Amt der Steiermärkischen Landesregierung

 

 

Fachabteilung11A

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Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend

 

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è Soziales, Arbeit und Beihilfen

                                                                   

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GZ:

FA1F-16.01-18/2006-7

Bezug:

BMWFJ-421600/0009-II/2/2009

Graz, am 11. November 2009

 

Ggst.:

Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2010 (B-KJHG 2010);

Stellungnahme des Landes Steiermark.

 

 


 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zu dem mit do. Schreiben vom 16. Oktober 2009, obige Zahl, übermittelten Entwurf des Bundes-Kin­der- und Jugendhilfegesetz 2010 wird seitens des Landes Steiermark folgende Stellungnahme abgege­ben:


 

Allgemeines:

Seitens des Landes Steiermark darf vorab festgehalten werden, dass der nunmehr zur Begutachtung übermittelte Entwurf eines Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2010 (B-KJHG 2010) im Ver­gleich zum im Herbst 2008 ausgesandten Entwurf eines Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2009 (B-KJHG 2009) einige wesentli­che Änderungen beinhaltet, die ausdrücklich begrüßt werden. Auf die Stellungnahme des Landes Steiermark zum Entwurf des Vorjahrs (GZ: FA1F-16.01-18/2006-6, Be­zug: BMGFJ-421600/0037-II/2/2008) vom 14. November 2008 darf in diesem Zusammenhang hin­gewiesen werden.

 

Es darf angemerkt werden, dass nach wie vor in einigen Bestimmungen (§ 1 Abs. 2 und Abs. 3, § 4 Z. 4, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 bis 4, etc.) das Wort „beziehungsweise“ verwendet wird, wobei nicht im­mer eindeutig beurteilt werden kann, ob dieses Wort als „und“ oder als „oder“ zu lesen ist. Es wird noch einmal ersucht, bereits im Gesetzestext eine eindeutige Formulierung zu finden, um hier allfäl­lige unter­schiedliche Interpretationsmöglichkeiten hintanhalten zu können.

 

Zu den Kosten:

Gemäß Art. 1 Abs. 3 der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus muss in die Erläuterun­gen jedes Gesetzesentwurfs eine Darstellung der finanziellen Auswirkungen aufgenommen werden.

Festgehalten werden soll, dass das Land Steiermark im Jahr 2008 zum Begutachtungsentwurf des B-KJHG 2009 Verhandlungen nach dem Konsultationsmechanismus verlangt hatte, da dieser Ver­pflichtung nicht hinreichend nachgekommen wurde.

Im gegenständlichen Begutachtungsentwurf (Erläuternde Bemerkungen) wird auf die Bedenken der Länder eingegangen und versucht, die Kosten darzustellen, weshalb hinsichtlich dieses Entwurfes seitens des Landes Steiermark keine Verhandlungen nach dem Konsultationsmechanismus mehr ge­fordert werden.

Dennoch ist zu der getroffenen Kostendarstellung Nachstehendes auszuführen:

1.         Der Entwurf des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2010 enthält in seinen Erläuterungen eine Darstellung der Kosten zu den Regelungen betreffend

·         die Gefährdungsabklärung und das 4-Augenprinzip (§ 22),

·         die Hilfeplanung und das 4-Augenprinzip (§ 23) und

·         den Entfall der Kostenersatzpflicht des Minderjährigen bzw. jungen Erwachsenen (§ 30).

Er beziffert die daraus entstehenden Mehrkosten mit jährlich insgesamt € 2.020.260,70.

Dazu ist festzuhalten, dass nicht genau nachvollziehbar ist, welche Parameter den Annahmen zur Kostenschätzung zugrunde gelegt wurden. Nach Ansicht des Landes Steiermark erscheint es sehr wahrscheinlich, dass die veranschlagten Kosten, insbesondere im Bereich der angenommenen Perso­nalkosten, in der Umsetzung wesentlich höher sein werden als dargestellt.

Ungeachtet der voraussichtlich entstehenden Kosten soll aus fachlicher Sicht außer Streit gestellt wer­den, dass die vorliegenden Regelungen im Bereich der Gefährdungsabklärung und der Hilfeplanung vom Land Steiermark als wichtige Verbesserungen befürwortet werden.

