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HAUPTVERBAND DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNGSTRÄGER

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                                                                                                         Wien, 10. Juni 2009

An das                                                                                                                   Per E-Mail
Bundeskanzleramt
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1014 Wien

An das                                                                                                                   Per E-Mail
Präsidium des Nationalrates

Betr.:     Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 geändert wird (BVergG-Novelle 2009)

Bezug:  Ihr E-Mail vom 15. Mai 2009,
GZ: BKA-600.883/0046-V/8/2009

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nimmt wie folgt Stellung:

Zu den §§ 70, 108 Abs. 1 Z 2 und 7, 123 Abs. 1

Grundsätzlich ist jede Vereinfachung der Eignungsprüfung zu begrüßen. Es  erscheint jedoch mehr als fraglich, ob eine Vereinfachung durch die geplanten Regelungen erreicht werden kann.

Nach § 70 Abs. 2 des Entwurfs sind Bieter in Zukunft berechtigt, eine Eigenerklärung hinsichtlich der vom Auftraggeber verlangten Eignungskriterien sowie jener Befugnisse, über die ein Unternehmer verfügt, auszustellen. Mit dieser Regelung beabsichtigt der Gesetzgeber, die Verwaltungskosten für Unternehmen zu senken. Da aber weiterhin Nachweise von Auftraggebern gefordert werden können (§ 70 Abs. 3 und 4), ist eine Einsparung von Kosten nicht ersichtlich, zudem kann ein späteres Nachfordern von Nachweisen die Angebotsprüfung verzögern.

In der Praxis kann nicht ausgeschlossen werden, dass Bieter, die einen Auftrag erhalten wollen, in (bewusster oder unbewusster Verkennung ihrer eigenen Situation, aber unter dem Druck, den Auftrag erhalten zu wollen) Eigenbestätigungen ausstellen, ohne tatsächlich die notwendigen Befugnisse zur Durchführung der ausgeschriebenen Leistungen zu haben. Sofern ein Auftraggeber auf die (unrichtige) Eigenerklärung eines Bieters vertraut, keine weiteren Nachweise verlangt (weil er dazu keinen Anlass findet) und diesem Bieter den Zuschlag erteilt, führt dies zu dem Ergebnis, dass der Vertrag über die ausgeschriebene Leistung mit einem Bieter, der nicht über die notwendige Eignung verfügt, geschlossen wird.

Damit wären die einschlägigen Projekte gefährdet, weil diese dann unter der Bedrohung stünden, dass ein Konkurrent – außerhalb vergaberechtlicher Verfahren und damit zeitlich unbefristet möglich! – per einstweiliger Verfügung nach dem Wettbewerbsrecht oder anderer Maßnahmen die weitere Arbeit des Bieters am Auftrag verhindert.

Letztlich ginge die geplante „Unternehmensentlastung“ voll auf Risiko der Kunden.

Das wird ausdrücklich abgelehnt.

Nur dann, wenn ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet wird, ist die Überprüfung der Eignung und allfällige Ausscheidung des Angebots nach der Judikatur des VwGH noch zulässig (vgl. BVA 25. 8. 2008, ZVB 2008/81, mit einer Glosse von Hackl). Diese Konsequenz kann durch die geplante Regelung keinesfalls gewünscht sein.

Werden vom Auftraggeber nach Abgabe einer Eigenerklärung Nachweise gemäß § 70 Abs. 3 und 4 verlangt, kann es sein, dass diese von einzelnen Bietern mit der Begründung, ohnehin Eigenerklärungen vorgelegt zu haben, nicht mehr nachgereicht werden und diese daher vom Auftraggeber auszuscheiden sind. Wenngleich eine solche Ausscheidung des Angebots gerechtfertigt ist, sind Nachprüfungsverfahren in Bezug auf die Ausscheidensentscheidung und damit Verzögerungen hinsichtlich der Auftragsvergabe denkbar.

