzbehörden führen, als auch in den einzelnen Vergabeverfahren zu einer beträchtlichen Verzögerung. Zweiteres könnte zwar durch die Einführung eines „beschleunigten Verfahrens“ gemildert werden, fraglich ist aber, ob die Entscheidung der Rechtsschutzbehörde in einem derartigen Verfahren nicht weitere Nachprüfungsanträge nach sich zieht.

 

Zusammenfassend wird die zur Diskussion gestellte Regelung daher skeptisch gesehen.

 

4.       Alternative Sanktionen

 

In der Frage der alternativen Sanktionen ist jede Form des „golden platings“ abzulehnen; die Umsetzung sollte jedenfalls auf die Bestimmungen der Rechtsmittelrichtlinie beschränkt bleiben.

 

Bei der Bemessung der Geldbußen sollte nicht auf die Auftragssumme abgestellt werden. Es könnte vielmehr auf den Aufwand, den sich der Auftraggeber durch sein Verhalten erspart hat oder auf die Einsparungen, die durch ein ordnungsgemäßes Verhalten im wirtschaftlichen Wettbewerb erzielbar gewesen wären, abgestellt werden.

 


III. Sonstige Anmerkungen

 

Über die konkreten Anmerkungen zum Begutachtungsentwurf hinaus dürfen ergänzend folgende Anregungen übermittelt werden:

 

1.         Regelung des Rechtsschutzes für Verfahren mit (de facto) einem Bieter:

 

In Kenntnisnahme der Vergaberealität hat der Gesetzgeber den Verfahrensaufwand für verschiedene Beschaffungsvorgänge reduziert und für spezielle Fälle Verhandlungsverfahren mit (de facto) einem Bieter ermöglicht.

In Widerspruch dazu steht allerdings die den Rechtschutz betreffende Aufzählung der gesondert anfechtbaren Entscheidungen in § 2 Z. 16 lit. a: Dort sind unter sublit. dd) zwar die gesondert anfechtbaren Entscheidungen für Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung angeführt, diese machen jedoch für Verfahren besonders nach § 38 Abs. 3, aber natürlich auch gem. § 28 Abs. 2 Z. 2, § 29 Abs.  2 Z. 2, § 30 Abs. 2 Z. 2 sowie § 195 Z. 3 in der Fassung der Novelle (Ausschließlichkeitsrechte), § 28 Abs. 2 Z. 4, § 29 Abs. 2 Z. 5, § 30 Abs. 2 Z. 4 bzw. § 195 Z. 5 und 6 (Zusatzleistung), § 28 Abs. 2 Z. 5, § 30 Abs. 2 Z. 5 bzw. § 195 Z. 7 (Wieder­holungsleistung), § 29 Abs. 2 Z. 6 bzw. § 195 Z. 8 (Warenbörsen) und § 29 Abs. 2 Z. 7, § 38 Abs. 2 Z. 3 bzw. § 195 Z. 10 und 11 (besonders günstige Gelegenheit) wenig Sinn.

In diesen Fällen kann wohl nur die Wahl des Verfahrens (also das Vorliegen der Ausnahmegründe) der Überprüfung in einem Feststellungsverfahren unterliegen können.

 

2.         Festhalten der Gründe für die Wahl bestimmter Vergabeverfahren:

 

Aufgrund des § 36, der für Ober- und Unterschwellenbereich gilt, erscheint der § 42 Abs. 1 in der aktuellen Form als Doppelregelung. Eine besondere Begründung ist wohl nur in den Fällen des § 38 Abs. 2 Z. 3 u. 4 sowie Abs. 3 erforderlich. In den anderen Fällen erscheint der dokumentierte geschätzte Auftragswert als Begründung ausreichend. Wie soll beispielsweise die Begründung für die Wahl des geladenen Wettbewerbs lauten? Die einzigen Vorraussetzung sind bekanntlich die Anwendbarkeit der Bestimmungen für den Unterschwellenbereich sowie die Kenntnis von wenigsten drei geeigneten Unternehmern.

Die Regelung des § 42 Abs. 1 ist auf Verfahren gem. § 38 Abs. 2 Z. 3 und 4 bzw. Abs. 3 zu beschränken.

 

3.         Ausschlussgründe:

 

Die Formulierung des § 68 Absatz 1 sollte enger an jene der RL 2004/18/EG Art. 45 Absatz 1 und 2 angelehnt werden.

 

Damit wäre die sinnvolle Unterscheidung in zwingende und optionale  Ausschlusstatbestände gegeben. Bei Übernahme einer derartigen Unterteilung könnten die Formulierungen der Abs. 2 und 3 sowie des § 78 entfallen.

In § 68 Abs. 1 Z. 3 wäre die Wortfolge „einstellen oder“ zu streichen, da der Auftraggeber nicht in der Lage ist in Erfahrung zu bringen, ob ein Unternehmer vor hat oder gerade im Begriff ist, seine gewerbliche Tätigkeit einzustellen.

In § 68 Abs. 2 wäre „einstellen“ durch „eingestellt haben“ zu ersetzen, da der Auftraggeber nicht in der Lage ist in Erfahrung zu bringen, ob ein Unternehmer vor hat oder gerade im Begriff ist, seine gewerbliche Tätigkeit einzustellen.

 

4.         Nicht prioritäre Dienstleistungen:

 

Die Änderung durch die Novelle 2007 ist insofern unvollständig, als wohl auch der Verweis auf § 51 Abs. 2 (Verwendung von CPV, CPC und NACE-Codes) und § 54 Abs. 4 (Bekanntmachung nicht prioritärer Dienstleistungen) anzugeben wäre.

 

5.         Wettbewerbe:

 

Die Einbeziehung des Absatzes 5 des § 20 (Vorarbeitenregelung) in den Geltungsbereich gem. § 153 ist zwar im Sinne der Gleichbehandlung nachvollziehbar, erscheint aber in der uneingeschränkten Form – in der sie z.B. auch für Ideenwettbewerbe Gültigkeit hat – als eindeutig überschießend.

 

6.         Bekanntmachungspflicht:

 

Gem. § 158 Abs. 3 besteht bei dynamischen Beschaffungssystemen auch beim erneuten Aufruf zur Angebotsabgabe eine – wenn auch reduzierte – Bekanntmachungspflicht; in § 46 Abs. 1 Z. 6 fehlt ein Hinweis darauf.

 

Dem Präsidium des Nationalrates werden unter einem 25 Abdrucke dieser Stellungnahme zugeleitet. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die E-Mail-Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at.

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Steiermärkische Landesregierung

Der Landesamtsdirektor

 

 

(Dr. Gerhard Ofner)