Auch die beabsichtigte Abschaffung der Kostenersatzpflicht von Minderjährigen und jungen Erwach­senen bedeutet einen Einnahmenentfall, dessen finanzielle Relevanz nicht seriös abgeschätzt werden kann. Es ist davon auszugehen, dass dieser relativ gering sein wird, zumal im derzeit geltenden StJWG jetzt schon im Rahmen einer gesetzlichen Härteregelung die Möglichkeit besteht, von einem Kosten­ersatz bei Minderjährigen abzusehen.

2.         Soweit in den Erläuterungen auf die im Rahmen des Begutachtungsverfahrens 2008 vorgebrach­ten Argumente der Bundesländer betreffend Dokumentation, Personalschlüssel und fachli­che Standards eingegangen wird, wird sinngemäß ausgeführt, dass diesbezügliche finanzielle Mehr­belastungen aus Sicht des Ministeriums nicht erklärbar wären. Dies deshalb, weil das B-KJHG 2010 die in den Ländern bereits erarbeiteten Standards, Dokumentationssysteme etc. ohnehin nur nachvoll­ziehe und kodifiziere.

Dazu wird in rechtlicher Hinsicht angemerkt, dass die bisher im (freien) Gestaltungsspielraum der Ländern liegenden Aktivitäten mit der nun beabsichtigten Kodifizierung zu einer grundsatzgesetzli­chen Verpflichtung des Landes mit Kostenfolgen (insbesondere im Personalbereich) werden. Aus fachlicher Sicht besteht allerdings kein Zweifel an der Notwendigkeit der Etablierung von Standards. Dass für eine fundierte Jugendwohlfahrtsarbeit (nunmehr: Kinder- und Jugendhilfe) damit eine quan­titativ ausreichende Personalausstattung verbunden sein muss, die realistischer Weise eine Erhöhung des qualifizierten Personalstandes bedeutet, versteht sich von selbst.

3.         Was den Pflegeelternbereich betrifft, bedeutet die Neuformulierung (§ 20 Abs. 3), dass die sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Pflegeeltern nicht mehr verpflichtend gefordert wird (Soll-Bestimmung).

Allerdings soll nach wie vor ein pauschaliertes Pflegekindergeld (bisher Pflegeelterngeld) eingeführt werden, mit dem auch der Aufwand für die Erziehung des Pflegekindes abzugelten ist. In den Erläute­rungen (Allgemeiner Teil) wird ausgeführt, dass mit dieser Umformulierung keine zusätzli­chen Kos­ten entstünden. Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, kann aus den inhaltlichen Erläuterun­gen nicht ohne weiteres geschlossen werden, zumal als Zweck der Pauschalierung die „Gleichbe­handlung von Pflegeeltern und Pflegekindern“ anstelle einer „Abgeltung des individuellen Aufwands“ normiert wird. Eine nähere Erklärung dieser Änderung ist den Erläuterungen nicht zu entnehmen.

Was die Höhe des Pflegekindergeldes betrifft, wird eine bundesweite Harmonisierung angestrebt. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Regelung dazu beitragen wird, den Druck auf die Länder zur Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen für Pflegeeltern auf ein bundesweit einheitliches Niveau zu erhöhen. Realistischer Weise wird dies aller Voraussicht nach derzeit noch nicht antizipier­bare Kostenfolgen nach sich ziehen.

4.         Die in § 16 geregelte Vorsorgeverpflichtung für Soziale Dienste enthält eine demonstrative Aufzählung der ambulanten und stationären Dienste.

Es ist daher damit zu rechnen, dass Soziale Dienste bereits zur Bewältigung des all­täglichen Fami­lienlebens zur Verfügung zu stellen sind, was eine Aufgabenweiterung des KJH-Trä­gers nach sich ziehen und zu Mehrkosten für das Land (und die Sozialhilfeverbände) führen wird. Bisherige Erfah­rungen zeigen, dass allein die Umstrukturierung der landeseigenen Mütterberatung in eine zeitgemäße Beratungs- und Bildungseinrichtung zumindest eine Sozialarbeiterin/einen Sozialar­beiter pro (steiri­schen) Bezirk, also zusätzlich mindestens ca. 14 bis 17 Dienstposten, erfordern wird.