Die Ausscheidung eines Angebots (auf Grund mangelnder Eignung) während eines Nachprüfungsverfahrens wird in der Regel dazu führen, dass ein weiterer Nachprüfungsantrag, der die Ausscheidung bekämpfen soll, eingebracht wird. Abgesehen von zusätzlichen Verfahrenskosten, die dem antragstellenden Unternehmen erwachsen, kommt es zu einer weiteren Verzögerung des gesamten Verfahrens vor dem Bundesvergabeamt.

Die Möglichkeit, dass die Prüfung der Eignung im offenen Verfahren erst nach der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erfolgen kann, führt zu möglicherweise falschen Zuschlagsentscheidungen:

Häufig sehen die Kalküle zur Ermittlung des Bestangebots so aus, dass das im jeweiligen Kriterium günstigste Angebot die jeweils maximal erreichbare Punktezahl erhält, und die übrigen Angebote erhalten im Verhältnis zum Besten entsprechend weniger. Nun muss aber das Angebot des vorgesehenen Zuschlagsempfängers nicht hinsichtlich aller Zuschlagskriterien das Beste sein (das ist ja gerade der Sinn des Bestangebotsprinzips, sonst könnte man auf das Prinzip des billigsten Preises reduzieren). Wenn nun bei einzelnen Kriterien die Punktezuteilung im Verhältnis zu Angeboten erfolgt, die gar nicht in die engere Wahl kommen dürfen, dann ist der Kalkül falsch und damit die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig. Dies würde aber erst auffallen, wenn ein Bieter, dessen Angebot eigentlich auszuscheiden wäre, die Zuschlagsentscheidung bekämpft (weil seine Eignung erst dann geprüft und seine Nichteignung sich erst dann herausstellen würde).

Eigennachweise machen zudem nur Sinn, wenn für den Fall, dass falsche Eigennachweise erstellt werden, wirksame (rasch greifende!) Sanktionen drohen. Solche Sanktionen fehlen jedoch in der vorliegenden Novelle zur Gänze.

Überdies besteht die Gefahr, dass jedenfalls in jenen Sparten, welche an Ausschreibungen gewöhnt sind und somit die Beibringung der Eignungsnachweise bereits im Angebot kaum ein Problem darstellt, der administrative Aufwand vom Auftragnehmer/Bieter zum Auftraggeber verschoben wird.

Insgesamt bringt die vorgeschlagene Änderung wesentlich mehr Nachteile als Vorteile, weshalb unbedingt von der beabsichtigten Regelung abgesehen werden sollte.

Unternehmen, die sich erstmals an einem Vergabeverfahren beteiligen und erfolgreich sein wollen, werden weiters aufgrund der Komplexität der Materie auf facheinschlägige Beratung zurückgreifen müssen. Durch die Notwendigkeit, im Aufforderungsfall „unverzüglich“ die festgelegten Nachweise beizubringen, kann sinnvollerweise nicht erst dann mit der Beischaffung dieser Nachweise von Behörden etc. begonnen werden. Das heißt aber, dass die Bieter ohnehin die Nachweise bereits bei Angebotsabgabe (wenn auch vorläufig nur intern) vorliegen haben müssen. Eine Kostenersparnis ist daher nicht in Sicht.

Das Kostenargument reduziert sich durch die Bestimmung des § 70 Abs. 5 letzter Satz weiter bis zur Bedeutungslosigkeit, weil dann, wenn Nachweise auch elektronisch vorgelegt werden können, ist mit keinem nennenswerten Kostenaufwand zu rechnen.

Es ist aber auch im Interesse von nach den jeweiligen Ausschreibungskritierien geeigneten Unternehmen, dass Bieter, die die geforderte Eignung nicht erfüllen, zeitgerecht ausgeschieden werden. Darüber hinaus soll nicht die Zuschlagsentscheidung an nach den jeweiligen Ausschreibungskritierien geeignete Unternehmer verzögert werden. Dass allenfalls der Auftraggeber den Vertrag anfechten kann bzw. sonstige zivilrechtliche Schritte gegen den sich letztlich als ungeeignet herausstellenden Bieter ergreifen kann, hilft den formal korrekt vorgehenden Bietern wenig.

Die Rechtsrichtigkeit einer Vorgangsweise ist nicht alleiniges Ziel des Vergaberechts, es ist auch im Auge zu behalten, dass die vergebenen Aufträge rasch und sicher durchgeführt werden können.

Auch dass die genaue Eignungsprüfung in ein Nachprüfungsverfahren verlagert wird, ist weder aus dem Sinn einer effizienten Verfahrensnorm wie dem BVergG noch aufgrund der unvermeidlichen Verfahrensverzögerung wünschenswert.

Die erläuternden Bemerkungen weisen ausdrücklich darauf hin, dass im Gesetz keine Regelungen für den Fall vorgesehen sind, dass sich eine Eigenerklärung nachträglich als unrichtig herausstellt. Es sollte aber in einer Verfahrensnorm höchstes Augenmerk auf Effizienz gelegt werden. Erst nachträglich durch die Gefahr einer Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z 54 GewO 1994 gezwungen zu sein, den Vertrag anzufechten, stellt einerseits die Effizienz in Frage und lähmt anderseits den öffentlichen Auftraggeber, der sich ohnehin um eine korrekte Vergabe bemüht hat, weiter bei der Erfüllung seiner gegenüber den Bürgern bestehenden Pflichten.

Die in der öffentlichen Meinung überaus nachteilige Wirkung derartiger Vorgänge, die oftmals auch in die über den jeweiligen öffentlichen Auftraggebern stehenden Verwaltungsebenen bzw. politischen Hierarchien durchschlägt, lässt sich an Hand zahlreicher Beispiele, wo die Behörde scheinbar untätig, in Wirklichkeit aber nur formal in ihrer Handlungsfähigkeit gehemmt war, belegen.

Insbesondere sei verwiesen auf die Problematik der mangelnden Berechtigung im Zusammenhang mit den Vorschriften der Gewerbeordnung § 367 Z 54, dem zufolge eine Verwaltungsübertretung begeht, wer – „ohne sein Verhalten durch triftige Gründe rechtfertigen zu können, sich durch einen anderen eine Tätigkeit besorgen lässt oder einen anderen zu einer Tätigkeit veranlasst, obwohl er wissen musste, dass der andere durch die Ausübung der Tätigkeit eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 1 begeht, oder dies nach seinem Beruf oder seiner Beschäftigung bei Anwendung entsprechender Aufmerksamkeit wissen konnte, ...“. Damit würden viele Verfahren, die sich auf „Eigenbestätigungen“ verlassen hatten, mitten in der Auftragsabwicklung blockierbar.

Das kann nicht der Sinn einer Gesetzesänderung sein.

Zu § 70

Vorgeschlagen wird, in den Absätzen 3 und 4 dieser Bestimmung die Formulierung „Vorlage bestimmter Nachweise“ durch „Vorlage der festgelegten Nachweise“ zu ersetzen, da diese Festlegung gemäß Abs. 1 ohnehin durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt – und somit nicht standardisiert – vorzunehmen ist und somit eine weitere „Bestimmung“ zusätzlichen Aufwand beim Auftraggeber verursachen würde.

Unklar ist ferner, ob mit der Bestimmung des letzten Satzes des Absatzes 4 zum Ausdruck gebracht werden soll, dass diesfalls eine Eigenerklärung als nicht hinreichend betrachtet werden darf – eine entsprechende Klarstellung wäre wünschenswert. Diese Bestimmung erscheint auch insoferne nicht als unproblematisch, da aus praktischen Überlegungen die Vorlage der Unterlagen jedenfalls bereits vor der Zuschlagsentscheidung zu bevorzugen wäre, hierdurch aber bereits zu einem früheren Zeitpunkt - zumindest indirekt - eine Information des präsumtiven Zuschlagsempfängers erfolgen würde.