5.         Sonstige kostenrelevante Regelungen

Der mit den sonstigen Neuerungen des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes zu erwartende finan­zielle und personelle Mehraufwand (z. B. im Zusammenhang mit § 37 – Mitteilungspflichten, für ent­sprechende Programmsysteme für die Statistik und die Datenverwendung, für technische Vorkehrun­gen für Datenschutzmaßnahmen sowie für die Verschlüsselung von sensiblen Daten, für die Etablie­rung einer Adoptivelternausbildung und -fortbildung), wird nach Ansicht des Landes Steiermark eben­falls zusätzliche Kosten verursachen.

Auch die Umsetzung der §§ 7, 14 und 40 (z. B. für die Programmsysteme) wird mit Kosten verbunden sein, die in den Erläuterungen nicht (hinreichend) dargestellt werden.

6.         Nach Ansicht des Landes Steiermark dürften die in den Erläuterungen im Zusammenhang mit einer fakultativen (zukünftigen) Änderung des Außerstreitgesetzes in Aussicht gestellten Einsparun­gen für die Jugendwohlfahrtsträger im Sinne der Richtlinien für die Ermittlung und Darstellung der Kostenfolgen neuer Recht setzender Maßnahmen nicht gegengerechnet werden.

 

 


 

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu § 2:

Zum bereits im Entwurf des B-KJHG 2009 genannten Ziel der Reintegration von Kindern und Ju­gendlichen bleibt nach wie vor festzuhalten, dass dieses Ziel die Wiederherstellung funktionierender familiärer Strukturen voraussetzt (siehe Stellungnahme des Landes Steiermark vom 14. November 2008 (GZ: FA1F-16.01-18/2006-6). Dies kann nicht allein von der Kinder- und Jugendhilfe bewerk­stelligt werden, sondern setzt die (Mit-)Verantwortung aller primären Leistungssysteme voraus, die im Rahmen ihrer spezifischen Aufgaben Leistungen für Minderjährige und ihre Familien anzubieten ha­ben.

Zu § 3:

§ 3 Z. 2 sollte aus fachlicher Sicht auch auf Entwicklungsfragen abstellen und könnte wie folgt lauten: „Beratung in Erziehungs- und Entwicklungsfragen sowie familiären Problemen“.

Die in Z. 3 gewählte Formulierung könnte nach wie vor dahingehend interpretiert werden, dass die Kinder- und Jugendhilfe (KJH) auch finanzielle Hilfen zu leisten hätte. Die materielle Absicherung von Minderjährigen und deren Familien kann aber zweifelsfrei nur eine Aufgabe der sozialen Siche­rungssysteme sein, sie kann jedoch keine aus der Kompetenzbestimmung des Art. 12 Abs. 1 Z. 1 B-VG ableitbare selbstständige Leistungsverpflichtung der KJH begründen. Dies sollte daher, um allfäl­lige Missverständnisse vorzu­beugen, dezidiert in den Erläuterungen klargestellt werden.

Mit den Z. 6 und 7 werden bisherige Aufgaben (Zusammenarbeit mit Einrichtungen…) erweitert und neue (Mitwirkung an der Adoption) eingeführt, was eine Mehrbelastung des Kinder –und Jugendhilfe­trägers erwarten lässt.

Zu § 5:

Diese Bestimmung enthält - wie der Vorentwurf - eine Regelung über die Gefährdungszuständigkeit (Abs. 3), verzichtet aber nach wie vor auf eine der geltenden Rechtslage (§ 5 Abs. 2 JWG 1989) ent­sprechende, diese Fälle regelnde Kostenersatzpflicht von oder zwischen den öffentlichen KJH-Trä­gern. Die Gründe dafür werden weiterhin nicht erläutert.


Zu § 7:

Mit der vorliegenden Formulierung wurde das Auskunftsrecht klarer formuliert. Dennoch wird erwar­tet, dass die Auskunftspflicht den KJH-Träger in der Praxis vor nicht unerhebliche Probleme stellen wird, denn eine Trennung von Privat- und Familienleben des Minderjährigen vom Privat- und Fami­lienleben der restlichen Familie (und vice versa) wird in der Praxis höchst schwierig sein.

Die Auskunftspflicht nach Erreichung der Volljährigkeit trifft nach Abs. 3 offenbar nur mehr den KJH-Träger und nicht mehr die private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung. Auch hier werden die Gründe für diese Regelung in den Erläuterungen nicht näher dargestellt.

Zu § 9:

Die in Abs. 1 vorgesehene generelle Verpflichtung zur schriftlichen Dokumentation für alle Leistun­gen im Sinne des 2. Hauptstückes des B-KJHG erscheint zu weitreichend. Angelegenheiten des 2. Hauptstückes, 1. Abschnitt, sollten aus Sicht des Landes Steiermark jedenfalls davon ausgenommen werden.

Im Abs. 3 wäre zu konkretisieren, wer konkret vom Begriff "Auskunftspersonen" umfasst ist.

Der Verweis in Abs. 5 müsste überprüft werden, da § 4 über keinen Abs. 3 verfügt. Es ist davon aus­zugehen, dass der Verweis korrekt „§ 5 Abs. 3“ lauten müsste.

Zu § 11:

Es wird angeregt, dass eine Bedarfsprüfung als Kriterium für die Eignungsfeststellung in den Geset­zesentwurf aufgenommen wird.

Darüber hinaus soll dem Landesgesetzgeber auch die Möglichkeit eingeräumt werden, Ausnahmen von der bescheidmäßigen Eignungsfeststellung zu bestimmen. Die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in das B-KJHG wird daher angeregt.

Zu § 12:

Die Formulierung, auch die Anzahl der erforderlichen Hilfskräfte festzulegen, ist aus fachlicher Sicht als zu ausufernd zu bewerten.

Die Ausrichtung an verbindliche fachliche Standards müsste die Möglichkeit offen halten, auf geän­derte Bedarfslagen flexibel und mit individuellen Gestaltungsmöglichkeiten reagieren zu kön­nen. Eine zu enge Regelung des Grundsatzgesetzgebers könnte daher gerade diese wichtigen Hand­lungsmög­lichkeiten des KJH-Trägers unangemessen beschränken und wird daher abgelehnt.

Zu §§ 13 bis 15:

Nach Ansicht des Landes Steiermark müssten für die Erfüllung des § 15 die bisher im Rahmen der Bundesstatistik erhobenen Daten ausreichen. Jede allenfalls intendierte Ausweitung (insbeson­dere im Hinblick auf § 15 Abs. 1 Z.1) wäre mit einem erheblichen finanziellen, personellen und ver­waltungs­technischen Mehraufwand verbunden.

Es sollte gesetzlich außer Streit gestellt werden, dass die Mitwirkung an der Statistik - wie bislang - dem freien Gestaltungsspielraum des Landes vorbehalten bleibt.

Während der Entwurf des Vorjahrs (§ 14 B-KJHG 2009) noch einen bundesweiten Bericht vorgesehen hatte, wurde diese Regelung im nun vorliegenden Entwurf des § 15 nicht mehr übernommen. Den Erläuterungen ist nicht zu entnehmen, warum diese Bestimmung entfallen ist.

Zu § 16:

Im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Sozialen Dienste „nach eigenem Ermessen“ (Abs. 2), darf zu bedenken gegeben werden, dass auf Grund fehlender oder nicht korrekter Informa­tion unter Umständen nicht die adäquaten Dienste im erforderlichen Ausmaß in Anspruch genommen werden könnten, was zu einem ineffizienten Mitteleinsatz führen könnte. Dem KJH-Träger ist hier, insbesondere soweit ein Kostenzuschuss gewährt wird, jedenfalls ein qualifiziertes Mitspracherecht einzuräumen.

Zu § 17:

Wie bereits zu § 11 angeregt, sollte eine Bedarfsprüfung ein Kriterium für eine Bewilligung darstellen. Dies sollte auch bei der Bestimmung des § 17 Berücksichtigung finden.

Auch die dem Landesgesetzgeber im geltenden JWG 1989 eingeräumte Möglichkeit, Ausnahmen von der Bewilligungspflicht zu bestimmen, sollte beibehalten bleiben und daher auch im B-KJHG wieder vorgesehen werden.

Zu § 18:

In der Praxis der vergangenen Jahre haben sich auf Grund der Bedarfslagen neben den Dauerpflege­verhältnissen weitere Formen von Pflegeplatzunterbringungen entwickelt. Diese reichen von familien­begleitenden Pflegeplätzen bis hin zu vorübergehenden Krisenunterbringungen, die ihrer Art nach nicht auf Dauer, sondern auf einen vorübergehenden Zeitraum ausgelegt sind.

Um eine diesbezügliche Absicherung bestehender und eine Weiterentwicklung neuer Pflegplatzange­bote zu ermöglichen, wird angeregt, dies durch eine entsprechend offenere Regelung im Grundsatzge­setz abzusichern.

Zu § 19:

Die Möglichkeit, dass auch private Träger für die Pflegeplatzvermittlung zugelassen werden können, besteht nach der Formulierung des § 19 nicht mehr, da private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen nur mehr zur Vorbereitung sowie zur fachlichen Begleitung herangezogen werden können (Abs. 1, zweiter Satz). Im Zusammenhang mit den Ausführungen zu § 18 wird ersucht, die bestehende Rege­lung des geltenden § 15 Abs. 3 JWG 1989 sinngemäß wieder aufzunehmen, um die Vermittlung von Pflegeplätzen durch private Träger, insbesondere im Rahmen besonderer Formen von Pflegeplatzun­terbringungen, weiterhin zu ermöglichen.

In den Erläuterungen zu § 19 Abs. 3 betreffend die Eignungsbeurteilung wären die demonstrativ ge­nannten Kriterien dahin gehend zu ergänzen, dass auch auf die Eigenreflexionsfähigkeit sowie die Gründe für den Wunsch nach einem Pflegekind abgestellt wird.

Zu § 20:

Es ist unklar, was nunmehr unter dem pauschalierten Pflegekindergeld konkret zu verstehen ist, zumal im Gegensatz zum Entwurf B-KJHG 2009 eine Abgeltung der Erziehungsleistung in Abs. 2 nicht mehr umfasst scheint.

Zu § 21:

Laut Entwurf sollen private Pflegeverhältnisse bewilligungspflichtig sein, wobei die Tätigkeit des KJH-Trägers durch eine Anzeige gemäß Abs. 2 ausgelöst wird. Nicht gänzlich klar ist allerdings (Abs. 2), ob die Übernahme von Kindern in Pflege und Erziehung bereits mit Anzeige oder erst nach Prüfung und nach erfolgter Bewilligung erfolgen darf (oder: Eine Bewilligung nach Abs. 1 muss er­teilt sein; erst wenn dieser Rechtstitel vorliegt, kann die Übernahme eines Pflegekindes erfolgen und nur der Akt der konkreten Übernahme unterliegt der Anzeigepflicht nach Abs. 2 [?]) . Eine diesbezüg­liche Klarstellung in den Erläuterungen wäre wünschenswert.

Ebenso bedarf es einer Klarstellung, ob die Pflegeaufsicht (Abs. 4) nur für Pflegekinder bis zum 14. Lebensjahr vorgesehen ist oder bis zur Erreichung der Volljährigkeit des Pflegekindes. Es wird daher angeregt, die Dauer der Pflegeaufsicht konkret zu normieren, damit unterschiedliche Interpreta­tionen apriori vermieden werden.

Nach Abs. 4 ist die Bewilligung zu widerrufen, wenn die Eignungsvoraussetzungen nicht mehr vorlie­gen. Aus der Bestimmung des Abs. 3 lässt sich allerdings nicht zweifelsfrei schließen, dass „nur“ die Eignung zu prüfen wäre. Oder: es wäre klarzustellen, ob die in Abs. 3 demonstrativ dargestellten Er­fordernisse den [Mindest-] Maßstab der Eignungsprüfung definieren.

Es sollte daher zur Hebung der Rechtssicherheit (insbesondere in den Abs. 3 und 4) auf eine einheitli­che Terminologie Bedacht genommen werden, da ein Widerruf der Bewilligung sowohl für das betrof­fene Pflegekind als auch für die Pflegeperson/en erhebliche Auswirkungen haben kann.

Zu § 21a:

Im Gegensatz zum Entwurf des B-KJHG 2009 wurde die bestehende Bestimmung des JWG 1989 be­treffend die Tagesbetreuung in den Entwurf des B-KJHG 2010 aufgenommen. Die Aufsicht soll dem Jugendwohlfahrtsträger (müsste im Sinne einer einheitlichen Terminologie wohl „Kinder- und Ju­gendhilfeträger“ lauten) obliegen.

Nach den Erläuterungen sollen von der gegenständlichen Regelung diejenigen Angebote nicht umfasst sein, die die Bundesländer im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 14 Abs. 4 B-VG (Kindergarten und Hortwesen) regeln. Eine klare kompetenzrechtliche Abgrenzung im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 Z. 1 und Art. 14 Abs. 4 lit. b B-VG wird auch durch die vorliegenden Erläuterungen nicht getroffen, da nicht überzeugend dargetan werden kann, warum ein Kindergarten oder Hort als Institution für vorschulisches Bildungsangebot anzusehen ist und warum eine Tagesbetreuung im Sinne des B-KJHG 2010 hier andere (und wenn ja, welche?) Aufgaben erfüllt.

Angemerkt werden darf, dass in der Steiermark das Tagesmütter/-väter/wesen (Bewilligung und Auf­sicht) schon seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Kindergarten- und Hortwesen im Steiermärkischen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetz, LGBl. Nr. 22/2000 i. d. F. LGBl. Nr. 105/2008, geregelt ist.

Der vorgeschlagene § 21a würde demnach in einen in der Steiermark bereits nach Art. 14 B-VG gere­gelten Bereich eingreifen.

Es wird daher vorgeschlagen, diese Bestimmung ersatzlos zu streichen.

Für den Fall, dass diese Regelung dennoch beibehalten werden sollte, wird in legistischer Hinsicht eine durchgehende Nummerierung der Paragrafenbezeichnungen vorgeschlagen, da die Bezeichnung § 21“a“ in einem Stammgesetz nicht üblich ist.

Zu § 22:

In Abs. 3 sollte ergänzend klargestellt werden, dass die Befragung des betroffenen Minderjährigen auch ohne Einverständnis der Eltern oder anderer mit Pflege und Erziehung betrauter Personen und an jedem geeigneten Ort zulässig sein soll.

Es soll in den Erläuterungen zu dieser Bestimmung eindeutig festgehalten werden, dass auch bei jün­geren Kindern zur Gefährdungsabklärung ein Hausbesuch zwingend erforderlich ist, da bezweifelt wird, dass eine pädiatrische Untersuchung allein in jedem Fall die erforderliche Klärung bewerkstelli­gen kann.

In Abs. 5 sollte darüber hinaus das Wort „tunlichst“ ersatzlos gestrichen werden, da diese sehr weich (und sprachlich antiquiert) gehaltene Formulierung auch die Expertise einer einzigen Fachkraft für zulässig erklärt, was in fachlicher Hinsicht einen enormen Rückschritt darstellen würde. Es muss da­her gesetzlich zweifelsfrei dafür Sorge getragen werden, dass die Gefährdungseinschätzung immer von zumindest zwei Fachkräften getroffen wird.

Ein allgemeines Auskunftsrecht der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe sowie ein Betretungsrecht von Wohnräumlichkeiten müsste im Rahmen der Gefährdungsabklärung ebenfalls deutlicher verankert werden. Die Position der Kinder- und Jugendhilfe hinsichtlich der Erzwingbarkeit der Betretung von Wohnungen sollte eindeutig gestärkt werden.

Derzeit erscheint das Sicherheitspolizeigesetz nicht ausreichend, um der Bundespolizei die Öffnung von Wohnungen in Gegenwart von MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt zu ermöglichen. Es wird daher vorgeschlagen,  entsprechende Betretungsrechte mit Assistenz- und Hilfeleistungspflichten durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Bundespolizei) auch im B-KJHG 2010 festzu­schreiben.

Zu § 23:

Auch in Abs. 3 sollte das Wort „tunlichst“ ersatzlos gestrichen werden, da diese sehr weich (und sprachlich antiquiert) gehaltene Formulierung auch die Expertise einer einzigen Fachkraft für zulässig erklärt. Es muss auch bei der Erziehungshilfe gesetzlich zweifelsfrei dafür Sorge getragen werden, dass die Entscheidung über die im Einzelfall erforderliche Erziehungshilfe von zumindest zwei Fach­kräften getroffen wird.

Zu § 24:

In den Erläuterungen zu § 24 Abs. 2 betreffend die Art und den Umfang der Hilfen wären die de­monstrativ genannten Kriterien dahin gehend zu ergänzen, dass auch auf die Eigenreflexionsfähigkeit sowie die Gründe für den Wunsch nach einem Pflegekind abgestellt wird.

Zu § 25:

Der Inhalt des Abs. 2 erscheint unklar, insbesondere ist nicht verständlich, wie eine Maßnahme der Unterstützung Arztbesuche und Einschränkungen des Personenkontaktes umfassen soll.

Auch die Erläuterungen führen dazu nichts Näheres aus. Aus diesem Grund muss die Exequierbarkeit dieser Bestimmung in Frage gestellt werden.


Zu § 26:

Die Diskussion, ob eine Betrauung des KJH-Trägers zur Gänze mit Pflege und Erziehung nur als Kon­sequenz des § 28 oder aber auch als solche des § 27 erfolgen kann, erscheint als nicht abgeschlossen. Um dies außer Streit zu stellen, wird um eine entsprechende Klarstellung in Abs. 1 ersucht.

Zu § 30:

Die Kosten der Hilfen zur Erziehung sind grundsätzlich Kosten der Erziehung der/des Minderjährigen und damit Kosten zur Deckung ihrer/seiner Lebensbedürfnisse. Daher richten sich die Regeln über die Tragung bzw. den Ersatz dieser Kosten gemäß dem geltenden JWG 1989 nach dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht, das eine Beitragspflicht von Kindern zur Bedeckung ihres Unterhaltes im Falle eige­ner Einkünfte berücksichtigt.

Künftig kann der Kostenersatzanspruch des KJH-Trägers nur mehr gegen die Unterhaltspflichtigen selbst geltend gemacht werden. Bei jungen Erwachsenen ist eher anzunehmen, dass diese über eigenes Einkommen verfügen, wodurch ihr Unterhaltsanspruch vermindert wird oder auch gänzlich entfallen kann. Es ist zu erwarten, dass die beabsichtigte Neuregelung in Verbindung mit § 29 dazu führen wird, dass der KJH-Träger seinen Anspruch auf Kostenersatz in Zukunft nur mehr im Rahmen dieser redu­zierten Unterhaltspflicht geltend machen bzw. bei deren Entfall grundsätzlich nicht mehr ansprechen wird können.

Zu den §§ 31 bis 34:

In Zusammenhang mit § 34 sollte in Abs. 2 aus Gründen der Rechtssicherheit entweder der Terminus „Eignungsbeurteilung“ oder  „Eignungsfeststellung“ verwendet werden. Unterschiedliche Begriffe erzeugen einen Erklärungsbedarf.

Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass eine Vermittlungstätigkeit bei der grenzüberschreitenden Adop­tion durch den KJH-Träger nicht geleistet werden kann, da diese nur dem Herkunftsland des Kindes möglich ist.

Außerdem sollten in den Erläuterungen zu § 34 Abs. 2 betreffend die Eignungsbeurteilung die de­monstrativ genannten Kriterien dahingehend ergänzt werden, dass auch auf die Eigenreflexionsfähig­keit sowie die Gründe für den Wunsch nach einem Pflegekind abgestellt wird.

In § 31 Abs. 4 könnte das dort normierte Auskunftsrecht im Spannungsverhältnis zur „Inkognito-Adoption“ stehen.

Im Hinblick auf die „Inkognito-Adoption“ wäre das Ziel zu formulieren, dass diese die Ausnahme darstellen sollte und grundsätzlich eine offene Adoption angestrebt wird. Aus fachlicher Sicht muss festgehalten werden, dass das Wissen um die Herkunft und die familiären Wurzeln, insbesondere in der Zeit der Pubertät, als essentiell einzustufen ist.

Zu § 37:

Die erweiterten Regelungen über die Mitteilungspflichten werden fachlich begrüßt. Es ist jedoch da­mit zu rechnen, dass ein Ansteigen der Meldungen einen zusätzlichen Personalbedarf im Bereich der Ge­fährdungsabklärung erwarten lassen, was mit Mehrkosten verbunden ist.

Gemäß den Erläuterungen zu Abs. 4 könnte die schriftliche Mitteilung auch per Fax erfolgen.

Unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes erhebt sich hier die Frage, ob derart sensible Daten wie Gefähr­dungsmitteilungen („Angaben über alle relevanten Wahrnehmungen und daraus gezogenen fachlichen Schlussfolgerungen sowie Namen und Adressen der betroffenen Kinder und Jugendlichen“) rechtens via Fax übermittelt werden können.

 


 

Dem Präsidium des Nationalrates werden unter einem 25 Abdrucke dieser Stellungnahme zugeleitet. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die E-Mail Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at.

 

 

Für die Steiermärkische Landesregierung

Der Landesamtsdirektor

 

(Dr. Gerhard Ofner)