Zu § 80

Gemäß § 80 Abs. 1 ist ein Auftraggeber künftig verpflichtet, bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen bestimmte, in den Z 1 bis 3 genannte Energie- und Umwelt­auswirkungen verpflichtend zu berücksichtigen. § 80 Abs. 3 normiert, dass in der Ausschreibung zumindest ein Schadstoff gemäß § 80 Abs. 1 Z 2 und 3 unter dem gesetzlichen Emissionsniveau festgelegt werden muss.

Wenngleich mit der Neuregelung des § 80 die Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge umgesetzt wird, bedeutet diese Norm einen bedenklichen Eingriff in die Dispositionsfreiheit der Auftraggeber, zumal bereits jetzt in § 19 Abs. 5 der geltenden Fassung des BVergG auf Umweltgerechtheit der Leistung Bedacht zu nehmen ist.

Das BVergG ist eine Verfahrensnorm zur Beschaffung von Leistungen durch öffentliche Auftraggeber. Die Bestimmungen betreffend die Beschaffung von Straßenfahrzeugen sind demgegenüber reine Inhaltsvorschriften und somit materienfremd. Die Umsetzung der Richtline 2009/33/EG, die Spezifikationen für zu beschaffende Fahrzeuge enthält, in dieser Verfahrensnorm ist unseres Erachtens systematisch verfehlt.

Von einer Regelung im Rahmen des BVergG wäre daher Abstand zu nehmen.

Zu den §§ 312 Abs. 3 Z 7, 334 Abs. 8 und 9

Durch diese Bestimmungen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, dass das Bundesvergabeamt (BVA) in bestimmten, durch das Gesetz normierten Fällen, Geldbußen verhängt, die wirksam, angemessen und abschreckend sein müssen. Damit wird das BVA von einer Rechtschutzbehörde zu einer Strafbehörde, wobei der Entwurfstext das Wort „Strafe“ vermeidet. Diese Kompetenzerweiterung ist dem BVA als Rechtsschutzbehörde fremd, wodurch es eine andere Qualität erhielte.

Das BVA hat auch nicht über Schadenersatzansprüche, die sich in Konsequenz der Entscheidungen ergeben, abzusprechen; diese sind dem BVA wesensfremd, was in gleicher Weise auch für die Geldbußen zu gelten hat.

Weiters ist zu bedenken, dass die Bekämpfung der Bußgeldhöhe nur mit einer Bekämpfung des gesamten Feststellungsbescheides möglich sein wird, was zu Rechtsunsicherheit führen kann.

So wie die Zuerkennung von Schadenersatzansprüchen übergangener Bewerber und Bieter (auch weiterhin) in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fällt, sollte die Verhängung von derartigen Geldbußen, wenn man sie überhaupt braucht, besser Strafbehörden (z. B. UVS) übertragen werden, damit das BVA nicht mit eigentlich wesensfremden Aufgaben überfrachtet wird.

Zu § 321 Abs. 4

Der Wegfall des § 321 Abs. 2 Z 1 alt in Verbindung mit der neuen Regelung des Abs. 4, der lediglich eine allgemeine Verlängerung bei Angebotsfrist, Frist zu Vorlage von Wettbewerbsarbeiten oder Teilnahmefrist vorsieht, wenn diese mehr als 17 Tage beträgt, führt dazu, dass insbesondere die Ausschreibungs- oder Wettbewerbsunterlagen auch nach Ende der Angebotsfrist bzw. der Frist zu Vorlage von Wettbewerbsarbeiten bekämpfbar sind. Dies bedeutet de facto eine Aufweichung der Präklusion (die Angebote wurden schon geöffnet, somit sind die Preise den Mitbewerbern bekannt).

Es wäre somit jedenfalls sicherzustellen, dass auch bei der Angebotsfrist, der Frist zur Vorlage von Wettbewerbsarbeiten oder der Teilnahmefrist von 17 Tagen oder weniger der Antrag auf Nachprüfung vor Ablauf dieser Fristen einzubringen ist.

Mit freundlichen Grüßen
Für den Hauptverband: